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Zur Höhe der Vergütung des Nachlasspflegers mit landwirtschaftlicher Ausbildung:
Verfügt der Nachlasspfleger über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Pflegschaft nutzbar sind, so kann sich im Einzelfall die Vergütung erhöhen, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
Besondere Kenntnisse, die durch eine Ausbildung erworben und für die Führung einer Nachlasspflegschaft nutzbar gemacht werden können, sind nur solche, die im "Kernbereich" der Ausbildung gestanden haben.
Im Rahmen der Ausbildung zum Landwirt werden keine besonderen Kenntnisse vermittelt, die für die Führung der Nachlasspflegschaft nutzbar sind.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 18.05.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Warstein vom 06.10.2021 in Verbindung mit dem weiteren Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Warstein vom 20.10.2021 abgeändert:
Dem Beteiligten zu 1. wird für seine Tätigkeit eine Vergütung aus der Landeskasse in Höhe von 253,29 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 68,46 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Erblasser verstarb am 19.07.2021 im Alter von 57 Jahren in Warstein.
4Auf Anregung der Vermieterin des Erblassers bestellte das Amtsgericht – Nachlassgericht - Warstein mit Beschluss vom 11.08.2021 den Beteiligten zu 1., einen staatlich geprüften Landwirt, für die unbekannten Erben zum Nachlasspfleger. Der Beschluss enthielt die Feststellung, dass der Beteiligte zu 1. das Amt des Nachlasspflegers berufsmäßig ausübt. Der Wirkungskreis umfasste die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses (Bl. 2 GA).
5Nach Abschluss seiner Tätigkeit beantragte der Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 17.09.2021 unter näherer Darlegung zunächst, die ihm zu gewährende Vergütung auf 398,98 € festzusetzen, und bat insofern um Ausgleich durch den Justizfiskus (Bl. 21 GA). Unter dem 06.10.2021 erließ das Amtsgericht - Nachlassgericht - Warstein einen antragsgemäßen Beschluss (Bl. 31 GA).
6Allerdings hatte der Beteiligte zu 1. bereits zuvor mit Schriftsatz vom 20.09.2021 mitgeteilt, dass zum Ausgleich seiner Vergütung auch ein Nachlassguthaben in Höhe von 76,98 € zur Verfügung stehe (Bl. 28 GA). Unter Hinweis darauf hatte er seinen ursprünglichen Antrag dahingehend modifiziert, dass seine Vergütung durch Genehmigung zur Entnahme aus dem Nachlass in Höhe von 77,23 € sowie im Wege des Ausgleichs durch den Fiskus in Höhe von 321,75 € zu begleichen sei. In letztgenannter Hinsicht begehrte er neben einer Pauschale von 0,30 € für 31 km Fahrtstrecke und der gesetzlichen Mehrwertsteuer insbesondere die Vergütung von 8,85 Arbeitsstunden (= 531 Minuten) zu je 29,50 € (Bl. 30 GA). Mit Beschluss vom 20.10.2021 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Warstein den vorangegangenen Beschluss vom 06.10.2021 dementsprechend abgeändert. Danach sollte für die Vergütung des Beteiligten zu 1. ein Teilbetrag in Höhe von 77,23 € dem Nachlass entnommen und der weitergehende Betrag in Höhe von 321,75 € aus der Landeskasse erstattet werden (Bl. 34 GA).
7Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Schriftsatz vom 16.12.2021 Erinnerung eingelegt, soweit eine aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung des Beteiligten zu 1. von mehr als 253,29 € festgesetzt worden ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ihm der Festsetzungsbeschluss erst am 09.12.2021 bekannt gegeben worden sei. In der Sache selbst hat der Beschwerdeführer die Ansicht vertreten, dass die von dem Beteiligten zu 1. abgeschlossene Ausbildung zum Landwirt keine Erhöhung des Stundensatzes auf 29,50 € rechtfertige. Vielmehr seien insofern nur 23,00 € pro Stunde zu veranschlagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 16.12.2021 Bezug genommen (Bl. 47/47R GA).
8Daraufhin hat die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Warstein dem Beschwerdeführer zwar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, der Erinnerung inhaltlich aber nicht abgeholfen und die Sache der Abteilungsrichterin zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die Ausbildung des Beteiligten zu 1. als staatlich geprüfter Landwirt gerade in typischen Sachverhaltskonstellationen von Nachlassfällen in dem ländlich geprägten Bezirk des Amtsgerichts Warstein brauchbar sei. Er verfüge daher über Kenntnisse im Sinne der §§ 1915 Abs. 1 Satz 2, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB, 3 Abs. 1 Satz 2 VBVG, die einen Stundensatz von 29,50 € rechtfertigten (Bl. 49 GA).
9Durch richterlichen Beschluss vom 09.05.2022 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Warstein sodann die Erinnerung zurückgewiesen Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Ausbildung zum Landwirt zu einen erheblichen Anteil kaufmännische Kenntnisse verlangt werden würden. Zudem würde zu dem unterrichteten Fach Landtechnik auch der Bereich der Bodenkunde gehören, der auch Kenntnisse zu den wertbildenden Faktoren für die Bewertung von Grundstücken vermittele. Diese Kenntnisse seien bei Nachlasspflegschaften gerade im ländlichen Raum von großer Bedeutung. Kleinere Gerichte könnten auch nur dann geeignete Nachlasspfleger gewinnen, wenn sie eine auskömmliche Vergütung in Aussicht stellen würden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Warstein vom 09.05.2021 verwiesen (Bl. 67-69 GA).
10Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Warstein hat die Beschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen.
11Mit Schriftsatz vom 18.05.2022 hat der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Beschluss Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist er darauf, dass die Ausbildung des Beteiligten zu 1. zum Landwirt nur Grundkenntnisse im Bereich der Wirtschaftslehre vermittele, die nicht im Kernbereich stünden. Im Bereich der Bodenkunde werde zuvorderst die Bestellung der landwirtschaftlichen Flächen gelehrt. Der Ausbildungsordnung lasse sich auch die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich des Grundbuchrechts und des Miet- und Pachtrechts nicht entnehmen. Fragen der Verkehrswertbestimmung von Grundstücken seien ebenso wenig Gegenstand der Ausbildung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftliche Beschwerdebegründung vom 18.05.2022 Bezug genommen (Bl. 71-75 GA).
12Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Warstein hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
13II.
14Die Beschwerde des Beschwerdeführers hat Erfolg.
151.
16Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerde vorliegend gemäß §§ 59, 61 Abs. 2 FamFG statthaft, weil das Amtsgericht – Nachlassgericht – Warstein sie in seinem Beschluss vom 09.05.2022 ausdrücklich zugelassen hat. Das Rechtsmittel ist ferner form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 63 ff. FamFG).
172.
18Die Beschwerde ist auch begründet.
19Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Warstein hat die Vergütung des Beteiligten zu 1., soweit sie aus der Landeskasse zu erstatten ist, zu Unrecht auf 321,75 € festgesetzt, denn der von dem Beteiligten zu 1. zu beanspruchende Stundensatz beträgt nur 23,00 € und nicht etwa 29,50 €.
20Der Vergütungsanspruch eines berufsmäßigen Nachlasspflegers richtet sich nach §§ 1915 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 1836 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB in Verbindung mit den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Vergütung ist dabei zwischen einem vermögenden (d. h. einem nicht mittellosen) Nachlass und einem mittellosen Nachlass zu differenzieren (Kroiß/Ann/Mayer, Erbrecht, 5. Auflage, BGB § 1960, Rn. 104).
21Der Nachlass in dem vorliegenden Fall ist jedenfalls insoweit mittellos, als die festzusetzende Vergütung des Beteiligten zu 1. über einen Betrag in Höhe von 77,23 € hinausgeht, so dass die übersteigende Vergütungshöhe entsprechend § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB nach den Sätzen für unbemittelte Nachlässe gemäß § 3 Abs. 1 VBVG zu bestimmen ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.06.2018, Aktenzeichen 21 W 75/18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29.05.2017, Aktenzeichen 8 W 110/17). Gemäß § 3 Abs. 1 VBVG beträgt die dem Vormund zu bewilligende Vergütung für jede Stunde 23,00 €. Verfügt der Vormund über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, so erhöht sich der Stundensatz auf 29,50 €, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
22Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Der Beteiligte zu 1. verfügt über keine besonderen Kenntnisse in diesem Sinne, die für die Führung der Nachlasspflegschaft nutzbar sind und ihm durch eine abgeschlossene Ausbildung vermittelt worden wären. Soweit er die Fachhochschulreife besitzt, handelt es sich schon nicht um eine abgeschlossene Ausbildung, sondern um einen Schulabschluss. Durch seine Ausbildung zum Landwirt wurden ihm auch keine für die Führung der Nachlasspflegschaft nutzbaren besonderen Kenntnisse vermittelt.
23Besondere Kenntnisse, die durch eine Ausbildung erworben und für die Führung einer Nachlasspflegschaft nutzbar gemacht werden können, sind nämlich nur dann zu bejahen, wenn sie im "Kernbereich" der Ausbildung gestanden haben. Kenntnisse, die wegen der Komplexität der betreffenden Fachrichtung daneben erworben worden sind und auch die Vermittlung nachlassrelevanter Kenntnisse zum Inhalt haben, reichen als am Rand des Studiums erworbene Kenntnisse nicht aus (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.10.2000, Aktenzeichen 3Z BR 195/00; BayObLG FamRZ 2000, 844; OLG Frankfurt FamRZ 2005, 1279).
24Vom “Kernbereich“ der Ausbildung ist nur dann auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet und nach Inhalt und Umfang der Ausbildung sichergestellt ist, dass dieses über bloßes Grundwissen deutlich hinausgeht (BGH, Beschluss vom 08.02.2012, Aktenzeichen XII ZB 230/11; OLG Naumburg, Beschluss vom 06.05.2013, Aktenzeichen 2 Wx 54/12). Die besonderen Kenntnisse müssen bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen (OLG Naumburg OLG-Report 2005, 184 f.; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 349 f; OLG Jena NJW 2003, 379).
25Im Rahmen der Ausbildung zum Landwirt werden jedoch nur Grundzüge der Wirtschaftslehre vermittelt, und zwar in den Prüfungsfächern betriebliche Zusammenhänge, Fachrechnen, Wirtschafts- und Sozialkunde. Die hier vermittelten Inhalte stehen für sich nicht im Kernbereich der Ausbildung, selbst wenn man von einem 30%-igen Anteil während der Ausbildung ausgeht. Die Kenntnisse eines Landwirtes in diesem Bereich reichen daher nicht über Grundwissen hinaus. Zudem beschränken sich die vermittelten Inhalte auf landwirtschaftliche und betriebliche Vorgänge, so dass eine Nutzbarkeit für die Führung der Nachlasspflegschaft nicht gegeben ist. Für die Führung einer Nachlasspflegschaft nutzbare Fachkenntnisse sind nämlich nur solche, die den Nachlasspfleger befähigen, seine Aufgaben besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BT-Drucksache 13/1758 S. 14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Dass im Rahmen der Ausbildung zum Landwirt darüber hinaus Kenntnisse im Grundbuchrecht, im Miet- und Pachtrecht sowie der wertbildenden Faktoren für die Bewertung von Grundstücken vermittelt werden, lässt sich weder der Prüfungsordnung entnehmen noch wurde dies seitens des Beteiligten zu 1. dargetan. Der im Rahmen der Ausbildung vermittelte Bereich der Bodenkunde bezieht sich auf die Bestellung einer landwirtschaftlichen Fläche. Insoweit ist eine Nutzbarkeit dieser Kenntnisse für die Ausübung des Amtes eines Nachlasspflegers ebenfalls nicht ersichtlich.
26Gründe für die Bewilligung eines erhöhten Stundensatzes von 29,50 € liegen daher nicht vor. Der Senat möchte dabei nicht in Zweifel ziehen, dass der Beteiligte zu 1. über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Nachlasspflegschaft allgemein und im konkreten Fall nutzbar sind. Er hat diese Kenntnisse jedoch nicht durch eine abgeschlossene Ausbildung im Sinne der vorliegend einschlägige gesetzlichen Vorgaben erworben. Fortbildungen, Lebens- und Berufserfahrungen sind grundsätzlich nicht als Quelle für den Erwerb von vergütungserhöhenden besonderen Kenntnissen im Sinne von § 3 Abs. 1 VBVG anzuerkennen (BGH NJW-RR 2012,452; OLG Naumburg, Beschluss vom 06.05.2013, Aktenzeichen 2 Wx 54/12). Insoweit rechtfertigt daher auch der Umstand, dass der Beteiligte zu 1. zertifizierter Nachlasspfleger ist, den erhöhten Stundensatz ebenso wenig wie die durch langjährige entsprechende Tätigkeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten.
27Das Argument, dass kleinere Gerichte nur dann geeignete Nachlasspfleger gewinnen könnten, wenn sie eine auskömmliche Vergütung in Aussicht stellen würden, verfängt ebenso nicht. Denn mit dem nach der Art der Ausbildung gestaffelten Stundensatz wollte der Gesetzgeber den Gerichten eine leicht zu handhabende Regelung zur Verfügung stellen und auf diese Weise eine einheitliche Vergütungspraxis sichern (BGH, Beschluss vom 04.04.2012, Aktenzeichen XII ZB 447/11, Rn. 22; BGH, Beschluss vom 18.01.2012, Aktenzeichen XII ZB 409/10, NJW-RR 2012, 452 f). Die Stundensätze gelten daher zwingend (Münchener Kommentar BGB VBVG § 3 Rn. 2).
28III.
29Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Vielmehr handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich mit der konkret-individuellen vergütungsrechtlichen Bewertung der spezifischen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Beteiligten zu 1. auseinandersetzt.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Entscheidung zum Gegenstandswert auf § 61 GNotKG. Der Gegenstandswert wurde in Höhe des Betrages festgesetzt, den der Beteiligte zu 1. gegenüber dem Ergebnis der Vorinstanz als Vergütung weniger erhält.