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Die Einsetzung eines Erben durch Erbvertrag ist gem. § 134 BGB nichtig, wenn sie gegen § 7 WTG NRW verstößt. Bei dem Abschluss des Erbvertrages kann es sich um das Versprechen oder Gewährenlassen von Geld oder geldwerten Leistungen i. S. des § 7 WTG NRW handeln.
Bei einer Person, die Beförderungsfahrten im Rahmen einer Tagespflege ausführt, handelt es sich um einen Beschäftigten des Leistungserbringers i. S. v. § 7 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 4 WTG NRW.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Rheda-Wiedenbrück vom 02.05.2023 wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 350.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer durch notariellen Erbvertrag beurkundeten Erbeinsetzung des Beteiligten zu 3 (= Beschwerdeführer).
4Der am 00.00.0000 geborene Erblasser verstarb am 00.00.0000 im Alter von 00 Jahren ledig und kinderlos. Er hatte eine Schwester, die Antragstellerin des vorliegenden Erbscheinverfahrens und vormalige Beteiligte zu 1, Frau Q. O., geborene D., welche im Laufe des Erbscheinverfahrens verstarb. Die Eltern des Erblassers sind bereits vorverstorben. Bis auf einen verfahrensgegenständlichen Erbvertrag hat der Erblasser keine weiteren testamentarischen Verfügungen hinterlassen. Die Antragstellerin hat im Erbscheinverfahren die Auffassung vertreten, dass der Erbvertrag unwirksam sei und sie den Erblasser deshalb nach gesetzlicher Erbfolge beerbt habe. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
5Der Erblasser und der Beteiligte zu 3, geboren am 00.00.0000, lernten sich etwa im Jahr 2001 erstmals kennen, als der Beteiligte zu 3 die vierte Klasse der W.-schule in C. besuchte, die sich in der Nähe des Wohnhauses des Erblassers befindet. Der Beteiligte zu 3 unterstützte den Erblasser ab und zu im Alltag, indem er zur Aufbesserung seines Taschengeldes zum Beispiel den Rasen mähte. Der Kontakt brach allerdings später ab.
6Für den Erblasser wurde auf seinen Antrag vom 29.01.2018 hin am 22.05.2018 eine Betreuung eingerichtet und Frau V. X. als K. zur Betreuerin bestellt. Die Bestellung umfasste die Bereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern. Hintergrund war eine im April 2018 diagnostizierte beginnende dementielle Erkrankung des Erblassers.
7Zum 01.08.2018 begann der Beteiligte zu 3 im Alter von 00 Jahren eine Tätigkeit bei dem Pflegeteam L. aus C. auf 450€-Basis im Fahrdienst. Der Erblasser besuchte die von der Pflegedienst L. GmbH betriebene Tagespflege Seniorentagesstätte L. in C. als Tagesgast zu diesem Zeitpunkt bereits, spätestens ab dem 01.09.2018 auch an fünf Tagen innerhalb der Woche. Insoweit wurden ihm Kosten für Verpflegung und Unterkunft in Rechnung gestellt. Um zu der Seniorentagesstätte und zurück nach Hause zu gelangen, nahm der wegen eines ca. fünf Jahre zuvor erlittenen Schlaganfalls auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesene Erblasser den Fahrdienst des Pflegeteams L. in Anspruch, wobei eine Fahrt nach den Ausführungen des Beteiligten zu 3 etwa 7 Minuten andauerte. In diesem Rahmen fungierte der Beteiligte zu 3 im Hinblick auf seine Tätigkeit beim Pflegeteam L. ab September 2018 als Fahrer auch des Erblassers, allerdings nicht an allen Wochentagen. Im Zuge dessen traf der Erblasser erstmals wieder auf den Beteiligten zu 3.
8Nicht ganz zwei Monate später, nachdem der Erblasser erstmals wieder auf den Beschwerdeführer im Rahmen der Fahrertätigkeit des Beteiligten zu 3 traf, fand vor dem Notar I. U. in F. am 23.10.2018 ein Beurkundungstermin statt, an welchem der Erblasser und der Beteiligte zu 3 teilnahmen. Im Zuge dessen kam es zur Beurkundung eines Erbvertrages sowie eines Grundstücksverkaufs.
9Zum einen schlossen der Erblasser und der Beteiligte zu 3 einen Erbvertrag (UR.-Nr. ##8/2018). Darin heißt es unter anderem wie folgt:
1016„Die Erschienenen erklärten vorab:
11Ich, der Erschienene zu 1., bin nicht verheiratet. Ich habe keine leiblichen Abkömmlinge.
12Wir wollen einen Erbvertrag durch mündliche Erklärung schließen und sind durch andere frühere Verfügung von Todes wegen hieran nicht gehindert. Wir sind deutsche Staatsangehörige und verlangen keine Hinzuzuziehung von Zeugen.
13Sodann erklärten die Erschienenen mündlich bei gleichzeitiger Anwesenheit:
14Ich, der Erschienene zu 1., setze hiermit den Erschienenen zu 2 zu meinem alleinigen Erben ein.
15Die in dieser Urkunde abgegebenen Erklärungen sollen erbvertraglich bindend sein. Die Erschienenen nehmen die Erklärungen wechselseitig an.“
Ferner verkaufte der Erblasser mit notariellem Kaufvertrag vom gleichen Tag – ebenfalls beurkundet durch den Notar I. U. in F. (UR-Nr.: ##7/2018) – das ihm gehörende Grundstück Gemarkung A. Flur ##, Flurstück ##1 im Wert von jedenfalls nicht unter 150.000,00 € zu einem Kaufpreis von 10.000,00 € an den Beteiligten zu 3. Das Vermögen des Erblassers setzte sich zu diesem Zeitpunkt zusammen aus dem vorgenannten Grundstück sowie einem Barvermögen bei der Kreissparkasse M. in Höhe von ca. 193.000,00 €.
17Nachdem die Betreuerin des Erblassers von diesem Hausverkauf erfuhr, leitete sie ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück ein (3 C 342/18), um im Wege einer einstweiligen Verfügung im Grundbuch von C. zugunsten des Erblassers einen Widerspruch gegen die Auflassungsvormerkung des Beteiligten zu 3 eintragen zu lassen. In diesem Verfahren hat die Betreuerin eine eidesstattliche Versicherung vom 13.11.2018 abgegeben, wonach sie während eines Gesprächs mit dem Erblasser festgestellt habe, dass dieser keinerlei Kenntnis von dem Kaufvertrag vom 23.10.2018 des Notars I. U. gehabt habe. Der Erblasser habe keine Erinnerung daran gehabt, dass er sein Grundstück an den Beteiligten zu 3 veräußert habe.
18Der Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung wurde durch das Amtsgericht Rheda-Wiedenbrück rechtskräftig zurückgewiesen. In dem Termin zu diesem Verfahren äußerte sich der Erblasser ausweislich der protokollierten Angaben unter anderem dahingehend, er habe den Beteiligten zu 3 über die Firma L. kennengelernt. Er könne sich noch an den Notartermin erinnern, nach seinem Tode solle der Beteiligte zu 3 alles erhalten.
19Ferner beantragte die Betreuerin im Betreuungsverfahren den Erlass eines Einwilligungsvorbehalts, nachdem sie von dem Notarvertrag Kenntnis erlangte. Im Zuge dessen wurde der Erblasser durch einen Sozialarbeiter des Landrats des Kreises K. am 21.11.2018 angehört. In diesem Zusammenhang äußerte der Erblasser, dass er nicht beabsichtige, sein Haus zu verkaufen. Im Rahmen einer Anhörung zur Einrichtung des Einwilligungsvorbehalts durch den Betreuungsrichter am 13.02.2019 war nach den protokollierten Angaben keine geordnete Verständigung mit dem Erblasser mehr möglich.
20Bezüglich der Erbeinsetzung hat der Erblasser – vertreten durch seine Betreuerin – gegenüber dem Notar J. H. in C. am 15.04.2019 den Widerruf und Rücktritt vom Erbvertrag erklärt. In der Folge hat der Beteiligte zu 3 als Kläger in einem Feststellungsverfahren vor dem Landgericht Bielefeld (18 O 201/19) die Unwirksamkeit dieses Widerrufs begehrt. Das Verfahren endete durch Klagerücknahme.
21In einem weiteren Verfahren gegen den Beteiligten zu 3, zunächst eingeleitet durch den Erblasser als Kläger und später aufgenommen durch seinen Nachlasspfleger, ist der Antrag gestellt worden, den Beteiligten zu 3 zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs dahingehend zuzustimmen, dass der Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts Rheda-Wiedenbrück für C., Blatt ####7 eingetragenen Grundstücks Gemarkung A. Flur ##, Flurstück ##1, die unbekannten Erben des am 21.08.2019 in C. verstorbenen Erblassers seien, Zug um Zug gegen Zahlung von 10.000,00 € an den Beteiligten zu 3. Diesem Antrag hat das Landgericht Bielefeld mit rechtskräftigem Urteil vom 15.02.2021 entsprochen und zur Begründung auf die Nichtigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen § 7 WTG NRW verwiesen (Aktenzeichen 6 O 110/19).
22Am 10.07.2020 ließ die Schwester des Erblassers und ehemalige Antragstellerin einen verfahrensgegenständlichen Erbscheinsantrag vor dem Notar W. Z. in Y. beurkunden. Dieser Erbschein solle sie als Alleinerbin ausweisen, da der Erblasser im Hinblick auf den wirksamen Widerruf der einseitigen testamentarischen Verfügung nach gesetzlicher Erbfolge beerbt worden sei, nachdem die Eltern des Erblasers bereits am 00.00.0000 und 00.00.0000 verstorben sind.
23Die Schwester des Erblassers, die Antragstellerin im vorliegenden Erbscheinverfahren und vormalige Beteiligte zu 1, verstarb während des Verfahrens am 00.00.0000. Der Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der Antragstellerin, Rechtsanwalt G. R., hat erklärt, das Verfahren für die unbekannten Erben aufzunehmen.
24Die Antragstellerin, später der Nachlasspfleger, hat die Ansicht vertreten, der Erbvertrag sei unwirksam, weil er wirksam am 15.04.2019 widerrufen worden sei. Sofern dieser Widerruf mangels Geschäftsfähigkeit des Erblassers unwirksam gewesen sein sollte, sei der Erblasser auch bereits bei dem Abschluss des einseitigen Erbvertrages am 23.10.2018 geschäfts- und testierunfähig gewesen. Darüber hinaus habe das Landgericht in dem Verfahren 6 O 110/19 das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft auf Grund eines Verstoßes gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 7 WTG NRW für nichtig erklärt, was unter näherer Darlegung auch für den am selben Tag errichteten Erbvertrag gelten müsse.
25Der Beteiligte zu 4 – der Nachlasspfleger des Erblassers – hat ausgeführt, es sei durch das Urteil des Landgerichts Bielefeld in dem Verfahren 6 O 110/19 rechtskräftig festgestellt, dass der Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen § 7 WTG NRW nichtig sei. Dies betreffe sowohl den notariellen Kaufvertrag als auch die Erbeinsetzung. Argumente des Schutzzweckes der Norm stünden dem nicht entgegen. Der Beteiligte zu 3 sei bei dem Pflegedienst L. beschäftigt gewesen und sei hierdurch in Kontakt mit dem Erblasser getreten. Gerade das Ausnutzen eines solchen Kontaktes solle durch die gesetzliche Regelung untersagt werden.
26Der Beteiligte zu 3 ist der Erteilung des Erbscheins entgegengetreten. Seine Erbeinsetzung als Alleinerbe des Erblassers sei wirksam und habe nicht mehr einseitig widerrufen werden können, was sich aus der eindeutig in den Vertragstext aufgenommenen Bindungswirkung ergebe. Jedenfalls sei der Erblasser zum Zeitpunkt des Widerrufs geschäftsunfähig gewesen. Zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages und des Erbvertrages sei der Erblasser noch geschäftsfähig gewesen. Hintergrund dieser Verträge sei gewesen, dass der Erblasser vom Beteiligten zu 3 bei Ausfahrten betreut worden sei und der Erblasser von der Art und Weise sehr angetan gewesen sei. Der Erblasser habe den Beteiligten zu 3 eines Tages mit seinem Wunsch konfrontiert, ihn als Erben einzusetzen und ihm schon jetzt sein Haus zu übertragen, damit er von der heraufziehenden Belastung, erhebliche Anliegerbeiträge zu zahlen, befreit werde. Der Beteiligte zu 3 habe das nicht gewollt, der Erblasser habe aber darauf bestanden. Es sei dann zu der Errichtung der Urkunden gekommen. Es habe sich auch nicht lediglich um eine Momentaufnahme gehandelt, was die protokollierten Angaben des Erblassers im einsteiligen Verfügungsverfahren zeigen würden.
27Die Erbeinsetzung sei nicht wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW unwirksam. Es müsse der Frage nachgegangen werden, ob über § 3 Abs. 2 WTG NRW Gasteinrichtungen nach § 36 WTG NRW erfasst seien. Bei dem Beteiligten zu 3 handele es sich nicht um einen Beschäftigten im Sinne des § 7 Abs. 1 WTG NRW in Verbindung mit § 3 Abs. 4 WTG NRW, was unter näheren Ausführungen zum Schutzzweck des Gesetzes begründet wird. Die in der Entscheidung des Landgerichts Bielefeld vom 09.03.2021 (6 O 110/19) geäußerte Rechtsauffassung sei unrichtig, die Verurteilung des Beteiligten zu 3 zur Berichtigung des Grundbuchs falsch. Von dem Rechtsmittel der Berufung habe der Beteiligte zu 3 lediglich deshalb Abstand genommen, weil sich herausgestellt habe, dass sich das Haus in einem Zustand befinde, der dessen Abriss erforderlich mache. Der Beteiligte zu 3 sei froh, dass er auf diese Art und Weise das Objekt wieder losgeworden sei.
28Hintergrund der Erbeinsetzung sei die frühere Bekanntschaft aus Kindertagen des Beteiligten zu 3 gewesen. Soweit der Erblasser in einem Verfahren zu Protokoll erklärt habe, er kenne den Beteiligten zu 3 seit ca. einem Jahr, stünde dies der Feststellung nicht entgegen. Es sei davon auszugehen, dass die Sympathie, die der Erblasser für den Antragsgegner empfunden habe, auch in der persönlichen Beziehung vor vielen Jahren begründet gewesen sei.
29Mit am 02.05.2023 erlassenem Beschluss hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Rheda-Wiedenbrück die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1 erforderlich sind, für festgestellt erachtet, die sofortige Wirkung des Beschlusses bis zur Rechtskraft zurückgestellt und der Beteiligten zu 1 die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass der Nachlasspfleger für die unbekannten Erben das Verfahren weiterführe. Der Erbvertrag und die darin erfolgte Erbeinsetzung des Beteiligten zu 3 sei gemäß §§ 134 BGB, 7 Abs. 1 WTG NRW nichtig. Bei der Einrichtung „Tagespflege L.“ handele es sich um eine Gasteinrichtung im Sinne des § 36 WTG NRW und damit um einen Leistungsanbieter im Sinne des § 3 Abs. 2 WTG NRW, was im Einzelnen näher begründet wird. Bei dem Beteiligten zu 3 handele es sich – auch wenn er lediglich Beförderungsfahrten übernommen habe – um einen Beschäftigten im Sinne des § 7 Abs. 1 WTG NRW in Verbindung mit § 3 Abs. 4 WTG NRW, da dieser direkt bei dem Leistungsanbieter beschäftigt gewesen sei. Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift auf solche Personen, die tatsächlich pflegerische Leistungen erbringen, bleibe kein Raum. Des Weiteren bestünde keine Ausnahme für den Beteiligten zu 3 deshalb, weil er den Erblasser bereits vor der Tätigkeit des Beteiligten zu 3 im Fahrdienst der Tagespflege L. gekannt habe. Unterstellt werden könne, dass die Bekanntschaft mit dem Beteiligten zu 3 seit dessen Kindestagen zumindest mitursächlich für die Entschlussfassung des Erblassers zum Abschluss des Erbvertrages gewesen sei. § 7 WTG NRW sehe jedoch ein Verbot der Leistungsversprechen unabhängig von der Motivation des Nutzers und einem etwaigen schon zuvor bestehenden Näheverhältnis vor. Diese formale Betrachtung des Abhängigkeitsverhältnisses der Nutzer sei auch erforderlich, um dem Schutzzweck der Norm gerecht zu werden. Gerade in Klein- und Mittelstädten sei es nicht unwahrscheinlich, dass eine dem Nutzer schon zuvor bekannte Person zugleich Beschäftigter im Sinne des § 7 WTG NRW sei. Es käme zu nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheiten und zur Aushöhlung der Schutzwirkung, wenn in diesen Fällen Ausnahmen zugelassen würden und ein zuvor bestehendes Näheverhältnis und die Motivation des Erblassers Berücksichtigung hätten finden können.
30Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 3 am 05.05.2023 zugestellten, Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 3 vom 05.06.2023, am gleichen Tag beim Nachlassgericht eingegangen, mit welcher er weiterhin die Zurückweisung des Erbscheinantrages begehrt. Im Beschwerdeverfahren führt er zusammengefasst aus, die Besonderheiten des Falles würden eine Nichtigkeit des Vertrages nicht begründen. Der Erblasser sei persönlich angehört worden und habe seine Beweggründe zur Erbeinsetzung des Beteiligten zu 3 wiederholt. Darüber hinaus habe sich die Tätigkeit des Beteiligten zu 3 in einer reinen Fahrtätigkeit erschöpft. Das Gericht habe ihn gleichwohl als Beschäftigten im Sinne des § 7 Abs. 1 WTG NRW angesehen, obgleich er lediglich diese Beförderungsfahrten ausgeführt habe. Das sei unzutreffend. Das Gericht habe den Willen des Gesetzgebers verkannt, was unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung näher ausgeführt wird. Der Landesgesetzgeber sei davon ausgegangen, dass Beschäftigte „grundsätzlich“ alle Personen seien, die im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in den Angeboten tätig seien. Das Wort „grundsätzlich“ impliziere, dass es Ausnahmen von diesem Grundsatz geben solle. Handwerker würden beispielsweise nicht unter diesen Begriff fallen. Der Beteiligte zu 3 habe die Einrichtung nicht betreten und keine Pflegeleistungen erbracht. Die Tätigkeit des Beteiligten zu 3 lasse sich nicht unter § 3 Abs. 1 WTG NRW fassen. Der Schutzzweck von § 7 Abs. 1 WTG NRW sei ebenfalls zu berücksichtigen und spreche gegen eine Unwirksamkeit. Die anzuwendenden Vorschriften sollten das Ausnutzen einer Situation im Bereich der höchstpersönlichen Personenpflege verhindern, weil insoweit Missbrauch nicht auszuschließen sei. Insoweit liege der Fall jedoch anders.
31Mit einem am 16.06.2023 erlassenen Beschluss hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Rheda-Wiedenbrück der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
32II.
33Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 hat keinen Erfolg.
341.
35Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist gemäß §§ 58, 352e FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Indem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.06.2023, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Beschwerde gegen den am 05.05.2023 zugestellten Beschluss eingelegt hat, ist auch die Beschwerdefrist nach §§ 63 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2 FamFG eingehalten.
362.
37Die Beschwerde ist allerdings unbegründet.
38Der Beschwerdeführer ist nicht wirksam durch Erbvertrag vom 23.10.2018 zum Erben des am 00.00.0000 in C. verstorbenen Erblassers eingesetzt worden, weil die Erbeinsetzung gegen § 7 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NRW) verstößt und deshalb gemäß § 134 BGB nichtig ist.
39a)
40Bei § 7 WTG NRW handelt es sich um eine Verbotsnorm im Sinne des § 134 BGB. Zur Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften kann uneingeschränkt auf die zu § 14 HeimG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl. Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 505). Insoweit ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen § 14 HeimG gemäß § 134 BGB die Nichtigkeit nach sich zieht, obwohl sich das Verbot nur gegen den Heimträger richtet (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZB 33/10 –, Rn. 15, juris). Entsprechendes gilt für das im Zuge der Föderalismusreform erlassene Heim- und Teilhabegesetz (BeckOGK/Vossler, 1.9.2023, BGB § 134 Rn. 200; OLG Köln, Beschluss vom 21. August 2019 – I-2 Wx 216/19 –, Rn. 12, juris).
41b)
42Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 WTG NRW liegen vor. Danach ist es Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbietern und deren Beschäftigten untersagt, sich von oder zugunsten von gegenwärtigen oder zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern Geld- oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich dabei nicht nur um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt.
43aa) Die „Tagespflege L.“ stellt einen solchen Leistungsanbieter dar.
44Leistungsanbieterin oder Leistungsanbieter ist nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 2 WTG NRW insbesondere, wer allein oder gemeinschaftlich mit einer anderen natürlichen oder juristischen Person älteren oder pflegebedürftigen Menschen oder Menschen mit Behinderungen Wohn- oder Betreuungsleistungen nach dem Wohn- und Teilhabegesetz anbietet. Das trifft auf die Tagespflege L. zu, bei welcher der Erblasser jedenfalls (ambulante) Verpflegungs- und Unterkunftsleistungen in Anspruch nahm und welche die Voraussetzungen eines besonderen Pflege- und Betreuungsangebotes im Sinne einer Gasteinrichtung gemäß § 36 Satz 1 WTG NRW erfüllt. Nach dieser Sonderbestimmung sind Gasteinrichtungen entgeltlich betriebene Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen nur vorübergehend aufzunehmen und ihnen Betreuungsleistungen anzubieten. Zu diesen Angebotstypen gehört nach Satz 2 ausdrücklich eine Tagespflege, wie sie der Erblasser besuchte und die ausweislich der beigezogenen Akten sowohl Pflegeleistungen als auch soziale Betreuung als Betreuungsleistung dem Erblasser angeboten hat und damit die in § 3 Abs. 1 WTG NRW aufgeführte Betreuung und die dargestellten Betreuungsleistungen erfüllt.
45Die Bezugnahme des Beteiligten zu 3 auf § 34 WTG NRW trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu. Es handelt sich bei einer Tagespflege, wie sie der Erblasser besuchte, nicht um einen ambulanten Dienst im Sinne von § 33 WTG NRW, auf welchen gemäß § 34 Satz 1 WTG NRW die Regelungen des Kapitels 2 des Allgemeinen Teils dieses Gesetzes – und damit auch § 7 WTG NRW – nur anzuwenden sind, soweit es sich um Wohngemeinschaften mit Betreuungsleistungen im Sinne von § 24 WTG NRW handelt. § 33 WTG NRW definiert die neu ins Gesetz aufgenommenen ambulanten Dienste als mobile Pflege- und Betreuungsdienste. Das trifft auf die Inanspruchnahme einer Tagespflege gerade nicht zu, bei welcher die Betreuung nicht in der Wohnung des Erblassers – oder einer Wohngemeinschaft -, sondern gerade in der Tageseinrichtung stattfindet.
46bb) Bei dem Beteiligten zu 3 handelt es sich um einen Beschäftigten des Leistungsanbieters. Das sind gemäß § 7 Abs. 1 WTG NRW in Verbindung mit § 3 Abs. 4 WTG NRW die Personen, die im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in den Angeboten oder für die Angebote tätig sind, unabhängig davon, mit wem das Beschäftigungsverhältnis besteht. Der Beteiligte zu 3 hat diese Voraussetzungen für die Zeit vom 01.08.2018 bis zur Beendigung seiner Tätigkeit zum Ende Oktober 2018 erfüllt, indem er bei der Pflegedienst L. GmbH – wenn auch auf 450€-Basis – angestellt war.
47Der Feststellung als Beschäftigter im Sinne des Gesetzes steht es nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 3 lediglich Beförderungsfahrten ausführte. Der eindeutige Gesetzeswortlaut stellt bei der Beschäftigteneigenschaft auf die Frage ab, ob das Beschäftigungsverhältnis zur Leistungsanbieterin oder zum Leistungsanbieter besteht.
48Die Ausführungen zu dem Willen des Gesetzgebers geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Unzutreffend ist, dass über die Formulierung in den Gesetzgebungsmaterialien, wonach Beschäftigte „grundsätzlich“ alle Personen sind, die im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in den Angeboten tätigt sind, eine andere Gesetzesauslegung gewollt sei. Die von dem Beschwerdeführer zitierten Ausführungen in der Landtags-Drucksache zu Handwerkerinnen oder Handwerkern oder Hauswirtschaftskräften beziehen sich ausschließlich auf die weitere Variante, sofern „das Beschäftigungsverhältnis nicht zur Leistungsanbieterin oder zum Leistungsanbieter besteht“ (vgl. LT-Drs. 16/3388 Seite 75 f.). Die Gesetzgebungsmaterialien geben damit entgegen der Beschwerdebegründung keine Hinweise darauf, der Gesetzgeber habe – anders als der Wortlaut des Gesetzes dies nahelegen würde – auch bei bestehendem Beschäftigungsverhältnis eine inhaltliche Würdigung der jeweiligen Tätigkeit des Beschäftigten gewünscht und es lediglich nicht vermocht, dies sprachlich präzise zum Ausdruck zu bringen. Ungeachtet dessen hat der Beteiligte zu 3 auch eingeräumt, dass seine Tätigkeit „der Erhaltung und Wiederherstellung der körperlichen Mobilität“ des Erblassers diente (vgl. Seite 3 der Beschwerdeschrift vom 05.06.2023, Blatt 199 der Akte).
49cc) Indem der Beteiligte zu 3 sich durch Erbvertrag vom 23.10.2018 durch den Erblasser zu seinem alleinigen Erben eines Vermögens von mehreren hunderttausend Euro hat einsetzen lassen, hat er sich Geld- oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren lassen. Denn Sinn des Verbotsgesetzes ist auch ein Schutz der Testierfreiheit (LT-Drucksache 16/3388, Seite 82).
50dd) Keine Veranlassung besteht, das Ergebnis der Nichtigkeit im Hinblick auf die in Kindestagen begründete Bekanntschaft – nach Lesart des Beteiligten zu 3 gar Freundschaft – zu korrigieren, etwa durch eine einschränkende Auslegung der vorgenannten Voraussetzungen des Verbotsgesetzes oder über § 242 BGB. Sinn des § 7 WTG NRW ist es, zu verhindern, dass einzelne Nutzerinnen und Nutzern wegen der Zahlung von zusätzlichen Beträgen begünstigt oder benachteiligt werden oder dass die Erfüllung der Anforderungen nach dem Wohn- und Teilhabegesetz von zusätzlichen Zahlungen abhängig gemacht wird (LT-Drucksache 16/3388, Seite 82).
51Ein solches Bedürfnis besteht bei Tageseinrichtungen in gleicher Weise wie bei stationären Heimunterbringungen. Der vorliegende Fall zeigt nahezu beispielhaft auf, dass ohne gesetzliche Schutzmechanismen die Gefahr von nach dem Gesetz abstrakt befürchteten Begünstigungen oder Benachteiligungen gerade auch in dem Bereich einer Tagespflege besteht, in welchem der zu diesem Zeitpunkt unter Betreuung stehende Erblasser nach wenigen Wochen aufgefrischter Bekanntschaft seinem Fahrer eine Erbschaft in einer Größenordnung von mehreren hunderttausend Euro hat zukommen lassen. Die Erklärungsversuche des Beteiligten zu 3 unter Bezugnahme auf (unter anderem) Rasenmäharbeiten aus Kindheitstagen, dem Abstellen auf den siebenminütigen Transport vom Wohnhaus des Erblassers zur Tagespflege und zurück und die Annahme des Beteiligten zu 3, dass der Erblasser „von der Art und Weise, wie er vom Antragsgegner bei Ausfahrten betreut wurde, sehr angetan“ gewesen sei (Seite 5 des Schriftsatzes vom 07.08.2020, Blatt 23 der Akte), lassen dies nicht in einem anderen Licht erscheinen. Der Sinn und Zweck des Gesetzes greift vielmehr auch und gerade im vorliegenden Fall ein, in welchem der Beteiligte zu 3 seine Erbeinsetzung mit seiner Art der Behandlung des Erblassers zu begründen versucht.
52Dass der Erblasser die Erbeinsetzung verbal bei seiner Anhörung am 19.11.2018 vor Gericht bestätigte, ändert an diesem Ergebnis nichts. Auch wenn der Beteiligte zu 3 den Erblasser zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr transportierte, ändert dieser Umstand nichts an der Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Nur bei Vorliegen (sonstiger) ganz besonderer Umstände, die vom Normzweck des Verbotsgesetzes nicht mitberücksichtigt werden, kann die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrags oder einer Vertragsklausel gegen Treu und Glauben verstoßen (Staudinger/Fischinger/Hengstberger (2021) BGB § 134, Rn. 153). Solche sind hier nicht ersichtlich.
53III.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
55Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die hierfür nach § 70 Abs. 2 FamFG erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
56Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 61 Abs. 1 und 2, 40 Abs. 1 GNotKG. Den Wert des Nachlasses hat der Senat auf Basis der Angaben der Verfahrensbeteiligten im Erbscheinverfahren zum Wert der Immobilie sowie zum vorhandenen Barvermögen (Blatt 84 der Akte) geschätzt.