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Eine Berufung kann seit dem 01.01.2022 grds. nicht wirksam durch ein Faxschreiben eingelegt werden. Eine Ausnahme nach § 130d S. 2 ZPO liegt nicht vor, wenn ein nach § 130a ZPO zugelassener Übermittlungsweg noch nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet wurde.
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Die Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu innerhalb von drei Wochen ab Zugang Stellung zu nehmen.
Gründe:
2I.
3Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen ein vom Landgericht am 25.01.2022 verkündetes und der Beklagten am 31.01.2022 zugestelltes zweites Versäumnisurteil. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten übermittelte dem Oberlandesgericht die Berufungsschrift mit Fax vom 28.02.2022. Das Original der Berufungsschrift ging am Folgetag per Post ein. Die Prozessbevollmächtigte teilte in der Berufungsschrift mit, dass sie ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach nicht aktiv nutzen könne, weil die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer ihren signaturrechtlichen Antrag vom 29.12.2021 noch nicht bearbeitet habe. Kurz darauf übermittelte die Prozessbevollmächtigte die Berufungsschrift vom 28.02.2022 über ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach als zwei elektronische Dokumente, die am 08. und 14.03.2022 beim Oberlandesgericht eingingen.
4II.
5Die Berufung ist nach vorläufiger Bewertung des Senats unzulässig.
61. Die Beklagte hat die Berufung innerhalb der Berufungsfrist nicht formgerecht eingelegt (§§ 519 Abs. 1, Abs. 4, 130d Satz 1 ZPO).
7a) Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift beim Berufungsgericht eingelegt, auf welche die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze anzuwenden sind (§ 519 Abs. 4 ZPO). Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 130d Satz 1 ZPO). Diese Vorschrift ist nach Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 mit Wirkung zum 01.01.2022 in Kraft getreten (vgl. BGBl. I S. 3786 ff.). Sie gilt grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO (vgl. BTDrucks. 17/12634 S. 28). Die Anforderungen an ein elektronisches Dokument sind in § 130a ZPO geregelt. Danach muss ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die sicheren Übermittlungswege ergeben sich aus § 130a Abs. 4 ZPO, wozu u.a. das besondere elektronische Anwaltspostfach gehört (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Einhaltung dieser Vorschriften ist eine Frage der Zulässigkeit der Berufung und daher von Amts wegen zu beachten. Sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten (§ 295 Abs. 2 ZPO).
8b) Diesen Formerfordernissen genügt die mit Fax vom 28.02.2022 eingelegte Berufungsschrift nicht.
9Das Fax ist kein elektronisches Dokument. Daher ist es auch weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen noch auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht worden. Die Nichtbeachtung des § 130d ZPO führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung (vgl. BTDrucks. 17/12634 S. 27) – hier der Einlegung der Berufung. Die späteren Berufungsschriften, welche die Beklagte mit der Post am 01.03.2022 und über das besondere elektronische Anwaltspostfach am 08. und 14.03.2022 übermittelt hat, sind nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangen, die am 28.02.2022 endete (§§ 517, 188 Abs. 3 BGB). Die nicht fristgerecht eingereichten Berufungsschriften können den Verstoß gegen § 130d Satz 1 ZPO nicht heilen, auch wenn die nachgereichten elektronischen Dokumente vom 08. und 14.03.2022 den Formanforderungen genügen.
102. Die Beklagte kann sich nicht auf § 130d Satz 2 ZPO berufen.
11a) Nach dieser Vorschrift bleibt das Einreichen von Schriftstücken nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 129 ff. ZPO) ausnahmsweise zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus „technischen Gründen vorübergehend“ nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat mit den Einschränkungen „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ ausdrücklich klargestellt, dass hierdurch professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzunehmen (vgl. BTDrucks. 17/12634 S. 28; OVG Münster, Beschluss vom 10.03.2022, 19 E 147/22, juris Rn. 4 [zu § 55d VwGO]).
12b) Daher kann die Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht geltend machen, dass sie ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach während der Berufungsfrist nicht aktiv habe nutzen können, weil die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer ihren signaturrechtlichen Antrag vom 29.12.2021 nicht rechtzeitig bearbeite habe. Strukturelle Mängel der IT-Infrastruktur des Nutzungspflichtigen rechtfertigen den Rückgriff auf papierene Kommunikation nicht (vgl. AG Hamburg, Beschluss vom 21.02.2022, 67h IN 29/22, juris Rn. 9 [zu § 130d ZPO]; von Selle in BeckOK-ZPO, 43. Edition, § 130d Rn. 4; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.06.2020, 1 Ta 51/20, NZA-RR 2020, 546, juris Rn. 21 [zu § 46g ArbGG]). Professionelle Einreicher können sich nicht auf § 130d Satz 2 ZPO berufen, wenn ein zugelassener Übermittlungsweg noch nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet worden ist, selbst wenn dies kurz vor Eintritt der aktiven Nutzungspflicht in Angriff genommen wurde, aber noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Müller, NJW 2021, 3281, 3282; Gädecke in jurisPK-ERV, Band 3, 1. Aufl., § 65d SGG Rn. 29). § 130d Satz 2 ZPO sichert nur technische Probleme bei Verwendung des vollständig eingerichteten besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ab, aber keine Verweigerung, Nachlässigkeit oder Verzögerung bei dessen Einrichtung. Der Gesetzgeber hat die Einführung des § 130d ZPO bereits mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 langfristig angekündigt, so dass professionelle Einreicher vor dem Inkrafttreten der Vorschrift ausreichend Zeit für die Einrichtung funktionsfähiger sicherer Übermittlungswege hatten.
13c) Außerdem hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht glaubhaft i.S.v. § 130d Satz 3 ZPO gemacht, dass sie das besondere elektronische Anwaltspostfach nicht aktiv nutzen konnte.
14Es ist unklar geblieben, weshalb für die aktive Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ein „Antrag auf Dienstleistungen der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer“ zur Beglaubigung einer Unterschrift bzw. zum Erhalt eines „qualifizierten Zertifikats“ erforderlich ist. Bei der Einreichung eines elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übertragungsweg ist keine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich (§ 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Es genügt eine einfache Signatur, das heißt die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 25; Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 130a Rn. 9 mwN).
15Auf den Hinweisbeschluss vom 04.04.2022 wurde die Berufung zurückgenommen.