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1.
Zur Frage der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung wegen des Inverkehrbringens eines Dieselfahrzeugs (EA 288).
2.
Die Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität kommt im Einzelfall nicht in Betracht, wenn der Käufer u. a. am Ende der Laufzeit seines Finanzierungsdarlehensvertrages von der Möglichkeit der Fahrzeugrückgabe keinen Gebrauch macht, sondern das Fahrzeug zu Eigentum erwirbt und weiter nutzt.
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.10.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (3 O 59/20) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund beider Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger erwarb im Oktober 2017 von der A GmbH & Co. KG einen VW TYP01 (..) 2.0 TDI DSG, Euro 6, als Gebrauchtwagen mit einem km-Stand von 6.837 km zu einem Kaufpreis in Höhe von 27.500,00 EUR. Er leistete eine Anzahlung in Höhe von 6.000,00 EUR und finanzierte den Rest über ein Darlehen bei der Volkswagen Bank. Die Finanzierungskosten beliefen sich insgesamt auf 2.823,92 EUR.
4Im Fahrzeug des Klägers ist der von der Beklagten entwickelte und hergestellte Dieselmotor des Typs EA 288 verbaut. Die Abgasreinigung erfolgt über eine Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil des Abgases der frisch angesaugten Umgebungsluft beigemischt und in den Motor zurückgeführt. In bestimmten Temperaturbereichen wird der Grad der Abgasrückführung heruntergefahren (sog. Thermofenster), wobei der Temperaturbereich zwischen den Parteien streitig ist.
5Die Abgasnachbehandlung erfolgt über einen NOx-Speicherkatalysator (NSK). Dieser dient dazu, die im Abgasstrang vorhandenen Stickoxide zunächst einzulagern, was eine regelmäßige Regeneration des NSK erforderlich macht. Im normalen Straßenverkehr erfolgt die Regeneration strecken- und beladungsgesteuert ca. alle 5 gefahrene km bzw. nach voller Beladung, je nachdem welches Ereignis vorher eintritt. Im Fahrzeug ist eine Software verbaut, die erkennt, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet (sog. Fahrkurvenerkennung). In diesem Fall erfolgt die Regeneration am Ende des sog. Preconditioning, der dem Messverfahren NEFZ vorausgeht, und sodann streckengesteuert alle 5 km.
6Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 05.12.2019 an die Beklagte und bemängelte, dass sein Fahrzeug die zugesagten Abgaswerte nicht einhalte. Er forderte die Beklagte auf, den genannten Mangel spätestens bis zum 19.12.2019 zu beseitigen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.12.2019 forderte er die Beklagte mit Fristsetzung bis zum 24.12.2019 unter Berufung auf § 826 BGB erfolglos auf, den Kaufpreis in Höhe von 27.500,00 EUR zuzüglich der Kreditkosten in Höhe von 2.823,92 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu zahlen.
7Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 408 – 413 d. A.), auf dessen Feststellungen wegen der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz Bezug genommen wird, hat das Landgericht Bochum die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch nicht aus einem deliktischen Verhalten der Beklagten gemäß §§ 823 ff. BGB herleiten könne. Insbesondere seien die Voraussetzungen von § 826 BGB nicht erfüllt. Die Implementierung des unstreitig vorhandenen Thermofensters stelle auch auf Grundlage des insoweit substantiierten Klägervorbringens keine sittenwidrige Handlung mit Schädigungsvorsatz der Beklagten dar. Soweit der Kläger den Verbau einer unzulässige Umschaltlogik im Sinne einer Zykluserkennung behauptet habe, stelle dies keinen substantiierten, einem Beweis zugänglichen Tatsachenvortrag dar. Der Kläger habe keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen, nach denen davon ausgegangen werden könne, der streitgegenständliche Motor sei ebenfalls mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, wie es bei dem EA189 der Fall sei.
8Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt, dass das Landgericht das Thermofenster nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet und die Verwendung nicht als sittenwidrig eingestuft habe. Zudem ist er der Auffassung, dass das Landgericht sein Vorbringen zu einer weiteren Prüfstanderkennung zu Unrecht als Behauptung „ins Blaue hinein“ bewertet habe.
9Ergänzend trägt er vor, dass die Beklagte im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des AGR-Systems im Hinblick auf das sog. Thermofenster gemacht habe. Sie habe lediglich pauschal mitgeteilt, dass die AGR-Rate von der Umgebungstemperatur abhängig sei. Bei welchen konkreten Temperaturen die Schadstoffemissionen um welchen Anteil bzw. um wieviel Prozent reduziert würde, sei nicht mitgeteilt worden. Hierzu beantragt er, der Beklagten aufzugeben, die Anträge und Bescheide im Zulassungsverfahren sowie weiteren Schriftverkehr hierzu vorzulegen.
10Weiter behauptet er, kürzlich von einer weiteren Abschalteinrichtung im Fahrzeug, der sog. Akustikfunktion, erfahren zu haben.
11Unter Berufung auf die Applikationsrichtlinie & Freigabevorgabe EA288 der Beklagten vom 18.11.2015 trägt er vor, dass die Fahrkurvenerkennung zur Einhaltung der Emissions- und OBD-Grenzwerte genutzt würde. Beim Durchfahren des NEFZ schalte das Fahrzeug in einen NOx-optimierten Modus, im Rahmen dessen das Fahrzeug einen deutlich geringeren Emissionsausstoß aufweise als im Normalbetrieb. Zudem habe die Beklagte in das On-Board-Diagnose-System eingegriffen (OBD System).
12Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter, wobei er die im Klageantrag zu 2) berücksichtigte Nutzungsentschädigung in der Berufungsbegründung zunächst auf 3.137,28 EUR beziffert hat. Nachdem er weitere Kilometer mit dem Fahrzeug zurückgelegt hat (km-Stand am 15.01.2022: 62.044 km), beantragt er nunmehr,
131.
14die Entscheidung des Landgerichts Bochums vom 05.10.2020, zugestellt am 14.10.2020, Az. I-3 O 59/20, abzuändern,
152.
16die Beklagte zu verurteilen, Zug- um- Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer FIN01 an ihn 30.323,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich 4.972,01 EUR zu zahlen,
173.
18festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer FIN01 in Annahmeverzug befindet,
194.
20die Beklagte zu verurteilen, ihn von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.809,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
21Hilfsweise beantragt der Kläger,
22die Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
26Soweit in der Berufungsinstanz unstreitig ist, dass im Fahrzeug eine Fahrkurvenerkennung vorhanden ist, ist sie der Auffassung, dass der Kläger hierdurch nicht sittenwidrig geschädigt worden sei. Die streckengesteuerte Regeneration des NSK im NEFZ diene dazu, dass Emissionen aus vorausgehenden Zyklen nicht hinzugerechnet und während des Zyklus entstehende Emissionen nicht außer Betracht bleiben würden. Dies stünde im Einklang mit dem unionsrechtlichen Regelungsrahmen. Das KBA, dem die Funktion seit Anfang Oktober 2015 bekannt sei, sei der Auffassung, dass die mit der Fahrkurvenerkennung verknüpfte Steuerung der Regeneration des NSK in zulässiger Weise zur Vergleichbarkeit und Repräsentativität der Emissionsergebnisse eingesetzt werde.
27II.
28Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf Rechtsfehlern (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere für ihn günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
291.
30Zunächst steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 25.351,91 EUR Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs VW TYP01 gemäß § 826 BGB zu. Danach ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ist nicht als sittenwidrig zu bewerten.
31a.
32Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (st. Rspr. vgl. nur BGH Beschl. v. 13.10.2021 – VII ZR 295/20, Rn. 12 m.w.N., beck-online).
33Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer insbesondere dann sittenwidrig, wenn er entsprechend einer grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (vgl. BGH Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 16-27, beck-online; BGH Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZR 126/21, Rn. 18, beck-online). Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH Urt. v. 8.3.2021 – VI ZR 505/19, Rn. 17 ff., beck-online).
34b.
35Ein solches, als sittenwidrig zu bewertendes Verhalten ist in Bezug auf das in der Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorhandene Thermofenster, wovon das Landgericht zutreffend – und damit für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend – ausgegangen ist, nicht gegeben.
36aa.
37Zunächst ist eine bewusste und gewollte Programmierung der Temperatursteuerung dahingehend, dass danach unterschieden wird, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet (Prüfstandsbezogenheit), nicht ersichtlich. Sofern der Kläger vorbringt, dass die Abgasrückführung ab Temperaturen unter +15°C bzw. +7°C zurückgefahren werde, gilt dies sowohl für den Prüfstand als auch den normalen Fahrbetrieb. Die Temperatursteuerung funktioniert im normalen Fahrbetrieb bei entsprechenden Temperaturbedingungen in gleicher Weise wie auf dem Prüfstand.
38bb.
39Ohne Prüfstandsbezogenheit reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug des Klägers durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei bestimmten Temperaturen reduziert bzw. in bestimmten Temperaturbereichen ganz abgeschaltet wird, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände (vgl. BGH Beschl. v. 13.10.2021 – VII ZR 295/20, Rn. 15, beck-online; BGH Beschl. v. 19.1.2021 – VI ZR 433/19, Rn. 16, juris). Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt in diesen Fällen jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH Beschl. v. 25.11.2021 – III ZR 202/20, Rn. 14; BGH Beschl. v. 13.10.2021 – VII ZR 295/20, Rn. 15, beck-online; BGH Beschl. v. 19.1.2021 – VI ZR 433/19, Rn. 19, juris;).
40Die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. BGH Beschl. v. 19.1.2021 – VI ZR 433/19, Rn. 19, juris; BGH Beschl. v. 13.10.2021 – VII ZR 295/20, Rn. 16, beck-online).
41(1)
42Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Erkenntnis eines möglichen Gesetzesverstoßes zumindest billigend in Kauf genommen hat. Ihre Annahme, die Temperatursteuerung wäre zumindest nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO (EG) 715/2007 zum Schutz des Motors zulässig, ist zum Zeitpunkt des Inverkehrbringen des Motors bzw. des Fahrzeugs (Datum der Erstzulassung: 08.07.2016) nicht unvertretbar gewesen. Die europarechtliche Gesetzeslage war an dieser Stelle – zumindest bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020, Az. C-693/18, – nicht unzweifelhaft und nicht eindeutig (vgl. dazu auch BGH Beschl. v. 25.11.2021 – III ZR 202/20, Rn. 15). Technisch eindeutige Vorgaben, an denen sich die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt des lnverkehrbringens des klägerischen Pkw hätte orientieren müssen, sind vom Kläger insoweit auch nicht dargelegt. Daher muss eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden (vgl. dazu auch OLG Stuttgart Urt. v. 30.7.2019 - 10 U 134/19, Rn. 81 ff., juris).
43So heißt es im Bericht der Kommission zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a) VO (EG) 715/2007 ausdrücklich (BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016, S. 123, Bl. 197 d.A.):
44„Zudem verstößt eine weite Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007.
45Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein.“
46Zudem zeigt auch der in der Literatur (vgl. Führ, NVwZ 2017, 265) und in gerichtlichen Entscheidungen (z.Bsp. LG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2019 – 23 O 172/18) betriebene – erhebliche – Begründungsaufwand, dass keine klare und eindeutige Rechtslage gegeben gewesen ist (vgl. OLG Stuttgart Urt. v. 30.7.2019 – 10 U 134/19, NZV 2019, 579 Rn. 81, beck-online; vgl. zum ganzen auch BGH Beschl. v. 13.10.2021 – VII ZR 295/20, Rn. 25, beck-online). Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann ohne weitere Anhaltpunkte nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 17.12.2020 – 5 U 318/19, Rn. 30 f., beck-online m.w.N.).
47(2)
48Solche weiteren Anhaltspunkte sind vorliegend nicht vorhanden. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise der – hier unterstellt unzulässigen – Abschalteinrichtungen gegenüber dem KBA. Dem KBA ist die Verwendung von Thermofenstern bei allen Herstellen und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz bekannt gewesen. Es war deshalb zu einer Überprüfung des Emissionsverhaltens des Fahrzeugs – gegebenenfalls nach weiteren Rückfragen beim Hersteller – ohne weiteres in der Lage (vgl. BGH Beschl. v. 25.11.2021 – III ZR 202/20, Rn. 15). Nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG wäre das KBA gehalten gewesen, Einzelheiten zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung zu prüfen (vgl. BGH Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZR 126/21, Rn. 20, beck-online). Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, legt der Kläger nicht dar. Vielmehr trägt er vor, die Beklagte habe pauschal mitgeteilt, dass die AGR-Rate von der Umgebungstemperatur abhängig sei. Sofern das KBA dies als unzureichend erachtet hätte, wäre die Behörde – wie ausgeführt – zu Nachfragen verpflichtet gewesen. Keinesfalls folgt hieraus eine Täuschung der Beklagten gegenüber dem KBA als Typgenehmigungsbehörde.
49Da es vor diesem Hintergrund einer Beweisaufnahme zu den Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren nicht bedarf, kommt es auf den Antrag des Klägers gemäß § 424 ZPO, der Beklagten die Vorlage der Anträge und Bescheide im Zulassungsverfahren des KBA und weiteren Schriftverkehr aufzugeben, nicht an.
50cc.
51Einer Vorlage zum EuGH bedurfte und bedarf es, anders als der Kläger meint (Bl. 466 d.A.), nicht. Zunächst ist ein nicht-letztinstanzliches Gericht nach Art. 267 Abs. 2 AEUV lediglich zur Vorlage ermächtigt, nicht aber verpflichtet. Darüber hinaus bedarf es im vorliegenden Fall keiner Auslegung des Art. 5 VO (EG) 715/2007. Wie ausgeführt kann es dahinstehen bzw. unterstellt werden, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der europäischen Vorschriften handelt, da selbst in diesem Fall keine Sittenwidrigkeit im Sinne des nationalen Rechts gemäß § 826 BGB anzunehmen ist. Auf die Frage, ob die Auslegung der Beklagten im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 715/2007 geregelten Ausnahmetatbestände zutreffend erfolgt ist, kam es ebenfalls nicht an, da jedenfalls kein vorsätzlicher Gesetzesverstoß feststellbar ist. Im Übrigen hat sich der EuGH nunmehr mit der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 in seinem Urteil vom 17.12.2020, Az. C-693/18, beschäftigt.
52dd.
53Sofern der Kläger schließlich vorbringt, dass „die Abschalteinrichtungen“ dazu führen würden, dass das AGR-System ab einer bestimmten Drehzahl reduziere oder gar in Gänze abgeschaltet werde, ergibt sich hieraus keine Prüfstandsbezogenheit. Im Übrigen ist vom Kläger nicht dargelegt, inwiefern der Beklagten diesbezüglich ein sittenwidriges Verhalten zur Last zu legen wäre. Wie ausgeführt genügt hierfür ein Gesetzesverstoß allein nicht.
54c.
55Auch wenn im Berufungsverfahren unstreitig ist, dass das Fahrzeug über eine Zykluserkennung bzw. Fahrkurvenerkennung betreffend die Abgasnachbehandlung im Rahmen eines NSK-Systems verfügt, kann ein als sittenwidrig zu bewertendes Verhalten der für die Beklagte tätigen Personen nicht festgestellt werden.
56aa.
57Die Verwendung dieser Prüfstanderkennung ist nicht als sittenwidriges Verhalten zu bewerten. Insbesondere genügt allein das Vorhandensein einer Fahrkurvenerkennung nicht, um dem Verhalten der für die Beklagten tätigen Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Es kann nicht festgestellt werden, dass hierdurch die Motorsteuerung bewusst und gewollt so programmiert gewesen ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden und die Beklagte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung des KBA zur Erschleichung der Typgenehmigung abgezielt hat.
58(1)
59Ausweislich des im „Bericht der Untersuchungskommission ‚Volkswagen‘“ (Seite 6, Bl. 138R d.A.) beschriebenen Verfahrens der Abgasnachbehandlung mit einem NSK dient dieser dazu, die im Abgasstrang vorhandenen Stickoxide zunächst einzulagern. Sofern der NSK voll beladen ist, muss ein Regenerationsvorgang eingeleitet werden. Während dieses Vorgangs läuft die Verbrennung unter Luftmangel ab, was zu einer hohen Partikelbildung und starker Beladung des Partikelfilters führt. Aus der unstreitig von der Beklagten stammenden Applikationsrichtlinie & Freigabevorgaben EA288 vom 18.11.2015 ergibt sich, dass diese Regenration im NEFZ nur streckengesteuert platziert gewesen ist. Im normalen Fahrbetrieb war hingegen eine strecken- und beladungsgesteuerte Regeneration programmiert, wobei die Beladungssteuerung als führende Größe angegeben war.
60(2)
61Anders als der Kläger meint, ergibt sich aus der Applikationsrichtlinie der Beklagten vom 18.11.2015 (Bl. 913 ff. d.A.) nicht, dass das Fahrzeug im NEFZ in einen NOx-optimierten Modus schaltet; wie es beim Vorgängermodell EA 189 der Fall gewesen ist. Lediglich die Regeneration des NSK war für unterschiedliche Events vorgesehen. Hingegen funktioniert die Abgasrückführung im normalen Straßenbetrieb und auf dem Prüfstand in gleicher Weise und verfügt nicht – wie beim Vorgängermodell EA189 – über zwei verschiedene Betriebsmodi (Modus 1/Modus 0), bei der die Abgasrückführung im normalen Straßenverkehr verringert wird.
62(3)
63Es ist nicht ersichtlich, dass die Fahrkurvenerkennung Auswirkungen auf die Erteilung der Typgenehmigung hatte; also insbesondere die Typgenehmigung mit Hilfe der Fahrkurvenerkennung durch eine arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde erschlichen werden sollte. Bis zum Ende der 11 km langen Prüffahrt konnten alle im Fahrzyklus entstandenen Emissionen gemessen werden, weil die Prüffahrt mit leerem Speicher begonnen hat und die Regeneration alle 5 km erfolgt ist. Da die Regenerationsintervalle im Übrigen in der Regel zwischen 3 km und 10 km liegen (vgl. Seite 6 „Bericht der Untersuchungskommission ‚Volkswagen‘“, Bl. 138R d.A.), hätte es bei einer (unterstellt) beladungsgesteuerten Regeneration frühestens alle 3 km zu bis zu vier Regenerationen kommen können. In diesem Fall wären ggf. die auf den letzten 1 bis 2 km verursachten Stickoxide nicht mehr in die Messung mit eingeflossen, da sie noch im NSK gespeichert gewesen wären. Dass diese Unterschiede des Schadstoffausstoßes nicht grenzwertrelevant sind, hat das KBA gegenüber zahlreichen Gerichten bestätigt (vgl. die Schreiben des KBA, Anl. B17, Bl. 981, 984, 986).
64So heißt es in Schreiben des KBA vom 01.02.2021 an das LG Berlin: „Es wurde weder bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugentypen […] noch bei einem anderen Fahrzeug, welches ein Aggregat EA288 aufweist, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. […] Die Fahrkurvenerkennung in der Motorsteuerung der Aggregate des Entwicklungsauftrags (EA) 288 wird nach den Untersuchungen des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, so dass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.“ In einem Schreiben vom 15.12.2020 an das LG Bayreuth hat das KBA mitgeteilt: „Ich weise darauf hin, dass der bloße Verbau einer Prüfstandserkennung nicht unzulässig ist, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, so dass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Es wurde bei keinem Fahrzeug, welches ein Aggregat EA288 aufweist und durch das KBA untersucht wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.“ Unter dem 15.12.2020 hat das KBA dem LG Erfurt Folgendes geschrieben: „Die Funktion ‚Umschaltlogik‘ in der Motorsteuerung des Aggregate des EA288 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt. Der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung ist nicht unzulässig, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 VO (EG) 715/2007 genutzt wird. Prüfungen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, so dass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt“.
65Gründe, weshalb dies beim streitgegenständlichen Fahrzeug anders sein sollte, sind nicht ersichtlich. Aus dem von beiden Parteien vorgelegten „Bericht der Untersuchungskommission ‚Volkswagen‘“ des BMVI ergibt sich vielmehr, dass das KBA umfangreiche Felduntersuchungen bei Dieselfahrzeugen vorgenommen hat, die insbesondere auch den streitgegenständlichen Motor EA288 sowohl mit NSK als auch mit SCR-System betroffen haben. Danach ist die „Herstelleraussage, dass diese Fahrzeuge nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet wären […] mit höchster Priorität durch die KBA-Felduntersuchungen“ verifiziert worden (Seite 60 des Berichts, Bl. 165R, 815 d.A.). Unzulässige Abschalteinrichtungen wurden nicht festgestellt. Diesbezüglich heißt es auf Seite 12 des Berichts (Bl. 141R, 767 d.A.): „Hinweise, die aktuell laufende Produktion der Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 288 (Euro 6) seien ebenfalls von Abgasmanipulationen betroffen, haben sich hierbei auf Grundlage der Überprüfungen als unbegründet erwiesen.“
66Letztendlich ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Schreiben und den Felduntersuchungen des KBA, dass das KBA im Nachhinein keine Täuschung der Beklagten durch Implementierung der Fahrkurve festgestellt hat. Im Umkehrschluss kann eine Täuschung des KBA bei Erteilung der Typgenehmigung nicht vorgelegen haben.
67bb.
68Weitere Umstände, die der Verwendung der Fahrkurvenerkennung ein sittenwidriges Gepräge geben, sind nicht ersichtlich. Dabei kann dahinstehen, ob es sich – wie der Kläger meint – bei der Fahrkurvenerkennung um eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 handelt. Es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die Beklagte in dem Bewusstsein gehandelt hätte, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden möglichen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hätte.
69(1)
70Eine unzulässige Abschalteinrichtung setzt nach Art. 3 Nr. 10 VO, Art. 5 Abs. 2 (EG) 715/2007 u.a. voraus, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Dies ist bereits deshalb fraglich, da die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems durch die Fahrkurvenerkennung nicht verringert wird. Die Emissionen sind weder bei noch nach ihrer Entstehung verringert worden. Nach der Applikationsrichtlinie vom 18.11.2015 hatte die Software lediglich Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Regeneration des NOx-Speichers, also den Umstand, wann die Emissionen freigesetzt wurden. Als unzulässige Abschalteinrichtungen sind Prüfstanderkennungen erst dann anzusehen, wenn sie Einfluss auf eine unterschiedliche Abgasbehandlung auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb nehmen (vgl. OLG Hamm Urt. v. 29.6.2021 – 13 U 175/20, Rn. 52, beck-online).
71(2)
72Selbst wenn dies – mit dem Kläger – anders zu sehen wäre, könnte die Bewertung der Beklagten nicht als sittenwidrig angesehen werden. So hat das KBA die Fahrkurvenerkennung ausweislich zahlreicher von der Beklagten vorgelegter Auskünfte – wie oben dargestellt – für zulässig erachtet, so dass die Beklagte das Gesetz im Einklang mit der Typgenehmigungsbehörde und damit in vertretbarer Weise ausgelegt hat.
73cc.
74Anhaltspunkte dafür, dass die im Fahrzeug verbaute Fahrkurvenerkennung eine unzulässige Abschalteinrichtung dergestalt darstellt, dass hierdurch der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem im normalen Straßenverkehr verringert wird, ergeben sich des Weiteren nicht daraus, dass der Kläger im Berufungsverfahren nunmehr Messungen der Deutschen Umwelthilfe betreffend den Stickoxidausstoß eines Automarke01 TYP02 1.6 TDI EURO 6 im realen Fahrbetrieb vorlegt. Selbst wenn die dort festgestellte 4,9-fache Grenzwertüberschreitung für das streitgegenständliche Fahrzeug (wie der Kläger geltend macht) ebenso gelten sollte, ist die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für den Stickoxidausstoß im Straßenbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstandbetrieb als solche nicht geeignet, den Rückschluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu ziehen (vgl. OLG Hamm Urt. v. 29.6.2021 – 13 U 434/20, Rn. 63, beck-online). Der Emissions-Ausstoß im Realbetrieb liegt bereits per se über dem auf dem Prüfstand des NEFZ, da auf dem Prüfstand Bedingungen herrschen, die im Realbetrieb in der Regel nicht anzutreffen sind (vgl. dazu OLG Stuttgart Urt. v. 19.1.2021 – 16a U 196/19, Rn. 40, beck-online). Hiervon ging auch der europäische Gesetzgeber aus. So ergibt sich aus dem Erwägungsgrund Nr. 3 zur EU (VO) 2016/646 vom 20.04.2016, dass die Kommission zu dem Schluss gekommen ist, dass die in der Betriebspraxis mit Fahrzeugen des Typs Euro 5/6 tatsächlich entstehenden Emissionen, insbesondere die NOx-Emissionen von Dieselfahrzeugen, die im vorgeschriebenen NEFZ gemessenen Emissionen erheblich überschreiten. Daher hat die Kommissionen an der Entwicklung eines Prüfverfahrens zur Messung der Emissionen im praktischen Fahrbetrieb (RDE) mitgewirkt (vgl. Erwägungsgrund Nr. 7). Dieses neue RDE-Prüfverfahren sollte nach Erwägungsgrund Nr. 8 für alle neuen Typgenehmigungen und neuen Fahrzeuge gelten.
75Vor diesem Hintergrund bieten die Zielwerte, die sich die Beklagte für unterschiedliche Fahrzyklen gesetzt hat, ebenfalls keinen Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, da jeweils unterschiedliche Prüfbedingungen herrschen, die zu unterschiedlichen Schadstoffausstößen führen.
76dd.
77Der vom Kläger im Berufungsverfahren angeführte Rückruf mit der Kennziffer 23Z7 (Anl. BK4, BK5, BK6) betrifft ausweislich des Schreibens von VW aus Juli 2019 (Anl. BK5) Fahrzeuge, die AdBlue benötigen. So heißt es in dem in Bezug genommenen Schreiben: Abhängig vom individuellen Fahrprofil wird sich durch die neue Programmierung der AdBlue-Verbrauch geringfügig erhöhen.“ Wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, benötigt sein Fahrzeug kein AdBlue, so dass hieraus keine Rückschlüsse auf etwaige Fehlfunktionen seines Fahrzeugs gezogen werden können.
78Entsprechendes gilt für den Rückruf mit der Kennziffer 23Z1 (Anl. K14). Der Rückruf betraf eine Fehlermeldung zum AdBlue System. Darüber hinaus ist ein Bezug zum Fahrzeug des Klägers mit der Erstzulassung am 08.07.2016 auch deswegen nicht ersichtlich, weil die Rückrufaktion lediglich Fahrzeuge betroffen hat, die in den Jahren 2008 bis 2010 gebaut worden sind.
79d.
80Der neue Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren zu einer unzulässige Kopplung des Thermofensters mit dem OBD-Systems, die von der Beklagten bestritten ist, ist bereits nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Gründe, warum der Kläger hierzu erstinstanzlich nicht vorgetragen hat, sind nicht dargetan. Unabhängig hiervon vermag das Vorbringen den Klageanspruch nicht zu stützen.
81Das On-Board-Diagnosesystem (OBD) nimmt nach dem Vortrag des Klägers keinen Einfluss auf das Abgasverhalten des Fahrzeugs. Es kann daher allenfalls dazu dienen, eine etwaig vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung zu verdecken. Das System selbst ist bereits keine unzulässige Abschalteinrichtung (vgl. OLG Naumburg Urt. v. 29.7.2021 – 4 U 14/21, Rn. 27, beck-online). Weiterhin spräche der Umstand, dass das OBD-System keine Fehlermeldungen erzeugt, wenn die Abgasrückführung temperaturabhängig reduziert wird, im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zwingend für ein objektiv sittenwidriges Verhalten. Entscheidend ist, dass das Emissionskontrollsystem in beiden Fahrsituationen (Prüfstand und normaler Fahrbetrieb) im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet und der Einsatz der Temperatursteuerung nicht von vornherein durch Arglist geprägt ist (vgl. BGH Urt. v. 28.10.2021 – III ZR 261/20, Rn. 27, juris; BGH Urt. v. 23.11.2021 – VI ZR 839/20, Rn. 20, juris); was – wie ausgeführt – nicht der Fall ist.
82e.
83Sofern der Kläger im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf ein Scheiben der Beklagten vom 29.12.2015 vorträgt, dass in dem Fahrzeug eine weitere Abschalteinrichtung, nämlich eine sog. Akustikfunktion, vorhanden sei, verfängt dies nicht. Hierbei handelt es sich nicht um eine „weitere Abschalteinrichtung“, sondern um die von der Beklagten beschriebene Fahrkurvenerkennung, die ausweislich der ebenfalls vom Kläger vorgelegten Applikationsrichtlinie vom 18.11.2015 (Anl. BK14) ab KW 22/2016 bei neuen Freigaben aus der Software entfernt sein sollten. So heißt es in dem Schreiben der Beklagten vom 29.12.2015: „Die vorstehend beschriebene Applikation mit der sogenannten Akustikfunktion inklusive Fahrkurve […]. Gemäß der als Anlage 2 beigefügten Übersicht über die Applikationsrandbedingungen des Aggregates EA288 wurde die sogenannte Akustikfunktion aus allen neuen mit SCR-Technologie ausgestatteten Aggregateprojekten seit November 2015 entfernt und wird ab dem Modelljahreswechsel in KW 22/2016 auch aus allen neuen mit NOx-Speicherkat-Technologie ausgestatteten Aggregateprojekten entfernt.“
84Auf die Frage, ob eine sog. „Akustikfunktion“, die bei Fahrzeugen des Herstellers Automarke02 eingesetzt worden ist, eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, kommt es für den streitgegenständlichen VW TYP01 nicht an; zumal der Kläger selbst vorträgt, dass „die Automarke02-Ingenieure die Funktion offenbar so (veränderten), dass sie auch dafür sorgte, auf dem Prüfstand die Grenzwerte für giftige Stickoxide einzuhalten.“.
85f.
86Eine sonstige unzulässige Prüfstanderkennung bzw. Abschalteinrichtung, deren Einsatz als sittenwidrig zu bewerten wäre, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht nicht feststellen können.
87aa.
88Die erstinstanzliche Behauptung des Klägers, es sei im Fahrzeug eine unzulässige Zykluserkennung im Fahrzeug verbaut, die nur dann, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand stehe, ausreichend AdBlue einspritze, verfängt bereits deswegen nicht, da der Kläger – wie ausgeführt – im Termin am 21.01.2022 vor dem Senat eingeräumt hat, dass sein Fahrzeug kein AdBlue benötigt und die behauptete Manipulationssoftware aus diesem Grund nicht aufweisen kann.
89bb.
90Schließlich stellt der Umstand, dass die Beklagte im Motortyp EA189 eine unzulässige Abschalteinrichtung nebst Prüfstanderkennung („Umschaltlogik“) verwendet hat, noch keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass dies auch beim Motortyp EA288 der Fall ist (vgl. OLG Hamm Urt. v. 29.6.2021 – 13 U 434/20, Rn. 61, beck-online).
91g.
92Darüber hinaus kann – auch wenn es hierauf nicht mehr entscheidend ankommt – nicht festgestellt werden, dass dem Kläger bei einem unterstellt sittenwidrigen Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein Schaden gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB entstanden wäre. Sofern der Kläger geltend macht, dass der eingetretene Schaden bereits in dem Abschluss des Kaufvertrages liege, den er jedenfalls zu den damaligen Bedingungen so in der Form bei Kenntnis aller Umstände nicht abgeschlossen hätte, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
93aa.
94Nach der Rechtsprechung des BGH stellt die Eingehung einer ungewollten Verpflichtung einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar. Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können (vgl. BGH Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 47, juris). Jedoch gibt es für einen solchen Anspruch keinen Automatismus, der durch den schlichten Erwerb eines vom sog. Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeugs ausgelöst wird (vgl. OLG Hamm Urt. v. 17.3.2020 – 7 U 95/19, Rn. 47, juris). Vielmehr muss der Anspruchsteller zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO die haftungsbegründende Kausalität darlegen und beweisen, also dass er den Vertrag in Kenntnis des Vorhandenseins einer (hier unterstellten) unzulässigen Abschalteinrichtung und den möglichen Konsequenzen der Software für die straßenverkehrsrechtliche Zulassung des Fahrzeugs nicht abgeschlossen hätte.
95bb.
96Bei der Kausalität zwischen der Täuschung und der Eingehung eines „ungewollten" und subjektiv nachteiligen Vertrages geht es um die Feststellung einer inneren Tatsache im Wege des Indizienbeweises. Auf das Vorliegen innerer, dem Beweis nur eingeschränkt zugänglicher Tatsachen kann nur mittelbar aus in der Regel auf äußeren Tatsachen basierenden Indizien geschlossen werden. Daher ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Getäuschte Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf diese Entschließung hat. Die für den Vertragsschluss bedeutsamen Umstände stellen mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar, die jedoch eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen gesetzlicher Tatbestände hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme festzustellen. Entscheidend ist die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen in der Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände (vgl. OLG Hamm Urt. v. 17.3.2020 – 7 U 95/19, Rn. 60f., juris).
97cc.
98Hier vermag sich der Senat nach den vorgenannten Grundsätzen bei einer Gesamtschau aus den objektiven Umständen des Einzelfalles sowie dem Vortrag und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Klägers die zweifelsfreie Überzeugung von der erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität nicht zu bilden.
99Zwar hält es der Senat im Grundsatz für lebensnah, dass ein Kunde ein Fahrzeug nicht erwerben würde, wenn er vor dem Kauf darauf hingewiesen würde, dass die in der Motorsteuerung verbaute Software nicht gesetzeskonform ist und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung durch das Kraftfahrtbundesamt bis hin zum Entzug der Betriebserlaubnis rechnen müsse. Die berechtigten Erwartungen eines Käufers eines Fahrzeugs gehen nämlich grundsätzlich dahin, dieses uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzen zu können, ohne dass jederzeit eine Betriebsbeschränkung oder sogar eine Betriebsuntersagung droht (so auch: OLG Saarbrücken Urt. v. 28.8.2019 - 2 U 94/18, Rn. 42 - 44, juris).
100Diese allgemeinen Erwägungen allein lassen jedoch im konkreten Fall einen Schluss auf die Kausalität zwischen einem der Beklagten zuzurechnenden (hier unterstellten) sittenwidrigen Verhalten und einem Schaden des Klägers in Form eines subjektiv nachteiligen Vertragsschlusses nicht zu. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Kläger den Kaufvertrag am 23.10.2017 und damit nach Bekanntwerden des sog. „Diesel-Skandals“ im Herbst 2015 betreffend das Vorgängermodell (Motor EA 189) abgeschlossen hat. Für den dort betroffenen Motor EA189 hatte das KBA im Oktober 2015 lediglich Nebenbestimmungen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV erlassen und die Typgenehmigung gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV weder widerrufen noch zurückgenommen. Vor diesem Hintergrund war aus Sicht des Klägers das Risiko einer Stilllegung seines Fahrzeugs, selbst bei Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, als sehr gering zu beurteilen.
101Die Anhörung des Klägers hat darüber hinaus ergeben, dass das Fahrzeug für seine Zwecke gut geeignet ist. So hat er angegeben, dass das Fahrzeug für ihn „die beste Lösung“ gewesen sei. Da er viele Kilometer fahre, sei ein Diesel für ihn vorteilhaft. Positiv sei auch ins Gewicht gefallen, dass das Fahrzeug die Anforderungen der EURO 6-Norm erfüllt habe. Über Probleme beim Fahren hat er nichts berichtet. Das Gerichtsverfahren habe er letztlich angestrengt, weil er aus Medienberichten eine Manipulation des im Fahrzeug verbauten Motors entnommen haben will und das Fahrzeug wegen des Dieselskandals 50 % an Wert verloren habe.
102Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass ihn dieser Umstand von einem Erwerb des Fahrzeugs abgehalten hätte. Hiergegen spricht eindeutig, dass er von der Möglichkeit, sein Fahrzeug am Ende der Laufzeit des Darlehens im November 2021 zurückzugeben, keinen Gebrauch gemacht hat, sondern es zu Eigentum erworben hat und weiter nutzt. Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Beklagten konnte der Kläger das Fahrzeug entweder an den Verkäufer zurückgeben oder die Schlussrate in Höhe von 14.723,92 EUR tilgen und Eigentümer des Fahrzeugs werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger, der sich ausweislich seines Vortrags im Rechtsstreit von der Beklagten als sittenwidrig geschädigt ansieht und eine Loslösung vom Vertrag begehrt, hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. So hätte er sich hierdurch des (seinem Vorbringen nach) erheblich wertgeminderten Fahrzeugs unabhängig von einem Erfolg des hiesigen Rechtsstreits entledigen können, ohne es auf dem Markt verkaufen zu müssen. Dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sein will, ggf. wiederum unter Inanspruchnahme einer Finanzierung, ein anderes Fahrzeug zu erwerben, erschließt sich dem Senat nicht. Sofern er auf das laufende Gerichtsverfahren verwiesen hat, hätte dies einer Rückgabe des Fahrzeugs nicht entgegengestanden; wie der anwaltlich vertretene Kläger unschwer durch eine Nachfrage bei seinen Prozessbevollmächtigten hätte in Erfahrung bringen können. So tritt im Falle eines Weiterverkaufs im Rahmen der Vorteilsausgleichung der erzielte marktgerechte Verkaufserlös an die Stelle des herauszugebenden und zu übereignenden Fahrzeugs (vgl. BGH Urt. v. 20.7.2021 – VI ZR 575/20, Rn. 25 ff.). Nichts anders kann für den vorliegenden Fall gelten, wenn der Kläger das Fahrzeug nach Ablauf der vereinbarten Darlehenszeit unter Anrechnung auf die Restschuld an den Verkäufer zurückgibt.
103In der vorzunehmenden Gesamtschau aller Umstände des Falles kann damit nicht mit der erforderlichen Überzeugung der Schluss gezogen werden, dass der Kläger in Kenntnis des sich aus der (hier unterstellten) Manipulationssoftware ergebenden Mangels das Fahrzeug nicht erworben hätte. Auch unter Beachtung der allgemeinen Einschätzung, dass ein Käufer vom Kauf eines Fahrzeugs mit einer manipulierten Motorsteuerungssoftware bei Kenntnis üblicherweise absehen würde, ergeben sich im konkreten Fall insbesondere aufgrund der Schilderungen des Klägers zu den Motiven für den Erwerb und aufgrund seines nachvertraglichen Verhaltens erhebliche Zweifel, die zu Lasten des beweisbelasteten Klägers gehen.
1042.
105Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Danach ist, wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine unerlaubte Handlung eines Verrichtungsgehilfen der Beklagten ist – wie ausgeführt – mangels sittenwidrigen Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen nicht gegeben.
1063.
107Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB, § 263 Abs. 1 StGB. Nach § 263 Abs. 1 StGB begeht einen Betrug, wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält. Dies ist hier nicht der Fall. Wie ausgeführt ist eine Täuschung des Klägers durch die für die Beklagten handelnden Personen nicht festzustellen. Darüber hinaus bestünde, selbst wenn eine Täuschung festgestellt werden könnte, jedenfalls keine Stoffgleichheit der etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte (vgl. dazu ausführlich BGH Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 24 ff., juris).
1084.
109Es besteht kein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 bzw. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, da es sich hierbei nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (vgl. dazu ausführlich BGH Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10 ff., juris). Das Interesse, nicht zu einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt weder im Aufgabenbereich des Art. 5 VO (EG) 715/2007 noch der §§ 6, 27 EG-FGV.
1105.
111Mangels Hauptanspruchs besteht schließlich kein Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie der Feststellung des Annahmeverzugs.
112III.
113Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
1141.
115Der Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben. Danach ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Norm kommt einer Rechtssache dann zu, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist und das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH Beschl. v. 4.7.2002 - V ZR 75/02, Rn. 4, juris). Daran fehlt es. Der BGH hat zu klärungsbedürftigen Rechtsfragen, die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblich sind, insbesondere mit Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19, Urteil vom 30.7.2020 – VI ZR 5/20, Beschluss vom 19.1.2021 – VI ZR 433/19, Beschluss vom 29.9.2021 – VII ZR 126/21, Beschluss vom 13.10.2021 – VII ZR 295/20 sowie mit Beschluss vom 25.11.2021 – III ZR 202/20 Stellung genommen.
1162.
117Die Zulassung der Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO.
118Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer höherrangigen Entscheidung, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht (vgl. BGH Beschl. v. 4.7.2002 - V ZR 75/02, Rn. 7, juris). Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH Beschl. v. 4.7.2002 - V ZR 75/02, Rn. 7, juris). Dies ist hier nicht der Fall, da der Senat von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen ist und diese für die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zugrunde gelegt hat.
119IV.
120Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.