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Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im Sinne des § 833 Satz 2 BGB hält eine Pferdehalterin nicht ein, wenn sie eine erfahrene Reitschülerin ohne Hilfestellung oder Anweisung, nicht ohne Hilfe aufzusteigen, auf ein privilegiertes Nutzpferd aufsteigen lässt, obwohl dieses noch kein zuverlässiges Reitpferd („Verlasspferd“) ist, die Anreitphase erst kürzlich begonnen und das Pferd noch zwei Tage vor dem Vorfall gebuckelt hat.
§ 834 BGB kann in direkter Anwendung im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB keine Berücksichtigung finden, wenn die Pferdehalterin nicht beweist, dass die Reitschülerin Tieraufseherin im Sinne des § 834 BGB ist.
Ob eine entsprechende Anwendung des § 834 BGB auf eine Reiterin geboten ist (im Anschluss an BGH Urt. v. 9.6.1992 – VI ZR 49/91, r+s 1992, 373), kann offen bleiben, wenn dies zu keiner anderen als der bereits zuerkannten Haftungsquote führt.
Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten gegen das am 06.08.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es ist ferner beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 5.000,00 EUR festzusetzen.
Es besteht für die Beklagte Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe:
2I.
3Die Beklagte war im März 2016 Halterin mehrerer Pferde, insbesondere des Pferdes A. Die Klägerin ist eine erfahrene Reiterin und befand sich am 31.03.2016 auf dem Anwesen der Beklagten. Als sie gegen 16:30 Uhr auf A aufsteigen wollte, um an einer Reitstunde der Beklagten teilzunehmen, ging das Pferd durch und bockte. Die Klägerin stürzte zu Boden. Hierdurch erlitt sie eine distale Radiusextensionsfraktur links sowie eine Fraktur des Proc. Coronoideus ulnae links. Die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt an der Stelle auf dem Reitplatz, an dem die Reitstunde durchgeführt werden sollte, noch nicht zugegen.
4Die Klägerin wurde am 04.04.2016 im Klinikum B operiert und war bis zum 06.04.2016 stationär aufgenommen. Sie war bis zum 31.07.2016 arbeitsunfähig. Am 09.02.2017 wurden die im ersten Operationstermin eingesetzten Metallplatten operativ entfernt. Aus diesem Grund war die Klägerin vom 06.02.2017 bis zum 31.03.2017 erneut arbeitsunfähig.
5Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Zahlung materieller Schäden in Höhe von 258,94 EUR (vgl. Aufstellung zu den Arzneimittel- und Behandlungskosten Bl. 6 d.A.), eines Verdienstausfalls in Höhe von 903,56 EUR, eines Haushaltsführungsschaden in Höhe von 3.048,00 EUR, von Fahrtkosten in Höhe von 239,00 EUR sowie eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 5.000,00 EUR geltend gemacht. Im Übrigen hat sie die Freistellung von der Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.261,40 EUR sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeden weiteren materiellen und immaterielle Schäden aus dem Reitunfall vom 31.03.2016 zu ersetzen.
6Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 415 – 430 d. A.), auf dessen Feststellungen wegen der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 50 % verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 EUR, Verdienstausfall in Höhe von 451,78 EUR, Behandlungs- und Arzneimittelkosten in Höhe von 129,47 EUR sowie Fahrtkosten in Höhe von 119,50 EUR zu zahlen. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR freizustellen, und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 50 % jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Reitunfall vom 31.03.2016 zu ersetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß § 833 Satz 1 BGB zustehen würde. Die Beklagte habe sich nicht gemäß § 833 Satz 2 BGB entlastet. Es sei zwar davon auszugehen, dass die Beklagte zum Unfallzeitpunkt eine Reitschule betrieben habe. Jedoch habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Beklagte als Reitlehrerin bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet habe. Die Beklagte habe fahrlässig gehandelt, da sie es unterlassen habe, die Klägerin beim Aufsteigen zu beaufsichtigen. Ihre Behauptung, sie habe die Klägerin zuvor darum gebeten, mit dem Aufstieg auf das Pferd zu warten, hätte sich im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigt.
7Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, dass ihr kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen sei. Die Klägerin habe selbst gewusst, dass A beim Aufsteigen empfindlich gewesen sei und habe auf eigene Gefahr gehandelt. Darüber hinaus hätte sie nicht damit rechnen müssen, dass einzelne Reitschülerinnen wie die Klägerin auch ohne ihre Anwesenheit auf ein Pferd aufsteigen würden. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus die faktische Reitbeteiligung der Klägerin. Aufgrund des eigenen Verschuldens der Klägerin müsse die ihr zuzurechnende Tiergefahr entfallen. Die Beweisaufnahme müsse wiederholt werden, da die Mitteilungen der Klägerin in der WhatsApp Gruppe eine Beeinflussung der Zeuginnen belegen würde. Die Beklagte bestreitet, dass Behandlungs- und Arzneimittelkosten in Höhe von 285,94 EUR und ein Verdienstausfall in Höhe von 903,56 EUR entstanden seien. Die Fahrtkosten und das Schmerzensgeld seien überhöht. Ein Feststellungsinteresse bestehe mangels Spätfolgen nicht.
8II.
9Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die zulässige Berufung in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat.
101.
11Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin dem Grunde nach gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gemäß § 833 Satz 1 BGB hat. Danach ist, wenn durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Diese Voraussetzungen liegen hier, wie das Landgericht zutreffend und damit für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend festgestellt hat, vor. Die Klägerin ist von A, dessen Halterin die Beklagte ist, infolge des der typischen Tiergefahr eines Pferdes zuzurechnenden Buckelns beim Aufsteigen an der Gesundheit und ihrem Körper verletzt worden, da sie durch den Sturz eine Fraktur am Handgelenk sowie dem Unterarm erlitten hat. Zweifel an den diesbezüglichen Feststellungen hat die Beklagte in ihrer Berufung nicht aufgezeigt und sind für den Senat auch nicht ersichtlich.
122.
13Die Beklagte hat sich nicht gemäß § 833 Satz 2 BGB entlastet. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Entlastungsbeweises obliegt der Beklagten (vgl. dazu MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 833 Rn. 78).
14a.
15Der Entlastungsbeweis steht der Beklagten offen, da das Landgericht zugunsten der Beklagten festgestellt hat, dass das Pferd A der Erwerbstätigkeit der Beklagten gedient hat.
16b.
17Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beklagten der Beweis nicht gelungen ist, sie habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet. Hieran sieht sich der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Die in der Berufung gegen diese Feststellung vorgebrachten Einwände verfangen nicht.
18aa.
19Welche Anforderungen an die verkehrserforderliche Sorgfalt zu stellen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und hängt insbesondere von der Gattung und den besonderen Eigenschaften des Tieres ab, die der Tierhalter kennt oder kennen muss, sowie den sonstigen Umständen ab (vgl. BGH Urt. v. 3.5.2005 – VI ZR 238/04 [unter II 3 a]). Vorliegend ist auf Grundlage des Vorbringens der Beklagten davon auszugehen, dass es der verkehrsüblichen Sorgfalt entsprochen hätte, der Klägerin beim Aufsteigen Hilfestellung zu geben und und diese anzuweisen, nicht ohne ihre Hilfe aufzusteigen, da A noch kein zuverlässiges Reitpferd („Verlasspferd“) gewesen ist, die Anreitphase erst im Frühjahr 2016 begonnen und A zwei Tage vor dem Vorfall bereits gebuckelt haben soll.
20bb.
21Die Beklagte hat dieser verkehrsüblichen Sorgfalt nicht entsprochen, da sie eine entsprechende Anweisung an die Klägerin, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nicht bewiesen hat, und beim Aufsteigen nicht dabei gewesen ist; wobei dahinstehen kann, ob sie noch im Haus oder – wie sie geltend macht – auf der anderen Seite des Reitplatzes auf dem Weg zur Reitstunde gewesen ist.
22Die vom Landgericht vernommenen Zeuginnen haben die entsprechende Behauptung der Beklagten nicht bestätigt. Auf die Ausführungen des Landgerichts nimmt der Senat Bezug. Rechtsfehler in der Würdigung der Beweise zeigt die Beklagte in ihrer Berufung nicht auf und vermag der Senat auch nicht zu erkennen. Insbesondere die Zeugin C, auf deren Zeugnis sich die Beklagte in der Berufung erneut bezieht, hat nicht bestätigt, dass die Beklagte eine entsprechende Anweisung gegeben habe. Die Zeugin hat bekundet, dass sie sich nicht mehr so gut erinnern könne. Es könne sein, dass die Beklagte gesagt habe, sie solle warten, aber vielleicht auch, um die Kamera zu holen. Dies genügt zur Überzeugung des Senats nicht, um im Beweismaßstab des § 286 Abs. 1 ZPO die Behauptung der Beklagten für wahr zu erachten.
23Sofern die Beklagte im Berufungsverfahren Frau D als weitere Zeugin für ihre Behauptung benennt, ist dieses neue Beweismittel nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Gründe, warum die Zeugin nicht bereits in erster Instanz für die entsprechende Behauptung benannt werden konnte, sind nicht dargetan.
243.
25Ein Mitverschulden der Klägerin hat das Landgericht gemäß § 254 Abs. 1 BGB mit 50 % berücksichtigt. Ein darüberhinausgehendes Mitverschulden kann nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden.
26a.
27Der Anspruch der Klägerin ist, anders als die Beklagte meint, nicht infolge eines vermuteten Mitverschuldens gemäß §§ 834, 254 BGB auf Null zu kürzen.
28aa.
29Nach § 834 BGB ist, wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 BGB bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Gegenüber dem Tierhalter ist seine Haftung regelmäßig nach § 254 BGB zu mindern, wobei der Tierhüter entgegen der bei § 254 üblichen Beweislastverteilung mit dem Nachweis belastet ist, dass er die ihm obliegende Aufsichtspflicht erfüllt hat und dennoch durch das Tier verletzt worden ist (vgl. MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 834 Rn. 8).
30Die strenge Haftung für vermutetes Verschulden setzt voraus, dass der Tierhüter ähnlich einem Tierhalter die Beherrschung der Tiergefahr eigenverantwortlich und selbstständig übernimmt. Der Tierhüter muss daher die selbstständige Aufsicht über das Tier übernehmen (BeckOK BGB/Spindler, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 834 Rn. 3). Derjenige, der mit dem Tierhalter eine Reitbeteiligung vereinbart, kann als Tieraufseher angesehen werden (vgl. BeckOGK/Spickhoff, 1.5.2021, BGB § 834 Rn. 6).
31bb.
32Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin Tierhüterin im Sinne des § 834 BGB gewesen ist. Dies geht zulasten der Beklagten, die für das Vorliegen der Voraussetzungen eines zu ihren Gunsten vermuteten Mitverschuldens die Darlegungs- und Beweislast trägt.
33Das Landgericht hat es ausdrücklich offen gelassen, ob die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls noch eine Reitbeteiligung an A hatte. Auch der Senat vermag nach eigener Würdigung des Vortrags der Parteien und der erhobenen Beweise eine vertragliche Aufsichtsführung über das Pferd A nicht im Beweismaßstab des § 286 Abs. 1 ZPO festzustellen.
34Die Parteivorträge stehen sich entgegengesetzt gegenüber. Die Zeuginnen haben den entsprechenden Vortrag der Beklagten nicht bestätigt. Aus dem von der Klägerin gezahlten Entgelt kann kein Rückschluss auf eine vertraglich vereinbarte Reitbeteiligung an A gezogen werden. Es ist offen, wofür die Klägerin letztlich die zuletzt gezahlten 200,00 EUR überwiesen hat. Dabei ist es nach Auffassung des Senats insbesondere nicht unplausibel, dass die Klägerin zunächst 50,00 EUR für die Reitbeteiligungen an verschiedenen Pferden, insbesondere auch an A, gezahlt hat, und sodann, nachdem sie erst ein und dann zwei eigene Pferde hatte, 200,00 EUR an die Beklagte überwiesen hat, da sie nunmehr alleine für die Unterstellung und Futterkosten dieser Tiere aufzukommen hatte.
35cc.
36Sofern es darüber hinaus im Hinblick auf einen Reiter wegen der mit einem Tierhüter vergleichbaren Interessenlage hinsichtlich der Einfluss- und Aufklärungsmöglichkeiten geboten sein kann, die Beweislastregeln des § 834 BGB gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens entsprechend anzuwenden (vgl. BGH Urt. v. 9.6.1992 – VI ZR 49/91, r+s 1992, 373 [unter III]), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Ein etwaig vermutetes Mitverschulden der Klägerin wäre jedenfalls nicht mit mehr als den vom Landgericht angenommenen 50 % zu berücksichtigen.
37Reitfehler sind der Klägerin unstreitig nicht zur Last zu legen. Nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2018 ist der Unfall so geschehen, dass die Klägerin mit dem linken Fuß in den Steigbügel gestiegen ist und das Pferd beim Hinüberschwingen des rechten Beins losgerannt ist und gebuckelt hat. Der Klägerin könnte – entsprechend dem Vortrag der Beklagten – lediglich zur Last gelegt werden, dass sie alleine auf ein noch nicht zuverlässiges Pferd („Verlasspferd“) aufgestiegen sein könnte; was im Rahmen von § 834 BGB von der Klägerin zu widerlegen wäre. Es kann dahinstehen, ob der Klägerin dieser Beweis gelungen ist, da auch im gegenteiligen Fall die Haftung der Beklagten lediglich, wie vom Landgericht angenommen, auf 50 % beschränkt wäre. Insofern würde die Mithaftung der Klägerin lediglich darauf beruhen, dass es ihr nicht gelungen wäre, die in § 834 Satz 1 BGB normierte Vermutung einer Pflichtverletzung und ihrer Kausalität für den Unfall zu widerlegen. Dies ist gegenüber der Haftung der Beklagten, der der Entlastungsbeweis nach § 833 Satz 2 BGB ebenfalls nicht gelungen ist, aus der gesetzlichen Gefährdungshaftung des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB als gleichwertig anzusehen. Die in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB anzustellende Abwägung der Verursachungsbeiträge würde demnach zu einer Haftungsquote von 50:50 führen (vgl. dazu auch OLG Nürnberg Urt. v. 29.3.2017 – 4 U 1162/13, Rn. 42, beck-online).
38Auf Grundlage dieser Erwägungen kann dahinstehen, ob es im Hinblick auf die von der Beklagten eingereichten WhatsApp-Nachrichten einer Wiederholung der Beweisaufnahme bedürfte.
39b.
40Ein darüber hinausgehendes Mitverschulden der Klägerin hat die Beklagte gemäß § 254 Abs. 1 BGB nicht bewiesen. Dabei geht der Senat davon aus, dass es keinen Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin begründet, dass diese als erfahrene Reiterin alleine auf ein Pferd aufsteigt; selbst wenn A zwei Tage vor dem Vorfall gebuckelt hatte. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass für die Klägerin diesbezüglich erhöhte Sorgfaltsanforderungen einzuhalten gewesen wären, da sie als Halterin die Anweisung erteilt hätte, nicht ohne ihre Hilfe aufzusteigen. Dies geht zu ihren Lasten, da die Behauptungs- und Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände grundsätzlich der Schädiger trägt, der damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 254 Rn. 70).
41c.
42Die Haftung der Beklagten ist schließlich nicht wegen eines Handelns auf eigene Gefahr durch die Klägerin ausgeschlossen. Bei der Tierhalterhaftung kommt eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH Urt. v. 25.3.2014 – VI ZR 372/13, Rn. 7, beck-online). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahr hinausgeht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böser Natur ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd (vgl. BGH Urt. v. 20.12.2005 – VI ZR 225/04 –, Rn. 12, juris). Der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen (vgl. BGH Urt. v. 25.3.2014 – VI ZR 372/13, Rn. 7, beck-online). Vorliegend hat sich die Klägerin mit dem Aufsteigen auf das Pferd A keiner, über die normale Tiergefahr, hinausgehenden Gefahr ausgesetzt; selbst wenn das Pferd zwei Tage vor dem Vorfall gebuckelt hatte.
434.
44Die Schadenshöhe ist vom Landgericht zutreffend bemessen worden.
45a.
46Die Behandlungs-, Arzneimittel- und Attestkosten waren überwiegend für die Dokumentation der unfallbedingten Verletzungen erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.
47aa.
48Das Attest vom 04.11.2016 (K9, Bl. 21 d.A.), für das Kosten in Höhe von 12,00 EUR (K36, Bl. 52 d.A.) entstanden sind, war wegen der dort bestätigten Ohrverletzung, die sich nicht aus Entlassungsbrief ergeben hat, erforderlich.
49Die Atteste vom 09.09.2016 von E für 50,00 EUR (K10, Bl. 22 d.A., K34, Bl. 50 d.A.), vom 31.08.2016 für 43,89 EUR und 08.05.2017 für 25,00 EUR von F (K11, Bl. 24 d.A., K33, Bl. 49 d.A, K22, Bl. 37 d.A., K35, Bl. 51 d.A.) geben den Behandlungs- und Heilungsverlauf wieder. Wegen des sich an den Klinikaufenthalt anschließenden länger andauernden Behandlungs- und Heilungsverlaufs konnte sich die Klägerin, insbesondere zur Begründung ihres Schmerzensgeldanspruchs, nicht lediglich auf die Dokumentation des Krankenhauses beziehen.
50Die von der Krankenversicherung verlangte Zuzahlung in Höhe von 30,00 EUR für die Krankenhausbehandlung vom 04.04. bis 06.04.2016 ergibt sich aus dem vorgelegten Schreiben vom 06.09.2016 (K31, Bl. 47).
51Die geltend gemachten Arzneimittelkosten in Höhe von 5,00 EUR sowie die Kosten für die Handgelenksbandage (K32, Bl. 48 d.A.) sind unstreitig.
52bb.
53In erster Instanz stand zwischen den Parteien in Streit, ob die beanspruchten Kosten für das Narbengel in Höhe von 19,38 EUR und die Parkgebühren in Höhe von 15,00 EUR entstanden sind. Die Klägerin hat insofern behauptet, dass ihre Mutter das Narbengel für sie erworben habe und die Parkgebühren ihrem Onkel entstanden seien, der sie ins Krankenhaus gefahren habe. Sie habe die Kosten jeweils erstattet. Das Landgericht hat die Kosten gemäß § 287 ZPO auf den angegebenen Betrag geschätzt. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
54Notwendige Fahrten ins Krankenhaus als auch Kosten für Arzneimittel gehören zu den Heilungskosten (vgl. Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 4 Personenschaden Rn. 44, 47 und Rn. 58, beck-online).
55Der Senat hält es im Rahmen des § 287 ZPO für überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin aufgrund ihrer Verletzungen nicht selbst zum Klinikum gefahren, sondern von ihrem Onkel gebracht worden ist. Aus den Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin am 01.04. und vom 04.04. bis zum 06.04.2016 im Krankenhaus in B gewesen ist. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin am 01.04. Hin- und Zurückfahren, am 04.04. gebracht und am 06.04.2016 abgeholt werden musste, ist es nachvollziehbar, dass ihrem Onkel für die drei Tage insgesamt Parkgebühren in Höhe von 15,00 EUR entstanden sind.
56Da die Klägerin eine Operationsnarbe erlitten hat (vgl. Bericht des Klinikum B vom 06.04.2016, K8, Bl. 19f. d.A.) hält es der Senat für überwiegend wahrscheinlich im Sinne des § 287 ZPO, dass die Klägerin ein Narbengel zur Förderung der Heilung benutzt hat.
57b.
58Der von der Klägerin geltend gemachte Verdienstausfall war erstinstanzlich unstreitig; wovon das Landgericht zu Recht ausgegangen ist. Sofern die Beklagte den Verdienstausfall erstmals bestreitet, handelt es sich um neues Vorbringen im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Zulassungsgründe sind nicht dargetan, so dass es bei den erstinstanzlichen Feststellungen verbleibt.
59c.
60Der Haushaltsführungsschaden ist vom Landgericht rechtskräftig nicht zuerkannt worden.
61d.
62Die Fahrtkosten hat das Landgericht gemäß § 287 ZPO auf die geltend gemachten 239,00 EUR geschätzt, wobei 0,30 EUR für jeden gefahrenen Kilometer zugesprochen worden sind. Dies hält sich nach Auffassung des Senats in Anbetracht der alten und neuen Fassung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG, wonach zunächst 0,25 EUR und seit dem 01.01.2021 0,35 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt werden, im Rahmen des Schätzungsermessen.
63e.
64Das vom Landgericht gemäß § 253 Abs. 2 BGB zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 EUR ist nach Auffassung des Senats zum Ausgleich der erlittenen Verletzungen und Beeinträchtigungen keinesfalls zu gering bemessen. Der Senat, dem bei der Bemessung des Schmerzensgelds ein eigenes Ermessen zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 28.03.2006 – VI ZR 46/05 [unter II 3]), sieht keinen Anlass für eine Herabsetzung des Betrages. Sofern die Beklagte einwendet, dass das Schmerzensgeld zu hoch bemessen sei, weil die Klägerin sofort wieder an Turnierereignissen teilgenommen habe und sich der Pflege der Pferde zugewandt habe, ist dies vom Landgericht berücksichtigt worden. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Reitleidenschaft nicht lange beeinträchtigt gewesen sei. Eine stärkere Gewichtung dieses Gesichtspunkts zugunsten der Beklagten kommt für den Senat nicht in Betracht; zumal es bereits zu Dauerfolgen, nämlich einer Verknöcherung auf der radialen Seite des Ellenbogengelenkes links, gekommen ist.
65Der Umstand, dass das Landgericht das Mitverschulden nicht als wichtigen Bemessungsfaktor angesehen, sondern eine quotale Kürzung vorgenommen hat (vgl. dazu BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 253 Rn. 73), wirkt sich nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht aus.
66f.
67Die Höhe der zugesprochenen Rechtsanwaltskosten von 492,54 EUR folgt bei einem Gegenstandswert von bis zu 5.000,00 EUR aus §§ 13, 14, Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG.
685.
69Das Landgericht ist schließlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu 4) zulässig und begründet ist. Anders als die Beklagte meint, fehlt der Klage diesbezüglich nicht das Feststellungsinteresse. Voraussetzung für das Feststellungsinteresse ist, dass die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BGH Beschl. v. 9.1.2007 – VI ZR 133/06, Rn. 5, juris). Dies ist hier der Fall. So hat der Sachverständige ausgeführt, dass es auf Grund der erlittenen Verletzung zu Dauer- und Spätfolgen im Bereich des Ellenbogengelenks links kommen kann, die teilweise bereits durch die Verknöcherung auf der radialen Seiten des Ellenbogengelenkes links eingetreten sind. Im Bereich des Handgelenks könne es zu einer Ausbildung einer posttraumatischen Arthrose kommen.
70III.
71Aus den vorstehenden Gründen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere für sie günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
72Zudem hat die Rechtssache zur einstimmigen Überzeugung des Senats auch keine grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 2, 3, 4 ZPO.
73Die Berufung ist auf den Hinweis zurückgenommen worden.