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Auf die Berufung des Klägers wird das am 01.07.2021 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Paderborn (Aktenzeichen 7 O 37/20) abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2020 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
61.
7Die Klage ist zulässig und begründet.
8a)
9Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Klage zulässig.
10aa)
11Die Parteien haben im Juli 2020 unstreitig eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung getroffen. Allein hierauf kommt es für den geltend gemachten Zahlungsanspruch an, weil durch den Unterlassungsvertrag ein neuer, vom gesetzlichen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG zu unterscheidender vertraglicher und durch die (nunmehr geltend gemachte) Vertragsstrafe gesicherter Unterlassungsanspruch begründet worden ist (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, § 13 UWG, Rn. 166, 197 mwN.).
12Soweit das Landgericht demgegenüber die Ansicht vertreten hat, es fehle an der in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG geregelten Klagebefugnis eines Wettbewerbsverbandes als Sachurteilsvoraussetzung, die nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung bestanden haben, sondern sogar im Revisionsverfahren noch fortbestehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2015 – I ZR 158/14, GRUR 2015, 1240, Rn. 13, zit. nach juris – Der Zauber des Nordens), hat es verkannt, dass die genannte Vorschrift den gesetzlichen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG betrifft, nicht hingegen den hier streitgegenständlichen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Strafe (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, aaO., § 8 UWG, Rn. 3.13, 3.16 mwN.).
13bb)
14Auch der vom Beklagten erstinstanzlich erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs führt gegenüber dem hier geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, aaO., § 8c UWG, Rn. 3, 9 mwN.).
15b)
16Die Klage ist auch begründet.
17aa)
18Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der begehrten Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 € aus der unstreitig zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertragsstrafenvereinbarung i. V. m. §§ 339 Satz 2, 315 BGB, § 15a Abs. 2 UWG.
19(1)
20Die Parteien haben im Juli 2020 unstreitig eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung getroffen. Allein hierauf kommt es nach den vorstehenden Ausführungen unter 1. a) aa) für den geltend gemachten Zahlungsanspruch an.
21Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird nicht schon durch eine einseitige Erklärung des Schuldners begründet, sondern setzt den Abschluss eines Vertrages zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner voraus. Für das Zustandekommen eines solchen Vertrages gelten die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006 – I ZR 32/03, GRUR 2006, 878, Rn. 14 mwN., zit. nach juris – Vertragsstrafevereinbarung).
22Vorliegend hat der Kläger die strafbewehrte Unterlassungserklärung des Beklagten vom 06.07.2020 mit Schreiben vom 09.07.2020 ausdrücklich angenommen, so dass ein entsprechender Vertrag zustande gekommen ist.
23(2)
24Entgegen der Auffassung des Beklagten stehen dem wirksamen Abschluss der Vertragsstrafenvereinbarung nicht die §§ 134, 138 Abs. 1 BGB entgegen.
25(a)
26Es erschließt sich nicht, weshalb eine etwa fehlende „Abmahnbefugnis“ des Klägers (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) dem grundsätzlich jedermann möglichen Abschluss einer Vertragsstrafenvereinbarung entgegenstehen sollte.
27(b)
28Zu einer etwaigen Nichtigkeit der Vertragsstrafenvereinbarung gem. § 138 BGB trägt der Beklagte nicht weiter vor. In Ansehung des Umstandes, dass ein etwaiges rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers bei der Abmahnung einen wichtigen Grund für die Kündigung (§ 314 BGB) einer auf der Abmahnung beruhenden Unterlassungsvereinbarung darstellt mit der Folge, dass der Geltendmachung der Vertragsstrafe dann der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegengehalten werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2019 – I ZR 6/17, GRUR 2019, 638, Rn. 12, 33 ff. mwN., zit. nach juris – Kündigung der Unterlassungsvereinbarung), kommt es hierauf aber auch nicht streitentscheidend an.
29(3)
30Die Anfechtung der Unterlassungserklärung vom 06.07.2020 wegen arglistiger Täuschung hat keinen Erfolg, weil es an einem Anfechtungsgrund fehlt.
31(a)
32Voraussetzung für eine Anfechtung gem. § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung ist eine Täuschung über Tatsachen (vgl. Palandt/Ellenberger, 80. Aufl. 2021, § 123 Rn. 2 ff.; Senatsurteil vom 17.12.2020 – 4 U 66/20, Rn. 7 mwN., zit. nach juris).
33(b)
34Der Beklagte sieht sich durch die Ausführungen des Klägers in der Abmahnung vom 05.06.2020 insoweit arglistig getäuscht, als der Kläger zum einen falsche Angaben zu seiner Abmahnbefugnis bzw. Aktivlegitimation gemacht sowie zum anderen behauptet habe, auf die auf der Homepage des Beklagten dargestellten Gebrauchtwagenangebote seien die Vorschriften über Fernabsatzverträge anwendbar. Diese Ausführungen bestehen allerdings im Wesentlichen aus der Äußerung von Rechtsauffassungen (vgl. Senatsurteil vom 17.12.2020 – 4 U 66/20, aaO.).
35(aa)
36Die einzige annähernd konkrete Tatsachenbehauptung ist die Angabe, dem Kläger gehörten „266 Kfz- und Zubehörhändler an, die ihre Ware wie Sie über eine Website vertreiben, ferner Schnäppchen-Märkte und Portale, die Restposten verwerten und ähnliche Angebote haben.“
37Zutreffend weist der Kläger allerdings insoweit darauf hin, dass der Beklagte erstinstanzlich nicht – auch nicht im Schriftsatz vom 17.12.2020 – bestritten hat, dass dem Kläger 266 Kfz- und Zubehörhändler angehören und dass er, der Kläger, gerade nicht behauptet hat, er habe 266 Mitglieder, die wie der Beklagte mit Oldtimern handeln. Der Beklagte hat seinerseits lediglich die Rechtsauffassung vertreten, bei den besagten 266 Mitgliedern der Kfz-Branche handele es sich nicht um Wettbewerber, weil diese sich nicht – wie er – auf den Handel mit restaurierten Oldtimern spezialisiert hätten. Der Beklagte hat mithin die zur Darlegung der Abmahnbefugnis (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) dienenden Ausführungen des Klägers aus der Abmahnung lediglich insofern in Abrede gestellt, als er hieraus den (falschen) rechtlichen Schluss gezogen hat, hierbei handele es sich nicht um Wettbewerber. (Allein) Hierauf gründet er seinen Täuschungseinwand.
38Soweit der Beklagte den Angaben des Klägers in der Abmahnung mit der Begründung einen anderen Sinngehalt beimessen will, der Begriff „ähnliche Angebote“ beziehe sich speziell auf seine Angebote, nämlich den Handel mit Oldtimer-Fahrzeugen, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dem Gesamtzusammenhang des Satzes „Unserem Verband gehören z. B. 266 Kfz- und Zubehörhändler an, die ihre Ware wie Sie über eine Website vertreiben, ferner Schnäppchen-Märkte und Portale, die Restposten verwerten und ähnliche Angebote haben.“ lässt sich ein solcher Aussagegehalt nicht entnehmen. Vielmehr handelt es sich bei dem Begriff „ähnliche Angebote“ um eine Verallgemeinerung der zuvor genannten Begriffe „Schnäppchen-Märkte und Portale, die Restposten verwerten“. Hierzu mögen auch weitere spezialisierte Oldtimer-Händler gehören. Keinesfalls beschränkt sich der Aussagegehalt des Satzes aber darauf, dass der Kläger damit hätte zum Ausdruck bringen wollen, ihm gehörten 266 Mitglieder an, die sich sämtlich wie der Beklagte auf den Handel mit Oldtimern spezialisiert hätten. Dies ergibt sich schon aus dem weiten Spektrum der Begrifflichkeiten „Kfz- und Zubehörhändler“ sowie „Schnäppchen-Märkte und Portale, die Restposten verwerten“ und war dem Beklagten auch bewusst, weil er seinem eigenen Vorbringen nach gerade keinen Zubehör- bzw. Teilehandel und erst recht keinen „Schnäppchenmarkt“ betreibt.
39Soweit der Beklagte darüber hinaus offenbar nunmehr in der Berufungsinstanz die Angaben des Klägers hinsichtlich seiner insgesamt der Kfz-Branche angehörenden Mitglieder bestreiten will, ist er mit diesem neuen Vorbringen gem. §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgeschlossen. Anhaltspunkte, die gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu einer Zulassung führen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
40(bb)
41Soweit der Beklagte sich außerdem durch die in der Abmahnung enthaltenen Angaben getäuscht sieht, auf seine Angebote seien die Vorschriften über Fernabsatzverträge anwendbar, handelt es sich ebenfalls um eine Rechtsansicht, die – ohne dass es für die Entscheidung hierauf ankommt – zudem nicht völlig abwegig ist, zumal § 312c Abs. 1 Hs. 2 BGB insoweit eine eng auszulegende Ausnahme („es sei denn…“) enthält, deren Voraussetzungen der Unternehmer zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2018 – VIII ZR 94/17, NJW 2019, 303, Rn. 18 ff., zit. nach juris; Palandt/Grüneberg, aaO., § 312c BGB, Rn. 6, jew. mwN.). Indem der Beklagte die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung auf seiner Homepage verwendet hat, hat er zudem selbst Anlass zu der Annahme gegeben, seine Geschäftstätigkeit umfasse auch den Abschluss von Fernabsatzverträgen.
42(cc)
43Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der Aufforderung zur Erstattung der Abmahnkosten, die der Kläger damit begründet hat, der Beklagte sei hierzu verpflichtet. Auch hierbei handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern eine Rechtsansicht.
44(4)
45Mit seiner mit Schriftsatz vom 24.02.2022 ergänzend erklärten Anfechtung „wegen eines Irrtums über die Abmahnbefugnis bzw. Aktivlegitimation des Klägers“ dringt der Beklagte schon deshalb nicht durch, weil eine solche Anfechtung gem. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB nur unverzüglich nach Kenntnis vom Anfechtungsgrund erfolgen kann.
46Selbst wenn man die mit der Klageerwiderung vom 17.12.2020 erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) gem. § 140 BGB in eine solche wegen Irrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) umdeutet, kann nicht festgestellt werden, dass die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB gewahrt ist. Der Beklagte trägt nicht im Ansatz vor, wann er seinen (vermeintlichen) Irrtum erkannt und dementsprechend Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt haben will.
47(5)
48Der Beklagte ist nicht zur Kündigung der Unterlassungsvereinbarung berechtigt.
49(a)
50Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 14.02.2019 – I ZR 6/17, GRUR 2019, 638, Rn. 12, 33 ff. mwN., zit. nach juris – Kündigung der Unterlassungsvereinbarung), der der Senat folgt, kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung einen wichtigen Grund für die Kündigung (§ 314 BGB) einer auf der Abmahnung beruhenden Unterlassungsvereinbarung darstellen mit der Folge, dass der Geltendmachung der Vertragsstrafe der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegengehalten werden kann.
51(b)
52Die der Unterlassungsvereinbarung zugrunde liegende Abmahnung des Klägers war allerdings weder unter dem Gesichtspunkt rechtsmissbräuchlich, dass der Kläger zwischen aktiven und passiven Mitgliedern unterscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006 – I ZR 116/03, GRUR 2006, 873, Rn. 20, zit. nach juris – Brillenwerbung), noch unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger – wie der Beklagte behauptet – gegen eigene Mitglieder nicht in gleicher Weise vorgeht wie gegen Nichtmitglieder.
53(aa)
54Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 17.09.1998 – I ZR 117/96, WRP 1999, 424, Rn. 27 – Bonusmeilen; Urteil vom 06.04.2000 – I ZR 294/97, GRUR 2001, 178, Rn. 8 ff. – Impfstoffversand an Ärzte; Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 148/10, GRUR 2012, 411, Rn. 19 ff. – Glücksspielverband; Urteil vom 05.10.2017 – I ZR 172/16, GRUR 2017, 1281, Rn. 15 – Großhandelszuschläge, jew. mwN. und zit. nach juris), der der Senat folgt, ist es grundsätzlich nicht ohne Weiteres missbräuchlich, wenn der anspruchsberechtigte Verband nur gegen einen oder einzelne von mehreren Verletzern vorgeht. Denn es steht dem Verletzer frei, seinerseits gegen die anderen Verletzer vorzugehen. Allerdings kann es im Einzelfall missbräuchlich sein, wenn ein Verband grundsätzlich nur gegen Außenstehende und nicht gegen eigene Mitglieder vorgeht, vielmehr deren Wettbewerbsverstöße planmäßig duldet (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.1997 – I ZR 29/94, GRUR 1997, 681, Rn. 34 – Produktwerbung; Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 148/10, GRUR 2012, 411, Rn. 21 – Glücksspielverband, jew. mwN. und zit. nach juris; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, aaO., § 8c UWG, Rn. 38 mwN.). Denn die Klagebefugnis der Verbände liegt nicht nur im Interesse der betroffenen Mitglieder, sondern auch im öffentlichen Interesse. Andererseits gibt es keine Obliegenheit eines Verbands, auch gegen eigene Mitglieder vorzugehen, auf die sich der außenstehende Dritte berufen könnte. Daher ist auch in solchen Fällen zu fragen, ob der Verband überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (so auch OLG Hamburg, Urteil vom 11.08.2011 – 3 U 145/09, GRUR-RR 2012, 21 [23 f.] mwN.). Dabei sind die Gesamtumstände zu berücksichtigen. So ist bspw. ein Missbrauch anzunehmen, wenn ein Verband mit seinem ausschließlichen Vorgehen gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, die dann Schutz vor Verfolgung durch den Verband genießen (vgl. BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 148/10, GRUR 2012, 411, Rn. 23 mwN., zit. nach juris – Glücksspielverband; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen, aaO., § 8c UWG, Rn. 38 mwN.).
55(bb)
56Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger grundsätzlich nur gegen Außenstehende vorgeht und Verstöße seiner Mitglieder planmäßig duldet, um auf diese Weise letztlich neue Mitglieder zu werben, die dann Schutz vor Verfolgung durch ihn genießen, sind dem Vorbringen der Beklagten hierzu, das sich im Wesentlichen in Rechtsprechungszitaten erschöpft, allerdings nicht zu entnehmen.
57(cc)
58Letztlich ergibt sich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers nach den vorstehenden Ausführungen unter (3) nicht daraus, dass die Abmahnung vorsätzliche Falschangaben enthält, um auf diese Weise eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu erschleichen und Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe zu generieren.
59(6)
60Entgegen der Ansicht des Beklagten ist auch nicht die Geschäftsgrundlage der Vertragsstrafenvereinbarung entfallen. Es fehlt insoweit bereits an einer nach Vertragsschluss erfolgten schwerwiegenden Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind.
61Ungeachtet dessen hat der Senat bereits in der vom Beklagten selbst zitierten Entscheidung vom 13.12.2012 (Az. 4 U 107/12, Rn. 51 mwN., zit. nach juris) ausgeführt, dass der Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Durchbrechung des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ bedeutet und aufgrund dessen an strenge Voraussetzungen geknüpft ist. Eine damit begründete Loslösung oder Änderung bestehender Vertragsbeziehungen kommt nur in Betracht, um untragbare, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbare Folgen zu vermeiden. Die Auflösung eines Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bietet eine außerhalb des Vertrages liegende, von vornherein auf besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, sich von den vertraglich übernommenen Verpflichtungen zu lösen.
62Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Die vom Beklagten übernommene Unterlassungsverpflichtung schränkt ihn nicht derartig ein, dass er seine Tätigkeit nur noch mit gewaltigen Hindernissen versehen kann. Vielmehr ist es ihm lediglich untersagt, Angebote mit einer (fehlerhaften) Widerrufsbelehrung zu versehen. Die Erfüllung dieser Verpflichtung liegt allein in seiner Hand, zumal er von sich selbst behauptet, seine Geschäftstätigkeit umfasse den Abschluss von Fernabsatzverträgen überhaupt nicht. Sein Geschäftsbetrieb wird hierdurch nicht beeinträchtigt. Eine unzumutbare Einschränkung seiner Tätigkeit ist nicht zu befürchten (vgl. Senatsurteil vom 13.12.2012 aaO., Rn. 54, zit. nach juris).
63(7)
64Der Beklagte hat gegen die Vertragsstrafenvereinbarung verstoßen, indem er die in Rede stehende Widerrufsbelehrung ausweislich des als Anlage K3-3 zur Akte gereichten Screenshots auf seiner Homepage weiterhin – jedenfalls bis zum 24.07.2020 – genutzt hat.
65(a)
66Daran, dass es sich bei dem vorgenannten Screenshot um die in Rede stehende Widerrufsbelehrung handelt, hat der Senat keinen durchgreifenden Zweifel. Dem Beklagten, dessen Prozessbevollmächtigter zuletzt im Senatstermin vom 17.05.2022 die Qualität des besagten Ausdrucks beanstandet hat, ist zwar zuzugeben, dass der Text aufgrund der Komprimierung des Screenshots auf die Größe einer DIN A4-Seite schwerer zu lesen ist als bspw. der Ausdruck der bei der Akte befindlichen anwaltlichen Schriftsätze. Dies führt aber nicht zur Unleserlichkeit.
67Ungeachtet dessen kann es sich bei dem unzweifelhaft mit „Widerrufsbelehrung“ überschriebenen Text nur um die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung handeln. Denn dass es sich bei dem Screenshot grundsätzlich um den Ausdruck der von ihm betriebenen Homepage „Internetadresse 01“ handelt, stellt der Beklagte nicht in Abrede. Auch hat er nicht vorgetragen, dass es etwa mehrere Fassungen der Widerrufsbelehrung gebe oder gegeben habe, sondern vielmehr – wenn auch nicht hinreichend substantiiert (siehe hierzu nachstehend unter lit. (b)) – behauptet, den Text mittlerweile gänzlich gelöscht zu haben.
68(b)
69Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für den von ihm behaupteten Verstoß gegen die Vertragsstrafenvereinbarung trägt. Einer Beweisaufnahme hierzu bedurfte es entgegen der Ansicht des Beklagten gleichwohl nicht, weil das diesbezügliche Vorbringen des Klägers gem. § 138 Abs. 2 und 3 ZPO als unstreitig zu behandeln ist.
70Soweit der Beklagte in der Klageerwiderung vom 17.12.2020 sowie später anlässlich seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht wie auch durch den Senat bestritten hat, dass die beanstandete Widerrufsbelehrung am 24.07.2020 tatsächlich noch auf der von ihm betriebenen Homepage vorhanden war, kann dahinstehen, ob es sich hierbei um ein unbeachtliches (vgl. bspw. BGH, Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468, Rn. 8 ff.; Urteil vom 11. März 2010 – IX ZR 104/08, NJW 2010, 1357, Rn. 16, jew. mwN. und zit. nach juris), weil unsubstantiiertes einfaches bzw. – allenfalls in Ansätzen – qualifiziertes Bestreiten oder der Sache nach um ein unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) handelt, das ebenfalls wie Nichtbestreiten zu werten ist (vgl. Zöller/Greger, 34. Aufl. 2022, § 138 ZPO, Rn. 13; BGH, Versäumnisurteil vom 22.04.2016 – V ZR 256/14, NJW-RR 2016, 1251, Rn. 20, zit. nach juris).
71(aa)
72Gem. § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei grundsätzlich über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gem. § 138 Abs. 2 ZPO. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gem. § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit vom Vortrag der Gegenseite ab (st. Respr., vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468, Rn. 11 mwN., zit. nach juris). Eine über ein einfaches Bestreiten hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht darlegungsbelastete Partei im Regelfall nur dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgeblichen Tatsachen nicht kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 13.01.2011 – III ZR 146/10, NJW 2011, 1509, Rn. 20 mwN., zit. nach juris).
73Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich das einfache Bestreiten des Verstoßes durch den Beklagten bzw. sein Vorbringen, er habe die in Rede stehende Widerrufsbelehrung gelöscht, als unzureichend dar. Der Kläger hat durch Vorlage des als Anlage K3-3 zur Akte gereichten Screenshots verbunden mit dem Sachvortrag, der Ausdruck stamme vom 24.07.2020 und der Beklagte habe an diesem Tag erneut Angebote mit der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung auf seiner Homepage geschaltet, substantiiert und im Rahmen der ihm als außerhalb der internen Geschehensabläufe des Unternehmens des Beklagten stehender Person zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Verstoß gegen die Vertragsstrafenvereinbarung vorgetragen.
74Dem hätte der Beklagte, dem die Abläufe innerhalb seines Geschäftsbetriebes im Gegensatz zum Kläger bekannt sind, ebenso substantiiert entgegentreten und konkret vortragen müssen, wann genau vor dem 24.07.2020 er die fehlerhafte Widerrufsbelehrung entweder selbst von der von ihm betriebenen Homepage entfernt oder einen Dritten hiermit beauftragt haben will, so dass es dem Kläger nicht möglich war, diese an dem genannten Tag erneut aufzurufen und auszudrucken. Hieran fehlt es. Auch seine pauschale Angabe im Senatstermin, er sei ein erfahrener Geschäftsmann und habe als solcher seine Verpflichtung aus der Unterlassungsvereinbarung selbstverständlich unmittelbar nach Abgabe der Unterlassungserklärung erfüllt, reicht als solche nicht, weil sich hieraus ebenfalls keinerlei aussagekräftige Einzelheiten zum Geschehensablauf entnehmen lassen. Hinzu kommt, dass der Senat aufgrund seines persönlichen Eindrucks vom – durchaus erregten – Auftreten des Beklagten Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit seiner umfangreichen mündlichen Ausführungen im Senatstermin vom 17.05.2022 hat. Der Beklagte hatte spätestens aufgrund der ausführlichen rechtlichen Hinweise des Senats aus der Verfügung vom 08.02.2022 Anlass, sein Vorbringen betreffend die Löschung der Widerrufsbelehrung von seiner Homepage hinreichend zu substantiieren. Dies hat er aber auch mit Schriftsatz vom 24.02.2022 nicht getan, obwohl es sich um einen vergleichsweise einfach darzustellenden Lebenssachverhalt handelt. Stattdessen hat er in dem genannten Schriftsatz umfassend zur Darlegungs- und Beweislast ausgeführt.
75(bb)
76Geht man davon aus, dass der Beklagte den Verstoß – wenn auch nicht ausdrücklich – mit Nichtwissen bestreiten wollte, ergibt sich nichts anderes. Die Gestaltung der vom Beklagten selbst betriebenen Homepage stellt zweifellos einen Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung dar. Er durfte sich deshalb nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken, sondern war gehalten, im Einzelnen dazu vorzutragen, wann und wie genau er die (fehlerhafte) Widerrufsbelehrung gelöscht haben will, so dass es dem Kläger nicht möglich war, diese an dem genannten Tag erneut aufzurufen und auszudrucken. Dies hat er – wie bereits vorstehend ausgeführt – bis zuletzt nicht getan.
77(c)
78Der Senat kann ferner dahinstehen lassen, ob tatsächlich ein Verstoß gegen § 312g Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB vorliegt. Insbesondere bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Feststellungen dazu, ob die Geschäftstätigkeit des Beklagten den Abschluss von Fernabsatzverträge beinhalt und ob er die notwendigen personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen dafür in seinem Unternehmen geschaffen hat.
79Maßgeblich dafür, ob der geltend gemachte Vertragsstrafenanspruch besteht, ist – wie ebenfalls bereits vorstehend ausgeführt – ausschließlich der durch den Unterlassungsvertrag begründete neue und vom gesetzlichen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG zu unterscheidende vertragliche Unterlassungsanspruch, von dessen Wortlaut die beanstandete Widerrufsbelehrung zweifellos umfasst ist.
80(8)
81Das Verschulden des Beklagten wird vermutet, wenn – wie hier – eine objektive Zuwiderhandlung zu bejahen ist, so dass die Beklagte sich entlasten muss (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 13a UWG, Rn. 28 mwN.). Konkretes Vorbringen des Beklagten hierzu ist indes nicht ersichtlich.
82(9)
83Gegen die vom Kläger nach Ermessen festgesetzte und mit der Klage geltend gemachte Höhe der Vertragsstrafe bestehen zur Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten mit der Klageerwiderung geltend gemachten Gesichtspunkte keine durchgreifenden Bedenken.
84bb)
85Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs.1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
86Der Kläger hat den Beklagten mit Schreiben vom 24.07.2020 unter Fristsetzung bis zum 07.08.2020 zur Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe aufgefordert. Der Beklagte befindet sich demnach seit dem 08.08.2020 im Verzug.
872.
88Die Widerklage ist unbegründet und dementsprechend abzuweisen.
89Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung der im Zusammenhang mit der Abmahnung und dem Abschluss der strafbewehrten Unterlassungsvereinbarung an den Kläger gezahlten Abmahnkosten in Höhe von 232,05 €.
90Auf die Frage, ob die Abmahnung ursprünglich berechtigt war und deshalb ein gesetzlicher Anspruch des Klägers auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG a. F. (nunmehr § 13 Abs. 3 UWG) bestand, kommt es nicht an, weil der Beklagte sich gem. Ziff. II der strafbewehrten Unterlassungserklärung vertraglich zur Zahlung der Abmahnkosten verpflichtet hat. Wie vorstehend dargestellt hat weder die vom Beklagten erklärte Anfechtung seiner Erklärung Erfolg, noch ist er zur Kündigung der Unterlassungsvereinbarung berechtigt. Dementsprechend ist die Zahlung der Abmahnkosten nicht rechtsgrundlos erfolgt. Auch ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch ist nicht gegeben.
91III.
92Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.