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Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 29. November 2021 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 26. November 2021 (2 O 236/21) wird zurückgewiesen.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin begehrt die Bewilligung von weiterer Prozesskostenhilfe für einen behaupteten Auskunfts- und Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte aus der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (VO (EU) 2016/679, „DS-GVO“).
4Die Parteien streiten über ärztliche Behandlungsfehler im Rahmen einer Wirbelsäulenoperation und deren Vor- und Nachsorge im Hause der Beklagten, dem A Krankenhaus in B, in den Jahren 2017 und 2018. Über diesen Sachverhalt ist bereits ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht geführt worden (2 OH 2/19), in dessen Zuge die Beklagte die Behandlungsunterlagen der Klägerin zur Akte gereicht hat.
5Des Weiteren begehrt die Klägerin eine vollständige Datenauskunft nach Art. 15 DS-GVO, welche sie erstmals am 18.01.2019 von der Beklagten eingefordert hat, sowie wegen bislang nicht erteilter Auskunft ein Schmerzensgeld auf Basis von Art. 83 Abs. 5b) DS-GVO.
6Die Klägerin ist der Ansicht, die DS-GVO greife vorliegend ein, da es sich bei dem Betrieb des Krankenhauses um eine rein wirtschaftliche Betätigung der Beklagten handele, die sich nicht vom Betrieb anderer, nicht konfessioneller Krankenhäuser unterscheide.
7Die Beklagte ist der Ansicht, in datenschutzrechtlicher Hinsicht sei nicht die DS-GVO, sondern das Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland („DSG-EKD“) anwendbar, da sie gem. Art. 91 DS-GVO als kirchliche Einrichtung deren Anwendbarkeit nicht unterliege.
8Das Landgericht hat mit Beschluss vom 26.11.2021 der Klägerin Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 1 a) betreffend die behaupteten Behandlungsfehler bewilligt und den weitergehenden Antrag bezüglich der geltend gemachten Ansprüche aus der DS-GVO zurückgewiesen.
9Gegen diese Teilversagung wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 29.11.2021. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 30.11.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
10Auf die vorgenannten Beschlüsse sowie die Beschwerdebegründung wird Bezug genommen.
11II.
12Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß den §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
13Zu Recht hat das Landgericht die Anträge zu Ziffer 1 b) und c) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die beabsichtigte Klage hat auch nach Auffassung des Senats insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
141) Soweit die Klägerin im Rahmen der Beschwerdebegründung die Auffassung vertritt, ihr sei allein deshalb Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da die vorliegend entscheidungserhebliche Rechtsfrage deutlich zu komplex und kompliziert sei, als dass diese im PKH-Bewilligungsverfahren geklärt werden könnte, kann dem nicht gefolgt werden. Die rechtlichen Grundlagen für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung hat das Gericht grundsätzlich vollständig zu prüfen. Es darf sich nicht auf eine überschlägige Einschätzung der Rechtslage beschränken. Die Prüfungstiefe unterscheidet sich insoweit grundsätzlich nicht von der des Hauptsacheverfahrens (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., § 114 Voraussetzungen, Rn. 24). Insofern sind vorliegend die streitigen Rechtsfragen bereits im PKH-Bewilligungsverfahren abschließend zu klären.
152) Soweit die Klägerin ihre sofortige Beschwerde weiter darauf stützt, dass das Landgericht es unterlassen habe, zuvor per Vorab-Beschluss gem. § 17a GVG die Zulässigkeit des Rechtswegs zur ordentlichen Gerichtsbarkeit zu klären, worin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) liege, dringt sie auch hiermit nicht durch. Die Entscheidung über die Rüge der Beklagte war vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht zwingend geboten. Vorabentscheidung bedeutet, dass isoliert von den Fragen der Zulässigkeit i.Ü. und den Fragen der Begründetheit und vor der Entscheidung in der Hauptsache entschieden wird. Auch der Beginn der Verhandlung zur Hauptsache sperrt die Vorabentscheidung nicht. Umgekehrt bedeutet „vorab“ nicht notwendig eine Entscheidung vor Beginn der Verhandlung zur Hauptsache (Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., § 17a (Rechtswegentscheidung), Rn. 6). Da vorliegend noch keine Entscheidung in der Hauptsache getroffen worden ist, ist auch noch nicht zu beanstanden, dass bislang kein Vorab-Beschluss ergangen ist.
163) In der Sache selbst hat das Landgericht mit zutreffender und ausführlicher Begründung - welcher sich der Senat anschließt - dargelegt, dass der Klägerin gegen die Beklagte keine Ansprüche gem. Art. 15, 82 DS-GVO zugestehen, da die DS-GVO vorliegend nicht anwendbar ist. Auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit vorab Bezug genommen.
17Gem. Art. 91 DS-GVO dürfen, wenn eine Kirche oder eine religiöse Vereinigung oder Gemeinschaft in einem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung umfassende Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung anwendet, diese Regeln weiter angewandt werden, sofern sie mit dieser Verordnung in Einklang gebracht werden.
18Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, folgt hieraus, dass die kirchenrechtlichen Datenschutzregeln vorrangig anwendbar sind, wenn sie mit der DS-GVO in Einklang gebracht werden können und bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO bestanden. Dies ist bei dem DSG-EKD der Fall (vgl. BeckOK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 18a; Gola DS-GVO/Gola, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 91 Rn. 11). Die Beklagte als Trägerin von diakonischen Krankenhäusern fällt aufgrund ihres Bezugs zur Evangelischen Kirche unter das Merkmal „Kirche“, auch wenn es sich bei ihr um eine selbständige, privatrechtlich (nämlich als GmbH) organisierte Einrichtung der Kirche handelt.
19Der Senat schließt sich hierbei der Ansicht des Landgerichts an, dass von den zahlreichen vertretenen Auffassungen (vgl. nur: Preuß ZD 2015, 217, 222) vorliegend mit der differenzierenden Ansicht darauf abzustellen ist, ob es sich bei der Tätigkeit der Beklagten um eine solche aus dem Kernbereich der Kirche handelt, was vorliegend zu bejahen ist. Hierfür spricht, dass sich zunächst aus Art. 91 DS-GVO selbst keine Einschränkung ableiten lässt. Der Anwendungsbereich ist entsprechend weit auszulegen (BeckOK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 1.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 15). Dementsprechend wird vertreten, dass auch Tätigkeiten von Religionsgemeinschaften von Art. 17 Abs. 1 AEUV umfasst sind, wenn auch nur in sehr restriktivem Maße. Eine typische Tätigkeit von Religionsgemeinschaften ist bspw. der Betrieb von karitativen Krankenhäusern. Träger dieser kirchlichen Krankenhäuser ist jedoch zumeist eine GmbH. Folglich handelt es sich um privatrechtliche Einrichtungen einer Religionsgemeinschaft. Es lässt sich demnach vertreten, dass auch privatrechtliche Einrichtungen von Religionsgemeinschaften in den Schutzbereich des Art. 17 AEUV fallen und damit auch nach Art. 91 vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausgenommen und dem kirchlichen Datenschutz unterstellt sind (vgl. Paal/Pauly/Pauly, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 10).
20Der vorliegende karitative Betrieb des Krankenhauses der Beklagten unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der DS-GVO. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hierbei zu berücksichtigen, ob nach kirchlichem Selbstverständnis durch den Betrieb des Krankenhauses eine dem religiösen Auftrag der Kirche entsprechende und dem Zweck kirchlicher Fürsorge gegenüber den Menschen dienende Aufgabe erfüllt werden soll. Dabei ist nicht nur dann der Kernbereich kirchlicher Aufgaben betroffen, wenn es um direkte Seelsorge geht. Entscheidend ist, ob die Kirche mit der Einrichtung ihren Aufgaben gerecht werden will. Hierzu gehören nach dem Selbstbild der Kirche insbesondere auch karitative und fürsorgliche Aufgaben, wozu nicht nur ehrenamtliche bzw. unentgeltliche Betreuungsaufgaben zählen, sondern auch der notwendigerweise wirtschaftliche Betrieb von Betreuungsangeboten für hilfsbedürftige Menschen, wie z.B. von Kindergärten, Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Dies ist vorliegend der Fall. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auch darauf verwiesen, dass sich der karitative Aspekt der kirchlichen Trägerschaft auch aus den eigenen Ausführungen der Beklagten auf ihrer Krankenhaus-Homepage ergibt. Dort wird unter der Rubrik „über uns“ die persönliche Zuwendung als eine ihrer besonderen Stärken bezeichnet, wobei sich aus dem grundlegenden christlichen Selbstverständnis – dem Dienst am Menschen – die hohe Qualität von Pflege und Medizin ableite. Als evangelische Einrichtung sei das Unternehmen fest in einem christlichen Weltbild verankert.
214) Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss von 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19, NJW 2021, 1005) der Ansicht ist, die vorliegende Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung für das vollvereinheitliche europäische Datenschutzrecht und bedürfe damit letztlich einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof, hält der Senat eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht für geboten. Im dortigen Fall ging es um die Auslegung des Schadensbegriffs aus Art. 82 I DS-GVO. Vorliegend ist die DS-GVO jedoch bereits aufgrund tatsächlicher Umstände nicht anwendbar.
225) Schließlich hat das Landgericht auch zutreffend ausgeführt, dass das Begehren der Klägerin auch nicht als ein Auskunftsbegehren nach § 19 DSG-EKD ausgelegt werden konnte. Zum einen steht dem bereits der Wortlaut der Anträge entgegen, in denen sie ihr Begehren nur auf die DS-GVO stützt, zum anderen hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie eine Auskunft nach dem DSG-EKD ausdrücklich nicht begehrt.
23Entsprechend war der Klägerin mangels Erfolgsaussicht die begehrte weitere Prozesskostenhilfe zu verweigern.
24III.
25Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.