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Wohnflächenangaben in einem Maklerexposé können eine Beschaffenheitserwartung begründen.
Es gibt außerhalb von Wohnraum nach dem Wohnraumförderungsgesetz – hier gilt die Wohnflächenverordnung - kein allgemeingültiges Verständnis für die Berechnung der Wohnfläche. Lässt sich durch Auslegung nicht feststellen, was die Vertragsparteien unter „Wohnfläche“ verstanden haben, ist auf die für die gegenständliche Region einschlägige Verkehrssitte abzustellen. Vielfach wird danach die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung zu berechnen sein.
Ein Sachmangel liegt jedenfalls dann vor, wenn die nach dem Exposé zu erwartende Wohnfläche (als Zirka-Angabe) um mehr als 10 % unterschritten wird.
Der Verkäufer erfüllt seine Sachmängel im Sinne von § 434 BGB betreffenden Aufklärungspflichten mit der Übergabe von Unterlagen grundsätzlich nur dann, wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zweck allgemeiner Information, sondern unter bestimmten Gesichtspunkten durchsehen wird (im Anschluss an BGH, Urteil v. 11. November 2011 – V ZR 245/10 -, Rn. 7, juris).
Feststellungen des Gerichts zur Höhe des Minderwerts einer Immobilie aufgrund Wohnflächenunterschreitung bedürfen einer sachverständigen Beratung. Da bei der Immobilienbewertung zwischen Boden- und Gebäudewert zu unterscheiden ist, darf der Minderwert nicht einfach durch die Umrechnung des Kaufpreises auf die zu erwartende Wohnfläche berechnet werden.
Auf die Berufung der Kläger wird das am 12.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Hagen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1. an die Kläger 21.855,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2020 zu zahlen,
2. an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 906,78 € an die A Rechtsschutzversicherung AG, Anschrift01, zur Schadennummer VersNr01 zu zahlen.
Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, an die Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 21.855,32 € für die Zeit vom 12.03.2020 bis zum 19.03.2020 zu zahlen
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben zu 60 % die Kläger und zu 40 % die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 55.000 € festgesetzt.
Gründe:
2Die Kläger nehmen die Beklagten auf Kaufpreisminderung wegen Unterschreitung der geschuldeten Wohnfläche auf dem von ihnen im Jahre 2019 zum Gesamtpreis von 220.000 € incl. Zubehör erworbenen Wohnhausgrundstück in Anspruch.
3Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf welches wegen des zugrundeliegenden Tatbestands, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Einzelheiten der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Größe der Wohnfläche hätten die Parteien nicht getroffen, zumal es an der erforderlichen Beurkundung fehle. Die vermeintliche Mindergröße begründe auch nicht ohne weiteres einen Sachmangel, weshalb im Ergebnis Gewährleistungsansprüche ausschieden. Die Beklagten hätten sich im Übrigen auf die Angaben der von ihnen beauftragten Maklerin verlassen dürfen, weshalb auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Täuschung ausschieden. Fahrlässigkeit genüge insoweit nicht, um Schadensersatzansprüche zu begründen.
4Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags weiterverfolgen. Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts. Den Beklagten sei bewusst gewesen, dass die Wohnfläche nicht, wie im Exposé angegeben, ca. 120 m² betragen habe, sondern nur gut 90 m². Das ergebe sich zunächst aus den Berechnungen ihres eigenen Architekten, der im Jahre 1998 deren Um- und Anbau betreut und die erforderliche Baugenehmigung eingeholt habe. Dieselben Angaben hätten die Beklagten auch gegenüber dem Gebäudeversicherer gemacht, weshalb positive Kenntnis vorgelegen habe. Sie meinen, eine um 25 % geringere Wohnfläche begründe eine Minderung des Kaufpreises um 25 %.
5Die Kläger beantragen,
6unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
71. an sie 55.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2020 zu zahlen,
82. an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 1.508,92 € an die A Rechtsschutzversicherung AG, Anschrift01, zur Schadennummer VersNr01 zu zahlen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Sie hätten keinerlei Erfahrungen mit Immobilienveräußerungen gehabt und sich der Hilfe einer Maklerin versehen, um keinen Fehler zu machen. Deren Wohnflächenberechnung, die den Berechnungen ihres Architekten widersprochen habe, hätten sie hinterfragt. Die Maklerin habe die Richtigkeit ihrer Berechnung bestätigt und erläutert, der Architekt habe die Terrassen nicht berücksichtigt, die ebenfalls der Wohnfläche zuzurechnen seien. Mit dieser Erklärung hätten sie sich zufrieden gegeben. Das sei möglicherweise leichtfertig gewesen, trage aber keinen Arglistvorwurf. Im Übrigen hätten die Kläger die Immobilie besichtigt, gekannt und für ihre Zwecke als geeignet gebilligt. Vor diesem Hintergrund sei die Berechnung der Wohnfläche zweitrangig. Sie bestreiten einen Minderwert.
12Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Anwaltsschriftsätze sowie auf Protokoll und Berichterstattervermerk über den Senatstermin vom 18.11.2021 verwiesen.
13Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung eines Verkehrswertgutachtens des von der B Industrie- und Handelskammer zu C öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Schäden an Gebäuden sowie die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Tischvorlage des Sachverständigen vom 04.05.2022, die im Senatstermin am 30.05.2022 überreichte weitere Tischvorlage – Bl. 356 ff d.A. – sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2022 verwiesen.
14II.
15Das zulässige Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Die Klage ist zum Teil begründet.
161.
17Die Kläger haben gegen die Beklagten einen gesamtschuldnerisch zu erfüllenden Anspruch auf teilweise Rückzahlung des entrichteten Grundstückskaufpreises in Höhe von 21.855,32 € aus Minderung gem. §§ 434 Abs. 1 S. 2, 3 a.F., 437 Nr. 2, 441 Abs. 3, 4, 346 Abs. 1 BGB.
18a)
19Die Parteien sind durch den am 10.07.2019 beurkundeten Grundstückskaufvertrag miteinander verbunden. Der dort vereinbarte Kaufpreis von insgesamt 220.000 € betrifft aber nur teilweise das Wohnhausgrundstück selbst. Denn in dem Gesamtkaufpreis von 220.000 € ist ein Teilbetrag in Höhe von 6.000 € für gleichzeitig mitveräußertes Zubehör ausgewiesen, welches in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht außer Streit ist.
20b)
21Der Kaufgegenstand war bei Gefahrenübergang i.S.v. § 434 BGB in der Fassung vom 2.1.2002 (künftig schlicht § 434 BGB) sachmangelbehaftet.
22aa)
23Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Kaufsache nicht mangelhaft i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB war, weil eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen worden ist. Auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
24Das schließt hier Gewährleistungsansprüche aber nicht aus.
25(1)
26Soweit eine Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Das sind in aller Regel keine geeigneten Kriterien, wenn, wie hier, die Größe der Wohnfläche im Streit steht, weil schon keine allgemeingültige Erwartung an die Größe einer Wohnfläche feststellbar ist.
27(2)
28Zu der Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gehören jedoch auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte, § 434 Abs. 1 S. 3 BGB.
29Zu derartigen öffentlichen Äußerungen zählen namentlich Angaben in einem Verkaufsexposé eines Grundstücksmaklers, welches dieser auf Veranlassung des Verkäufers gefertigt hat (BGH in st. Rspr., z.B. Urteil vom 25. Januar 2019 – V ZR 38/18 –, Rn. 11 m.w.N., juris). Diese können auch bei Angaben zur Größe der Wohnfläche eine entsprechende Beschaffenheitserwartung begründen mit der Folge, dass diese zur vertraglich geschuldeten Sollbeschaffenheit wird (BGH, Urteil vom 6. November 2015 – V ZR 78/14 –, BGHZ 207, 349-358, Rn. 5).
30Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn das im Auftrag der Kläger von der Zeugin E erstellte und im allgemein zugänglichen Internetportal webadresse01 veröffentlichte und von den Beklagten inhaltlich genehmigte Exposé (Bl. 23 ff d.A.) nennt ebenso wie das den Klägern aufgrund ihrer Interessenbekundung in Papierform übermittelte weitere Exposé der Maklerin E wiederholt eine im Kaufgegenstand vorhandene „Wohnfläche von ca. 120 m²“ und darüber hinaus eine „Nutzfläche von ca. 50 m²“ (Bl. 28 ff d.A.).
31(a)
32Zwar nennt das Exposé keine bestimmte Berechnungsgrundlage, nach welcher die dort angegebenen „ca. 120 m²“ Wohnfläche ermittelt worden sei. Das ist auch im Rahmen der Besichtigungen nicht konkretisiert worden, wie die Maklerin E, als Zeugin vernommen, ausgesagt hat. Das hindert den Senat aber nicht, der Angabe im Exposé den Erklärungsinhalt beizumessen, bei den Angaben zur Wohnfläche handle es sich um solche, die nach Maßgabe der Berechnungsregelungen der WoFlV ermittelt worden seien. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass die WoFlV als Nachfolgeregelung der alten II. BV unmittelbar nur für Wohnraum nach dem Wohnraumförderungsgesetz gilt und nicht im Rahmen von Veräußerungen von frei finanziertem Wohnraum Anwendung findet.
33Auffällig und beachtlich ist, dass im Exposé bereits zwischen Wohn- und Nutzfläche unterschieden wird, die kumuliert vorlägen, was einem Erklärungswert entgegensteht, als ständen insgesamt ca. 120 m² Wohn- und Nutzfläche zur Verfügung, wovon 50 m² Nutzfläche seien.
34Es gibt keinen allgemeinen, eindeutigen Sprachgebrauch über den Begriff der Wohnfläche. Vertragliche Erklärungen über die Größe der Wohnfläche bedürfen deshalb der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Wenn sich danach ein konkreter Berechnungsmaßstab nicht feststellen lässt, ist der Begriff der Wohnfläche unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2012 – V ZR 141/11 –, Rn. 9, juris).
35Hier lässt sich eine Einigung über die anzuwendenden Berechnungsregelungen nicht andeutungsweise feststellen. Das Exposé schweigt dazu ebenso wie der schließlich beurkundete Kaufvertrag. Die Parteien haben auch nicht bekundet, darüber im Rahmen der Vertragsverhandlungen gesprochen zu haben. Die Gespräche fanden nicht unmittelbar unter den Parteien statt, sondern nur über die Maklerin, wenn diese auch keinerlei Verhandlungsvollmacht hatte und jeweils mit den Beklagten Rücksprache zu nehmen hatte. Die Parteien sind einander vor Vertragsbeurkundung auch nur einmal – bei einer der Besichtigungen – begegnet, ohne dabei aber über das Objekt zu sprechen. Auch der beurkundete Vertragstext deutet nicht an, ob und ggf. welche Berechnungsregelung für die Wohn- und Nutzfläche hier zugrunde gelegt wurde.
36Deshalb ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, hinsichtlich des konkreten Verständnisses der „Wohnfläche“ auf die Verkehrssitte abzustellen, was gleichsam das Ergebnis einer billigen ergänzenden Vertragsauslegung unter Zugrundelegung des mutmaßlichen Parteiwillens nach näherer Maßgabe von Treu und Glauben wäre.
37Der Senat hat die zum maßgeblichen Zeitpunkt gehandhabte örtliche Verkehrssitte im Rahmen der Beweisaufnahme auf der Grundlage der Angaben des Sachverständigen D dahin festgestellt, dass bei Immobilienkaufverhandlungen, soweit ohne Konkretisierung von „Wohnfläche“, die Rede (gewesen) ist, dies dahin verstanden wird, dass es sich um nach Maßgabe der Wohnflächenverordnung ermittelte Wohnflächen handelt, und zwar unabhängig davon, dass diese in erster Linie nur für Wohnraum nach dem Wohnraumförderungsgesetz gilt. Deren Berechnungsregelungen haben sich an Ort und Stelle des belegenen Grundstücks allgemein durchgesetzt.
38Der Senat hat keine Veranlassung, den entsprechenden Ausführungen des als zuverlässig bekannten Sachverständigen nicht zu folgen. Er ist als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken und Mitglied des Gutachterausschusses mit der örtlichen Verkehrssitte vertraut. Die Parteien sind seinen Ausführungen auch nicht entgegengetreten.
39(b)
40Eine Einschränkung enthält die Wohnflächenangabe im Exposé insoweit, als dieses mit einer Zirka-Angabe arbeitet, welche zum Ausdruck bringt, dass die Käufer nicht exakt 120 m² Wohn- und 50 m² Nutzfläche erwarten können, sondern Ungenauigkeiten hinnehmen müssen, die ihre Ursache in Messungenauigkeiten oder in Bewertungsspielräumen haben können.
41Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, ist dem dadurch Rechnung zu tragen, dass für den genannten Wert eine gewisse Toleranz einzuräumen ist. Wie hoch der Bereich hinzunehmender Ungenauigkeit ist, ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der Senat sieht den Toleranzbereich jedenfalls dann als überschritten an, wenn die tatsächliche Wohnfläche mehr als 10 % unter der zu erwartenden Wohnfläche liegt (vergl. BGH, U. v. 11.07.1997, V ZR 246/96; OLG Celle, U.v. 21.04.2016, 16 U 140/15; jeweils juris) .
42(c)
43Diese Beschaffenheitserwartung entfällt nicht wegen einer rechtzeitigen Richtigstellung vor Vertragsschluss.
44Eine gleichwertige Berichtigung stellen insbesondere weder der Umstand dar, dass die Kläger die Kaufsache besichtigt und der Kläger die Maße der Küche überprüft und nachgemessen hat, noch, dass die Beklagten den Klägern vor Vertragsbeurkundung u.a. die bemaßten Grundrisse zur Verfügung gestellt haben.
45(aa)
46Die „Wohnfläche“ ist eine Eigenschaft, die einer Besichtigung nur eingeschränkt zugänglich ist. Denn es handelt sich dabei um einen Rechtsbegriff, der das Ergebnis einer wertenden Betrachtung der Anknüpfungstatsachen im Lichte der einschlägigen Berechnungsregelungen ist, wenn diese Anknüpfungstatsachen für sich betrachtet auch einer Besichtigung zugänglich sind. Deshalb liegt in aller Regel der Fokus der Interessenten bei einer Besichtigung auch nicht darauf, sich – als Nichtfachleute – Vorstellungen über eine rechtlich tragfähige Wohnflächengröße zu verschaffen, sondern eher darauf, die Immobilie in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen und die für Laien erkennbaren wertbildenden Merkmale, wie etwa Lage, Bausubstanz oder Einteilung der Räumlichkeiten, auf deren Übereinstimmung mit ihren Vorstellungen zu überprüfen.
47Das war hier auch nicht anders. Insbesondere ergibt sich eine Berichtigung der Angabe zur Größe der Wohnfläche aus dem Exposé nicht daraus, dass der Kläger bei einem der Besichtigungstermine und nachdem er die Grundrisse erhalten hatte, die Küche nachgemessen und mit den Angaben in den Plänen verglichen hat. Denn zum einen hat der Kläger die Maße aus den Plänen bestätigt gefunden und schon deshalb keinen Grund gehabt, die Richtigkeit der in die Grundrisse eingetragenen Maße (in der Küche oder woanders) in Zweifel zu ziehen. Zum anderen kommt es gerade bei Küchen und dem ungebrochenen Trend zu passgenauen Einbauküchen auf die exakten Maße an, nicht aber auf die Wohnflächeneigenschaft.
48Der Kläger hatte, wie er im Senatstermin unwidersprochen angegeben hat, weder Veranlassung, die Angaben im Exposé zu überprüfen, noch sah er sich dazu im Rahmen der Besichtigung ausreichend ausgestattet an. Eine Berechnung hat er, zumal ihm die verschiedenen Normenwerke für die Wohnflächenberechnung fremd waren, nicht angestellt. Er hat auch nicht die in den Plänen enthaltenen Flächenangaben als dafür geeignet angesehen, will es sich dabei nach seiner Vorstellung um „Nutzflächen“ gehandelt habe, die für die Ermittlung oder Nachberechnung der Wohnfläche ungeeignet gewesen seien.
49Eine Richtigstellung ist im Übrigen weder durch die Beklagten selbst noch durch die Maklerin E, die die Kläger bei den Besichtigungen geführt hat, erfolgt, etwa dadurch, dass sie ihre Berechnungs- und Bewertungsmaßstäbe offengelegt hätte.
50(bb)
51Eine Richtigstellung der Wohnflächenangaben aus dem Exposé vor Vertragsbeurkundung ist auch nicht durch die Übergabe der Grundrisszeichnungen selbst erfolgt.
52Denn insoweit mangelt es sowohl an der Berichtigung selbst als auch an der Gleichwertigkeit der im Raume stehenden Berichtigung i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB.
53Der Verkäufer, der falsche Angaben gemacht hat, genügt seinen vorvertraglichen Pflichten nicht schon dadurch, dass er den Kaufinteressenten in die Lage versetzt, die Unrichtigkeit dieser Angaben zu erkennen; er ist vielmehr verpflichtet, eine bei diesem zuvor hervorgerufene Fehlvorstellung zu korrigieren, indem er die wahren Verhältnisse von sich aus offenbart (BGH, Beschluss vom 14. März 2019 – V ZR 186/18 –, Rn. 12, juris). Die Übergabe der Pläne ist hier nur zur allgemeinen und ergänzenden Information erfolgt, ohne einen Hinweis darauf, dass anhand der Pläne eigenverantwortlich überprüft werden solle, ob die Angabe zur Wohnfläche aus dem Exposé konsensfähig sei. Die Beklagten hatten auch keinerlei Hinweis darauf, dass die Kläger die Pläne aus diesem Grunde angefordert hätten, so dass sich deshalb ein solcher Hinweis erübrigte. An einem ausdrücklichen Hinweis, dass die Angabe zur Wohnfläche aus dem Exposé rechtlich fraglich sei, fehlt es erst recht.
54Etwas anderes folgt nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach den Verkäufer, der über die Größe der Wohnfläche durch Übergabe von Grundrisszeichnungen mit Maßen und Angaben zu den Raumgrößen informiert, keine weitergehende Aufklärungspflicht trifft, weil der Kaufinteressent nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und den im Verkehr herrschenden Anschauungen nicht erwarten kann, auch darüber informiert zu werden, welche Wohnfläche das zum Verkauf stehende Haus nach den für deren Ermittlung einschlägigen Normen (DIN 283, §§ 42 bis 44 II. BV aF, §§ 2 bis 4 WoFlV) hat (BGH, Urteil vom 6. November 2015 - V ZR 78/14, BGHZ 207, 349 Rn. 29).
55Denn grundsätzlich erfüllt ein Verkäufer seine Aufklärungspflicht mit der Übergabe von Unterlagen nur dann, wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zweck allgemeiner Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird (BGH, Urteil vom 11. November 2011 – V ZR 245/10 –, Rn. 7, juris). Das war hier nicht der Fall, weil die Unterlagen gerade nicht wegen Unsicherheiten bei der Größe der Wohnfläche zur eigenen Überprüfung übergeben worden sind.
56Hinzu tritt, dass die übergebenen Pläne nicht anstelle einer Angabe zur Größe der Wohnfläche übergeben worden sind, sondern ergänzend zu öffentlichen Äußerungen zur Größe der Wohnfläche und ohne den Hinweis, dass deren Bewertung der Wohnflächenangabe widersprechen könne. Eine solche, einen etwaigen Korrekturwillen verdeckende Übergabe von Unterlagen ist keine gleichwertige Berichtigung, selbst wenn die Bewertung der übergebenen Unterlagen geeignet wäre, unzutreffende frühere Angaben offenzulegen.
57(cc)
58Es ist auch nicht so, dass die Angaben zur Wohnfläche im Exposé die Kaufentscheidung nicht hätten beeinflussen können. Soweit der Beklagte eingewandt hat, es komme doch nur darauf an, ob der Kaufinteressent die Wohnung nach der Besichtigung für sich als geeignet ansehe und seine Möbel stellen könne, mag das für ihn zutreffen, gilt deshalb aber nicht allgemein. Maßgeblich ist im Rahmen von § 434 Abs. 1 S. 3 BGB nicht eine im konkreten Einzelfall fehlende Ursächlichkeit, sondern, dass eine Beeinflussung der Kaufsache schlechthin ausgeschlossen ist (Palandt/Weidenkaff, 80. Aufl. 2021, Rn 39 a.E. zu § 434 BGB). Nach den Erfahrungen des Senats sind Angaben zur Wohnfläche aber für einen Interessenten gerade bedeutsam und wichtig für eine Kaufentscheidung.
59Nach alledem begründete die Angabe zur Wohnfläche im Exposé jedenfalls eine Beschaffenheitserwartung dahingehend, dass eine Wohnfläche von wenigstens 108 m² nach Maßgabe der WoFlV vorhanden sei, was somit mangels einer gleichwertigen Berichtigung vor Vertragsbeurkundung die geschuldete Sollbeschaffenheit darstellt.
60bb)
61Diese Sollbeschaffenheit hat der Kaufgegenstand zum maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrenübergangs nicht aufgewiesen. Die Immobilie verfügt nämlich nur über eine Wohnfläche von 96,60 m² nach Maßgabe der Bewertungskriterien der §§ 2 – 4 WoFlV.
62Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls aus dem von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgehenden, vollständigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen D, dem der Senat folgt.
63Wie bereits dargelegt, entspricht es an Ort und Stelle des Kaufgrundstücks im Immobilienverkehr allgemein der Geschäftspraxis, auch bei freifinanziertem Wohnraum und im Rahmen von Kaufvertragsverhandlungen Angaben zur Wohnfläche als solche zu verstehen, die nach Maßgabe der §§ 2 – 4 WoFlV ermittelt worden sind. Deshalb hat er zutreffend auch seine Berechnungen an den Kriterien dieser Bestimmungen orientiert.
64Er hat, ausgehend von den vom Sachverständigen F im Parallelverfahren um Maklerlohn 2 O 10/20 LG Hagen (Bl. 314 ff d.A.) ermittelten Aufmaßen, nachdem er diese auf ihre Richtigkeit überprüft hat und welche auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen werden, eine Wohnfläche von 96,90 m² festgestellt.
65Beachtlich und bei der Berechnung der Wohnfläche zu berücksichtigen ist entgegen der Ansicht der Beklagten lediglich die unmittelbar an Haus gelegene Terrasse, und zwar – als schlichte gepflasterte Fläche ohne Überdachung oder Umrandung – entsprechend den Bewertungskriterien der WoFlV mit einem Anteil von lediglich ¼ ihrer Gesamtfläche. Das hat auch der Sachverständige in Anlehnung an das Gutachten F, der die am Haus gelegene Terrasse ebenfalls nur zu ¼ berücksichtigt hatte, zutreffend so gesehen.
66Die abseits des Hauses auf dem Grundstück gelegenen Terrassen sind demgegenüber bedeutungslos. Sie werden schon nach allgemeinem Sprachgebrauch aufgrund ihrer Positionierung nicht als Wohnfläche angesehen. Es ist deshalb ebenfalls zutreffend, dass der Sachverständige sie – wie vor ihm der Sachverständige F – nicht berücksichtigt hat.
67Soweit unter den Parteien streitig, hat der SV D im Senatstermin folgendes ausgeführt:
68Soweit das in Kellergeschoss gelegene Badezimmer betroffen sei, sei es mit ganzer Fläche als Wohnfläche zu berücksichtigen und nicht, wie die Kläger für richtig halten, nur anteilig. Daran ändere die Lage im Keller nichts, auch wenn das Bad dort neben untergeordneten und Betriebsräumen der einzige zu Wohnzwecken nutzbare Raum sei. Es handle sich um das einzige vollausgestattete, uneingeschränkt nutzbare Bad im Haus, verfüge über die erforderlichen Ausstattungsgegenstände wie Dusche, WC und Heizung und biete überall Stehhöhe. Das deutlich kleinere Bad im Dachgeschoss stelle keine vollwertige Alternative dar, schon wegen seiner geringenGröße und weil die Dusche keine Stehhöhe biete.
69Der Senat ist diesen überzeugenden Ausführungen gefolgt und hat entsprechende Feststellungen getroffen.
70cc)
71Nach alledem weicht die Ist-Beschaffenheit des Kaufgegenstands – 96,9 m² Wohnfläche nach §§ 2 ff WoFlV – von deren Sollbeschaffenheit – jedenfalls mindestens 108 m² Wohnfläche nach §§ 2 ff WoFlV – negativ ab, was einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 2, 3 BGB begründet.
72c)
73Für den Sachmangel haben die Beklagten nach kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht einzustehen.
74aa)
75Auf den vertraglich vereinbarten pauschalen Gewährleistungsausschluss für Sachmängel können sie sich angesichts dieses Sachmangels nicht berufen, § 444 BGB. Denn sie haben, was dem Gewährleistungsausschluss im konkreten Fall aufgrund der Besonderheiten des hier geschlossenen Kaufvertrages bereits entgegensteht, den Sachmangel mindestens grob fahrlässig verschwiegen.
76(1)
77Nach der gesetzlichen Regelung des § 444 BGB kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Dem arglistigen Verschweigen steht der Fall gleich, dass der Verkäufer die Mangelfreiheit arglistig vortäuscht.
78Arglist setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest Eventualvorsatz voraus; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Demgegenüber genügt es aber – nicht einmal in der Erscheinungsform eines bewussten Sichverschließens – nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen, weil dann die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde (BGH, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11 –, Rn. 12 ff, juris).
79Allerdings haben die Parteien den Maßstab des § 444 BGB vertraglich zu Lasten der Verkäufer verschärft und den Beklagten die Berufung auf den Gewährleistungsausschluss bereits für den Fall verschlossen, dass sie grob fahrlässig gehandelt haben.
80Diese Verschärfung – oder weniger umfassende Vereinbarung – des Gewährleistungsausschlusses, wohl in der Annahme, dies sei § 309 Nr. 7 BGB geschuldet, haben die Parteien unter Ziffer V. Nr. 1 S. 3 ff des Kaufvertrags getroffen. Dort heißt es:
81„…Im Übrigen erfolgt die Übergabe aber unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung in dem Zustand, in dem es sich zurzeit befindet, ohne Gewähr für genaues Flächenmaß, Bodenbeschaffenheit, Zustand und Verwertbarkeit oder etwaige Sachmängel. Trifft den Verkäufer oder seinen Erfüllungsgehilfen grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz oder Arglist, so stehen dem Käufer die Ansprüche und Rechte wegen der Sachmängel trotz der vorstehenden Einschränkung zu. …“
82Damit haben sie zwar einen Gewährleistungsausschluss für Sachmängel, insbes. für das "genaue Flächenmaß" vereinbart, diesen allerdings über den Gesetzeswortlaut des § 444 BGB hinausgehend nicht nur unter den Vorbehalt vorsätzlichen und arglistigen Verhaltens gestellt, sondern auch unter den Vorbehalt grob fahrlässigen Verhaltens.
83Nach alledem können sich die Beklagten auch wegen solcher Sachmängel nicht auf den Gewährleistungsanspruch berufen, die sie oder einer von ihnen (BGH, Versäumnisurteil vom 8. April 2016 – V ZR 150/15 –, Rn. 8, juris) grob fahrlässig verschwiegen haben/hat.
84(2)
85Hier ist der Vorwurf grob fahrlässigen Verschweigens eines Sachmangels begründet. Dabei stellt der Senat nicht entscheidend darauf ab, dass die Beklagten „Leichtfertigkeit“ zugestanden haben (SS vom 27.04.2022, dort S. 2) und lediglich vorsätzliches Verhalten in Abrede stellen. Der Senat ist von mindestens grober Fahrlässigkeit bereits aufgrund der unstreitigen Umstände und des zugestandenen Verhaltens der Beklagten überzeugt.
86Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er das unbeachtet lässt, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 1. Juli 1987 – VIII ZR 331/86 –, Rn. 19, juris).
87Es steht fest, dass die Beklagten, nachdem sie das Reihenendhausgrundstück erworben hatten, dieses ab dem Jahre 1998 erheblich umgestaltet und um- und angebaut haben. Ein Bauantrag vom 15.6.2000 beschreibt das umgebaute Objekt mit einer Gesamtnutzfläche von 121,875 m² zzgl. 15,27 m² für die Garage (vergl. Bl. 35 ff, 126 ff d.A.) . Wenig später, am 23.8.2000, waren die Beklagten gehalten, einen Erhebungsvordruck auszufüllen zur veränderten Nutz- und Wohnfläche durch die Baumaßnahme. Dort gaben sie an: früher 50 m² nach II. BV zzgl. 31 m² Nutzfläche nach DIN 277, neu: 91 m² Wohnfläche nach II. BV zzgl. 46 m² Nutzfläche nach DIN 277.
88Das entspricht den Angaben, die der beklagte Ehemann im Jahre 2015 gegenüber dem Agenten seines Gebäudeversicherers gemacht hat und welcher nach der Wohnfläche im Gebäude – ohne Terrassen und Außenanlagen – gefragt hatte. Der Beklagte gab sie mit 90 m² an und erläuterte dies vor dem Senat dahin, dass er zuvor die Quadratmeterangaben aus den Grundrissen zusammengerechnet habe. Das seien diejenigen aus den Genehmigungsunterlagen gewesen und hätten ihm auf DIN A4 Blättern wie Bl. 35 der Akte im Original vorgelegen.
89Über diese Unterlagen verfügten die Beklagten beim Verkauf noch. Sie waren ihnen inhaltlich auch noch bekannt. Sie haben sie sodann der Maklerin übergeben, die ein Exposé fertigte, veröffentlichte und sich inhaltlich von den Klägern, wenn auch nach der Veröffentlichung im Internet, genehmigen ließ. In dem Exposé bot sie das Objekt, wie dargestellt, mit einer „Wohnfläche von ca. 120 m²“ und einer Nutzfläche von weiteren ca. 50 m² an.
90Diese Angaben sind für die Beklagten Grund dafür gewesen, sie zu hinterfragen, weil sie ihren eigenen Erkenntnissen widersprochen haben. Sie haben sich mit der Erklärung der Maklerin zufrieden gegeben, ihre selbst angestellten Berechnungen seien richtig, weil frühere Berechnungen die Terrassen nicht berücksichtigt hätten. Diese seien hinzuzurechnen.
91Den Käufern gegenüber haben sie aber nicht offengelegt, dass die Angabe von 120 m² Wohnfläche nur eine – nämlich die verkäufergünstigere – von wenigstens zwei voneinander – wegen der Bewertung der Terrassen – erheblich abweichenden Wohnflächenberechnungen dargestellt hat.
92Das erfüllt den Vorwurf grober Fahrlässigkeit: Die Beklagten wussten, dass es wenigstens zwei erheblich voneinander abweichende Berechnungen der Wohnfläche gab. Die Beklagten wussten, dass die verschwiegene Wohnflächenberechnung sowohl den Berechnungen des verantwortlichen Architekten im Baugenehmigungsverfahren als auch den eigenen Ermittlungen des beklagten Ehemanns entsprach – der nach alledem technisch nicht unbedarft ist, Grundrisse lesen und hinsichtlich der dort angegebenen Maße auswerten kann, auch wenn er sich damit verteidigt hat, als Techniker im Tiefbau über Regularien des Hochbaus keine Kenntnisse zu haben. Den Beklagten war bekannt, dass die Berechnung des federführenden Architekten aufgrund seiner Qualifikation und wegen der Bedeutsamkeit im Baugenehmigungsverfahren von hoher sachlicher Substanz war. Die Beklagten haben die Abweichungen erkannt und Zweifel zum Ausdruck gebracht. Sie haben sich mit der Erklärung der Maklerin, es liege an den Terrassen auf dem Grundstück, die der eigentlichen Wohnung hinzuzuschlagen seien, schnell zufrieden gegeben, obwohl es dem allgemeinen Sprachgebrauch widerspricht und auch bar jeglicher Plausibilität ist, abseits des Hauses gelegene Terrassen im Gartenbereich als „Wohnfläche“ zu bezeichnen. Bei alledem haben sie den Kaufinteressenten gegenüber nur eine, nämlich die ihnen günstigere, Wohnflächenangabe veröffentlicht und ihre Kenntnis von der anderen ebenso verschwiegen wie den zweifelhaften Umstand, dass die Größenunterschiede allein an der Frage lägen, ob und zu welchem Teil Terrassen berücksichtigungsfähig seien. Wer sich so verhält, der sieht die – sogar recht wahrscheinliche – Möglichkeit, falsche Angaben zu machen, indem er nur einen Teil seiner Informationen veröffentlicht. Wer sich gleichwohl dazu entscheidet, den Kaufinteressenten nicht vollständig aufzuklären, der verletzt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und die berechtigten Informationsinteressen seines Vertragspartners in besonders grobem Maße.
93Bedeutungslos ist auch in diesem Zusammenhang der Einwand des beklagten Ehemanns am Ende seiner Anhörung als Partei, die wahre Größe der Wohnfläche sei nicht kaufentscheidend. Es komme nur darauf an, ob man als Kaufinteressent eine für seine Zwecke taugliche Wohnung vorfinde. Ob sich eine Täuschung des Käufers kaufentscheidend auswirkt, ob sie also für den Vertragsschluss kausal geworden ist, ist im Rahmen von § 444 BGB – anders als im Rahmen von § 123 BGB – bedeutungslos. Auch zur Feststellung des subjektiven Tatbestands der – hier ausreichenden – groben Fahrlässigkeit bedarf es keiner Feststellungen zur Kausalität. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Verkäufer, der nicht vollständig aufklärt, in Erwägung zieht, dass die hinterzogene Information für den Kaufentschluss von Bedeutung sein könnte. Davon ist der Senat aber schon aufgrund der Tatsache überzeugt, dass nur die fragliche, aber verkäufergünstigere und höhere Wohnflächenangabe veröffentlicht wurde, die wahrscheinlichere, niedrigere Angabe aber nicht. Das ergibt einen Sinn nur dann, wenn man dies als verkaufsförderlicher ansieht.
94bb)
95Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Kläger von dem Sachmangel bei Vertragsbeurkundung i.S.v. § 442 BGB steht nicht in Rede. Der Kläger hat unwidersprochen lediglich die Maße der Küche überprüft und hatte im Übrigen keine Veranlassung, die Wohnfläche zu ermitteln, um die Angaben im Exposé überprüfen zu können.
96d)
97Damit stehen den Klägern die Gewährleistungsrechte gem. § 437 BGB zur Seite. Eine Wohnflächenunterschreitung ist einer Nacherfüllung gem. § 437 Nr. 1, 439 BGB nicht zugänglich, so dass es keiner Fristsetzung gem. §§ 323 Abs. 2, 440, 441 Abs. 1 BGB bedarf und die Kläger unmittelbar auf die Ansprüche aus § 437 Nr. 2, 3 BGB zurückgreifen können, also auch nach näherer Maßgabe der §§ 437 Nr. 2, 441 BGB mindern können.
98Eine entsprechende rechtsgestaltende Erklärung sieht der Senat in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 17.12.2019, was als Minderungserklärung i.S.v. § 441 Abs. 1 BGB auszulegen ist. Das ergibt sich aus dem Rückzahlungsbegehren eines verhältnismäßigen Teils des Kaufpreises in Abhängigkeit von dem vermeintlichen Minderwert, wenn die dort genannten Kriterien auch nicht der gesetzlichen Regelung in § 441 Abs. 3 BGB entsprechen.
99Gem. §§ 441 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB ist der Mehrbetrag vom Verkäufer zu erstatten, wenn der Käufer mehr als den geminderten Kaufpreis gezahlt hat. Der geminderte Kaufpreis wiederum wird gem. § 441 Abs. 3 BGB in der Weise ermittelt, als der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen ist, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Das führt hier zu einem Anspruch der Kläger in Höhe von 21.855,32 €:
100aa)
101Der maßgebliche vereinbarte Kaufpreis beträgt hier 214.000 €, denn von dem Gesamtkaufpreis von 220.000 € waren 6.000 € für Zubehör bestimmt, für dessen Wert die wirkliche Wohnfläche ohne Bedeutung ist.
102bb)
103Der wirkliche Wert der mangelbehafteten Kaufsache zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrug 211.000 €. Das ergibt sich aus dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 30.05.2022 erstatteten Gutachten des Sachverständigen D, dem der Senat auch in seiner Verkehrswertberechnung folgt.
104Der Sachverständige hat die Verkehrswertermittlung gem. § 194 BauBG aus nachvollziehbaren und vom Senat getragenen Erwägungen nach der Sachwertmethode durchgeführt. Es handle sich beim Kaufobjekt zwar – jedenfalls in seiner ursprünglichen Errichtungsweise – um ein Reihenendhaus. Ungeachtet dessen scheide die Vergleichswertmethode hier aber aus. Das Gebäude habe durch seine Umgestaltung eine Reihe von Änderungen erfahren, die es sehr individuell gemacht hätten und der Vergleichbarkeit mit anderen Objekten dort entgegenstehe. Ohnehin wiesen die Grundstücke und deren aufstehende Häuser nur noch wenige Gemeinsamkeiten auf. Verkaufsfälle seien in jüngerer Zeit kaum und im Ergebnis in unzureichender Anzahl dokumentiert. Die bekannten Fälle beträfen nicht vergleichbare Objekte. Vor dem Hintergrund dieser Angaben, welche zu bezweifeln der Senat keine Veranlassung hat und welche auch die Parteien nicht infrage gestellt haben, handelt es sich bei der Schwertmethode um die Bewertungsmethode der Wahl. Die Ertragswertmethode scheidet schon deshalb aus, weil es sich hier nicht um ein Renditeobjekt, sondern um ein selbstgenutztes Einfamilienhaus gehandelt hat.
105Im Rahmen der Sachwertmethode hat der Sachverständige, wobei wegen der Einzelheiten auf die Berechnungen aus seiner Tischvorlage vom 4.5.2022 verwiesen wird, die er zum Gegenstand seines Gutachtens gemacht hat, zwischen Bodenwert, Gebäudewert und Wert der Anlagen unterschieden. Hinsichtlich des Gebäudes hat er, ausgehend von Herstellungskosten von 209.922,16 €, indiziert auf das Jahr 2019, wiederum zwischen Altbestand aus ursprünglich ca. 1940 und dem Anbau aus 1998 – 2000, unterschieden und wegen der Sanierung des Altbestands im gleichen Jahr ein fiktives Alter von 30 Jahren zum Stichtag ermittelt. Dieses ergab bei einer unterstellten Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren zum Stichtag eine Restnutzungsdauer von 50 Jahren bzw. 62,5 %, also einen Gebäudewert von 131.201,35 €. Zusammen mit dem Wert der Außenanlagen, die der SV mit insgesamt 22.500 € ermittelt hat, und dem Bodenwert von 46.700 € ist er so zu einem vorläufigen Sachwert von 200.401,35 € gelangt.
106Der Sachverständige hat dargelegt, im Marktbericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Stadt G seien aus Kauffällen abgeleitete Markanpassungsfaktoren veröffentlicht, die das Verhältnis Kaufpreis zu vorläufigem Sachwert angeben. Für Reihenendhäuser mit einem vorläufigen Sachwert von rd. 200.000,00 € liege der entsprechende Faktor unter Berücksichtigung der konjunkturellen Lage bei 14 % Zuschlag. Demgemäß hat er einen entsprechenden Zuschlag i.H.v. 14,0 % = 28.056,19 € vorgenommen ist und so zu einem marktangepassten vorläufigen Sachwert von 228.457,54 € gelangt.
107Wertmäßig nicht erfasst seien darin noch nicht die Umstände, die erfahrungsgemäß im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu einer Einschränkung des Käuferkreises und somit zu Abschlägen vom marktangepassten vorläufigen Sachwert führten, nämlich Wegerechte (hier Hauszuwegung) und Nachbarbebauung entlang der Terrasse des Bewertungsobjekts: - 5,0%), Grundrissgegebenheiten (hier mit nur 1,4 m² sehr kleines Duschbad im Dachgeschoss mit eingeschränkter Kopfhöhe: - 2,5%)
108Die Topographie sei aber bereits im Bodenrichtwert eingepreist.
109Insgesamt ergebe das einen Abschlag von 7,5 % (17.134,32 €).
110Der Sachwert am 10.07.2019 betrage dann 211.323,22 € oder rd. 211.000,00 €.
111Der Sachverständige hat dies im Rahmen seines Gutachtens, nachvollziehbar und von den Parteien auch nicht in Frage gestellt, überzeugend erläutert, so dass der Senat dem Sachverständigen in seiner Bewertung folgen konnte und entsprechende Feststellungen getroffen hat.
112cc)
113Der fiktive Wert einer mangelfreien Sache zum maßgeblichen Stichtag hätte 235.000 € betragen.
114Auch insoweit folgt der Senat dem Sachverständigen D, der, der Weisung des Senats folgend, die baurechtliche Zulässigkeit und Erreichbarkeit von 120 m² Wohnfläche im Gebäude anstelle der festgestellten 96,90 m² unterstellt hat, für diesen Fall einen vorläufiger Sachwert von 233.466,80 € einschließlich Bodenwert, Wert der sonstigen Anlagen und Wert der Außenanlagen ohne Ver- und Entsorgungsanschlüsse ermittelt hat.
115Dazu hatte er, ausgehend von der Ermittlung des vorläufigen Sachwert von 200.401,35 € in der Bewertung des wahren Verkehrswerts (vorstehend bb)) diesen zunächst um die gebäudefremden Werte bereinigt, aus dem dann verbleibenden Betrag bezogen auf die tatsächliche Wohnfläche von 96,90 m² einen Quadratmeterpreis von (138.701,35 €/96,90 m² =) 1.431,39 €/m² ermittelt, und diesen dann mit der Sollfläche von 120 m² multipliziert. Das ergab (120,00 m² x 1.431,39 €/m² ) einen Betrag von 171.766,80 €, zusammen mit den zunächst ausgeschiedenen gebäudefernen und nun wieder zugeschlagenen Werten den vorläufigen (fiktiven) Sachwert von 233.466,80 €.
116Die Marktanpassung falle bei Objekten mit diesem vorläufigen Sachwert geringer aus und liege bei nur + 9 % (21.012,01 €). Das ergebe einen marktangepassten vorläufiger Sachwert 254.478,81 €
117Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale begründeten aber auch hier einen Abschlag, nämlich in Höhe von 7,5% des vorläufigen Sachwerts von 233.466,80 €.
118Insgesamt führe das zu einem fiktiven Sachwert am Stichtag 10.07.2019 von 235.392,90 € (254.478,81 € ./. 19.085,91 €) also von rd. 235.000 €.
119Diese Methode ist wie jede fiktive Berechnung angreifbar und weist Schwächen auf. Der Senat trägt sie aber, weil sie insgesamt angemessen erscheint. Sie erhält Konstanten des streitbefangenen Grundstücks, die von einer Veränderung der Wohnfläche unabhängig sind, und sich darauf beschränkt, nur die Auswirkungen eines fiktiven Wohnflächenzuwachses zu prognostizieren. Das genügt dem Senat, zumal bessere Methoden weder ersichtlich noch von den Parteien aufgezeigt worden sind, mit der den Anforderungen des § 287 ZPO genügenden Wahrscheinlichkeit entsprechende Feststellungen zu treffen.
120Also errechnet sich der herabgesetzte Kaufpreis als
121214.000 € x 211.000 €
122herabgesetzte Kaufpreis = --------------------------------- = 192.144,68 €
123235.000 €
124Die Kläger haben mit den vereinbarten 214.000 € mehr als den herabgesetzten Kaufpreis von 192.144,68 € gezahlt, weshalb der Mehrbetrag von 21.855,32 € gem. § 441 Abs. 4 BGB zu erstatten ist. In dieser Höhe ist die Klage begründet. Wegen des Mehrbetrags war die Klage abzuweisen.
1252.
126Der zuerkannte Betrag ist gem. §§ 286, 291 Abs. 1 BGB verzinslich.
127Wegen der dort verlangten unberechtigten Mehrforderung vermag das anwaltliche Schreiben vom 17.12.2019 eine Mahnung und Verzug nicht zu begründen, weshalb Zinsen erst ab jeweiliger Rechtshängigkeit zuzusprechen sind.
1283.
129Die Kläger sind ferner berechtigt, im Wege gewillkürter Prozessstandschaft den gem. § 86 VVG auf ihren Rechtsschutzversicherer übergegangenen Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten gem. §§ 434 Abs. 1 S. 2, 3, 437 Nr. 3, 280, 249 BGB geltend zu machen.
130Dem Grunde nach ist der Anspruch in ihrer Person nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen als nicht nacherfüllungsfähiger sog. Mangelfolgeschaden entstanden. Wegen des Vorliegens eines Sachmangels als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs gem. §§ 280, 249 BGB kann ebenso auf die vorstehenden Ausführungen zu vorstehend 1. verwiesen werden wie wegen des Verschuldens, welches sich hier positiv feststellen lässt. Rechtsverfolgungskosten in Form von Rechtsanwaltskosten sind auch ohne weiteres Teil des adäquat verursachten Schadens. Mit der Leistung durch den Rechtsschutzversicherer ist der Anspruch lediglich auf diesen übergegangen.
131Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft haben die Kläger dargelegt.
132Der Höhe nach besteht der Anspruch aber in Höhe von 906,78 €. Das ist Folge der geringeren Höhe des berechtigten Anspruchs.
133Die Prozessbevollmächtigten beanspruchen neben der Kommunikationspauschale und der jeweils anteiligen Mehrwertsteuer eine 1,0-fache Gebühr 2300 VV RVG, was der Höhe nach nicht zu beanstanden ist.
134Danach ergibt sich folgende Berechnung:
1351,0-fache Gebühr 2300 nach Gegenstandswert von 21.855,32 € 742,00 €
136Kommunikationspauschale 20,00 €
137Zwischensumme 762,00 €
138MwSt 19% 144,78 €
139906,78 €
1403.
141Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.