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Zur Beurteilung der Haftung eines Sachverständigen, der aufgrund des Inhalts von in gerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten zur Prozessfähigkeit des Klägers auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
Die Berufung des Klägers gegen das am 14.12.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern der Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Der Kläger nimmt den Beklagten mit dem Vorwurf, als gerichtlich bestellter Sachverständiger fehlerhafte medizinische Gutachten über ihn erstattet zu haben, auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
4Der Beklagte ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Er wurde vom Landgericht Detmold in den jeweils vom Kläger angestrengten Klageverfahren9 O 383/07 und 9 O 49/10 und selbständigen Beweisverfahren 9 OH 7/09 sowie vom Senat in dem das Verfahren 9 O 383/07 LG Detmold betreffenden ersten Berufungsverfahren I-11 U 3/15 mit der Erstellung schriftlicher und mündlicher Gutachten zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers beauftragt. Anlass hierfür war, dass in dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren 2 Ds-44 Js 142/11 283/11 AG Detmold der dort zum Sachverständigen bestellte A Ende 2011/Anfang 2012 in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt war, dass der Kläger an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leidet und deshalb von Schuldunfähigkeit des Klägers auszugehen sei.
5Im Einzelnen wurden von dem Beklagten in den drei vorgenannten Verfahren folgende Gutachten erstattet:
6− in dem Verfahren 9 O 383/07 LG Detmold ein schriftliches Gutachten vom 31.12.2013, welches von ihm später am 26.06.2014 gegenüber dem Landgericht Detmold und am 13.01.2016 in dem Berufungsverfahren I-11 U 3/15 mündlich erläutert und ergänzt wurde,
7− in dem selbstständigen Beweisverfahrens 9 OH 7/09 LG Detmold ein schriftliches Gutachten vom 31.12.2013 und weiteres schriftliches Ergänzungsgutachten vom 14.07.2015 und
8− in dem Verfahren 9 O 49/10 LG Detmold ein schriftliches Gutachten vom 14.06.2015.
9Der Beklagte kam in seinen vorgenannten Gutachten jeweils zu dem Ergebnis, dass für den dort jeweils in Rede stehenden Zeitraum bei dem Kläger eine Prozessunfähigkeit zwar nicht positiv festgestellt werden könne, aber naheliegend sei. Wegen der Einzelheiten der Gutachten wird auf Blatt 383 bis 404, 443 bis 444 und 629 bis 631 der Akten 9 O 383/07 LG Detmold, Blatt 344 bis 364 und 440 bis 459 der Akten 9 OH 7/09 LG Detmold sowie auf Blatt 99 bis 117 der Akten 9 O 49/10 LG Detmold Bezug genommen.
10Darüber hinaus war der Beklagte vom Landgericht zunächst auch in den Berufungsverfahren 10 S 80/13 und 10 S 146/13, welche die beiden vom Kläger beim Amtsgericht Lemgo erhobenen Klageverfahren 18 C 25/13 und 19 C 266/10 zum Gegenstand hatten, jeweils mit Beschluss vom 03.02.2014 mit der Erstellung eines Gutachten zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers beauftragt worden. Zu einer Gutachtenerstattung durch den Beklagten kam es dort aber nicht mehr, weil das Landgericht Detmold in beiden Verfahren später mit Beschluss vom 19.12.2014 den Sachverständigen B anstelle des Beklagten mit der Gutachtenerstellung beauftragte.
11Sämtliche Gutachten wurden vom Beklagten wegen der Weigerung des Klägers, sich von ihm persönlich untersuchen zu lassen, nach Aktenlage erstellt, wobei sich der Beklagte in seinen späteren Gutachten auch mit den vom Kläger vorgelegten fachärztlichen Beurteilungen des C vom 08.07.2013 und 11.02.2014 sowie dem vom Landgericht Detmold in den Verfahren 10 S 80/13 und 10 S 146/13 eingeholten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen B vom 04.06.2015, in denen im Gegensatz zur Einschätzung des Beklagten keine hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit des Klägers gesehen wurden, auseinandersetzte.
12In dem das Verfahren 9 O 383/07 LG Detmold betreffenden weiteren (zweiten) Berufungsverfahren I-11 U 8/19 wurde vom erkennenden Senat mit Beweisbeschluss vom 16.10.2019 die Einholung ein weiteres schriftliches Gutachten des Sachverständigen D zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers angeordnet. Dieser gelangte in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.07.2020, das er nachfolgend zunächst am 09.04.2021 mündlich und unter dem 21.06.2021 auch nochmals schriftlich näherer erläuterte, zu dem Ergebnis, dass sich beim Kläger für die Zeit beginnend ab Juli 2007 bis heute keine Hinweise für schwere psychopathologische Auffälligkeiten finden ließen, die rechtfertigen würden, von einer Störung auf psychiatrischen Fachgebiet auszugehen. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen D ist der erkennende Senat in eine Beweisaufnahme betreffend die Begründetheit der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche eingetreten.
13Auch das selbständige Beweissicherungsverfahren 9 OH 7/09 nicht noch nicht beendet, sondern wird nur derzeit vom Kläger nicht weiterbetrieben.
14Die Verfahren 9 O 49/10, 10 S 80/13 und 10 S 146/13 sind demgegenüber bereits rechtskräftig abgeschlossen.
15Die vom Kläger im Verfahren 9 O 49/10 LG Detmold erhobene Klage wurden mit Urteil des Landgerichts Detmold vom 09.03.2017 wegen Verjährung der geltend gemachten Ansprüche als unbegründet abgewiesen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.04.2018 (I-30 U 49/17) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
16In dem das Berufungsverfahren 10 S 80/13 LG Detmold betreffenden erstinstanzlichen Verfahren 18 C 25/13 AG Lemgo war die vom Kläger erhobene Klage vom Amtsgericht Lemgo mit Urteil vom 25.04.2013 ebenfalls als unbegründet abgewiesen worden. Die hiergegen von ihm eingelegte Berufung wurde später vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 01.12.2015 wieder zurückgenommen.
17Auch in dem das Berufungsverfahren 10 S 146/13 betreffenden erstinstanzlichen Verfahren 19 C 266/19 AG Lemgo war die vom Kläger erhobene Klage mit Urteil vom 18.07.2017 als unbegründet zurückgewiesen worden. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Landgerichts vom 27.04.2016 als unbegründet zurückgewiesen.
18Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger nunmehr den Beklagten mit dem Vorwurf, dass die von ihm in den Verfahren 9 O 383/07, 9 OH 7/09 und 9 O 49/10 LG Detmold erstatteten Sachverständigengutachten sämtlich fehlerhaft gewesen seien, auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
19Mit am 31.12.2018 beim Amtsgericht Hagen eingegangenen Antrag hatte der Kläger zunächst den Erlass eines Mahnbescheides über einen ihm gegen den Beklagten und das Land Nordrhein-Westfalen als Gesamtschuldner zustehenden Zahlungsanspruch in Höhe von 125.000,- € beantragt, wobei er nachfolgend auf Veranlassung des Amtsgerichts Hagen mit weiteren Schreiben vom 11.01.2029 und 06.02.2019 (Blatt 18 f. und 21 f. der Akten) weitergehende Angaben zu der von ihm geltend gemachten Hauptforderung machte. Nach Erledigung weiterer Beanstandungen des Amtsgerichts Hagen – darunter eine Zwischenverfügung vom 14.02.2019, mit welcher beanstandet wurde, dass die vom Kläger als Auslagen für das Mahnbescheidsverfahren geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten von 25,- € konkret zu bezeichnen sein – wurde schließlich am 10.05.2019 gegen den Beklagten der beantragte Mahnbescheid erlassen und diesem am 14.05.2019 zugestellt. Der hiergegen vom Beklagten eingelegte Widerspruch, mit welchem er dem geltend gemachten Anspruch insgesamt widersprach, ging fristgerecht am 24.05.2019 beim Amtsgericht Hagen ein. Nach Einzahlung der daraufhin angeforderten Gerichtskostenvorschüsse und der Mitteilung des Klägers vom 14.11.2019, den gegen das Land Nordrhein-Westfalen geltend gemachten Anspruch nicht weiterverfolgen zu wollen, wurde das den Beklagten betreffende Verfahren am 30.12.2019 vom Amtsgericht Hagen an das Landgericht Münster abgegeben. Auf dessen Aufforderung vom 28.01.2020 hin hat dann der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2020 den von ihm mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch begründet und näher spezifiziert.
20Der Kläger hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, dass der Beklagte ihm wegen leichtfertigen, zumindest bedingt vorsätzlichen Erstattens fehlerhafter Gutachten gemäß § 826 BGB und gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld hafte. Der Beklagte habe gegen die Richtlinien zur Erstellung medizinischer Gutachten verstoßen, weil er nicht beachtet habe, dass nach Ziffer 4.11 der Leitlinien die Weigerung des zu Begutachtenden, sich untersuchen zu lassen, zu dokumentieren sei und die Auswirkungen der damit fehlenden Befunde auf die Sicherheit der gutachterlichen Schlussfolgerungen kenntlich zu machen seien. Außerdem fehle es in sämtlichen Gutachten an einer Einordnung des vom Beklagten festgestellten Krankheitsbildes in eines der beiden international anerkannten Klassifikationssysteme sowie an der als fachlichen Standard anzusehenden differenzierten psychischen und psychopathologischen Befunderhebung als Kernstück jeder psychiatrischen Begutachtung. Der Beklagte habe es unterlassen, die Fremd- und die Selbstbeurteilung des Probanden miteinander in Bezug zu setzen und Symptome und Beobachtungen zusammenzufassen, aus denen sich logisch nachvollziehbar das Syndrom und die Diagnose herleiten ließen. Es fehlten zudem jegliche psychologische Testuntersuchungen. Auch die Annahme einer chronischen, verfestigten Entwicklung werde in den Gutachten des Beklagten nicht erörtert und belegt. Die Ausführungen des Beklagten in seinen Gutachten vom 31.12.2013, 14.06.2015 und 14.07.2015 belegten eine vom Beklagten leichtfertig, gewissenlos und bedingt vorsätzlich begangene sittenwidrige Schädigung seiner, des Klägers, Person. Der Beklagte habe sich durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrages bzw. durch ins Blaue hinein gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt. Die grobe Fehlerhaftigkeit seines Gutachtens ergebe sich zudem aus dem vom Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen D vom 07.07.2020. Durch die fehlerhaften Gutachten sei er, der Kläger, seiner Bürgerrechte und seiner prozessualen Handlungsfähigkeit vollständig beraubt worden, weshalb er sich durch Vorlage von Privat-und Gegengutachten mit entsprechendem eigenen Kosteneinsatz habe zur Wehr setzen müssen. Durch die fehlerhaften Gutachten seien ihm im Einzelnen folgende vom Beklagten zu ersetzende materielle Schäden entstanden:
21− die Kosten für die fachärztliche Stellungnahme des C in Höhe von 195,96 € gemäß Rechnung vom 11.02.2014
22− die Kosten für die Gutachtenanalyse des E in Höhe von 505,75 € gemäß Vorschussrechnung vom 18.02.2015 und weiteren 2.528,75 €, weiteren 151,73 € und weiteren 606,90 € gemäß Rechnungen vom 14.01.2016, 02.02.2016 und 19.02.2016,
23− die von ihm in den Verfahren 10 S 80/13 und 10 S 143/13 LG Detmold für das Gutachten des Sachverständigen B zu begleichenden Kostenrechnungen vom 04.06.2015 in Höhe von 2.703,22 €, vom 23.03.2016 in Höhe von 852,04 € und vom 03.12.2015 in Höhe von 785,40 € und
24− die von ihm zu begleichende Zeugenentschädigung in Höhe von 102,- € für die von dem Zeugen C am 23.03.2016 in dem Verfahren 10 S 146/13 LG Detmold geleistete Zeugenaussage.
25Außerdem stünde ihm, weil er durch die fehlerhaften Gutachten in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei, gegen dem Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe des danach noch zur Forderung im Mahnbescheid verbleibenden Differenzbetrages von 116.568,25 € zu. Die von ihm geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht verjährt. Denn er habe die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erst mit dem Gutachten des Sachverständigen D vom 07.07.2020 erlangt. Zudem habe der Beklagte auch erst mit seinem am 13.01.2016 mündlich erstatteten Gutachten den Schlusspunkt unter seine gutachterlichen Fehleinschätzungen gesetzt. Entgegen dem Landgericht sei die Zustellung des Mahnbescheides auch noch i.S.v. § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt. Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Hagen vom 14.02.2019 habe sich nur auf das das Land Nordrhein-Westfalen betreffende Mahnbescheidsverfahren bezogen, weshalb das Amtsgericht Hagen die Förderung des den Beklagten betreffenden Mahnverfahrens nicht von der Erledigung der Zwischenverfügung hätte abhängig machen dürften.
26Der Beklagte hat in erster Instanz die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat gemeint, dass die Verjährung durch den vom Kläger gestellten Mahnbescheidsantrag nicht gehemmt worden sei, weil der Kläger in diesem die von ihm geltend gemachten Einzelforderungen nicht hinreichend individualisiert habe. Ohnehin sei ihm, dem Beklagten, der Mahnbescheid erst nach Ablauf der am 31.12.2018 endenden Verjährungsfrist zugestellt worden. Eine Rückwirkung komme nicht in Betracht, weil die Zustellung nicht mehr „demnächst“ erfolgt sei. Darüber hinaus habe der Kläger einen Anspruch aus § 826 bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB auch nicht schlüssig dargelegt. Die von ihm, dem Beklagten, erstatteten Gutachten seien fehlerfrei gewesen. Insbesondere habe er in diesen stets ausgeführt, die Prozessunfähigkeit des Klägers nicht positiv feststellen zu können, weil dieser eine persönliche Untersuchung durch ihn verweigert habe. Das Gutachten des Sachverständigen D beziehe sich auf einen anderen Beurteilungszeitraum. Jedenfalls seien die vom Kläger geltend gemachten materiellen Schäden, die er bestreite, nicht durch seine Gutachten verursacht worden. Dass dem Kläger durch diese ein immaterieller Schaden entstanden sei, sei weder von diesem dargetan worden, noch sonst ersichtlich. Überdies sei die Schmerzensgeldforderung des Klägers auch vollkommen übersetzt.
27Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.12.2020 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass etwaige Ansprüche des Klägers jedenfalls gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB spätestens mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt sein. Der Kläger habe seine Ansprüche auf vermeintlich fehlerhafte Gutachten des Beklagten vom 31.12.2013, 14.06.2015 und 14.07.2015 gestützt. Die fachärztlichen Stellungnahmen des von ihm beauftragten C und das Gutachten des Sachverständigen B seien ihm ebenfalls schon vor Ende des Jahres 2015 bekannt gewesen, sodass der Kläger bereits im Jahre 2015 Kenntnis von etwaigen anspruchsbegründenden Umständen gehabt habe. Die Verjährung sei auch nicht durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides vom 31.12.2018 gehemmt worden, weil die Zustellung des Mahnbescheides nicht mehr im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt sei. Die Zustellung des Mahnbescheides habe sich wegen vom Kläger zu vertretender Umstände um mehr als 14 Tage verzögert. Er sei der Zwischenverfügung des Amtsgerichts Hagen vom 14.02.2019 erst nach über zwei Monaten nachgekommen. Im Übrigen vermöge die Kammer aber auch den streitgegenständlichen Gutachten des Beklagten oder den Umständen weder ein vorsätzliches, noch ein sittenwidriges Verhalten des Beklagten zu entnehmen.
28Mit seiner dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang weiter. Er meint, das Landgericht sei zu Unrecht von einer Verjährung der von ihm geltend gemachten Ansprüche ausgegangen. Insoweit wiederholt er seine bereits in erster Instanz vertretene Ansicht, die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erst durch das vom Senat im Jahr 2020 eingeholte weitere Gutachten des Sachverständigen D erlangt zu haben. Es sei ihm als gelernten (..) und (..) nicht möglich gewesen, schon vorher die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen aus den sich widersprechenden gutachterlichen Stellungnahmen derart überzeugend herauszufiltern, dass ihm damit eine Klageerhebung zumutbar gewesen wäre. Es könne ihm insoweit nicht als grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden, nicht schon im Jahr 2015 schlauer gewesen sein als alle anderen Experten, zumal auch der Senat noch im Jahr 2020 die Einholung des weiteren Gutachtens des Sachverständigen D für erforderlich erachtet habe. Soweit er, der Kläger, mit dem vorliegenden Verfahren bereits vor Erstattung des Gutachtens des Sachverständigen D für sich das Risiko eingegangen sei, mit seiner Klage zu scheitern, könne dies nicht dazu führen, ihm eine Tatsachenkenntnis im Sinne von § 199 Absatz 2 BGB für einen Zeitpunkt zu unterstellen, die sich von dem Erkenntnisstand des erkennenden Senats nach Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen D noch erheblich unterschieden habe. Im Übrigen habe er bereits in erster Instanz darauf hingewiesen, dass eine Rückwirkung der Verjährungshemmung des Mahnbescheides nicht daran scheitere, dass er das Verfahren gegen einen weiteren Antragsgegner nicht so zügig betrieben habe, dass diesem gegenüber die Zustellung des Mahnbescheides nicht mehr als „demnächst“ erfolgt habe angesehen werden können. Er, der Kläger, habe nicht davon ausgehen können, dass sich dadurch das Mahnverfahren insgesamt verzögern würde. Entgegen dem „obiter dictum“ des Landgerichts falle dem Beklagten auch ein vorsätzliches und sittenwidriges Vorgehen zur Last, weil er die verbindlich verpflichtenden Vorgaben des Justizministeriums NRW zur Erstellung medizinischer Gutachten missachtet und von Anfang an nicht methodengerecht gearbeitet habe, wie von E festgestellt worden sei. Wenn der Beklagte trotz der Ausführungen des Sachverständigen B weiterhin an seinen wissenschaftlich nicht zu belegenden Diagnosen festgehalten und sich unbelehrbar gezeigt habe, dann einzig und allein aus dem Grunde, um auf seinen, des Klägers, Kosten „seinen Kopf zu retten“. Dies sei entgegen dem Landgericht sehr wohl als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu werten, weil der Beklagte als Sachverständiger hätte erkennen müssen, dass er, der Kläger, keinerlei gesundheitlichen Einschränkungen im Hinblick auf seine Prozessfähigkeit unterliegt.
29Der Kläger beantragt,
30in Abänderung des am 14.12.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Münster zu Aktenzeichen 12 O 6/20 den Beklagten zu verurteilen, an ihn 125.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2015 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 10,- € zu zahlen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung des Landgerichts mit näheren Ausführungen als richtig.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
35Der Senat hat die Akten 9 O 383/07 LG Detmold (= I-11 U 3/15 OLG Hamm und I-11 U 8/19 OLG Hamm), 9 OH 7/09 LG Detmold, 9 O 49/10 LG Detmold, 10 S 80/13 LG Detmold und 10 S 146/13 LG Detmold beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
36II.
37Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
38Dem Kläger steht gegen den Beklagten wegen der von ihm in den Verfahren 9 O 383/07 = I-11 U 3/15 OLG Hamm, 9 OH 7/09 LG Detmold und 9 O 49/10 LG Detmold erstatteten Sachverständigengutachten kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld zu.
39A.
40Der Kläger steht weder aus einer unmittelbaren, noch analogen Anwendung des § 839a Abs. 1 BGB, noch aus den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften gegen den Beklagten der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 8.431,75 € zu.
411.
42Aus einer unmittelbaren Anwendung des § 839a BGB lässt sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht herleiten.
43Zwar ist die Vorschrift des § 839a BGB auf alle hier in Rede stehenden drei Verfahren, in denen der Beklagte seine Gutachten erstattet hat, grundsätzlich anwendbar. Die mit Art. 2 Nr. 5 des zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 neu geschaffene Vorschrift des § 839a BGB, mit der vom Gesetzgeber eine eigenständige, systematisch im Umfeld der Amtshaftung angesiedelte Anspruchsgrundlage für die Haftung gerichtlicher Sachverständiger normiert wurde, ist grundsätzlich auf alle gerichtlichen Verfahren anwendbar (Zimmerling/Wingler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weht/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Auflage, § 839a Rn. 10). Bei den beiden Verfahren 9 O 383/07 und 9 O 49/10 LG Detmold handelt es sich um zivilgerichtliche Hauptsacheverfahren, die üblicherweise durch Urteil entschieden werden und auf die nach allgemeiner Meinung § 839a BGB Anwendung findet. Aber auch auf in selbständige Beweisverfahren erstattete Gutachten, wie das hier vom Beklagten im Verfahren 9 OH 7/09 erstattete Gutachten, findet die Haftungsvorschrift des § 839a BGB Anwendung (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.01.2017, 4 U 38/16 – Rz. 11 f. juris), allerdings mit der Maßgabe, dass eine Haftung des Sachverständige nach § 839a BGB nur dann in Betracht kommt, dass sich an das selbständige Beweisverfahren ein Streitverfahren anschließt, in dem das Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren verwertet wird und das durch eine gerichtliche Entscheidung abgeschlossen wird (Reinert in: BeckOK BGB, 58. Ed. 1.5.2021, § 839a Rn. 13).
44Die Haftungsvoraussetzungen des § 839a BGB sind vorliegend auch noch insoweit erfüllt, als dass der Beklagte in den hier in Rede stehenden Verfahren 9 O 383/07 LG Detmold (= I-11 U 3/15 OLG Hamm), 9 OH 7/09 LG Detmold und 9 O 49/10 LG Detmold seine Gutachten jeweils als gerichtlich bestellter Sachverständiger erstattet hat und der Kläger als Verfahrensbeteiligter dieser Verfahren zu dem Kreis der nach § 839a BGB möglichen Anspruchsberechtigten gehört.
45Eine Haftung des Beklagten für die vom Kläger geltend gemachten materiellen Schäden scheitert aber daran, dass nach § 839a BGB nur der sogenannte Urteilsschaden zu ersetzen ist, also der Schaden, der dem Verfahrensbeteiligten durch eine unrichtige gerichtliche Entscheidung entsteht, die ihrerseits auf dem vom Sachverständigen vorsätzlich oder grob fahrlässig erstatteten unrichtigen Gutachten beruht, wobei hierzu auch die dem Anspruchsteller auferlegten Prozess- und Rechtsmittelkosten gehören können. Die vorliegend vom Kläger als materiellen Schaden geltend gemachten Aufwendungen stellen jedoch keinen solchen Urteilschaden dar. Denn die Kosten für die Gutachten des Sachverständigen B und die am 23.03.2016 erfolgte Vernehmung des Zeugen C wurden dem Kläger in anderen Verfahren, nämlich den Verfahren 10 S 80/13 und 10 S 146/13 LG Detmold auferlegt. Die Kosten für die privatgutachterlichen Stellungnahmen des C und die Gutachtenanalyse E sind dem Kläger zwar im Zusammenhang mit den vorliegend in Rede stehenden Verfahren 9 O 383/07, 9 O 49/10 und 9 OH 7/09 LG Detmold entstanden. Zumindest wurden die beiden privatgutachterlichen Stellungnahmen des C vom 08.07.2013 und 11.02.2014 vom Kläger in allen drei genannten Verfahren zum Zwecke seiner Rechtsverfolgung zu den Aktengereicht, wohingegen die Gutachtenanalyse des E von ihm allein in dem Verfahren 9 O 383/07 vorgelegt wurde. Jedoch sind dem Kläger die Kosten für die beiden privatgutachterlichen Stellungnahmen und die Gutachtenanalyse nicht durch eine auf die Gutachten des Beklagten gestützte gerichtliche Entscheidung entstanden.
46Dies gilt schon hinsichtlich des Verfahrens 9 O 383/07 LG Detmold schon deshalb, weil dieses noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, sondern derzeit noch unter Aktenzeichen I-11 U 18/19 beim erkennenden Senat anhängig ist. Zwar hatte das Landgericht Detmold in diesem Verfahren mit seinem Urteil vom 26.06.2014 gestützt auf das schriftliche Gutachten des Beklagten vom 31.12.2013 und dessen mündliches Ergänzungsgutachten vom 26.06.2014 die Klage als unzulässig abgewiesen. Dieses Urteil wurde aber später vom Senat im nachfolgenden (ersten) Berufungsverfahren 11 U 3/15 mit Urteil vom 25.11.2016 wieder aufgehoben. Dem entsprechend steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest, ob und in welchem Umfang der Kläger die Kosten dieses Rechtsstreit zu tragen haben wird und ob er nicht die von ihm für die privatgutachterlichen Stellungnahmen und die Gutachtenanalyse aufgewandten Kosten später erfolgreich im Rahmen der Kostenfestsetzung geltend machen kann. Denn insbesondere die Kosten eines von der Partei während eines Rechtsstreits zum Zwecke der Erschütterung oder Widerlegung eines Gerichtsgutachtens eingeholten Privatgutachtens können zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten darstellen und damit erstattungsfähig sein (vgl. dazu Herget in Zöller, 33. Auflage § 91 Rn. 13.73 m.w.Nw.).
47Auch das selbständige Beweisverfahren 9 OH 7/09 ist noch abgeschlossen. Außerdem sind die dort vom Beklagten erstatteten schriftlichen Gutachten vom 31.12.2013 und 14.07.2015 bislang nicht in einem sich an das selbständige Beweisverfahren anschließenden Streitverfahren gemäß § 493 ZPO beweismäßig verwertet und zur Grundlage eines Urteils gemacht worden.
48Das Verfahren 9 O 49/10 LG Detmold ist zwar bereits rechtskräftig abgeschlossen. Jedoch beruht die dort ergangene gerichtliche Endentscheidung nicht auf dem dort vom Beklagten erstatteten schriftlichen Sachverständigengutachten vom 14.06.2015. Denn mit dem die Berufung zurückweisenden Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.04.2018 (I-30 U 49/17) ist die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Detmold vom 09.03.2017 rechtskräftig geworden. Mit dieser wurde aber die vom Kläger erhobene Klage nicht etwa gestützt auf das Gutachten des Beklagten als unzulässig, sondern wegen Verjährung der klageweise geltend gemachten Ansprüche als unbegründet abgewiesen. Entsprechend sind dem Kläger mit der dortigen Kostenentscheidung die Verfahrenskosten auch nicht infolge des vom Beklagten erstatteten Gutachtens auferlegt worden.
492.
50Aber auch aus einer analogen Anwendung des § 839a BGB und einer Anwendung der allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften lässt sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht herleiten. Denn beide scheitern bereits daran, dass die Vorschrift des § 839a BGB jedenfalls für Fallgestaltungen wie der hier in Rede stehenden Art eine die Haftung des Sachverständigen abschließende Sonderregelung beinhaltet.
51Nach der in der Bundestag-Drucksache 14/7752 veröffentlichen Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung hat der Gesetzgeber mit neu geschaffenen Vorschrift des § 839a BGB eine abschließende Regelung der Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen schaffen wollen. Mit ihr wurde einerseits die Haftung des Sachverständigen für reine Vermögensschaden erweitert, die bis dahin nur im Rahmen von Schutzgesetzverletzungen und bei vorsätzlich sittenwidrigem Handeln gegeben war. Insbesondere bezweckte die Neuregelung, den bis dahin bestehenden Unterschied zwischen der Haftung des beeideten und nicht beeideten Sachverständigen zu beseitigen. Die mit der generellen Einbeziehung reiner Vermögensschäden verbundene Erweiterung der Haftung wurde andererseits dadurch abgemildert, dass die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt wurde. Dies soll nach der Gesetzbegründung dem Sachverständigen die innere Freiheit geben, sein Gutachten unabhängig und ohne Druck eines möglichen Rückgriffs erstatten zu können. Ferner sollte nach der Gesetzesbegründung eine Ersatzpflicht des Sachverständigen nur insoweit begründet werden, als einem Verfahrensbeteiligten durch eine auf dem unrichtigen Gutachten beruhende gerichtliche Entscheidung ein Schaden entstanden ist und sollten damit Fälle anderweitiger Verfahrenserledigung von der Ersatzpflicht ausgeschlossen sein (BT 14/7752 S. 28.).
52Zwar gibt es mittlerweile in der Rechtsprechung und Literatur Tendenzen, in bestimmten Fällen entgegen dem Wortlaut der Gesetzesbegründung auch dann eine Haftungsmöglichkeit des gerichtlich bestellten Sachverständigen eröffnen, wenn dem Verfahrensbeteiligten infolge des fehlerhaften Gutachtens ohne eine gerichtliche Entscheidung ein Schaden entstanden ist, wobei hierfür entweder auf eine analoge Anwendung des § 893a BGB zurückgegriffen oder eine Anwendbarkeit der allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften befürwortet wird. So ist vom Bundesgerichtshof jüngst für den Fall der Verfahrenserledigung durch Vergleich eine analoge Anwendung von 839a BGB bejaht worden, wenn der Abschluss des Vergleichs von dem Gutachten beeinflusst wurde. Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, dass ansonsten der verfassungsrechtliche Schutz der Grundrechte der Verfahrensbeteiligten nicht gewährleistet sei und ein Rückgriff auf die allgemeinen deliktsrechtlichen Regeln die vom Gesetzgeber als verfehlt angesehene Differenzierung der Haftung nach der Beeidigung des Sachverständigen wiederaufleben lassen würde (BGH, Urteil vom 25.06.2020, III ZR 119/19 – Rz. 13-17 juris). Demgegenüber wird von Teilen der Literatur in diesen Fällen sowie für Fälle einer durch das Gutachten motivierten Klage- und Rechtsmittelrücknahme oder beiderseitigen Erledigungserklärung ein möglicher Rückgriff auf die allgemeinen deliktrechtlichen Vorschriften befürwortet (so etwa: Wöstmann in Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2020, § 839a Rn. 19 ff.; Mayen in Erman, Kommentar zum BGB, 16. Auflage 2020, § 839a Rn. 4).
53Im vorliegenden Fall bleibt indes für eine analoge Anwendung des § 839a BGB oder einen Rückgriff auf die allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften deshalb kein Raum, weil es in den hier in Rede stehenden Verfahren 9 O 383/07, 9 O 49/10 und 9 OH 7/09 LG Detmold an entsprechenden, durch die Gutachten des Beklagten zumindest mitbeeinflussten urteilsersetzenden verfahrensbeendenden Prozesshandlungen der Prozessbeteiligten wie etwa dem Abschluss eines Vergleichs, der Abgabe das Verfahren insgesamt beendender beiderseitigen Erledigungserklärungen oder einer Klage- und Rechtsmittelrücknahme fehlt. Darüber hinaus wird der Kläger vorliegend aber auch durch eine abschließende Anwendung des § 839a BGB auf die von ihm geltend gemachten materiellen Schäden nicht wie in den anderen von der Rechtsprechung und Literatur diskutierten Fällen in unbilliger Weise rechtlos gestellt. Denn wenn die vom Kläger im Verfahren 9 O 49/10 LG Detmold erhobene Klage begründet gewesen wäre, hätte er aller Voraussicht nach die von ihm für die privatgutachterlichen Stellungnahmen des C aufgewandten Kosten in Rahmen der Kostenfestsetzung als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung geltend machen und von dem dortigen Beklagten erstattet verlangen können. Dass dem Kläger diese Möglichkeit vorliegend nicht eröffnet ist, liegt allein daran, dass er eine von vornherein unbegründete Klage erhoben hatte. Hinsichtlich des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens 9 O 383/07 LG Detmold steht hingegen noch gar nicht fest, ob der Kläger nicht dort seine Aufwendungen für die beiden privatgutachterlichen Stellungnahmen des C und die Gutachtenanalyse E später im Kostenfestsetzungsverfahren als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung geltend machen und erstattet verlangen kann. Gleiches gilt letztlich auch das selbstständige Beweisverfahren 9 OH 7/09 LG Detmold. Denn wenn sich die dort vom Kläger gestellten Beweisanträge sämtlich als in der Sache gerechtfertigt erweisen sollten, könnte der Kläger daran anschließend erfolgreich eine entsprechende Hauptsacheklage gegen die dortige Antragsgegnerin erheben und sich dabei gemäß § 493 ZPO zur Beweisführung auf das im selbständigen Beweisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten berufen. In diesem Fall wären die Kosten des selbständigen Beweisverfahren einschließlich der Kosten für das Gutachten des Beklagten als Kosten des Hauptsacheverfahrens zu behandeln und nach Maßgabe deren Notwendigkeit von der dann dort beklagten Partei zu erstatten (Herget in: Zöller, a.a.O. § 490 Rn. 7). Aber auch wegen der ihm in den Verfahren 10 S 80/13 und 10 S 146/13 LG Detmold auferlegten Kosten für die Gutachten des dortigen Sachverständigen B ist der Kläger nicht in einer Weise rechtlos gestellt, dass deswegen eine analoge Anwendung des § 839a BGB oder eine Anwendbarkeit der allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften neben § 839a BGB erforderlich wäre. Denn wenn die den Berufungsverfahren zugrundeliegenden beiden Klagen des Klägers begründet gewesen wären, hätte er die Kosten für die Gutachten des Sachverständigen B nicht tragen müssen, sondern wären diese den dortigen Beklagten auferlegt worden. Dass der Kläger sie tragen muss, liegt letztlich wiederum allein darin begründet, dass die von ihm erhobenen beiden Klagen von vornherein unbegründet gewesen sind.
543.
55Aber selbst wenn man vorliegend § 839a BGB für entsprechend und/oder die allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften neben § 839a BGB für anwendbar halten würde, würde dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
56a)
57Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner materiellen Schäden aus einer analogen Anwendung des § 839a BGB würde nämlich jedenfalls daran scheitern, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte seine Gutachten vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig erstattet hat.
58aa)
59Unrichtig ist ein Sachverständigengutachten dann, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht, also die vom Sachverständigen festgestellten Tatsachen nicht existieren oder die Befunderhebung, soweit nicht vom Gericht vorgegeben, fehlerhaft oder unvollständig ist, oder wenn der Sachverständige aus dem festgestellten Sachverhalt falsche, unhaltbare Schlüsse zieht (Berkemann, Haftung des Sachverständigen nach § 839 a BGB – Rechtsprechung im Überblick (BGH/OLG), Juris-Mitteilungen 2021, 65 ff, 68; Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB 8. Auflage 2020 § 839 a Rn. 19 m.w.Nw.). Dabei kommt im Rahmen von § 839a BGB dem Anspruchsteller die volle Substantiierungslast für die Unrichtigkeit des Gutachtens zu. Auf Erleichterungen wie im Arzthaftungsrecht kann er sich nicht berufen (Berkemann, a.a.O., S. 67; Wagner, a.a.O., Rn. 44). Die vermeintlichen Nachlässigkeiten und Unterlassungen des Sachverständigen müssen von ihm klar benannt werden. Erst für den Fall einer schlüssigen Darlegung kommt die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Regressprozess in Betracht (Berkemann a.a.O. S. 67).
60Ausgehend hiervon ist schon nicht frei von Zweifeln, ob der Kläger überhaupt in einer hinreichenden Weise dargelegt hat, dass die vom Beklagten erstatteten Gutachten in diesem Sinne unrichtig gewesen sind.
61Dass der Privatsachverständige C sowie die gerichtlich bestellten Sachverständigen B und D in ihren gutachterlichen Stellungnahmen anders als der Beklagte zu dem Ergebnis gelangt sind, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine bei dem Kläger vorliegende anhaltende wahnhafte Störung im Sinne des ICD-10: F, 22 bestanden haben bzw. bestehen, reicht für sich allein genommen zum Nachweis der Unrichtigkeit der Gutachten des Beklagten nicht aus (Reinert, a.a.O., § 839a Rn. 8 m.w.Nw.). Insoweit ist nämlich bereits zu berücksichtigen, dass der Privatsachverständige C und der gerichtlich bestellte Sachverständige D ihre gutachterlichen Beurteilungen anders als der Beklagte auf eine persönliche Untersuchung des Klägers stützen konnten. Gerade aufgrund des dabei von ihnen gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger und den dabei vom Kläger gemachten Angaben sind beide Sachverständige aber letztlich im Gegensatz zum Beklagten für sich zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger durchaus noch distanzfähig und in der Lage sei, sein Verhalten zu hinterfragen, und deshalb auch nicht in seiner Fähigkeit zu einem sinn- und zweckvollen Handeln eingeschränkt sei. Dem gerichtlich bestellten Sachverständigen B war zwar ebenso wie dem Beklagten eine persönliche Untersuchung des Klägers nicht möglich. Auch er ist aber letztlich nur deshalb zu einer von dem Beklagten abweichenden Beurteilung des Klägers gelangt, weil er die vom Kläger bei der Untersuchung durch C gemachten Angaben anders bewertet hat als der Beklagte. Während der Sachverständige B diese in gleicher Weise wie C gewertet hat, hat der Beklagte sie dahin bewertet, dass ihnen keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden kann, und die Auffassung vertreten, dass der Beklagte sein Verhalten nicht mehr rational steuern könne und seine bisherigen Verhaltensweisen immer wieder durchbrechen würden. Insoweit ist weiter zu beachten, dass dem Beklagten als Sachverständigen bei der Bewertung der Verlässlichkeit der vom Kläger gegenüber C gemachten Angaben, ein gewisser Beurteilungsspielraum zugestanden hat. Dass er diesen mit seinen Gutachten überschritten hat, kann allein anhand der Gutachten der Privat-/Sachverständigen C, B und D aber nicht festgestellt werden. Denn auch der Privatsachverständige C hat in dem Verfahren 9 O 383/07 bei seiner Zeugenvernehmung durch den Senat am 13.01.2016 nach Vorhalt eines vom Kläger verfassten Schreiben bekundet, dass die darin vom Kläger getätigten Äußerungen auch für ihn ein Hinweis auf etwas Wahnhaftes in dessen Verhalten wären. Der Sachverständige B hat in seinem Gutachten vom 04.06.2015 lediglich ausgeführt, dass das Vorliegen einer anhaltenden wahnhaften Störung beim Kläger nicht „gesichert“ festzustellen sei. Zwar hat er weiter ausgeführt, dass die von C erhobenen Befunde seiner Ansicht nach deutlich gegen eine solche Feststellung sprechen würden, zugleich aber sein Bedauern darüber geäußert, dass C seine Erhebungen nicht detaillierter dargestellt habe. Damit kann aber den Gutachten C und B aber keine derartige Eindeutigkeit beigemessen werden, dass sich allein auf ihrer Grundlage die Unvertretbarkeit der vom Beklagten vorgenommenen gutachterlichen Bewertung feststellen ließe. Die Gutachten des Sachverständigen D sind dagegen hierzu schon deshalb nicht geeignet, weil sie erst geraume Zeit nach dem letzten Gutachten des Beklagten erstellt wurden und zudem auf einer erneuten persönlichen Untersuchung des Klägers beruhen.
62Der Kläger hat auch sonst nicht aufgezeigt, dass die bestimmte, vom Beklagten seiner Gutachtenerstattung zugrunde gelegte Tatsachen nicht existieren oder die von ihm vorgenommene Befunderhebung fehlerhaft oder unvollständig ist.
63In diesem Zusammenhang geht insbesondere der Vorwurf des Klägers fehl, dass der Beklagte seiner Pflicht als Sachverständiger verletzt habe, die Weigerung des Begutachtenden, sich untersuchen zu lassen, zu dokumentieren und die Auswirkungen der damit fehlenden Befunderhebung auf die Sicherheit der gutachterlichen Schlussfolgerungen kenntlich zu machen. Denn der Beklagte hat in seinen sämtlichen Gutachten darauf hingewiesen, dass er den Kläger wegen dessen Weigerung nicht selbst untersuchen konnte, und zugleich zum Ausdruck gebracht, dass ihm deswegen eine positive Feststellung einer bei dem Kläger vorliegenden Prozessunfähigkeit nicht möglich sei. Soweit der Beklagte in dem Berufungsverfahren I-11 U 3/15 bei seiner ergänzenden Anhörung durch den Senat am 13.01.2016 erklärt hat, dass der Kläger an einer anhaltenden wahnhaften Störung mit gestörter Realitätssicht leide und er deshalb nicht prozessfähig sei, ist auch diese Äußerung des Beklagten vor dem Hintergrund seiner bisherigen Gutachtenerstattung dahin zu verstehen gewesen, dass er die genannte psychische Erkrankung und Prozessunfähigkeit zwar für gegeben hält, aber nicht positiv feststellen kann. Dies folgt bereits aus den vom Beklagten am 13.01.2016 zuvor getätigten Äußerungen, dass er in dem Senatstermin nichts Neues gehört habe und die vom Zeugen C gemachten Angaben aus seiner Sicht eher für als gegen die von ihm gestellte Diagnose und gutachterliche Beurteilung der Prozessfähigkeit des Klägers sprechen würden (Seite 5 des Berichterstattervermerks vom 15.01.2016).
64Entgegen dem Behaupten des Klägers hat der Beklagte auch die nach seiner Beurteilung beim Kläger vorliegende anhaltende wahnhafte Störung in eines der beiden international anerkannten Klassifikationssysteme eingeordnet, nämlich als ICD-10: F22.
65Soweit der Kläger weiter moniert, dass es in sämtlichen Gutachten des Beklagten an einer differenzierten psychischen und psycho-pathologischen Befunderhebung fehle, der Beklagte nicht die Fremd- und Selbstbeurteilung des Probanden miteinander in Bezug gesetzt und nicht Symptome und Beobachtungen zusammengefasst habe, aus denen sich dann logisch nachvollziehbar das Syndrom und die Diagnose herleiten ließen, kann dies dem Beklagten schon deshalb nicht als Pflichtverletzung vorgeworfen werden, weil er hierzu aufgrund Weigerung des Klägers, sich von ihm persönlich untersuchen zu lassen, gar nicht in der Lage war. Aus dem gleichen Grunde geht auch die weitere Rüge des Klägers fehl, dass der Beklagte keinerlei psychologische Testuntersuchungen vorgenommen habe.
66Der Beklagte hat seine Diagnosestellung auch nicht ins Blaue hinein vorgenommen, sondern diese auf eine umfassende Auswertung der ihm vom Gericht zur Verfügung gestellten Erkenntnisquellen (Gerichtsakte und Beiakten) gestützt. Dabei hat er sich in seinen späteren Gutachten auch mit den vom Kläger vorgelegten beiden gutachterlichen Stellungnahmen des C sowie dessen späterer, am 13.01.2016 vor dem Senat geleisteten Zeugenaussage sowie dem in den Verfahren 10 S 80/10 und 10 S 146 vom Landgericht Detmold eingeholten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen B vom 04.06.2015 auseinandergesetzt.
67Aber auch der Vorwurf des Klägers, dass die Annahme einer chronischen oder verfestigten Entwicklung in dem Gutachten des Beklagten nicht erörtert und belegt werde, geht fehl. Denn zum einen wurde eine solche Krankheitsentwicklung vom Beklagten in seinen Gutachten nicht explizit behauptet. Zum anderen hat der Beklagte auch bei seiner ergänzenden mündlichen Anhörung durch den Senat am 13.01.2016 nähere Ausführungen dazu gemacht, dass sich aus den dem ihm zur Auswertung überlassenen Akten und Schriftstücken erst für die Zeit ab Anfang August 2008 Anhaltspunkte für die von ihm beim Kläger diagnostizierte Erkrankung ergeben würden (Seite 6 des dortigen Berichterstattervermerks vom 13.01.2016).
68bb)
69Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu der zwischen den Parteien streitigen Frage der Unrichtigkeit der vom Beklagten erstatteten Gutachten bedarf es ungeachtet der Frage, ob der Kläger seine solche überhaupt in hinreichender Weise schlüssig dargelegt hat, deshalb nicht, weil es jedenfalls an einem hinreichenden Sachvortrag des Klägers dazu fehlt, dass den Beklagte seine Gutachten vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unrichtig erstattet hat.
70Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es muss eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Für die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen nach § 839a BGB bedeutet dies, dass der Sachverständige in objektiver Hinsicht bei der Erstellung des Gutachtens die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige unbeachtet gelassen haben muss, was jedem Sachverständigen hätte einleuchten müssen; seine Pflichtverletzung muss mithin schlechthin unentschuldbar sein. Auch in subjektiver Hinsicht muss den Sachverständigen ein besonders schweres Verschulden treffen, wobei es freilich im Einzelfall gerechtfertigt sein kann, von einem bestimmten äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des damit einhergehenden objektiven Pflichtenverstoßes auf innere Vorgänge und eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit zu schließen (BGH, Urteil vom 10.10.2013, III ZR 345/12 –Rz. 27 f. juris; OLG Hamm, Urteil vom 22.10.2013, I-9 U 235/12 – Rz. 30 juris).
71Der Kläger hat vorliegend keine Umstände dargetan, die hiernach den Vorwurf eines grob fahrlässigen Handelns des Beklagten rechtfertigen könnten. Auch insoweit gilt, dass der Umstand, dass der Beklagte mit seiner Bewertung von denen der anderen Sachverständigen abgewichen ist, für sich allein nicht zur Darlegung grober Fahrlässigkeit i.S.d. § 839a BGB ausreicht (Hau/Poseck in: BeckOK § 839a Rn. 25). Dies gilt umso mehr, als der Beklagte seine abweichende Beurteilung der vom Kläger gegenüber dem Privatsachverständigen C gemachten Angaben bei seiner mündlichen Gutachtenerstattung gegenüber dem Landgericht Detmold am 26.06.2014 nachvollziehbar damit begründet hat, dass es durchaus möglich sei, das der Kläger im Gespräch mit C unauffällig gewirkt habe, und bei seiner nachfolgenden Anhörung durch den Senat am 13.01.2016 dazu weiter erläutert hat, dass der Kläger dazu in der Lage sein mag, die Auswirkungen seiner Erkrankung zeitweise etwas herunterzuspielen.
72Auch die sonstigen vom Kläger gegen die Gutachten des Beklagten erhobenen Einwände lassen aus den bereits unter der vorstehenden Ziffer aa) im einzelnen dargelegten Gründen weder jeweils für sich gesehen, noch in ihrer Gesamtschau die Feststellung zu, dass der Beklagte seine Pflichten als Sachverständiger in einem besonders schweren Umfang und in schlechthin nicht mehr entschuldbarer Weise verletzt hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte anders als der Privatsachverständige C und später gerichtlich bestellte Sachverständige D seine Gutachten nach Aktenlage erstellen musste und ihm dabei bei der Beurteilung der von ihm durch die Auswertung der überlassenen schriftlichen Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse ebenso ein Beurteilungsspielraum zukam wie bei der Beurteilung der vom Kläger gegenüber dem Privatsachverständigen C gemachten Angaben.
73Aus den vorstehenden Gründen, nämlich wegen Fehlens eines hinreichenden Sachvortrages des Klägers zu einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns des Beklagten, ist die Berufung vom Senat auch ohne jede Einschränkung zurückzuweisen gewesen und nicht etwa nur mit der Maßgabe, dass die Klage wegen eines zukünftig noch in Betracht kommenden Anspruchs des Klägers aus § 839a BGB lediglich als derzeit unbegründet abzuweisen ist.
74b)
75Aber auch die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten aus § 826 BGB wären aus den vorstehend unter lit. a) genannten Gründen nicht erfüllt. Dies gilt schon deshalb, weil § 826 BGB noch strengere Anforderung an eine Haftung des Sachverständigen stellt als die vom Gesetzgeber neu geschaffene Regelung des § 839a BGB.
76Voraussetzung für eine Haftung des Sachverständigen nach § 826 BGB ist, dass der Sachständige dem Anspruchsteller mit seinem unrichtigen Gutachten in einer gegen die Sitten verstoßenden Weise einen Schaden zugefügt hat. Dass er ein fehlerhaftes bzw. unrichtiges Gutachten erstattet hat, reicht mithin allein nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Sachverständige sich etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrages oder gar durch „ins Blaue" gemachte Angaben seiner Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung des Gutachtens für die von ihm Betroffenen und der vom Sachverständigen in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muss. Es reicht mithin nicht jede Fahrlässigkeit bei der Begutachtung, um den Vorwurf der Leichtfertigkeit zu rechtfertigen. Die Leichtfertigkeit muss ein solches Maß erreichen, dass sie als Gewissenlosigkeit zu werten ist. Die Falschbegutachtung muss Folge eines „äußerst leichtfertigen Vorgehens“ sein. Darüber hinaus muss der Sachverständige mit Schädigungsvorsatz handeln, was erfordert, dass er eine durch sein Gutachten verursachte Schädigung eines Anspruchstellers für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 24.09.1991, VI ZR 293/90 – Rz. 20 und 24 juris; OLG Hamm, Beschluss vom 17.07.1997, 13 W 1/96 = NJW-RR 1998, 16867; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.08.1986, 4 U 41/46 = NJW 1986, 2891, 2892, OLG Köln, Beschluss vom 29.08.2012, I-5 U 104/12 – Rz. 7 und 8 juris).
77Vorliegend hat der Kläger aus den bereits vorstehend unter lit. 3. a) bb) im Einzelnen dargelegten Gründen schon nicht in hinreichender Weise dargetan, dass den Beklagten der Vorwurf grob fahrlässigen Handelns trifft. Aus den gleichen Erwägungen lässt sich damit erst nicht feststellen, dass der Beklagte seine Gutachten leichtfertig und gewissenlos und mit bedingtem Schädigungsvorsatz erstattet hat. Auch insoweit gilt, dass allein der Umstand, dass der Beklagte mit seiner Bewertung von denen der anderen Sachverständiger abgewichen ist, für sich allein nicht zur Begründung eines derart schwerwiegenden Vorwurfes ausreicht. Der Kläger hat auch sonst keine Umstände dargetan, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass der Beklagte sich seines Gutachtenauftrages etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrages oder gar durch „ins Blaue" gemachte Angaben leichtfertig entledigt und damit gegenüber dem Kläger eine Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung des Gutachtens für diesen nur als gewissenlos bezeichnet werden kann. Aus den gleichen Erwägungen kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte bei der Erstattung seiner Gutachten mit bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein leichtfertiges, gewissenloses Verhalten des Sachverständigen bei der Erstellung unrichtiger Gutachten dann auf bedingten Vorsatz schließen lassen, wenn der Sachverständige selbst erkannt hat, dass er sich so verhält (BGH, Urteil 24.09.1991, VI ZR 293/90 – Rz. 25 juris). Vorliegend lässt sich jedoch schon ein als leichtfertig und gewissenlos zu bewertendes Handeln des Beklagten nicht feststellen.
78c)
79Auf § 823 Abs. 1 BGB kann der Kläger den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch zunächst schon deshalb nicht stützen, weil es sich bei den von ihm als Schaden geltend gemachten Aufwendungen um reine Vermögensschäden handelt, das Vermögen als solches aber nicht zu den von § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechten gehört. Auch als Folgeschäden in einer Verletzung des allgemeinnen Persönlichkeitsrechts wären sie gem. § 823 Abs. 1 BGB nicht zu ersetzen, weil dem Kläger – wie noch darzustellen ist – auch aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kein deliktischer Schadensersatzanspruch zusteht.
80d)
81Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB (üble Nachrede) zu. Denn der Beklagte hat mit seinen Gutachten keine ehrenrührigen Tatsachen über den Kläger verbreitet, sondern lediglich ein Werturteil abgegeben.
82Unter § 186 StGB fallen allein Tatsachenbehauptungen, nicht aber die Äußerung eines Werturteils. Ein Werturteil liegt vor, wenn die Äußerung durch das Element der subjektiven Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens geprägt ist und deshalb nicht wahr oder unwahr, sondern nur nach der persönlichen Überzeugung richtig oder falsch sein kann (Rahmlow in: Leipold, Tsambikakis/Zöller, Anwaltskommentar StGB, 3. Auflage 2020, § 186 StGB Rn. 4). Bei den Ausführungen des Beklagten, dass der Kläger nach seinen Dafürhalten an einer anhaltenden wahnhaften Störung leide und danach zwar nicht positiv festzustellen sei, aber doch sehr viel dafür spreche, dass der Kläger in deren Folge prozessunfähig sei, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine bloße Schlussfolgerung und Bewertung des Beklagten auf der Grundlage der von ihm nach Aktenlage vorgenommenen Exploration und Befunderhebung (ebenso: BGH, Urteil vom 18.10.1977, VI ZR 171/76 – Rz. 17 juris für einen Schriftsachverständigen und OLG Köln, Beschluss vom 29.08.2012, I-5 U 104/12 – Rz. 13 juris für eine psychologische Sachverständige)
83e)
84Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 154 StGB (Meineid) würde hingegen daran scheitern, dass der Beklagte bei seinen mündlichen Gutachtenerstattungen nicht vereidigt wurde und seine Gutachten auch nicht unter Berufung auf einen von ihm allgemein geleisteten Sachverständigeneid erstattet hat.
85f)
86Eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 153 StGB (uneidliche Falschaussage) kommt deshalb nicht in Betracht, weil die uneidliche Falschaussage nur bei vorsätzlichen Handeln strafbar ist, ein vorsätzliches Handeln des Beklagten hingegen aus den bereits vorstehend im Einzelnen dargelegten Gründen nicht festgestellt werden kann.
87g)
88Aber auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 410 ZPO kommt nicht in Betracht, weil § 410 ZPO jedenfalls in Fällen, in denen der Sachverständige - wie hier - unbeeidigt geblieben ist, kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.08.1986, 4 U 41/86 = NJW 1986, 2891, 2892 m.w.Nw.).
894.
90Unabhängig davon ist ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers aus den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften auch verjährt.
91a)
92Da der Kläger mit dem von ihm geltend gemachten materiellen Schadensersatzanspruch den Ersatz reiner Vermögensschäden begehrt, gilt für eine Haftung des Beklagten nach den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Diese hätte spätestens mit dem Ende des Jahres 2016 zu laufen begonnen. Denn spätestens bis dahin war der Anspruch entstanden und hätte der Kläger Kenntnis vom Schaden, den anspruchsbegründen Umständen sowie der Person des Schuldners erlangt oder jedenfalls ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen.
93Für den Verjährungsbeginn ist es grundsätzlich ausreichend, dass der Gläubiger die Tatsachen kennt, die die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm erfüllen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er aus diesen auch die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Für den Beginn der Verjährung deliktischer Schadensersatzansprüche reicht es danach grundsätzlich aus, dass der Geschädigte positive Kenntnis vom Schaden einschließlich des Schadenshergangs und des Schädigers hat. Dabei reicht im Allgemeinen eine solche Kenntnis aus, die dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage - sei es auch nur in Form der Feststellungsklage - erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos ermöglicht (BGH, Urteil vom 18.01.2000, VI ZR 375/98 – Rz. 9 juris und Urteil vom 14.10.2003 – VI ZR 379/02 – Rz. 5 juris).
94Diese Voraussetzungen waren vorliegend spätestens Ende des Jahres 2016 erfüllt gewesen. Denn sämtliche mit der Klage geltend gemachten Aufwendungen waren dem Kläger bereits vor Ende des Jahres 2016 entstanden. Die Aufwendungen für die privatgutachterlichen Stellungnahmen des C sind ihm bereits im Jahr 2014 entstanden, die Aufwendungen für die Gutachtenanalyse des E in den Jahren 2015 und 2016. Gleiches gilt für die von ihm in den Berufungsverfahren 10 S 80/13 und 10 S 147/13 LG Dortmund auferlegten Kosten für die Gutachten des Sachverständigen B und die zeugenschaftliche Vernehmung des C.
95Der Kläger hatte auch spätestens bis Ende des Jahres 2016 Kenntnis von der Person des Schädigers und dem Schadenshergang, nämlich von allen vom Beklagten in den Verfahren 9 O 383/07, 9 OH 7/09 und 9 O 49/10 LG Detmold schriftlich und mündlich erstatteten Gutachten. Das letzte Gutachten wurde vom Beklagten in dem das Verfahren 9 O 383/07 betreffenden (ersten) Berufungsverfahren I-11 O 3/15 OLG Hamm am 13.01.2016 mündlich erstattet.
96Der Kläger hatte schließlich auch spätestens bis zum Ende des Jahres in hinreichender Weise Kenntnis von Umständen erlangt, aus denen sich für ihn auch als medizinischen Laien die jetzt von ihm behauptete Fehlerhaftigkeit der vom Beklagten erstatteten Gutachten ergeben musste und aufgrund derer ihm die Erhebung einer Klage bereits zumutbar gewesen wäre. Denn bis zum Ende des Jahres 2016 hatte der Kläger auch Kenntnis von den beiden privatgutachterlichen Stellungnahmen des C und den in den Berufungsverfahren 10 S 80/13 und 10 S 146/13 LG Dortmund eingeholten Gutachten des Sachverständigen B erlangt. Ihm war damit bekannt, dass und auch aus welchen Gründen diese beiden Fachärzte entgegen dem Beklagten keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine bei ihm, dem Kläger, vorliegende anhaltende wahnhafte Störung i.S.v. ICD-10: F 22 und darin bedingte Prozessunfähigkeit für gegeben ansahen. Darüber hinaus waren dem Kläger aufgrund der ihm vorliegenden Gutachtenanalyse des E bereits die jetzt von ihm angeführten vorgeblichen untersuchungsmethodischen Mängel der Gutachten des Beklagten bekannt. Vor dem Hintergrund dieser von ihm gewonnenen Erkenntnisse wäre aber dem Kläger auch als medizinischen Laien die Erhebung der vorliegenden Klage schon vor Ende Jahres 2016 zumutbar gewesen, weil er dieser aus seiner damaligen Sicht bereits hinreichende Erfolgsaussicht beimessen konnte. Einer zusätzlichen Kenntnis des Klägers von den erst im Jahr 2020 vom Sachverständigen D erstatteten Gutachten hat es hierzu nicht mehr bedurft. Denn wie ausgeführt ist für den Beginn der Verjährungsfrist bereits ausreichend, dass der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche Klage, und sei es auch nur Feststellungsklage erheben kann. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Geschädigte die Klage risikolos erheben kann, insbesondere die von ihm behaupteten Tatsachen auch beweisen kann (Urteil vom 14.10.2003 – VI ZR 379/02 – Rz. 5 juris und Urteil vom 03.06.2008, XI ZR 319/06 – Rz. 28 juris).
97b)
98Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB hat mit Ablauf des Jahres 2019 geendet. Denn die am 14.05.2019 an den Beklagten erfolgte Zustellung des vom Kläger erwirkten Mahnbescheides hat nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu einer Hemmung der Verjährungsfrist geführt, weil die vom Kläger mit der Klage geltend gemachten einzelnen Forderungen nicht in hinreichender Weise in dem Mahnbescheid individualisiert gewesen sind.
99Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterbricht ein Mahnbescheid die Verjährung nur dann, wenn mit ihm der geltend gemachte Anspruch nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert worden ist. Er muss durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, dass der Mahnbescheid Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein und der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch oder welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden, damit er beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen will. Bei der Geltendmachung einer Mehrzahl von Einzelforderungen muss deren Bezeichnung im Mahnbescheid dem Beklagten ermöglichen, die Zusammensetzung des verlangten Gesamtbetrages aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000, XI ZR 312/99 - Rz. 17 juris).
100Diesen Anforderungen wird der vom Kläger erwirkte Mahnbescheid vom 10.05.2019 nicht gerecht. Die als Anlage zum Mahnbescheid aufgenommene Forderungsbezeichnung des Klägers war nicht dazu geeignet, Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Titels zu sein. Ausweislich seiner späteren Klagebegründungsschrift vom 20.07.2020 wollte der Kläger mit der im Mahnbescheid genannten Hauptforderung von 125.000,- € mehrere Einzelforderungen geltend machen, nämlich eine Schadensersatzforderung wegen materieller Schäden in Höhe von 8.431,75 € sowie eine Schmerzensgeldforderung von 116.568,25 €. Dieses Begehren wird in der dem Mahnbescheid als Anlage beigefügten Forderungsbezeichnung aber nur insoweit deutlich, als darin von „Schadensersatz und Schmerzensgeld“ sowie von „Regress für die Kosten der notwendig gewordenen Verteidigung bzw. der „Erstellung notwendig gewordener qualifizierten Gegengutachten“ die Rede ist. Eine genaue Aufschlüsselung, für welche Gegengutachten nun in welcher Höhe Schadenersatz verlangt und in welcher Höhe die Zahlung eines Schmerzensgelds begehrt wird, lässt sich dem Mahnbescheid hingegen nicht ansatzweise entnehmen. Dieses ließ sich für den Beklagten erst der Klagebegründungsschrift des Klägers vom 20.07.2020 entnehmen, die ihm aber erst nach Verjährungseintritt zugestellt wurde.
101B.
102Dem Kläger steht auch kein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 116.568,25 € zu.
1031.
104Ein dahingehender Anspruch aus § 839a BGB scheitert wiederum daran, dass nach dieser Vorschrift vom Sachverständigen nur den sog. Urteilsschaden zu ersetzen ist und es an einem solchen hier fehlt. Denn die vom Kläger im Verfahren 9 O 49/10 erhobene Klage wurde vom Landgericht Detmold nicht etwa wegen der dort vom Beklagten erstatteten Gutachten als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen. Das selbständige Beweisverfahren 9 OH 7/09 Detmold ist demgegenüber bis heute nicht abgeschlossen. Zudem hat sich an dieses bis heute kein Streitverfahren angeschlossen, in dem die vom Beklagten erstatteten Gutachten verwertet und auf sie ein klageabweisendes Urteil gestützt worden wäre. Auch das erneut bei dem Senat in der Berufungsinstanz anhängige Verfahren 9 O 383/07 LG Detmold ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
1052.
106Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Schmerzensanspruch auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 839a BGB oder den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften für sich herleiten, weil § 839a BGB auch in Bezug auf den vom Kläger geltend gemachten immateriellen Schaden als abschließende Haftungsregelung zu bewerten ist.
107Denn die vom Kläger als immaterieller Schaden geltend gemachte Persönlichkeitsverletzung soll sich nach dessen Behaupten aus den vom Beklagten erstatteten Gutachten als solchen ergeben. Der Kläger begehrt mithin nicht etwa ein Schmerzensgeld für einen ihm im Zusammenhang mit der Gutachtenerstattung entstandenen bloßen Begleitschaden geltend, wie etwa für eine vom Sachverständigen im Zusammenhang mit der Begutachtung verursachte Körperverletzung oder eine von diesem überschießend geäußerte Beleidigung, der nach verbreiteter Ansicht nicht unter § 839 a BGB fällt, sondern für eine durch die vermeintlich fehlerhaften Gutachten selbst verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung. Unter welchen Voraussetzungen der gerichtlich bestellte Sachverständige dem Verfahrensbeteiligten für materielle und immaterielle Schäden haften soll, die diesem durch die bloße Erstellung des gerichtlich beauftragten Gutachtens entstehen, hat der Gesetzgeber aber mit der von ihm neu geschaffenen Haftungsnorm des § 839a BGB abschließend regeln wollen.
108Soweit von Wagener BGB im Münchener Kommentar unter Randziffer 25 der Kommentierung zu § 839a BGB die Auffassung vertreten wird, dass § 839a BGB dann nicht einschlägig, sondern stattdessen die allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften anwendbar sein, wenn einem Verfahrensbeteiligten bereits durch den Vorgang der Begutachtung oder durch das Gutachten als solches, unabhängig von einer darauf gestützten gerichtlichen Entscheidung ein Schaden zugefügt wird, und er dafür unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Köln 28.09.2012 (I-5 U 104 / 12) als Beispiel angeführt, dass im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ein psychologisches Gutachten erstellt wird, durch das sich der Beschuldigte in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt, kann dem nach Auffassung des Senats nicht gefolgt werden. Denn damit würde die vom Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 839a BGB beabsichtigte Haftungsbeschränkung, die es dem Sachverständigen gerade ermöglichen soll, sein Gutachten unabhängig und ohne Druck eines möglichen Rückgriffs erstatten, weitgehend leerlaufen. Davon abgesehen findet die von Wagner vertretene Rechtsauffassung, dass bereits eine durch das Gutachten als solche verursachte Persönlichkeitsverletzung nicht unter § 839a BGB fallen würde, in der von ihm zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln keine Stütze. Denn der in Juris und Versicherungsrecht 2013, Seite 114 öffentlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln lässt sich gerade nicht entnehmen, dass die dortige Klägerin geltend gemacht hätte, bereits durch das Gutachten als solchem in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrechtes verletzt worden zu sein. Dort ist unter Randziffer 4 vielmehr allein von „Beeinträchtigungen“ die Rede, ohne dass diese näher umschrieben werden. Aus der der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln zugrunde liegenden erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts Aachen lässt sich hingegen entnehmen, dass von der dortigen Klägerin „Gesundheitsschäden“ geltend gemacht wurden. Bei diesen würde es sich aber unzweifelhaft um einen von § 839a BGB nicht erfassten Begleitschaden handeln.
1093.
110Unabhängig davon würde aber auch eine analoge Anwendung des § 839a BGB oder eine Anwendung der allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften der Schmerzensgeldklage des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen, weil deren (weitere) Haftungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
111a)
112Eine Haftung des Beklagten nach § 839a BGB würden jedenfalls wiederum daran scheitern, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte seine Gutachten vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig erstattet hat.
113b)
114Eine Haftung des Beklagten nach § 826 BGB sowie nach § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 153, 154 und 186 StPO sowie § 410 ZPO käme hingegen aus den bereits oben unter lit. II.3.b) und d) bis g) dargelegten Gründen nicht in Betracht.
115c)
116Aber auch die Voraussetzungen für eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB wären vor-liegend nicht erfüllt.
117Zwar gehört das allgemeine Persönlichkeitsrecht, für dessen Verletzung der Kläger die Schmerzensgeldzahlung begehrt, zu den von § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechten. Jedoch vermag die Gutachtenerstattung des Beklagten und die dabei von ihm vorgenommene sachverständige Bewertung des Gesundheitszustandes und der Prozessfähigkeit des Klägers für sich allein noch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu begründen.
118Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist nicht jede Beeinträchtigung der Persönlichkeitssphäre eines anderen Menschen eine Rechtsgutverletzung. Vielmehr sind im gesellschaftlichen Miteinander viele solcher Beeinträchtigungen unvermeidbar und müssen bei Abwägung der gegenseitigen Belange hingenommen werden. Deshalb bedarf in diesen Fällen der Handelnde nicht stets eines besonderen Rechtfertigungsgrundes, wenn er in die Persönlichkeitssphäre des anderen eingegriffen hat. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann die Rechtswidrigkeit der Handlung erst aus der zu missbilligenden Art der Schädigung abgeleitet werden (BGH Urteil vom 18.10.1977, VI ZR 171/76 – Rz. 28 juris). Ein Sachverständiger, der als Privatgutachter oder gerichtlich bestellter Gutachter ein Gutachten erstellt und darin die Fragen seines Auftraggebers beantwortet, verstößt damit in der Regel nicht gegen die Rechtsordnung, sondern erfüllt nur den ihm erteilten Gutachtenauftrag. Dabei nimmt er für sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit das in Art. 5 GG gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung wahr. Auch bei Äußerungen von Sachverständigen kann sich somit ein Unwerturteil erst aus der zu missbilligenden Art der Schädigung ergeben (BGH, a.a.O., Rz. 29 -31 juris).
119Entsprechend hat der Sachverständige für eine mit der Erstattung des Gutachtens als solche verursachte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des von ihm zu Begutachtenden nur dann zu haften, wenn die Persönlichkeitsrechtsverletzung auf einer vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen falschen Begutachtung beruht (ebenso: OLG Schleswig, Urteil vom 12.01.1994, 4 U 116/92 = NJW 1995, 791, 792; vergleiche auch OLG Köln, Urteil vom 29.08.2012, I-5 U 104/12 – Rz.10 juris, wonach eine Haftung des Sachverständigen gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine grob leichtfertige Erstellung des Gutachtens voraussetzt). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor Inkrafttreten des § 839a BGB. Auch danach hat der gerichtlich bestellte Sachverständigen für eine durch sein Gutachten als solches verursachte Rechtsgutverletzung nur dann nach § 823 Abs. 1 BGB zu haften, wenn ihm ein gesteigertes Verschulden zur Last fiel (BGH, Urteil vom 18.12.1973, VI ZR 113/71 – Rz. 18 ff. juris). Wollte man demgegenüber heute für die Haftung des Sachverständigen aus § 823 Abs. 1 BGB bereits einfache Fahrlässigkeit ausreichen lassen, so würde sich dies auch mit der vom Gesetzgeber mit der gesetzlichen Neuregelung des § 839a BGB für gerichtlich bestellte Sachverständige bezweckten Haftungsbeschränkung auf Fälle vorsätzlichen und grob fahrlässigen Handelns nicht in Einklang bringen lassen.
120Danach kommt eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB schon mangels eines hinreichenden Sachvortrages des Klägers dazu, dass der Beklagte die von ihm erstatteten vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unrichtig erstattet hat, nicht in Betracht.
121d)
122Unabhängig davon wäre auch ein dem Kläger aus den allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften zustehender Schmerzensgeldanspruch aus den oben unter A.4. im Einzelnen dargelegten Gründen verjährt. Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB findet auf Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Anwendung (Schmidt-Räntsch in: Erman, Kommentar zum BGB, 16. Aufl. 2020, § 197 BGB Rn. 1b).
123C.
124Mangels Hauptanspruchs erweisen sich damit zugleich die vom Kläger geltend gemachten Zinsansprüche und geltend gemachte Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Kosten als unbegründet.
125III.
126Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 ZPO.