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Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert;
die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an den Kläger 17.910,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.7.2019 zu zahlen,
die weitergehende Klage bleibt abgewiesen,
die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen; der Kläger hat das Rechtsmittel der Berufung gegenüber der Beklagten zu 1) verloren.
Bezüglich der Kosten für die erste Instanz gilt: Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt er selbst zu 92 % und die Beklagte zu 3) zu 8%; der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) sowie 77 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3).
Bezüglich der Kosten für die zweite Instanz gilt: Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt er selbst zu 89 % und die Beklagte zu 3) zu 11 %; der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) sowie 73 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3).
Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil für sie jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision der Beklagten zu 3) wird zugelassen.
Gründe:
2A.
3Der Kläger, „(…)“, bestellte bei der Beklagten zu 1) am 20.4.2016 einen PKW Typ C zum Preis von 78.365,00 € (brutto). Den Kaufpreis finanzierte er durch ein Darlehen der B-Bank (Nettodarlehensbetrag 67.558,75 €, Bl. 603). Das Fahrzeug, das ihm spätesten am 17.6.2016 übergeben und der B-Bank sicherungsübereignet wurde, verfügt über einen 200 kW starken Dieselmotor, der der Schadstoffklasse „Euro 6“ zugeordnet ist. Das KBA ordnete am 23.1.2018 gegenüber der Beklagten zu 3) einen Rückruf von Fahrzeugen mit Motoren 3.0 l Diesel Euro 6 wegen der Motorsteuerungssoftware an.
4Mit Schreiben vom 27.9.2018 ließ der Kläger die Beklagte zu 2) „als Motorhersteller und Mutterkonzern“ auffordern, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs bis zum 19.10.2018 zurückzuzahlen, und bot Abholung bei sich an. Unter demselben Datum erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ebenfalls Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs bis zum 19.10.2018. Die Beklagte zu 1) lehnte eine außergerichtliche Einigung ab; die Beklagte zu 2) verwies den Kläger an die Beklagte zu 3).
5Der Kläger nutzte das Fahrzeug ohne Einschränkung; er gab es am 18.6.2019 mit einem Kilometerstand von 80.114 an die Beklagte zu 1) aufgrund eines „Verkaufsangebots“ vom selben Tag über 41.162,77 € (bzw. 34.590,56 € netto, Bl. 190) zurück.
6Den Kläger erreichte im September 2019 ein Schreiben der Beklagten zu 3), wonach auf Veranlassung des KBA ein Software-Update vorzunehmen sei, weil ein missbräuchliches Befüllen des AdBlue-Tanks „nicht in allen Fällen mit der erforderlichen Güte“ erkannt werde.
7Der Kläger hat behauptet, der Motor des Fahrzeugs stelle eine Gemeinschaftsentwicklung der Beklagten zu 2) und zu 3) dar, auch wenn er von der Beklagten zu 3) produziert worden sei; er sei mit einer Software ausgestattet, die den Betrieb auf einem Prüfstand erkenne und das Abgasrückführungssystem für diese Situation verändere, namentlich den Stickoxid-Ausstoß verringere, um den Abgasnormen zu entsprechen.
8Der Kläger hat zunächst behauptet, das im Fahrzeug vorhandene Aggregat (nach Darstellung der Beklagten handelt es sich um einen Motor aus der Baureihe D verfüge über (zumindest) zwei unzulässige Abschaltvorrichtungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 in Verb. mit Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Die eine betreffe die prüfstandspezifische Erhöhung der Abgasrückführung, die andere eine erhöhte Harnstoffeinspritzung bzw. eine „schadstoffmindernde Aufheizstrategie“. Überdies liege der Kraftstoffverbrauch 45 % über den „Herstellerangaben“. Der Kläger hat weiter behauptet, es gebe auch einen Rückruf des KBA vom 23.1.2018 bzw. aus Dezember 2017 gegenüber der Beklagten zu 3), der das erworbene Fahrzeug betroffen habe; dieser unveröffentlichte Rückruf an die Beklagte zu 3) laute dahin, „alle unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen“ (135); konkret seien in diesem Bescheid vier „Strategien“ näher bezeichnet, die allesamt unzulässig seien (Bescheid als Anl. K18, Bl. 445ff. d.A.).
9Das Fahrzeug sei mangelhaft, woraus sich gegenüber der Beklagten zu 1) Gewährleistungsansprüche gem. §§ 434, 437 Nr. 2, 1. Alt., 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB ergäben. Überdies sei der Kaufvertrag gem. § 134 BGB nichtig, weil er gegen EU-Recht verstoße. Gestattet sei nur der VerkaHuf von Fahrzeugen mit wirksamer Übereinstimmungsbescheinigung (im Folgenden: ÜB), die hier nicht vorgelegen habe, weil das Fahrzeug nicht dem tatsächlich genehmigten Typ entspreche.
10Die Beklagte zu 2) hafte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§§ 826 in Verb. mit 31, 831 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Inverkehrbringen von Fahrzeugen unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Abschaltvorrichtung stelle eine Schädigung der Erwerber dar. Das Verhalten der Beklagten zu 2) sei objektiv sittenwidrig und verwerflich gewesen. Kenntnis der Beklagten zu 2) ergebe sich bereits daraus, dass ihr Vorstandsvorsitzender E während seiner Tätigkeit bei der B AG in den Jahren 2002 – 2007 Kenntnis von der Manipulationssoftware gehabt habe. Die Beklagte zu 2) treffe eine sekundäre Darlegungslast, wolle sie einer Zurechnung entgegentreten. Ohne die Täuschung hätte er, der Kläger, das Fahrzeug nicht erworben.
11Darüber hinaus hafte die Beklagte zu 2) auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 263 StGB bzw. §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV. Er, der Kläger, sei darüber getäuscht worden, dass das Fahrzeug über eine rechtmäßig erlangte Konformitätsbescheinigung verfüge.
12Auch die Beklagte zu 3) hafte aus § 826 BGB.
13Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, Feststellungsklage wegen „zukünftiger Schäden und Aufwendungen“ erheben zu können, wozu er behauptet hat, es bestehe u.a. die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs, des Eintritts von Motorschäden, höheren Kraftstoffverbrauchs oder der Nachzahlung von Kraftfahrzeugsteuern infolge einer anderen Eingruppierung.
14Er hat gemeint, die Beklagten hafteten auch auf die ihm entstandenen vorgerichtlichen Kosten; soweit er nicht die Selbstbeteiligung geltend mache, sei er vom Rechtsschutzversicherer zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ermächtigt worden. Die Gebühren beliefen sich auf 1,8 Geschäftsgebühren wegen der Komplexität der Sach- und Rechtslage.
15Der Kläger hat beantragt,
161.
17die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 78.365,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus 78.365,00 € seit dem 20.4.2016 bis zum 1.10.2018 von der Beklagten zu 1), bis zum 9.10.2018 von der Beklagten zu 2) und bis zur Rechtshängigkeit von der Beklagten zu 3) sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.10.2018 von der Beklagten zu 1), seit dem 10.10.2018 von der Beklagten zu 2) und seit Rechtshängigkeit von der Beklagten zu 3), Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs Typ C mit der Fahrgestellnummer # # #, amtliches Kennz. F – G 000, zu zahlen;
182.
19festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des im Antrag zu 1. näher beschriebenen Fahrzeugs in Annahmeverzug befinden;
203.
21festzustellen, dass ihm die Beklagten gesamtschuldnerisch alle zukünftigen Schäden und Aufwendungen zu ersetzen haben, die aus der Dieselabgasmanipulation des unter Ziff. 1. näher beschriebenen Fahrzeugs resultieren;
224.
23die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 2.107,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.10.2018 von der Beklagten zu 1), seit dem 10.10.2018 von der Beklagten, zu 2) und seit Rechtshängigkeit von der Beklagten zu 3) zu zahlen und die Beklagten ferner gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 771,14 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen.
24Die Beklagten haben beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie haben bestritten, dass das Fahrzeug über eine unzulässige Abschaltvorrichtung verfüge. Es liege anders als bei Motoren der Baureihe H der Beklagten zu 2); im vom Kläger erworbenen Fahrzeug des Modells I befinde sich ein Motor aus der Baureihe D mit dem Motorkennbuchstaben J (Bl. 878). Das KBA habe auch keinen Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung oder wegen der Nichteinhaltung von Grenzwerten vorgenommen; zwar sei Ende August 2018 ein Rückruf ergangen, doch habe er nur den Sensor für den AdBlue-Tank betroffen, weil dieser bislang nicht erkannt habe, ob auch tatsächlich Harnstoff eingefüllt werde.
27Die Beklagten haben ferner bestritten, dass es dem Kläger bei seiner Kaufentscheidung „auf ein schadstoffarmes und umweltverträgliches Fahrzeug angekommen“ sei. Der Stickoxidgrenzwert von 80 mg/km, der im Rahmen des für dieses Fahrzeug noch maßgeblichen NEFZ einzuhalten sei, werde erfüllt. Die Gefahr einer Entziehung der Typgenehmigung oder der Betriebserlaubnis sei nicht dargelegt worden und bestehe auch nicht. Es fehle am Eintritt eines Schadens auf Seiten des Klägers, der an dem Fahrzeug angesichts der Sicherungsübereignung an die B-Bank auch kein Eigentum erworben habe.
28Die Beklagte zu 1) hat sich u.a. auf Verjährung berufen.
29Die Beklagten zu 2) und 3) haben in Abrede gestellt, sittenwidrig gehandelt zu haben. Deliktische Tatbestände scheiterten schon daran, dass das KBA keinerlei Maßnahmen in Bezug auf unzulässige Abschalteinrichtungen oder auf die Verfehlung von Emissionswerten getroffen habe. Folglich könne auch keine Täuschung im Hinblick auf eine „verbotene Abschalteinrichtung“ verübt worden sein. Die Beklagte zu 2) hat darauf verwiesen, den Motor weder entwickelt, hergestellt noch in Verkehr gebracht zu haben und auch nicht an dem Zulassungsverfahren beteiligt gewesen zu sein (239). Abgesehen davon sei eine als besonders verwerflich anzusehende Handlung nicht dargelegt worden; die Verletzung vertraglicher Pflichten oder gesetzlicher Vorschriften genüge dazu nicht. Schließlich habe der Kläger auch keinen Vorsatz der Beklagten zu 2) oder 3) darlegen können; auf § 831 BGB könne er sich nicht berufen, weil es sich dabei nicht um eine Zurechnungsnorm handele und im Übrigen auch nicht dargelegt sei, dass in der Person eines Verrichtungsgehilfen sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung erfüllt seien. Des Weiteren sei weder der objektive noch der subjektive Betrugstatbestand erfüllt. § 27 EG-FGV stelle kein Schutzgesetz zugunsten der finanziellen Interessen des Klägers dar.
30Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, der Feststellungsantrag zu 3. sei unzulässig; die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Schadens, namentlich in Gestalt von Steuernachzahlungen, sei nicht hinreichend dargelegt. Die Unzulässigkeit ergebe sich auch daraus, dass der Antrag zu unbestimmt sei, insofern er offen lasse, aufgrund welcher konkreten Manipulationen es zu Schäden oder Aufwendungen komme.
31Die Beklagten zu 2) und 3) haben die Aktivlegitimation des Klägers für deliktische Ansprüche in Abrede gestellt und darauf verwiesen, er sei nicht Eigentümer des Fahrzeugs (gewesen).
32Die Beklagten haben den Anspruch auf Erstattung von außergerichtlichen Anwaltskosten nach Grund und Höhe in Abrede gestellt.
33Der Kläger hat behauptet, die unzulässigen Maßnahmen der Motorsteuerung führten auf dem Prüfstand auch zu einer Reduzierung der Leistung und des Verbrauchs. Auch ergebe sich im realen Betrieb ein um 45 % höherer Kraftstoffverbrauch als vom Hersteller angegeben. Da die Bemessung der Kfz-Steuer an die CO2-Emissionen geknüpft sei, müsse er, der Kläger, mit einer Nachbelastung rechnen.
34Er hat die Auffassung vertreten, ein Software-Update führe nicht zur Mangelfreiheit; der Beklagten zu 1) gegenüber sei eine Fristsetzung zur Nachbesserung gem. §§ 440, 323 Abs. 2 BGB entbehrlich und unzumutbar gewesen.
35Für die Ermittlung eines etwa anzurechnenden Nutzungsvorteils sei von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 500.000 km auszugehen; allerdings stelle die Anrechnung von Nutzungsvorteilen einen Widerspruch zum haftungsbegründenden Vorwurf der arglistigen Herbeiführung des Kaufvertrags dar und müsse daher unterbleiben.
36Der Zinsanspruch bezüglich des zurückzuzahlenden Kaufpreises ergebe sich aus § 849 BGB.
37Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags zu 3. sei gegeben; im Zeitpunkt der Klagerhebung habe sich der anspruchsbegründende Sachverhalt noch in der Entwicklung befunden, etwa wegen der drohenden Stilllegungsanordnung.
38Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, der Feststellungsantrag gerichtet auf die Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden und Aufwendungen sei unzulässig, denn eine Leistungsklage sei möglich und zumutbar gewesen. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) sei wirksam gewesen; der Rücktritt sei unwirksam, weil der Kläger nicht mehr im Besitz des Fahrzeugs sei; auch sei ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch des Klägers verjährt. Deliktische Ansprüche des Klägers gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) scheiterten schon daran, dass der Kläger einen ersatzfähigen Schaden nicht substantiiert dargelegt habe. Mit Rückgabe des Fahrzeugs zu einem bestimmten Preis könne der Kläger im Wege des Schadensersatzes nicht mehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen; seine Ausführungen zu dem ihm entstandenen Schaden, die auf der Rückzahlung des vollen Kaufpreis Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs basierten, seien damit unschlüssig geworden. Eine Haftung der Beklagten zu 2) scheitere überdies daran, dass der Kläger zu einer etwaigen Beteiligung an der Herstellung des Motors nicht hinreichend vorgetragen habe.
39Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche im Wesentlichen weiter.
40Er meint, ein Feststellungsinteresse für seinen Antrag bezüglich der Ersatzpflicht für alle zukünftigen Schäden und Aufwendungen liege vor, weil zur Frage des möglichen Eintritts solcher Folgen auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung abzustellen sei.
41Fehlerhaft sei auch die Rechtsauffassung des Landgerichts, eine Rückabwicklung des Kaufvertrags könne nicht mehr verlangt werden, weil das Fahrzeug bereits an die Beklagte zu 1) zurückgegeben worden sei. Letzterer Umstand sei vielmehr dahin zu werten, dass er, der Kläger, seine Pflichten aus dem Rückabwicklungsverhältnis bereits erfüllt habe. Überdies habe das Landgericht versäumt, ihn auf die – angebliche – Notwendigkeit einer Umstellung seines Antrags hinzuweisen. Wäre dies geschehen, hätte er bereits den jetzigen Hilfsantrag auf Zahlung von 32.984,18 € gestellt. Dabei handele es sich um den Gesamtbetrag, den er auf den mit der B Bank geschlossenen Darlehensvertrag gezahlt habe (36 Monatsraten zu je 780,50 €; ein einmaliger Betrag von 4.886,18 € im Zuge der Rückgabe des Fahrzeugs, davon 3.571,23 € für Mehrkilometer und 1.314,95 € für Schäden). Dieser Betrag werde als Schadensersatz verlangt.
42Unrichtig sei auch die Rechtsauffassung, der Kaufvertrag sei rechtlich wirksam; er scheitere vielmehr daran, dass keine wirksame Übereinstimmungsbescheinigung existiert habe.
43Die Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) und 3) hätte auch nicht wegen unzureichenden Sachvortrags verneint werden dürfen, wie sich etwa aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.1.2020 (Az. VIII ZR 57/19) ergebe. Der Eintritt eines Schadens könne nicht wegen der zwischenzeitlichen Rückgabe des Fahrzeugs verneint werden, zumal ein Hinweis gem. § 139 ZPO unterblieben sei. Es wäre dann bereits in erster Instanz vorgetragen worden, dass sich der Schaden auf die erbrachten Zahlungen in Höhe von insgesamt 32.984,18 € belaufen habe.
44Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch sein Vortrag zur Beteiligung der Beklagten zu 2) an der Herstellung des Motors ausreichend gewesen; es sei die sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) verkannt worden. Es bleibe auch dabei, dass es einen Rückruf des KBA bezüglich des Fahrzeugs gebe.
45Auf einen Hinweis des Senats zur Frage des Schädigungsvorsatzes der Beklagten zu 2) und 3) nimmt der Kläger auf Feststellungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 25.5.2020 Bezug, wonach davon auszugehen sei, dass „den vormaligen Leitern der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten verantwortlichen damaligen Vorständen“ bewusst gewesen sei, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder –untersagung werde niemand ein mit diesem Risiko behaftetes Fahrzeug kaufen. Der Kläger meint, die Mitarbeiter der Beklagen hätten sich auch nicht in einem „regulatorischen Spielraum“ bewegt, vielmehr sei die „zugrundeliegende Rechtsnorm … in ihrer Ausrichtung und Gestaltung eindeutig“. Danach seien „Abschalteinrichtungen“ unzulässig; die Beklagten treffe die Beweislast für einen Ausnahmetatbestand, namentlich denjenigen des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG(VO) 715/2007. Diese Ausnahmeregelung sei, wie sich aus dem „Ziel“ der Verordnung ergebe, indes eng auszulegen, so dass nur „kurzfristige und massive Beschädigungen“, die auch konstruktiv unvermeidbar seien, den Ausnahmetatbestand erfüllten. Es sei ferner davon auszugehen, dass jede „technische Erfindung“ auch „umfassende Prüf- und Kontrollsysteme (Compliance)“ durchlaufe, in denen sie auf ihre rechtliche Konformität untersucht werde. Die verfassungsmäßigen Vertreter, die eine Prüfung auch der Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 lit. a) EU(VO) 715/2007 „sehr intensiv durchgeführt“ hätten, hätten die Unzulässigkeit der verwendeten Abschalteinrichtung in Kauf genommen. Ihnen sei auch bewusst gewesen bzw. sie hätten „in diesem Punkt nahezu leichtfertig die Augen“ davor „verschlossen“, dass Probleme mit dem Fortbestand der Zulassung der Fahrzeuge auftreten würden. Dafür spreche auch, dass der Kaufvertrag erst nach dem Bekanntwerden des Diesel-Skandals geschlossen worden sei; „der A-Konzern und damit auch die Beklagten“ seien gehalten gewesen, ihre bereits auf dem Markt befindlichen Modelle einer Überprüfung zu unterziehen, ob diese auch mit unzulässigen Abschaltvorrichtungen versehen sind. Dies hätten die Beklagten ebenfalls „leichtfertig“ unterlassen. Der Vorsatz sei auch Gegenstand der vor dem Landgericht München II erhobenen Anklage u.a. gegen drei frühere Vorstände der Beklagten zu 3).
46Der Kläger trägt nunmehr den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 25.5.2020 zur Anrechenbarkeit einer Nutzungsentschädigung sowie zu § 849 BGB Rechnung und ermittelt, ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km und einem Kilometerstand von 80.114 km bei Rückgabe sowie einem Netto-Kaufpreis von 78.365,00 €, einen Betrag von 12.556,27 €, den er sich anrechnen lässt.
47Der Kläger beantragt nach der Rücknahme der Berufung gegen die Beklagte zu 1) und nach teilweiser Rücknahme der Berufung gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) noch,
48unter Abänderung des am 17.12.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Dortmund
491. die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 65.808,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.2018 von der Beklagten zu 2) und seit Rechtshängigkeit von der Beklagten zu 3) zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs Typ C mit der Fahrgestellnummer # # # amtliches Kennz. F – G 000;
50hilfsweise
51die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 32.984,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.2018 von der Beklagten zu 2) und seit Rechtshängigkeit von der Beklagten zu 3) zu zahlen;
522. festzustellen, dass ihm die Beklagten zu 2) und 3) gesamtschuldnerisch alle zukünftigen Schäden und Aufwendungen zu ersetzen haben, die aus der Dieselabgasmanipulation des unter Ziff. 1. näher beschriebenen Fahrzeugs resultieren;
533. die Beklagten zu 2) und 3) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 2.107,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.10.2018 von der Beklagten zu 1), seit dem 10.10.2018 von der Beklagten zu 2) und seit Rechtshängigkeit von der Beklagten zu 3) zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 771,14 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen;
54Die Beklagten beantragen,
55die Berufung zurückzuweisen.
56Sie verteidigen das Urteil und verweisen u.a. auf ein Schreiben des KBA vom 1.3.2019 (Bl. 720), wonach u.a. das vom Kläger erworbene Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung aufweise. Entgegenstehender Vortrag des Klägers sei unsubstantiiert und dürfe nicht zur Beweiserhebung führen, wie bereits eine Vielzahl von Oberlandesgerichten geurteilt hätten (so u.a. das OLG München in seinem Urt. vom 5.5.2020, Az. 9 U 5564/19). Die Beklagten zu 2) und 3) meinen, sie treffe auch keine sekundäre Darlegungslast, weil die Behauptung des Klägers jegliche greifbaren Anhaltspunkte vermissen lasse; überdies sei es für sie unzumutbar, das Nichtvorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen darzulegen.
57Ohnehin sei die Beklagte zu 2) nicht passivlegitimiert, da sie Fahrzeug oder Motor weder entwickelt noch hergestellt habe.
58Da keine unzulässige Abschalteinrichtung vorhanden sei, fehle es schon an einer möglichen Täuschung des Klägers, doch bestehe auch keine Kausalität für die Kaufentscheidung, weil das Emissionsverhalten des Fahrzeugs ersichtlich keine Rolle für den Kläger gespielt habe. Dem Kläger sei durch den Abschluss des Kaufvertrags auch kein Schaden entstanden, weil die Brauchbarkeit des Fahrzeugs nie eingeschränkt gewesen sei.
59Der Kläger habe auch einen etwaigen Vorsatz der Beklagten zu 2) oder 3) nicht ansatzweise dargelegt. Er habe nichts dazu ausgeführt, dass „relevante Vertreter“ von dem Einsatz der – behaupteten – Abschalteinrichtung überhaupt Kenntnis gehabt hätten. Unabhängig davon sei die Beklagte zu 3) als Herstellerin im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit dem KBA davon ausgegangen, dass das Fahrzeug „rechtlich zulässig“ sei.
60Der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil es sowohl an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis als auch an einem Feststellungsinteresse fehle; überdies sei der Antrag auch zu unbestimmt gefasst.
61Auf die mündliche Verhandlung vom 31.8.2020 haben die Beklagten zu 2) und 3) ihre Auffassung bekräftigt, dass kein Anlass für die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens bestehe. Sie wiederholen, dass das betreffende Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von VO(EU) 715/2007 Art. 5 aufgewiesen habe; es liege kein Bescheid des KBA im Hinblick auf das Emissionsverhalten vor. Auch habe das KBA keine solche Abschalteinrichtung feststellen können, nachdem ihm ein entsprechendes Fahrzeug vorgestellt worden sei. Die Beklagten verweisen erneut auf das bereits (als Anlage BE1) vorgelegte Schreiben des KBA vom 1.3.2019, wonach der hier in Rede stehende Fahrzeugtyp „nicht von einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen“ sei; dies sei vom KBA mit Schreiben vom 23.1.2020 in einer „Parallelsache“ ausdrücklich bestätigt worden, indem festgestellt worden sei, dass der Rückruf dieses Fahrzeugtyps nicht aus Gründen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sondern deshalb erfolgt sei, weil „seitens der für die Emissionsgenehmigung zuständigen Genehmigungsbehörde .. eine Konformitätsabweichung festgestellt“ worden sei. Die Substantiierungsanforderungen bestimmten sich nicht nach gewährleistungsrechtlichen Maßstäben, wie sie dem Beschluss des BGH VIII ZR 57/19 zugrunde lägen, sondern es sei maßgeblich, dass für eine deliktische Haftung der Vortrag eines nur denkbaren Mangels nicht ausreichend sei (so OLG München Az. 17 U 7360/19).
62Die Beklagten treffe insbesondere keine sekundäre Darlegungslast bezüglich der konkreten Softwarekonfiguration. Selbst wenn der Kläger die genaue Funktionsweise der Motoren nicht kenne, trage er die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 826 BGB (wie OLG Stuttgart 10 U 134/19).
63Ferner fehle es am erforderlichen Vortrag zu den subjektiven Voraussetzungen einer deliktischen Haftung. Die Beklagten seien im Zeitpunkt des Inverkehrbringens davon ausgegangen, dass das Fahrzeug „rechtlich zulässig“ sei; dieser Auffassung seien sie auch heute noch.
64Der Senat hat unter dem 5.10.2020 einen Beschluss erlassen, in dem er der Beklagten zu 3) auferlegt hat mitzuteilen, auf welche Motoren sich die in der „MediaInfo“ (aus ihrem Hause) vom 12.11.2018 erwähnten weiteren (sieben) Rückrufe noch bezogen hätten, und für den Fall, dass der Motor mit dem Kennbuchstaben J nicht darunter falle, zu den Unterschieden in der Steuerungssoftware zur derjenigen im Motor K vorzutragen.
65Der Kläger beharrt darauf, dass unter der KBA-Referenznummer 000000 am 11.12.2019 ein verpflichtender Rückruf auch für das von ihm erworbene Fahrzeug wegen „Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen“ veröffentlicht worden sei. Die Beklagte zu 1) habe auf Nachfrage mitgeteilt, das Fahrzeug habe nach der Rücknahme vom Kläger und vor dem Weiterverkauf ein Software-Update erhalten. Wie das OLG Stuttgart (Az. 27 O 40/19) festgestellt habe, sei dieser Vorgang als Beweisvereitelung zu werten, die dazu führe, dass nunmehr die Beklagten den Vortrag betreffend die unzulässige Abschalteinrichtung zu widerlegen hätten.
66Die Haftung der Beklagten zu 2) ergebe sich, wie das OLG Karlsruhe festgestellt habe, aus einer Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den A-Konzern und den ordnungsgemäßen Ablauf des Genehmigungsverfahrens.
67Ferner treffe die Beklagte zu 3) eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, dass sie darzulegen und zu beweisen habe, die Abschalteinrichtungen im Genehmigungsprozess gegenüber dem KBA offengelegt zu haben und dass das KBA „genau diese Abschalteinrichtung“ genehmigt habe.
68Der Schädigungsvorsatz ergebe sich – wie im Urteil des OLG Naumburg ausgeführt – nicht nur aus der „heimlichen und manipulativen Vorgehensweise“, sondern auch daraus, dass die Beklagte „Studien zur Aufdeckungswahrscheinlichkeit verschiedener Abschalteinrichtungen“ habe erstellen lassen.
69Der Kläger verweist schließlich darauf, dass der im Verfahren LG Bielefeld Az. 9 O 355/18 beauftragte Sachverständige bei einem Motor D, eine Software festgestellt habe, die eine prüfstandspezifische Abgasreinigung bewirke.
70Die Beklagten zu 2) und 3) führen zur Erfüllung der Auflage im Beschluss des Senats aus, der Motor in dem vom Kläger angeschafften Fahrzeug sei nicht mit den Motoren der in der „MediaInfo“ genannten Modelle L und M vergleichbar, die sämtlich mit Motoren des Kennbuchstabens K ausgestattet gewesen seien, während der hier in Rede stehende PKW Typ C mit einem Motor J versehen gewesen sei. Bei Typ C-Fahrzeugen sei eine „eigene Motorapplikation“ vorgenommen worden, das Fahrverhalten sei „anders kalibriert“.
71Sie verweisen erneut darauf, dass das KBA – anders als bei den L und M-Modellen - bezüglich dieses Motor-Typs keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt habe, wie sich aus dessen Schreiben vom 1.3.2019 (BE1 – Bl. 720 d.A.) und vom 23.1.2020 (BE2 – Bl. 656 d.A.) sowie vom 27.7.2020 (BE20 – Bl. 1300f. d.A.) ergebe.
72Es bestehe aber auch keine Vergleichbarkeit mit Motoren des PKWs Typ C in Modellen des Typs 4L, bei dem es sich um den Vorgänger des Typs C 4M gehandelt habe. In der Mitteilung des KBA vom 11.12.2019 (KBA-Referenznr. 000000; u.a. Bl. 1024) sei ein PKW Typ C dieses (Vorgänger-)Typs aufgeführt. Das KBA habe „den Bescheid“, der der Mitteilung zugrunde liege, zwischenzeitlich auf bestimmte Motorkennbuchstaben korrigiert, zu denen J nicht gehöre, was sich aus einem Schreiben des KBA vom 18.9.2020 ergebe. Bei dem Rückruf des KBA mit der Referenznummer 8186 handele es sich hingegen um eine Konformitätsabweichung.
73Abgesehen davon sei nach der Weiterveräußerung des Fahrzeugs eine Beweisaufnahme unmöglich.
74Die Beklagten zu 2) und 3) vertreten ferner die Auffassung, ein jeglicher Schadensersatzanspruch des Klägers sei mit der (Weiter-)Veräußerung des Fahrzeugs ohnehin untergegangen. Der Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags stelle sich als ein Anspruch auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) dar; letztere sei mit der Veräußerung unmöglich geworden. Mi ihr sei aber auch ein Schaden in Gestalt einer subjektiven Gebrauchsbeeinträchtigung entfallen. Schadensersatzansprüche ergäben sich aber auch nicht auf der Grundlage von § 251 Abs. 1, 1. oder 2. Alt. BGB, weil es nicht zu einer „messbaren Verminderung des Vermögens“ des KIägers gekommen sei.
75Der Kläger weist darauf hin, es sei ihm nicht möglich, sich zum Inhalt des an dem Fahrzeug vorgenommenen Updates zu äußern.
76Er meint, die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen stelle „regelmäßig“ eine „planmäßige, lang währende und große Stückzahlen betreffende Täuschung von Typgenehmigungsbehörden“ dar, was sich u.a. aus den Entscheidungen des BGH VI ZR 367/19 und 739/20 ergebe.
77Er rügt, die Beklagten hätten die Auflagen im Beschluss vom 5.10.2020 nicht erfüllt. Er behauptet, die Beklagte zu 3) habe zusammen mit der Beklagten zu 2) eine entsprechende grundlegende strategische Unternehmensentscheidung u.a. auch in Bezug auf den „streitgegenständlichen Motor“ getroffen, und zwar sei dies durch den „Leiter der Entwicklungsabteilung“ und den „für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen“ geschehen, u.a. durch den seit dem 1.1.2016 bei der Beklagten zu 3) amtierenden Entwicklungsvorstand N und seinen Vorgänger O. Bezüglich der Kenntnis der Beklagten zu 3) beruft sich der Kläger auf den Sachvortrag einer anderen – nicht benannten – Klägerin in ihrer Klageschrift (S. 20 – 27) im Verfahren LG Köln 5 O 189/20 und beantragt die Beiziehung dieser Akte. Er behauptet, die Haftung der Beklagten zu 3) gem. § 826 BGB ergebe sich – entsprechend den Erwägungen des BGH in VI ZR 433/19 - daraus, dass sie „im Typgenehmigungsverfahren gegenüber dem KBA zur Erlangung der sog. Typgenehmigung in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp unzutreffende bzw. keine Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems, d.h. der hier verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen gemacht“ habe. Der Kläger beantragt, der Beklagten zu 3) die „Vorlage des Antrags im Typgenehmigungsverfahren nebst Prüfbericht und Beschreibungsbogen“ gem. § 142 ZPO vorzulegen.
78Der Kläger verweist darauf, die Beklagten gingen zu Unrecht davon aus, dass sich in dem Fahrzeug ein Motor D befunden habe, der jedoch erst seit 2017 verwendet worden sei. Er bestreitet, dass es sich bei dem „Motor 4L“ um das „Vorgängermodell des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps“ handele.
79Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf den Berichterstatter-Vermerk vom 18.3.2021 Bezug genommen.
80B.
81Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
82I. Antrag zu 1.
831. Hauptantrag (Zahlung von 65.808,73 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Typ C)
84Der Hauptantrag ist unzulässig.
85Der Kläger verlangt Zahlung „Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung“ des Fahrzeugs. Er stellt damit einen Antrag, der nicht vollstreckbar ist, weil er selbst zur Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs nicht in der Lage ist. Abgesehen davon, dass er das Fahrzeug mittlerweile an die Beklagte zu 1) vertragsgemäß zurückgegeben hat, war er zu keinem Zeitpunkt Eigentümer und deshalb nie in der Lage, die „Rückübereignung“ zu vollziehen.
86Damit fehlt dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis.
872. Hilfsantrag (Zahlung von 32.984,18 € nebst Zinsen)
88Der Hilfsantrag hat – in eingeschränkter Höhe - nur gegenüber der Beklagten zu 3., nicht hingegen gegenüber der Beklagten zu 2) Erfolg.
89a)
90Die Beklagte zu 2) ist dem Kläger nicht zum Schadensersatz verpflichtet.
91aa)
92Der BGH hat zwischenzeitlich entschieden, dass sich aus Verletzungen der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV keine Schadenersatzansprüche des Erwerbers ableiten lassen (u.a. BGH, Urt. vom 30.7.2020, Az. VI ZR 5/20, Tz. 10ff.). Dem folgt der Senat.
93bb)
94Die Beklagte zu 2) kann dem Kläger daher nur aus § 826 BGB wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB wegen Betrugs oder schließlich gem. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB wegen deliktischen Verhaltens von Verrichtungsgehilfen haften.
95Diese Anspruchsgrundlagen setzen jedoch u.a. voraus, dass die Beklagte zu 2) über ihre Repräsentanten oder Verrichtungsgehilfen an der Entscheidung, das vom Kläger erworbene Fahrzeug mit einer unzulässigen Motorsteuerung auszustatten und in Verkehr zu bringen, beteiligt war.
96Dem ist die Beklagte zu 2) mit der Darstellung entgegengetreten, an der Entwicklung oder Herstellung bzw. am Genehmigungsverfahren des betreffenden Fahrzeug- bzw. Motortys, die ausschließlich in der Hand der Beklagten zu 3) gelegen hätten, nicht beteiligt gewesen zu sein. Die Beklagte zu 3) hat diesem Vortrag ihrerseits nicht widersprochen.
97Der Kläger hätte auf diesen Sachvortrag, mit dem die Beklagte zu 2) ihrer sekundären Darlegungslast genügt hat, mit weitergehendem Sachvortrag reagieren müssen und hätte zu beweisen gehabt, dass und wie die Beklagte zu 2) in die Entwicklung, die Herstellung oder das Inverkehrbringen des Motors in dem von ihm angeschafften Fahrzeug involviert war. Das ist unterblieben. Insbesondere genügt der Verweis auf konzernübergreifende Vereinbarungen zur „konzernweiten“ Verwendung unzulässiger Motorsteuerungen bzw. auf eine gemeinschaftliche Entwicklung angesichts dieses Vortrags der Beklagten zu 2) nicht. Auch die offensichtliche konzernübergreifende Bezeichnung und Nummerierung von Motorentwicklungen mit dem Kürzel „D…“ belegt nicht, dass die Beklagte zu 2) auch an der Konzeption oder Entwicklung solcher Aggregate beteiligt war, die von der Beklagen zu 3) vorgenommen wurden.
98Im Übrigen muss sich die Beklagte zu 2) ein Verhalten der Beklagten zu 3) nicht allein wegen der – im Übrigen vom Kläger auch nicht dargestellten - gesellschaftsrechtlichen Interdependenzen zwischen beiden Gesellschaften zurechnen lassen.
99Soweit der Kläger Kenntnisse des – seinerzeitigen – Vorstandsvorsitzenden E „von der Manipulationssoftware“ behauptet, die dieser während der bis 2007 währenden Tätigkeit bei der Beklagten zu 3) erworben habe, lässt sich auch damit ein Vorsatz eines Repräsentanten der Beklagten zu 2) nicht begründen. Weder ist ersichtlich, dass sich ein – etwaiger – Kenntnisstand aus der Zeit bis 2007 überhaupt noch auf eine im Jahr 2016 eingebaute Steuerungssoftware bezieht, noch ersetzt eine etwaige Kenntnis die Einflussnahme auf die Entscheidung, den betreffenden Fahrzeugtyp C mit unzulässigen Abschalteinrichtungen auszustatten.
100b)
101Doch haftet die Beklagte zu 3) dem Kläger gem. § 826 BGB, weil davon auszugehen ist, dass sie das Fahrzeug aufgrund eines sittenwidrigen Verhaltens und unter Inkaufnahme einer Schädigung des Klägers in den Verkehr gebracht hat.
102aa)
103Dass der Kläger nicht Eigentümer des Fahrzeugs war, steht der Entstehung deliktischer Schadensersatzansprüche nicht entgegen. Denn es geht um eine Schädigung an seinem Vermögen durch Veranlassung zum Abschluss eines nicht gewollten Kaufvertrags bzw. eines zur Finanzierung des Kaufs eingegangenen Darlehens.
104bb)
105Das Fahrzeug bzw. dessen Motor- und/oder Getriebesteuerung enthielt mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen, die der Typgenehmigungsbehörde nicht offengelegt worden sind, wodurch die Typgenehmigung und damit auch die Zulassung des Fahrzeugs in ihrem Bestand gefährdet waren.
106(1)
107Der Kläger hat zur Existenz solcher Abschalteinrichtungen nach den Maßstäben des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 28.1.2020 (VIII ZR 57/19; NJW 2020, 1740 Rn. 6-13) hinreichend substantiiert vorgetragen, u.a. unter Bezugnahme auf die in dem als Anlage K18 vorgelegten Bescheid des KBA (Bl. 445ff. d.A.; ein Datum ist nicht erkennbar), der vier „Strategien“ erwähnt, und hat darüber hinaus weitere – aus seiner Sicht ebenfalls als unzulässig anzusehende – Programmierungen angeführt (u.a. Drosselung der Leistung auf dem Prüfstand bzw. unter NEFZ-Bedingungen). Er macht damit namentlich geltend, das Fahrzeug weise eine prüfstandspezifische Aufwärmfunktion sowie eine nur beim NEFZ-Zyklus wirksam werdende hohe AdBlue-Verwendung auf. Auch wenn den vom Kläger vorgelegten Bescheiden bzw. Pressemitteilungen des KBA nicht zu entnehmen ist, dass sie sich auch auf den konkreten Fahrzeug- bzw. Motortyp bezogen, dem das vom Kläger angeschaffte Fahrzeug entsprach, ist die offensichtliche „Entwicklungsnähe“ des Motors bzw. der Steuerung des hier in Rede stehenden Fahrzeugs zu denjenigen Fahrzeugen bzw. Aggregaten entscheidend, denen die Äußerungen des KBA jedenfalls galten.
108Die Beklagte zu 3) hat diese Ausführungen des Klägers nicht erheblich bestritten, weshalb sie gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen sind. Die Beklagte zu 3) hat sich - unter Verwendung einer unübersichtlichen und nicht erklärten Nomenklatur bezüglich der Motorvarianten - darauf zurückgezogen, der vom Kläger genannte KBA-Bescheid habe sich gar nicht auf das von ihm erworbene, sondern auf das Vorgängermodell des Typ C („4L“) bezogen, und es lägen keine Bescheide des KBA betreffend den Fahrzeugtyp „4M“ vor, bzw. es gebe diesbezüglich nur einen Rückruf, der die Erkennung des Additivs (AdBlue) betreffe (vgl. Anl. BE20, Beschl. des KBA vom 27.07.2020). Diesen Vortrag vertieft die Beklagte zu 3) nochmals in ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 19.4.2021, in dem sie darauf hinweist, Grund dieses Rückrufs sei keine Abschalteinrichtung, sondern eine (bloße) Konformitätsabweichung.
109Soweit sich die Beklagte zu 3) stets darauf beruft, es gebe keine vom KBA als unzulässig eingestufte Abschalteinrichtungen im Sinne des Art. 5 VO(EG) 715/2007 (Hervorhebung d. Verf.), ist dieser Hinweis nicht geeignet, dem Vortrag des Klägers den Boden zu entziehen. Denn die Existenz unzulässiger Abschalteinrichtungen ist nicht erst dann zu bejahen ist, wenn sie vom KBA – oder einer anderen Typgenehmigungsbehörde - festgestellt worden sind (BGH, Hinweisbeschl. vom 8.1.2019, Az. VIII ZR 225/17, Tz. 20).
110Ein erhebliches Bestreiten seitens der Beklagten zu 3) ist namentlich auch nicht darin zu sehen, dass sie behauptet, das KBA habe das Nichtvorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen bestätigt. Letzteres ist den vorgelegten Mitteilungen des KBA schon nicht zu entnehmen. Auch das von den Beklagten erwähnte Schreiben des KBA vom 18.9.2020 ist nur (teilweise) geschwärzt vorgelegt worden. Eine Relevanz der bezeichneten Dokumente für den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp ist nicht erkennbar. Überdies fehlt es darüber hinaus an jeglicher Darlegung, auf welcher Tatsachengrundlage und auf welchen Zeitpunkt bezogen die behauptete behördliche Feststellung der Nichtbetroffenheit des PKW Typ C Modell 4M mit dem V6-Dieselmotor erfolgt ist.
111Soweit die Beklagte zu 3) in einem weiteren nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.4.2021 unter Bezugnahme auf eine Auskunft des KBA vom 31.3.2021 an das Oberlandesgericht Hamm (im Verfahren 8 U 168/20) darauf verweist, die Behörde habe in Bezug auf ein identisches Aggregat (P des „Typs“ 4M) aufgrund von Felduntersuchungen (auch NEFZ-Prüfung) festgestellt, dass der „geprüfte Motor Q nicht von illegalen Abschalteinrichtungen betroffen“ sei, ist dieser Vortrag nicht mehr zu berücksichtigen (§ 296a S. 1 ZPO). Der Senat sieht von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ab. Dabei hat er auch berücksichtigt, dass sich der Auskunft des KBA selbst nicht entnehmen lässt, dass sie auf ein identisches Fahrzeug bzw. auf einen identischen Motor bezogen ist, dass die Auskunft einen Vorbehalt („nach derzeitigem Kenntnisstand“) enthält und nicht erkennen lässt, in Bezug auf welche möglichen Abschalteinrichtungen die Prüfungen stattgefunden haben.
112(2)
113Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 3) selbst („MediaInfo“) die Existenz mehrerer Rückrufe des KBA für verschiedene Varianten der in ihrem Haus entwickelten R 0-Dieselmotoren bestätigt hat. Insoweit hätte es der Beklagten zu 3) oblegen, die Unterschiede in der Motorsteuerung bezüglich des Emissionsverhaltens unter NEFZ-Bedingungen zumindest schlagwortartig zu umreißen, wozu ihr bereits der Auflagenbeschluss des Senats Anlass gab. Indes ist die Auflage des Senats im Beschluss vom 5.10.2020 (Bl. 1007f. d.A.) unerfüllt geblieben.
114(3)
115Damit ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass das Fahrzeug über die vom Kläger dargelegten unzulässigen Abschalteinrichtungen im Sinne der VO(EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 1, Art. 3 Nr. 10 verfügte. Zum Eingreifen eines Erlaubnistatbestands gem. VO(EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 2 hat sich die Beklagte zu 3) nicht geäußert.
116cc)
117Die Beklagte zu 3) handelte bezüglich des Inverkehrbringens des Fahrzeugs objektiv sittenwidrig.
118Aus der Entscheidung des BGH VI ZR 252/19 vom 25.5.2020 (betreffend den Motor H ist zu entnehmen, dass ein Hersteller mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen dann (objektiv) sittenwidrig handelt, wenn er die Typgenehmigungsbehörde über die Einhaltung der geltenden Vorschriften getäuscht hat, um die Typgenehmigung auf kostengünstigem Weg zu erhalten, und wenn die Verwendung der verdeckten Abschalteinrichtungen auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung in ausgedehntem zeitlichen Umfang und bezüglich einer großen Anzahl von Fahrzeugen bzw. Fahrzeugmodellen erfolgt ist, und zwar durch aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware zur Beeinflussung der Abgasrückführung, und wenn bei einer Entdeckung der verwendeten Software eine Betriebsbeschränkung oder –untersagung hätte erfolgen können.
119Diese Voraussetzungen sind anzunehmen:
120Der Vortrag des Klägers, das Inverkehrbringen des Fahrzeugs beruhe auf einer strategischen Entscheidung der Beklagten zu 3) bezüglich ganzer Baureihen und habe eine Täuschung der Typzulassungsbehörde sowie der Erwerber beinhaltet, ist gleichfalls als von der Beklagten zu 3) zugestanden anzusehen.
121Indem die Beklagte zu 3) ihrer sekundären Darlegungslast zur Existenz der unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht nachgekommen ist, hat sie dem Kläger auch näheren Vortrag in Bezug auf die Umstände, unter denen die Entscheidung zu deren Verwendung gefallen ist, unmöglich gemacht.
122Dies ist zugleich als Indiz für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers zu verstehen. Denn die Beklagte zu 3) hat keine plausiblen Gründe für ihr Verhalten, sich nicht näher zu den behaupteten Abschalteinrichtungen zu äußern, dargelegt. Soweit sie sich auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse beruft, geschah dies im Zusammenhang mit Bescheiden des KBA.
123Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, dass sie sich zum Vortrag des Klägers, sie habe auch in Bezug auf die von ihm benannten Abschalteinrichtungen „Studien zur Aufdeckungswahrscheinlichkeit“ vorgenommen (Schriftsatz vom 4.11.2020), trotz Hinweises des Senats in der Sache nicht eingelassen hat. Die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 15.3.2021, in denen sie die Auffassung vertritt, der Vortrag unterliege der Präklusion (§ 531 ZPO), und „vorsorglich“ erneut darauf hinweist, das KBA habe keine unzulässigen Abschalteinrichtungen feststellen können, sind nicht als erhebliches Bestreiten zu werten, womit auch dieser Vortrag des Klägers als zugestanden anzusehen ist. Ihm ist zu entnehmen, dass auf Seiten der Beklagten zu 3) mit dem Bewusstsein, die betreffenden Programmierungen verbergen zu müssen, agiert wurde. Dies ist als Indiz für die Täuschungsabsicht gegenüber der Typgenehmigungsbehörde und gegenüber den Abnehmern der Fahrzeuge anzusehen.
124Darüber hinaus ist unstreitig, dass eine Reihe anderer Fahrzeugtypen der Beklagten zu 3) Rückrufen des KBA wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen ausgesetzt war. Daraus ist zu entnehmen, dass die Entscheidung der Verwendung solcher Programmierungen nicht nur in Bezug auf einzelne Modelle bzw. Varianten „unterlaufen“ ist, sondern auf eine grundsätzliche („strategische“) Entscheidung der Beklagten zu 3) zurückging.
125dd)
126Dem Kläger ist mit seiner Entscheidung, das Fahrzeug unter Inanspruchnahme eines Kredits der B Bank zu erwerben, ein Schaden entstanden.
127Denn es ist davon auszugehen, dass er damit eine ungewollte Verbindlichkeit eingegangen ist, weil er das Fahrzeug in Kenntnis der mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung verbundenen Gefährdung der Zulassung nicht erworben hätte.
128Daran ändert es nichts, dass er infolge der Verpflichtung der Beklagten zu 1), das Fahrzeug nach der Kreditlaufzeit zu einem bestimmten Betrag anzukaufen, ein Risiko bezüglich des Restwerts nicht trug. Denn immerhin hatte er sich zur Zahlung erheblicher monatlicher Raten über eine Zeit von drei Jahren verpflichtet, und zwar erkennbar in der Erwartung, dafür ein Fahrzeug ohne zulassungsrechtliche Probleme nutzen zu können.
129ee)
130Die Beklagte zu 3) bzw. ihre Repräsentanten handelten auch in Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände sowie mit Schädigungsvorsatz.
131Angesichts der Verwendung von Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren mehrerer Baureihen bzw. in mehreren (Unter-)Ausführungen, die von der Beklagten zu 3) konzipiert, produziert und bezüglich derer von ihr die (Emissions-)Typgenehmigungen eingeholt worden sind, ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein Vorstandsmitglied oder ein sonstiger Repräsentant im Sinne von § 31 BGB über sämtliche vorgenannten Umstände informiert war, weil es sich um eine für die Geschicke des Unternehmens bedeutsame Entscheidung handelt, die nicht weisungsabhängigen Mitarbeitern überlassen zu werden pflegt. Indem die Beklagte zu 3) dem Vortrag des Klägers, es seien bei ihr Untersuchungen zur „Aufdeckungswahrscheinlichkeit“ angestellt worden, nicht entgegen getreten ist, lagen auch ausreichende Indizien dafür vor, dass Kenntnis über die Rechtswidrigkeit der verwendeten, auf den NEFZ-Zyklus zugeschnittenen und nur unter seinen Bedingungen arbeitenden Programmierungen bestand.
132Abgesehen davon hat der Kläger auch den in jenem Zeitraum 2016, in dem der Kläger das Fahrzeug bestellte und ausgeliefert erhielt, amtierenden Entwicklungsvorstand der Beklagten zu 3) namhaft gemacht und Umstände (belastende Ermittlungsergebnisse bei der hausinternen Prüfung und die sofortige Abberufung aus dem Vorstandsamt) dargelegt, die auf dessen Kenntnis von der Verwendung als unzulässig erkannter Programmierungen der Motorsteuerung hinweisen.
133Vor diesem Hintergrund steht für den Senat fest, dass zumindest einem Repräsentanten die Bedeutung der Täuschung der Typgenehmigungsbehörde für den Bestand der Typgenehmigung und damit auch für den uneingeschränkten Fortbestand der Fahrzeugzulassungen bekannt war, und dass gleichwohl die Entscheidung getroffen wurde, trotz dieser Gefahr u.a. den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp auf den Markt zu bringen.
134Desgleichen ist zu unterstellen, dass diesem Repräsentanten die zentrale Bedeutung der „Unantastbarkeit“ der Zulassung für die Käufer bekannt war und dass er davon ausging, bei einer Offenbarung der Täuschung der Typgenehmigungsbehörde und der Gefahr für den uneingeschränkten Fortbestand der Zulassung keine Käufer für die betreffenden Fahrzeuge mehr zu finden.
135Soweit die Beklagte zu 3) einwendet, sie – bzw. ihre Vorstände und Repräsentanten – habe bzw. hätten in Bezug auf das Fahrzeug rechtmäßig gehandelt, steht dies der Annahme des Schädigungsvorsatzes nicht entgegen. Es handelt sich dabei nicht um nachprüfbaren Sachvortrag in Bezug auf konkrete Programmierungen, sondern um eine bloße Rechtsauffassung.
136ff)
137Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der von ihm geleisteten Darlehensraten (36 Monate zu je 780,50 €) sowie ferner auf Ersatz der Beträge, die er für die „Mehrkilometer“ (3.571,23 €) sowie für die Schäden am Fahrzeug (1.314,95 €) zu zahlen hatte.
138Auch die beiden letztgenannten Positionen stellen Belastungen des Klägers dar, die nur infolge der Entscheidung, dieses Fahrzeug (über die B Bank) anzuschaffen, entstanden sind. Das betrifft auch den dem Kläger abverlangten Betrag für Schäden an dem Fahrzeug. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um übliche Folgen des Fahrzeuggebrauchs handelt, die nicht auf ein grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Eigenverschulden des Klägers zurückgehen. Erst in einem solchen Fall wäre ein (überwiegendes) Mitverschulden des Klägers (§ 254 Abs. 1 BGB) zu erwägen, aufgrund dessen die Haftung der Beklagten zu 3) gemindert oder aufgehoben sein könnte.
139gg)
140Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht aufgrund der Weiterveräußerung des Fahrzeugs entfallen.
141Zwar muss bei fehlender Gleichartigkeit des dem Geschädigten entstandenen Vorteils – insbesondere also in Gestalt fortbestehenden Besitzes bzw. Eigentums an erworbenen Gütern – der Schädiger nur Schadensersatz Zug um Zug gegen Herausgabe dieses Vorteils leisten. Doch ist der Geschädigte nicht gehalten, im Fall des Weiterverkaufs die betreffenden Wirtschaftsgüter zurückzuerwerben, um sie dem Schädiger Zug um Zug anbieten zu können (BGH, Urt. vom 13.11.2012, Az. XI ZR 334/11, NJW 2013, S. 450 Tz. 21, 24).
142Diese in Fällen des Kapitalanlagerechts ergangene Rechtsprechung ist auf Fahrzeugkäufe, für die aus unerlaubter Handlung Schadensersatz zu leisten ist, entsprechend anzuwenden (OLG Stuttgart, Urt. vom 29.9.2020, Az. 12 U 449/19). Denn es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die eine andere schadensersatzrechtliche Betrachtung verlangen oder rechtfertigen können.
143Soweit die Oberlandesgerichte Celle (Urt. vom 19.2.2020, Az. 7 U 424/18, BeckRS 2020, 6243, Tz. 10) und Schleswig (Urt. vom 27.1.2020, Az. 18 U 9/19, BeckRS 2020, 6997, Tz. 23) einen Schaden des Käufers in dem Fall verneinen, dass es ihm gelingt, das Fahrzeug ohne Mindererlös (bezogen auf entsprechend gealterte und genutzte Fahrzeuge) weiterzuverkaufen, folgt der Senat dieser Betrachtung nicht. Denn sie löst sich von dem subjektiven Schadensbegriff, der in den Fällen des Fahrzeugerwerbs unter Täuschung über die Existenz einer bestandskräftigen Zulassung im Zentrum steht (BGH, Urt. vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19, Tz. 46ff.). Ist danach ein Schaden durch den Erwerb des Fahrzeugs als solchen – unabhängig von der Frage, ob das erworbene Fahrzeug seinen Preis „wert“ war oder nicht – entstanden, wird dieser Schaden durch eine folgende Nutzung des Fahrzeugs oder auch durch dessen Weiterveräußerung lediglich quantitativ beeinflusst.
144Erst dann, wenn die Summe aus Nutzungsvorteilen und einem Weiterverkaufserlös den Anschaffungspreis (bzw. hier die Summe der erbrachten Darlehensraten) erreicht, entfällt infolge der schadensersatzrechtlich gebotenen Anrechnung dieser Vorteile der Schaden (das ist hier, wie unter (hh) dargelegt, jedoch nicht der Fall).
145Hingegen kann allein der Umstand, dass bei einem späteren Weiterverkauf des Fahrzeugs kein „Mindererlös“ realisiert wird – was hier der Fall sein mag, weil der von der Beklagten zu 1) gebotene „Ankaufspreis“ von vornherein feststand und von etwaigen Problemen im Zusammenhang mit Abschalteinrichtungen unberührt blieb -, den bereits mit der Kaufentscheidung (bzw. der Begründung einer Verpflichtung zur Zahlung der Darlehensraten zur Finanzierung des Kaufpreises) eingetretenen Schaden nicht ungeschehen machen. Die Betrachtung, wonach der Käufer in einem solchen Fall genau das bekommen habe, was er „gewollt habe“, nämlich die – nicht beeinträchtigte – Nutzung des ausgewählten Fahrzeugs und einen Verkaufserlös in vorab vereinbarter und erwarteter Höhe, ist zwar nach der Differenzhypothese folgerichtig, aber mit dem subjektiven Schadensbegriff und der daraus folgenden Verortung des Schadens in der Anschaffungsentscheidung des Käufers nicht vereinbar.
146hh)
147Der Kläger muss sich eine Nutzungsentschädigung auf der Basis einer Gesamtfahrleistung von 350.000 km anrechnen lassen.
148Ob die Gesamtlaufleistung bei Pkw, die mit einem Motor aus der Baureihe H ausgestattet sind, unabhängig vom Hubraum mit 300.000 km oder lediglich mit 250.000 km anzusetzen ist, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet (für eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km auch bei 2,0 l-Motoren etwa OLG Schleswig Az. 9 U 133/19; OLG München Az. 24 U 797/19 sowie OLG Karlsruhe Az. 13 U 142/18; bei 2,0 l Hubraum legen u.a. OLG Hamm, Urt. vom 31.10.2019, Az. 13 U 178/18, Beck Rn. 67, sowie OLG Oldenburg, Urt. vom 30.10.2019, Az. 14 U 93/19, eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km zugrunde).
149Der Senat, der bei einem 2,0 l Dieselmotor stets von einer Laufleistung von 300.000 km ausgegangen ist, übt sein Schätzungsermessen gem. § 287 Abs. 1 ZPO dahin aus, dass bei einem 3,0 l-Diesel-Motor in einem Pkw grundsätzlich eine Laufleistung von 350.000 km anzusetzen ist, weil die Lebensdauer eines Pkw-Motors mit der Größe des Hubraums zunimmt (s.a. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 3572). Dass dieser Zusammenhang bei einem Fahrzeug des Typs C nicht gegeben ist, ist nicht erkennbar.
150Es errechnet sich für die von ihm zurückgelegten 80.114 km ein Betrag von 15.073,55 € (netto).
151Damit verbleibt ein Schaden in Höhe von 17.910,63 €.
152ii)
153Für die Aufklärung der Frage, ob der – selbstständige – Kläger durch die Geltendmachung der Leasingraten – möglicherweise – steuerliche Vorteile erzielt hat, die er sich schadenmindernd anrechnen lassen muss, besteht keine Veranlassung, weil die Beklagten solche Vorteile nicht behauptet haben.
154c)
155Der Schadensersatzanspruch ist ab Eintritt der Rechtshängigkeit gegenüber der Beklagten zu 3), hier am 17.7.2019, gem. §§ 288, 291 BGB in Höhe der verlangten 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag (BGH, Urt. vom 4.7.2017, Az. XI ZR 562/15, NJW 2017, 2986, Tz. 103), dem 18.7.2019, zu verzinsen.
156III. Antrag zu 2. (Feststellung Ersatzpflicht sämtliche künftige Schäden und Aufwendungen)
1571. Feststellung gegenüber der Beklagen zu 2)
158Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
159a)
160Die Zulässigkeit dieses Antrags gem. § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben.
161aa)
162Die – behauptete - deliktische Schädigung des Klägers stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar.
163Erforderlich ist bei einem hier in Betracht kommenden Vermögensschaden, dass der Eintritt weiterer Schäden im Zeitpunkt der Klageerhebung hinreichend wahrscheinlich war.
164Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit bestand im maßgeblichen Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung gegenüber der Beklagten zu 2) jedenfalls in der fortlaufenden Belastung mit Kreditraten aus dem zur Anschaffung des Fahrzeugs aufgenommenen Darlehen.
165bb)
166Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus der drohenden Verjährung.
167cc)
168Die mangelnde inhaltliche Bestimmtheit des Antrags in Bezug auf den Begriff „Abgasmanipulationen“ steht der Zulässigkeit nicht entgegen, weil der Antrag der Auslegung zugänglich und bedürftig ist. Das gilt auch bezüglich der ferner erwähnten Aufwendungen.
169b)
170Der Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten zu 2) ist jedoch unbegründet, weil sie aus den bereits genannten Gründen dem Kläger nicht schadensersatzpflichtig ist.
1712. Feststellung gegenüber der Beklagten zu 3)
172Der Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten zu 3) ist bereits unzulässig.
173Zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit gegenüber der Beklagten zu 3) hatte der Kläger das Fahrzeug bereits wieder vertragsgemäß an die Beklagte zu 1) zurückgegeben.
174Ein Feststellungsinteresse ist zu verneinen, weil zu diesem Zeitpunkt endgültig feststand, welche Belastungen dem Kläger infolge der Entscheidung, das Fahrzeug (über die kreditierende Bank) anzuschaffen, entstanden waren.
175Soweit er darauf verwiesen hat, er könne – rückwirkend – mit höheren Kfz-Steuern belastet werden, handelt es sich um einen allenfalls theoretischen Sachverhalt, der keine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines diesbezüglichen Schadens begründet.
176IV. Antrag zu 3. (Zahlung und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten)
177Die Berufung des Klägers gegen die diesbezügliche Abweisung der Klage hat keinen Erfolg.
1781. Anspruch gegenüber der Beklagten zu 2)
179Ansprüche des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten bzw. auf Freistellung davon existieren nicht, weil die Beklagte zu 2) dem Kläger aus den dargelegten Gründen schon dem Grunde nach nicht haftet.
1802. Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 3)
181Der Kläger kann aber auch die Beklagte zu 3) nicht auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten sowie auf Freistellung (im Umfang des Selbstbehalts) in Anspruch nehmen, weil sich die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Anwälte auf die Beklagte zu 2) bezog. Die Inanspruchnahme eines „falschen“ Schuldners begründet der Beklagten zu 3) gegenüber keine Ansprüche, weil es sich dabei nicht um eine Maßnahme zweckmäßiger Rechtsverfolgung handelte.
182C.
183Die Ausführungen des Klägers im nachgereichten Schriftsatz vom 30.3.2021 geben keinen Anlass zu weiterer Aufklärung namentlich in Gestalt der Beiziehung der Akte des Landgerichts Köln (Az. 5 O 189/20) oder zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Dasselbe gilt für den Schriftsatz des Klägers vom 8.4.2021.
184Dass sich die Beklagte zu 3) zum Einsatz der Abschalteinrichtungen (auch) im vom Kläger erworbenen Fahrzeug aufgrund einer strategischen Entscheidung entschied, ergibt sich für den Senat bereits aus den genannten Umständen.
185D.
186Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97, 516 Abs. 3 ZPO, wobei die sog. Baumbach´sche Formel zur Anwendung zu bringen war.
187Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
188Die Zulassung der Revision zugunsten der Beklagten zu 3) ist geboten, weil die Frage der Auswirkung eines zwischenzeitlichen Verkaufs des Fahrzeugs durch den Geschädigten in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).