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I.
Der Senat weist nach vorläufiger Beratung im Hinblick auf den am 09.03.2021 anstehenden Verhandlungstermin vorsorglich darauf hin, dass die zulässige Berufung des Verfügungsklägers auch in der Sache Erfolg haben dürfte.
a)
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Verfügungskläger nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt. Insbesondere verfügt er auf dem örtlich relevanten Markt (50 km Umkreis von der Praxis der Verfügungsbeklagten) über eine erhebliche Zahl von betroffenen Mitgliedsunternehmen. Erheblich i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen - bezogen auf den maßgeblichen Markt - in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann (stRspr; vgl. BGH GRUR 2007, 610 Rn. 18 – Sammelmitgliedschaft V; BGH GRUR 2007, 809 Rn. 15 – Krankenhauswerbung; OLG Nürnberg WRP 2014, 239 Rn. 30; OLG Frankfurt WRP 2019, 908). In Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob die Zahl und wirtschaftliche Bedeutung der branchenzugehörigen Verbandsmitglieder den Schluss darauf zulässt, dass nicht lediglich Individualinteressen Einzelner, sondern objektiv gemeinsame („kollektive“) gewerbliche Interessen der Wettbewerber wahrgenommen werden. Dies kann auch bei einer geringen Zahl entsprechend tätiger Mitglieder anzunehmen sein (BGH GRUR 2007, 610 Rn. 18 – Sammelmitgliedschaft V; OLG Köln GRUR-RR 2018, 292).
Im Hinblick auf die dargelegte und glaubhaft gemachte Mitgliederstruktur des Verfügungskllägers kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieser für gesundheitsbezogene Werbung – auch bei sog. „alternativen“ Behandlungsmethoden - auf dem räumlich relevanten Markt aktivlegitimiert ist. Insoweit reicht schon die Mitgliedschaft von drei bundesweit tätigen Verbänden aus der diesbezüglichen Gesundheitsbranche (Bundesverband der naturheilkundlich tätigen Zahnärzte in Deutschland e.V., die h.p.O. Berufsvereinigung für heilkundlich praktizierende Osteopathie e.V. und der Marketing Verein Deutscher Apotheker e.V.) aus.
b)
Der Antrag ist nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8c UWG. Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich und die insoweit darlegungsbelasteten Verfügungsbeklagten haben insoweit keinerlei tragfähigen Indizien vorgetragen.
Tatsächlich kann es im Einzelfall missbräuchlich sein, wenn ein Verband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nur gegen Außenstehende und nicht gegen eigene Mitglieder vorgeht, vielmehr deren Wettbewerbsverstöße planmäßig duldet (vgl. BGH GRUR 1997, 681 (683) – Produktwerbung; BGH GRUR 2012, 411 Rn. 22 – Glücksspielverband; Feddersen a.a.O. Rn. 38). Denn die Klagebefugnis der Verbände liegt nicht nur im Interesse der betroffenen Mitglieder, sondern auch im öffentlichen Interesse. Andererseits gibt es keine Obliegenheit eines Verbands, auch gegen eigene Mitglieder vorzugehen, auf die sich der außenstehende Dritte berufen könnte. Daher ist auch in solchen Fällen zu fragen, ob der Verband überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Dabei sind die Gesamtumstände zu berücksichtigen (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Auflage § 8c Rn. 3.45).
Es ist schon nicht dargelegt, dass der Verfügungskläger Wettbewerbsverstöße eigener Mitglieder planmäßig duldet. Aus der Tatsache, dass einzelne Mitglieder vergleichbare Leistungen anbieten folgt nicht, dass diese auch in wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Weise für diese Leistungen werben. Ferner erschließt sich aufgrund des Vortrags der Verfügungsbeklagten nicht, woraus sich eine planmäßige Duldung von denkbaren Verstößen von Mitgliedern ergeben sollte.
d)
Dem Verfügungskläger steht gegen die Verfügungsbeklagten auch ein Verfügungsanspruch zu. Dieser folgt aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 3 Nr. 1 HWG. Die Verfügungsbeklagten verstoßen durch die beanstandete Werbung gegen die Marktverhaltensregelung des § 3 Nr. 1 HWG. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 HWG ist es u.a. unzulässig, medizinischen Behandlungen Wirkungen beizulegen, die sie nicht haben.
aa)
Durch die streitgegenständliche Werbung für die Behandlungsmethoden „Magnetfeldtherapie“, „Kinesio-Taping“, „Akupunktur-Taping“ und „Akupunktur“ haben die Verfügungsbeklagten Aussagen zur therapeutischen Wirkungen getroffen. Diese sind gerade nicht so formuliert, dass klar wird, dass den Methoden keine festen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Grunde liegen. Auch wird nicht nur allgemein erläutert, wann die Behandlungen in der Praxis zum Einsatz gelangen und welche Ergebnisse damit erzielt werden können.
bb)
Die Wirkung der beworbenen Behandlungsmethoden ist wissenschaftlich nicht gesichert.
(1)
Der Nachweis, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt grundsätzlich dem (Verfügungs-)Kläger als Unterlassungsgläubiger. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt allerdings unter anderem dann in Betracht, wenn der (Verfügungs-)Kläger darlegt und nachweist (bzw. glaubhaft macht), dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (BGH, Urteil vom 05.11.2020 – I ZR 204/19 – Sinupret; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.03.2016 – 6 W 21/16). Dies gilt auch, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der (Verfügungs-)Beklagte mit einer fachlich zumindest umstrittenen Meinung geworben hat, ohne auf die fehlende wissenschaftliche Absicherung hinzuweisen (BGH, Urteil vom 06.02.2013 – I ZR 62/11 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; OLG Frankfurt, Urteil vom 21.06.2018 – 6 U 74/17).
(2)
Der Verfügungskläger hat umfassend dazu vorgetragen, dass die Wirkung der jeweils angebotenen Behandlungsmethoden wissenschaftlich ungesichert und in nicht belegt ist.
(3)
Die damit darlegungs- und beweisbelasteten Verfügungsbeklagten haben nicht substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständlichen Behandlungsmethoden die von ihnen beworbene Wirkung haben. Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dies erfordert nach dem sogenannten "wissenschaftlichen Goldstandard" im Regelfall, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2020 – I ZR 204/19 – Sinupret mwN).
Ersichtlich reicht es damit nicht aus, dass die Verfügungsbeklagten (zudem auch noch ohne nähere Darlegung) darauf verweisen, dass die Erkenntnisse auf Patientenbeispielen und Evaluationen mit Patienten der Praxis aus den letzten Jahren beruhten. Selbst wenn sich nach Vorstellung der Verfügungsbeklagten derartige Erkenntnisse im Rahmen der Behandlungen ergeben haben sollten, wären diese nicht nach dem „wissenschaftlichen Goldstandard“ erlangt worden.
II.
Sofern in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen des Senats auch aus Kostengründen ggf. den Antrag des Verfügungsklägers anerkannt werden soll, mag dies umgehend – möglichst per Fax unter der Fax-Nr. 02381 2722005 – geschehen.
Diese Entscheidung hat neben dem Tenor keinen Entscheidungstext.