Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Rechtliche Grundlage der Anordnung, den Verurteilten während der Vorführung zum Sitzungssaal der Strafvollstreckungskammer im Gebäude des Landgerichts zu fesseln, ist das Hausrecht des Präsidenten des Landgerichts, das das Recht umfasst, zur Abwehr von Störungen des Dienstbetriebs über den Aufenthalt von Personen in den Räumen der Einrichtungen zu bestimmen.
2. Die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts ergibt sich daraus, dass eine Behörde, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, auch bestimmen können muss, ob sie eine Person vom Betreten der Räume ausschließt, weil diese ihre ordnungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder stört.
3. Handelt es sich bei dem Gebäude um ein Gericht, steht das Recht zur Ausübung des Hausrechts dem/der PräsidentIn als Organ der Justizverwaltung zu, sofern es nicht durch die Wahrnehmung sitzungspolizeilicher Befugnisse der Vorsitzenden der Spruchkörper nach § 176 GVG verdrängt wird.
4. Das Hausrecht des Präsidenten des Landgerichts wird konkretisiert durch die Dienstanweisung für die Tätigkeit der Bediensteten des Justizwachtmeisterdienstes im Rahmen von Vorführungen bei dem Landgericht A: i. V. m. § 73 VwVG NW als gesetzlicher Grundlage der in der Fesselung liegenden Freiheitsberaubung.
5. Die Fesselungsanordnung stellt einen Verwaltungsakt des Gerichtspräsidenten als Behörde im funktionellen Sinne dar, gegen den der Eilrechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO gegeben ist.
6. Soweit eine ernsthafte, die Anhörungspflicht suspendierende Weigerung, sich vorführen zu lassen, mitunter dann verneint wird, wenn der Verurteilte hierfür nachvollziehbare Gründe hat, kann dies aber nur dann gelten, wenn das Gericht, das über die Aussetzung oder Erledigung der Unterbringung zu entscheiden hat, diese Gründe zu verantworten hat und/oder diesen in eigener Zuständigkeit abhelfen kann: kann es die Ursachen für die Weigerung des Untergebrachten hingegen nicht beseitigen, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, dessen Verzicht auf eine Vorführung hinzunehmen und ohne Anhörung zu entscheiden, denn das Gericht kann eine Anhörung gegen den Willen des Untergebrachten nicht erzwingen.
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Oberlandesgericht Hamm
3Beschluss
4III-3 Ws 71/21 OLG Hamm
53 Ws 151/21 GStA Hamm
6V-1 StVK 32/20 LG Arnsberg
73 Js 647/02 StA Krefeld
8Maßregelvollstreckungssache
9g e g e n
10Verteidiger:
11w e g e n schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
12(hier: sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen die
13Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der
14Sicherungsverwahrung).
15Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten vom 08.01.2021 gegen den Beschluss der 1. großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 02.12.2020 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. März 2021 durch
16nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Untergebrachten bzw. seines Verteidigers
17b e s c h l o s s e n :
18Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
19Gründe:
20I.
21Das Landgericht Krefeld hat den Beschwerdeführer mit seit dem 18.08.2004 rechtskräftigen Urteil vom 18.12.2003 wegen Vergewaltigung in sechs Fällen, davon zweimal in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern, wegen weiterer acht Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
221.
23Nach den Urteilsfeststellungen wuchs der damalige Angeklagte bis zu seinem 18. Lebensjahr mit seinen Geschwistern bei seinen Eltern auf. Die häusliche Atmosphäre sei weitgehend gut gewesen, es sei denn, die Eltern hätten übermäßig Alkohol getrunken, was insbesondere am Wochenende hin und wieder vorgekommen sei. Der Vater habe auch unter der Woche Alkohol getrunken, ob er Alkoholiker gewesen sei, habe – so die Urteilsgründe des Landgerichts Krefeld – nicht aufgeklärt werden können. Mit dem Vater sei der Angeklagte unterschiedlich gut zurechtgekommen, was auch sehr stark von der Laune des Vaters abgehangen habe. Sei dieser mit schlechter Stimmung vom Arbeitsplatz nach Hause gekommen, habe er nach den Angaben des Angeklagten mit ihm auch schon mal Probleme gehabt. Mit den Geschwistern und insbesondere mit der Mutter sei er hingegen immer gut zurechtgekommen. Er vermisse sie noch heute. Nach dem Besuch des Kindergartens und der Volksschule habe er eine Lehre als Heizungsmonteur abgeschlossen und bereits mit 19 Jahren eine 18 Jahre alte Verkäuferin geheiratet, die er zwei Jahre zuvor kennengelernt hatte. Die Ehe habe jedoch nur drei Jahre gehalten, u.a. auch deshalb, weil seine Frau ihn betrogen hätte. Der Angeklagte habe die Ehefrau geschlagen, woraufhin diese die Scheidung eingereicht habe. Er habe bis zum Jahre 1990 vierzehn Jahre lang im Stahlwerk bei der Firma A Edelstahlwerke in B gearbeitet und dort ohne Überstunden oder Zulagen 2.200,00 DM monatlich verdient. Nebenher habe er noch zahlreiche weitere Aushilfstätigkeiten als weiteren Erwerb ausgeführt. Anfang der 1980er Jahre sei der Angeklagte dann eine neue feste Bindung zu einer Frau eingegangen, aus der auch eine gemeinsame Tochter hervorgegangen sei. Diese Beziehung endete, weil die Lebenspartnerin sich einem anderen Mann zugewandt habe, auch diese Frau habe der Angeklagte während der Beziehung geschlagen. Die Frau hatte weiteren Kontakt zur gemeinsamen Tochter unterbunden. Im Jahre 1989 habe der Angeklagte dann in einer Gaststätte eine Frau C kennengelernt, die bereits zwei Söhne aus einer anderen Beziehung hatte. Der Angeklagte sei dann bei der Firma A Edelstahlwerke ausgeschieden, um zusammen mit seiner neuen Lebenspartnerin den bereits von dieser eröffneten Kiosk zu führen. Die Beziehung sei zunächst gut verlaufen, in der Folgezeit sei es dann aber häufiger zu Streitigkeiten gekommen, und zwar wegen der Angestellten im Betrieb und aufgrund von Problemen im Alltag, u.a. darüber, wie oft die Kinder der Frau C aufpassen sollten. Nach den Angaben des Angeklagten habe auch sein Alkoholkonsum zu einer weiteren Entfremdung mit der Lebensgefährtin und schließlich zur Trennung geführt. Im Jahre 1994 habe der Angeklagte dann aus gesundheitlichen Gründen, insbesondere infolge überhöhten Alkoholkonsums und sich daraus ergebender gesundheitlicher Probleme, den seinerzeit noch von ihm geführten Kiosk aufgegeben.
242.
25Im Juli 1996 wurde gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil von D1, geboren am 02.01.1985, und deren Freundin E, geboren am 18.09.1984, eingeleitet. Bereits im Jahre 1995 hatte der Angeklagte die Mutter der D1, Frau D2, über eine Hausnachbarin kennengelernt und eine sexuelle Beziehung mit ihr aufgenommen.
26Durch Urteil des Landgerichts Krefeld vom 10.01.1997 wurde der Angeklagte dann wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht Krefeld stellte in dem vorgenannten Urteil hierzu fest:
27„a)
28An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Dezember 1995 besuchte die am 02.01.1985 geborene D1 den Angeklagten in dessen Wohnung auf der F-Straße 0, wo sie bereits zuvor einige Male sowohl allein als auch zusammen mit ihrer Mutter gewesen war. Der Angeklagte näherte sich ihr, gab ihr einen Zungenkuss, was das Mädchen sich gefallen ließ und streichelte sie sodann über der Kleidung im Bereich ihres Geschlechtsteils. Dann entblößte er sein eigenes Geschlechtsteil, zog D1 die Hose und die Unterhose herunter und streichelte das Kind sodann an der Scheide, am Bauch und an den Beinen. Das Kind wehrte sich nicht hiergegen;
29b)
30An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Januar 1996 besuchte D1 zusammen mit ihrer Freundin E, geboren am 18.09.1984, erneut den Angeklagten in seiner Wohnung. Bei diesem Besuch gab der Angeklagte E einen Zungenkuss und streichelte sie über der Kleidung am Geschlechtsteil. Hierbei entblößte er sein eigenes Geschlechtsteil. Dann forderte er D1 auf, seinen Penis in den Mund zu nehmen, was das Kind auch tat. Zu einem Samenerguss kam es hierbei – wie auch im Fall a) – nicht. Sabrina saß währenddessen daneben und schaute zu, wie D1 den Penis des Angeklagten in den Mund nahm;
31c)
32Am Nachmittag des 02.07.1996 begaben sich D1 und E erneut zu dem Angeklagten in dessen Wohnung. Nachdem der Angeklagte D1 im Wohnzimmer Zungenküsse gegeben hatte, lehnte das Kind weitere sexuelle Handlungen ab. Daraufhin begab sich der Angeklagte mit E ins Schlafzimmer, legte sich mit ihr auf das Bett und entkleidete sich und das Kind am Unterkörper. Er streichelte und leckte das Kind am Geschlechtsteil. Ferner manipulierte er mit einem Vibrator an seiner Scheide. Schließlich onanierte er bis zum Samenerguss und spritzte seinen Samen auf den Körper des Kindes.“
33Nach Ansicht der damals erkennenden Strafkammer war der Angeklagte strafrechtlich in vollem Maße verantwortlich für seine Taten. Es hätten sich keine Anzeichen für die Annahme einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit ergeben, nur in einem Fall habe der Angeklagte drei bis vier Flaschen Bier und zwei Gläschen Schnaps getrunken.
34Die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe verbüßte der Angeklagte in den Jahren von 1996 bis 1998 vollständig.
353.
36Der Untergebrachte arbeitete nach seiner Haftentlassung in verschiedenen beruflichen Tätigkeiten, im Jahre 2002 ganztags als Fensterputzer. Er lernte im Jahre 2002 die Geschädigte des der Unterbringung zugrundeliegenden Strafverfahrens, Frau G, kennen. Diese hatte aufgrund einer Räumungsklage ihre Wohnung verloren und der Angeklagte hatte sie sowie ihre Kinder aus erster Ehe, die Geschädigte H1, und deren ein Jahr älteren Bruder, H2, ab dem 17.06.2002 bei sich in seiner Wohnung I-Straße 0 in B aufgenommen. Diese lebten dort bis zum 17.11.2002. Während des Tatzeitraums vom 17.06.2002 bis zum 17.11.2002 ging der Untergebrachte morgens früh aus dem Haus, um seiner Tätigkeit als Gebäudereiniger nachzukommen. Die Geschädigte G blieb anfangs zuhause, wenig später hatte sie eine Arbeitsstelle bei einem Krankenhaus als Reinigungskraft. Nachdem die Beziehung zu dem Untergebrachten anfangs weitgehend harmonisch verlaufen war und beide auch einverständlich Geschlechtsverkehr hatten, änderte sich diese Situation alsbald. Der Untergebrachte fing damit an, der Geschädigten G bestimmend vorzugeben, dass sie beispielsweise ihre Haare nach hinten kämmen musste. Er zog sie dann von hinten schmerzhaft an ihren Haaren, so dass sie ihren Kopf nicht mehr bewegen konnte. Der Untergebrachte begann auch damit, die Geschädigte G mit einem Ledergürtel zu schlagen, wobei er wusste, dass sie schon als Kind von ihrem Vater mit einem Ledergürtel geschlagen worden war, um sie gefügig zu machen und dass sie von diesem auch sexuell missbraucht worden war. Der Untergebrachte setzte immer massiver Gewalt zur Durchsetzung seiner sexuellen Wünsche ihr gegenüber ein. In der Folgezeit verging sich der Untergebrachte dann massiv sexuell auch an der damals elf Jahre alten Geschädigten H1. Er baute ein Klima von Unterdrückung und Gewalt auf, so dass bald die Androhung von Schlägen, insbesondere mit dem Gürtel, genügte, um die Geschädigte G gefügig zu machen und den sexuellen Missbrauch ihrer Tochter in zahlreichen Fällen geschehen zu lassen, zum Teil in ihrer Anwesenheit und sogar unter ihrer Beteiligung. H2 blieb dagegen von den Übergriffen des Untergebrachten im Wesentlichen verschont und war lediglich an einem Fall beteiligt. An der Geschädigten H1 verging sich der Untergebrachte im Tatzeitraum wöchentlich durchschnittlich mindestens einmal, zumeist samstags morgens, wenn die Geschädigte G nicht in der Wohnung war und auch der Bruder der Geschädigten H1 von dem Untergebrachten zum Spielen oder zu kleineren Erledigungen wie Zeitung holen oder Brötchen holen weggeschickt worden war. Im Einzelnen kam es im Tatzeitraum zu folgenden Straftaten des Untergebrachten, die vom Landgericht Krefeld wie folgt festgestellt worden sind:
37„A.
38Straftaten zum Nachteil der H1, die der Reihenfolge nach wiedergegeben werden, wie sie sie bei der Aussage der psychologischen Begutachtung bei der Sachverständigen J gegenüber angegeben hat und die der Angeklagte sodann als zutreffend eingeräumt hat:
391.
40An einem nicht näher bestimmbaren Tag im obengenannten Tatzeitraum befanden sich der Angeklagte sowie die Geschädigte H1 im Badezimmer der Wohnung des Angeklagten. Der Angeklagte setzte sich auf die Toilette, zog seine Hose herunter und manipulierte im Beisein der Geschädigten H1 an seinem Glied. Sodann forderte der Angeklagte die Geschädigte H1 auf, an seinem Penis zu lecken. Zu diesem Zweck drückte er ihren Kopf auf seinen Penis und steckte diesen in ihren Mund. Die Geschädigte H1 musste den Angeklagten daraufhin oral befriedigen, der Angeklagte ejakulierte in den Mund der Geschädigten H1.
412.
42An einem weiteren, nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum musste die Geschädigte H1 erneut auf Aufforderung des Angeklagten dessen Penis in den Mund nehmen und daran bis zum Samenerguss saugen. Sodann bedrängte der Angeklagte die Geschädigte, das Sperma zu trinken.
433.
44Bei einer anderen Gelegenheit im Schlafzimmer musste die Geschädigte H1 erneut auf Aufforderung des Angeklagten dessen Penis in den Mund nehmen und daran bis zum Samenerguss saugen. Das sich in ihrem Mund ergießende Sperma schluckte die Geschädigte hinunter.
454.
46An einem weiteren nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum befanden sich der Angeklagte und die Geschädigte H1 im Wohnzimmer. Der Angeklagte war nur mit einer Unterhose bekleidet. Er forderte die Geschädigte H1 auf, sich im Vierfüßlerstand hinzuknien, anschließend steckte er einen Finger in den After der Geschädigten. Diesen bewegte er hin und her, obgleich die Geschädigte vor Schmerzen weinte.
475.
48An einem Samstagmorgen im Tatzeitraum rief der Angeklagte die in der Küche frühstückende Geschädigte H1 zu sich ins Schlafzimmer, um mit ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Als sich die Geschädigte weigerte, ins Schlafzimmer zu kommen, drohte der Angeklagte ihr an, sie zu verprügeln, falls sie nicht komme. Erst daraufhin folgte die Geschädigte dem Angeklagten ins Schlafzimmer, wo er sie aufforderte, sich aufs Bett zu legen. Dort drückte er ihre Beine auseinander, cremte ihre Scheide und seinen Penis ein und entjungferte das Kind H1.
496.
50An einem weiteren, nicht näher feststellbaren Tag im Tatzeitraum befand sich der Angeklagte mit der Geschädigten H1 im Wohnzimmer. Der Angeklagte steckte der Geschädigten H1 eine lange dünne Kerze in den After, um sich hierdurch sexuell zu erregen. Durch die Handlung erregt führte der Angeklagte seinen Penis an den Po der Geschädigten, rieb diesen zwischen den Pobacken und ejakulierte in den Pobereich der Geschädigten H1.
517.
52An einem weiteren, nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum verging sich der Angeklagte im Schlafzimmer seiner Wohnung sowohl an der Geschädigten H1 als auch an G. Der Angeklagte und die Geschädigten lagen im Bett und der Angeklagte forderte die Geschädigte H1 auf, die Scheide und den After ihrer Mutter, der Geschädigten G, zu lecken. Den Widerspruch der Geschädigten G wischte der Angeklagte mit den Worten beiseite, „Halte die Klappe“. Währenddessen manipulierte der Angeklagte an seinem Penis und veranlasste die Geschädigte H1, an seinem Penis zu saugen. Danach vollzog er im Beisein des Kindes zuerst mit der Geschädigten G den Geschlechtsverkehr, sodann mit dem Kind H1 und ejakulierte in ihr Gesicht.
538.
54Bei einer weiteren Gelegenheit im Tatzeitraum schlug der Angeklagte das Kind H1 mit einem nassen Handtuch, weil sie sich nicht an die Vereinbarung gehalten hatte, auf ihre Mutter zu warten. Im Anschluss daran urinierte der Angeklagte in eine Tasse und zwang die Geschädigte H1, seinen Urin zu trinken.
559.
56An einem weiteren, nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum stach der Angeklagte jeweils eine Sicherheitsnadel durch den rechten und linken Mundwinkel der Geschädigten H1 und zwar von innen nach außen. Sodann forderte er die Geschädigte Tempel auf, die Zunge herauszustrecken, hielt sie zunächst mit einer Zange fest und bohrte eine Sicherheitsnadel durch die Zunge. Als die Geschädigte weinte, herrschte der Angeklagte sie mit den Worten an: „Sei ruhig, sonst klatsch ich dir eine“, ließ aber nunmehr zu, dass das Kind selbst die Zunge festhielt, während er eine Sicherheitsnadel durch den Nasenknorpel unterhalb der Nasenscheidewand steckte.
5710.
58Bei einer anderen Gelegenheit stieß der Angeklagte vier Sicherheitsnadeln durch die Haut der Vagina der Geschädigten H1 und bohrte jeweils eine Sicherheitsnadel durch ihre Brustwarzen, um sich hierdurch sexuell zu erregen.
5911.
60Bei einer weiteren Gelegenheit lag der Angeklagte zusammen mit den Geschädigten G und H1 im Bett und ließ Gas aus einer Nachfüllflasche für Feuerfahrzeuge auf den unteren Bauchbereich der Geschädigten H1 verlaufen. Dabei drohte er damit, das Gas anzuzünden, womit er die Geschädigten in Angst und Schrecken versetzte.
6112.
62Bei einer weiteren Gelegenheit erklärte der Angeklagte der Geschädigten H1, sie könne sich fünf Euro verdienen. Bei dieser Gelegenheit war der Bruder der Geschädigten H1, H2, dabei. Wer es länger erdulden würde, eine brennende Zigarette auf dem Handrücken zu ertragen, würde fünf Euro als Belohnung erhalten. Der Angeklagte drückte dementsprechend eine brennende Zigarette auf dem Handrücken der Geschädigten H1 aus und belohnte sie anschließend mit fünf Euro. Die Zeugin erlitt durch die Tat einen auch jetzt noch sichtbaren Brandfleck auf dem rechten Handrücken.
6313.
64Bei einer weiteren Gelegenheit schickte der Angeklagte die Geschädigte H1 zum Duschen. Er folgte ihr und verlangte, sie solle seinen Urin trinken. Als sich die Geschädigte weigerte, ließ er über längere Zeit eiskaltes Wasser über die Zeugin laufen, bis diese in Atemnot geriet. Um der Geschädigten H1 seine Macht zu demonstrieren, fragte er die Zeugin G, die alles mitansehen musste, ober er ihre Tochter umbringen könne und zwang die Mutter sodann, zuzustimmen.
6514.
66An einem weiteren nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum saß der Angeklagte, nur mit einer Unterhose bekleidet, auf der Wohnzimmercouch. Er verlangte von der Zeugin G und der Geschädigten H1 Oralverkehr. Dieser Aufforderung kam zunächst die Geschädigte H1 nach, indem sie sich vor dem Angeklagten hinkniete und seinen Penis in den Mund nahm. Nach kurzer Zeit forderte der Angeklagte die Geschädigte H1 auf, ihrer Mutter den Oralverkehr zu überlassen, „weil die Mama das besser könne als sie, deshalb solle das die Mama machen und sie solle dann die Eier lecken“. Daraufhin nahm die Geschädigte G den Penis des Angeklagten in den Mund, während die Geschädigte H1 den Hodensack des Angeklagten bis zum Samenerguss leckte. Der Angeklagte ejakulierte in den Mund der Geschädigten G im Beisein des Kindes H1.
6715.
68Im Beisein der Geschädigten G führte der Angeklagte bei einer weiteren Gelegenheit auf dem Wohnzimmerbett bei der Geschädigten H1 eine Kerze sowohl in den After als auch in deren Scheide ein. Da den Angeklagten dies erregte, vollzog er sodann im Beisein des Kindes H1 mit deren Mutter G den Geschlechtsverkehr.
6916.
70An einem weiteren, nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum veranlasste der Angeklagte H2, auf seine Schwester, die Geschädigte H1, mit einem hölzernen Kleiderbügel einzuschlagen. H2 kam der Aufforderung des Angeklagten nach, um nicht selbst von diesem geschlagen zu werden.
7117.
72An einem Samstag im Tatzeitraum forderte der Angeklagte die Geschädigte H1 auf, sich nackt auf den Fußboden zu legen und schlug sie anschließend grundlos mit einem nassen Handtuch, insbesondere im Bauchbereich.
7318.
74Im Beisein der Geschädigten G stieß der Angeklagte eine Sicherheitsnadel durch die Wange der Geschädigten H1 und lobte sie anschließend, „sie halte mehr aus, als die Mama“.
7519.
76An einem weiteren nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum befand sich der Angeklagte mit der Geschädigten H1 im Wohnzimmer. Aus einem Karton holte er zunächst einen Dildo, danach einen Vibrator, die er nacheinander in den After und die Scheide der Geschädigten H1 steckte. Nachdem das Kind vor Schmerzen jammerte, strich der Angeklagte Creme auf den Vibrator und veranlasste die Geschädigte nunmehr, diesen sich selbst in die Scheide und in den After einzuführen. Die Geschädigte war hierzu erst bereit, nachdem der Angeklagte ihr androhte, sie zu verprügeln. Während die Geschädigte den Vibrator in ihre Scheide steckte, manipulierte der Angeklagte an seinem Penis. Danach veranlasste er die Geschädigte, seinen Penis in den Mund zu nehmen und daran bis zum Samenerguss zu saugen. Sodann bedrängte er sie, sein Sperma zu trinken.
77B.
78Straftaten zum Nachteil G:
7920.
80An einem nicht näher bestimmbaren Tag im Tatzeitraum zwang der Angeklagte die Geschädigte G, sich eine Zigarette auf der Brust auszudrücken, indem er ihr drohte, sie anderenfalls mit einem Gürtel zu verprügeln. Da dies den Angeklagten sexuell erregte, vollzog er anschließend mit der Geschädigten den Geschlechtsverkehr, die diesen aus Angst vor Schlägen, insbesondere vor Schlägen mit einem Gürtel, zuließ.
8121./22.
82In mindestens zwei Fällen im Tatzeitraum führte der Angeklagte den Analverkehr mit der sich wehrenden und schreienden Geschädigten G durch, wobei er später ihren Mund zuhielt, damit niemand ihre Schreie hören konnte.
8323.
84Bei einer weiteren Gelegenheit veranlasste der Angeklagte die Geschädigte G, sich auszuziehen und unter die Dusche zu stellen. Sodann ließ er das Wasser laufen und verprügelte die Geschädigte.
8524.
86Am 16.11.2002 schlug der Angeklagte die Zeugin G, um sie gefügig zu machen und veranlasste sie sodann, sich auszuziehen und nur mit Stiefeln, Strumpfhose und Morgenmantel bekleidet, ins Badezimmer zu gehen. Dort packte er sie an den Haaren, steckte ihren Kopf in die Kloschüssel und ließ das Wasser laufen. Obgleich die Zeugin, die, wie er wusste, unter einer Wasserphobie leidet, sich beschwerte und den Angeklagten anflehte, von ihr abzulassen, gelang es ihr nicht, sich des Angeklagten zu erwehren. Anschließend zog der Angeklagte die Geschädigte an den Haaren aus der Kloschüssel, führte sie zur Waschmaschine, wo er seinen Penis zunächst anal, anschließend vaginal bei der Geschädigten einführte.“
87Die Strafkammer hat sachverständig beraten bei dem Untergebrachten einen Sadismus als Neigung, andere Menschen zu quälen, wobei dies nicht notwendigerweise sexuell sein müsse, festgestellt, allerdings ohne Krankheitswert. Die Ursache liege in der Persönlichkeit des Untergebrachten.
88Der Untergebrachte wurde am 09.12.2002 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem in Unfreiheit. Seit dem 09.12.2010 wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen.
89Wegen des Verlaufs der Vollstreckung sowie hinsichtlich der im Einzelnen über den Untergebrachten eingeholten Sachverständigengutachten wird auf die ausführliche und zutreffende Darstellung in dem angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 02.12.2020 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
90Mit seiner rechtzeitig eingelegten und mit weiterem Schriftsatz des Verteidigers vom 03.03.2021 begründeten sofortigen Beschwerde begehrt der Untergebrachte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Arnsberg vom 02.12.2020 und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht Arnsberg. Die sofortige Beschwerde richte sich gegen die unterbliebene mündliche Anhörung des Untergebrachten, auf die dieser nach Ansicht der Beschwerde, die sie im Einzelnen darlegt, nicht wirksam verzichtet habe. Dies deshalb nicht, weil es keine Rechtsgrundlage für die Fesselung des Untergebrachten im Gerichtsgebäude im Rahmen der Vorführung gebe. Es sei völlig unklar, warum ein Untergebrachter, dem der Status des Begleitausganges bzw. unbegleiteten Ausganges zustehe und bei dem weder eine Flucht- noch Missbrauchsgefahr bestehe, gefesselt und in einer Arrestzelle eingeschlossen werden solle. Dem Untergebrachten sei daher eine ordnungsgemäße Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer verweigert worden, so dass seine Nichtteilnahme an der Anhörung nicht als Anhörungsverzicht gewertet werden dürfe.
91Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
92II.
931.
94Die mündliche Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg am 01.12.2020 ist ordnungsgemäß und ohne Verfahrensfehler durchgeführt worden. Insbesondere hat der Untergebrachte wirksam auf seine Teilnahme an der mündlichen Anhörung verzichtet. Der Untergebrachte hat es nämlich eindeutig und unmissverständlich abgelehnt, sich zu dem Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer vorführen zu lassen, obwohl zum Zeitpunkt seiner Ablehnung noch nicht feststand, unter welchen Umständen er im Gebäude des Landgerichts Arnsberg zu dem Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer vorgeführt werden würde und er auch selbst nichts unternommen hatte, um eine aus seiner Sicht gebotene Vorführung ohne vorherige Fesselung bzw. ohne vorheriges Einsperren in die Vorführzelle des Landgerichts Arnsberg zu erreichen.
95Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
96Der Untergebrachte befand sich zum Zeitpunkt der fraglichen Anhörung im Lockerungsstatus der Eignung für Begleitausgänge, vereinzelt wurden ihm auch stundenweise eigenständige Ausgänge in das Stadtgebiet von Werl zugestanden. Zum Anhörungstermin am 01.12.2020 hätte der Untergebrachte zunächst im Rahmen eines Begleitausgangs erscheinen sollen. Dieser Begleitausgang musste jedoch kurzfristig abgesagt werden, da ein Begleiter nicht zur Verfügung stand. Daraufhin teilte der Untergebrachte der JVA Werl mit, dass er eine gefesselte Vorführung zum Landgericht Arnsberg nicht wolle. Dies war auch Gegenstand eines Schreibens seines Verteidigers an die JVA Werl vom 30.11.2020. Der Verteidiger bat dort um Prüfung, ob dem Untergebrachten nicht doch der bereits bewilligte Begleitausgang zum Termin gewährt werden könne. Die JVA Werl entschied sodann, dass der Untergebrachte von dort aus nicht gefesselt vorgeführt werden solle, vielmehr ohne Fesselung zum Landgericht verbracht werde. Der Untergebrachte teilte der JVA Werl daraufhin aber weiter mit, dass ihm bekannt sei, dass im Hause des Landgerichts Arnsberg eine Fesselung vorgenommen werde und er vor diesem Hintergrund und zu diesen Bedingungen nicht vorgeführt werden wolle. Weiteres unternahm der Untergebrachte hierzu nicht. Insbesondere hat er sich nicht selbst oder über seinen Verteidiger gegenüber dem Präsidenten des Landgerichts Arnsberg darum bemüht, im Gerichtsgebäude ungefesselt und ohne vorheriges Verbringen in die Vorführzelle vorgeführt zu werden. Im Gerichtssaal und während der Anhörung war eine Fesselung des Untergebrachten nicht geplant.
97a)
98Rechtliche Grundlage einer – tatsächlich hier nicht erfolgten – Anordnung, den Untergebrachten während der Vorführung zum Sitzungssaal der Strafvollstreckungskammer im Gebäude des Landgerichts Arnsberg zu fesseln, wäre das Hausrecht des Präsidenten des Landgerichts Arnsberg. Es umfasst das Recht, zur Wahrung der Zweckbestimmung einer öffentlichen Einrichtung und insbesondere zur Abwehr von Störungen des Dienstbetriebs über den Aufenthalt von Personen in den Räumen der Einrichtungen zu bestimmen. Eine besondere gesetzliche Regelung ist hierfür nicht erforderlich. Die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts ergibt sich daraus, dass eine Behörde, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, auch bestimmen können muss, ob sie eine Person vom Betreten der Räume ausschließt, weil diese ihre ordnungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder stört (vgl. VGH Bad.-Württ., B. v. 17.05.2017 – 1 S 893/17, juris Rn. 3). Handelt es sich bei dem Gebäude um ein Gericht, steht das Recht zur Ausübung des Hausrechts dem/der PräsidentIn als Organ der Justizverwaltung zu, sofern es nicht durch die Wahrnehmung sitzungspolizeilicher Befugnisse der Vorsitzenden der Spruchkörper nach § 176 GVG verdrängt wird (Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 26. Februar 2021 – 1 B 440/20 –, Rn. 17, juris).
99Das Hausrecht des Präsidenten des Landgerichts Arnsberg wird hier konkretisiert durch die Dienstanweisung für die Tätigkeit der Bediensteten des Justizwachtmeisterdienstes im Rahmen von Vorführungen bei dem Landgericht Arnsberg, i. V. m. § 73 VwVG NW als gesetzlicher Grundlage der in der Fesselung liegenden Freiheitsberaubung gewesen.
100Ziff. II. 4. der vorgenannten Dienstanweisung bestimmt:
101„Sind die Voraussetzungen des § 73 VvVG NW erfüllt, kann durch das Anlegen von Handfesseln und ggf. Fußfesseln die Bewegungsfreiheit des Gefangenen bei der Zuführung zum Sitzungssaal angemessen eingeschränkt werden. Auf die Gefahr für die Gefangenen selbst (zum Beispiel beim Treppensteigen) ist stets Rücksicht zu nehmen. Hierüber ist der zuständige Richter zu unterrichten. Soll die Vorführung von Gegangenen in einen Sitzungssaal erfolgen, der nicht über gesonderte Flure und Treppenhäuser mit der Vorführstelle verbunden ist, sind die Vorzuführenden grundsätzlich auf dem Weg zu fesseln.“
102§ 73 VwVG NW sieht die Fesselung einer Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, dann vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Vollzugsdienstkräfte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen von nicht geringem Wert beschädigen wird, dass sie fliehen wird oder befreit werden soll oder sich töten oder verletzen wird.
103b)
104Demnach hätte in jedem Fall betreffend die Fesselung des Untergebrachten eine Einzelfallentscheidung des Präsidenten des Landgerichts Arnsberg nach den oben dargestellten Kriterien ergehen müssen. Eine solche Anordnung stellt einen Verwaltungsakt des Gerichtspräsidenten als Behörde im funktionellen Sinne dar (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. September 2011 – 1 BvR 2377/11 –, Rn. 6, juris; vgl. auch Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl. 2010, § 12 Rn. 100; Lehr, Bildberichterstattung der Medien über Strafverfahren, NStZ 2001, S. 63 <66>; bezüglich Hausverbot/Durchsuchungsanordnung: OVG Schleswig, NJW 1994, S. 340), gegen die der Rechtsschutz – und Eilrechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO – nach der Verwaltungsgerichtsordnung gegeben gewesen wäre (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29. September 2011 – 1 BvR 2377/11 –, Rn. 6, juris; vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. März 2018 – 4 B 232/18 –, Rn. 2 - 7, juris).
105c)
106Nicht veranlasst und auch nicht möglich war dagegen eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, da die Fesselung nicht die am Sitzungssaal endende Sitzungsgewalt der Kammervorsitzenden betraf, sondern das Hausrecht des Gerichtspräsidenten. Damit hatte die Strafvollstreckungskammer keine Möglichkeit, die Modalitäten für die Vorführung des Untergebrachten im Gerichtsgebäude abzuändern. Es wäre deshalb die Sache des Untergebrachten gewesen, gegen die zu erwartende Fesselung – ggf. im Eilrechtswege – gerichtlich vorzugehen (BGH, Beschluss vom 12.08.2015 – StB 6/15 – Rn. 2, juris). Aus diesem Grunde war die Strafvollstreckungskammer auch nicht gehindert, ohne die Anhörung des Untergebrachten zu entscheiden. Auch wenn eine ernsthafte, die Anhörungspflicht suspendierende Weigerung, sich vorführen zu lassen, mitunter dann verneint wird, wenn der Verurteilte hierfür nachvollziehbare Gründe hat (BGH, a. a. O., m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01. April 2019 – 5 Ws 50/19 –, Rn. 18, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Dezember 1995 - 3 Ws 274/95, NStZ 1996, 302, 303; KG, Beschluss vom 2. April 2001 - 1 AR 369/01, juris Rn. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. November 2002 - 3 Ws 1176/02, NStZ-RR 2003, 59; OLG Hamm, Beschluss vom 9. Dezember 2008 - 5 Ws 423 - 425/08, NStZ- RR 2009, 223, 224), kann dies aber nur dann gelten, wenn das Gericht, das über die Aussetzung oder Erledigung der Unterbringung zu entscheiden hat, diese Gründe zu verantworten hat und/oder diesen in eigener Zuständigkeit abhelfen kann. Kann es die Ursachen der Ablehnung des Untergebrachten hingegen nicht beseitigen, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, dessen Verzicht auf eine Vorführung hinzunehmen und ohne Anhörung zu entscheiden, denn das Gericht kann eine Anhörung gegen den Willen des Untergebrachten nicht erzwingen (BGH, a. a. O.).
107III.
108In der Sache ist die sofortige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Erledigung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung gem. Art. 316 e Abs. 1 S. 2 EGStGB; Art. 316 f Abs. 2 S. 1 EGStGB; §§ 67 d Abs. 3 S. 1 StGB in der Fassung vom 22. Dezember 2010 bis zum 31. Mai 2013 abgelehnt.
109Der Senat hatte bereits in seinem Beschluss vom 24.10.2018 – III-3 Ws 400/18 OLG Hamm – ausgeführt, dass auch eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Sicherungsverwahrung gem. gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB in der Fassung vom 22.12.2010 in Verbindung mit Art. 316 e Abs. 1 Satz 2, Art. 316 f Abs. 2 Satz 1 EGStGB nicht in Betracht kommt, da von diesem mit einer konkret feststellbaren, deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit erneute Straftaten vor allem des sexuellen Missbrauchs von Kindern, aber auch der Vergewaltigung erwachsener Frauen zu erwarten sind, bei denen es sich um Straftaten handelt, durch die potentiell Geschädigten auch schwerste seelische und – wie die teilweisen massiven körperlichen Übergriffe des Beschwerdeführers während der Tatausführung zeigen – auch körperliche Schäden erleiden können. Der Senat folgt dabei – wie in seinem Beschluss vom 24.10.2018 im Einzelnen ausgeführt – nach wie vor den ihn überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen K in ihrem Gutachten vom 10.05.2018.
110Das von der Strafvollstreckungskammer herangezogene Gutachten des Sachverständigen L vom 02.11.2020 hält der Senat dagegen für nicht überzeugend. Dieses Gutachten weist eine Reihe schwerer Mängel auf und entspricht nicht den Mindeststandards für Sachverständigengutachten im Bereich der Kriminalprognose. Der Sachverständige L hat in seinem Gutachten vom 02.11.2020 nämlich bereits die dem Urteil des Landgerichts Krefeld vom 18.12.2003 zugrunde liegenden Taten, von denen er ihm Rahmen seiner Begutachtung als so geschehen auszugehen hatte, nicht hinreichend wiedergeben und gewürdigt. Diese Taten werden dort nicht im Einzelnen dargestellt und es fehlt auch jede inhaltliche Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Landgerichts Krefeld in dem vorgenannten Urteil. Dem Untergebrachten hat er die Taten auch nur auszugsweise (Taten 1, 5, 8, 9, 10, 12, 15, 23) vorgehalten und dessen teilweise stark bagatellisierenden Einlassungen hierzu nur unzureichend hinterfragt. Auf diese Weise verschließt sich der Sachverständige L der kritischen Bewertung der Angaben des Untergebrachten, die dieser ihm gegenüber im Rahmen der Exploration gemacht hatte. So wird unkritisch die Darstellung des Untergebrachten übernommen, es sei ihm im Zuge der Quälereien der Opfer lediglich um deren Bestrafung und nicht etwa um seine sexuelle Befriedigung gegangen, auch hätten seine Opfer „nie etwas gesagt oder geweint bei der Tat“ (S. 50 unten des Gutachtens L), allein die Geschädigte H1 habe nur in einem Fall –„bis auf einmal mit den Nadeln“ (S. 56 oben des Gutachtens L) – gesagt: „M, Du tust mir weh“, da sei er wie wach geworden und habe „da“ raus gemusst (S. 50 unten des Gutachtens L) bzw. danach habe er „es gelassen“ (S. 56 oben des Gutachtens L). Im Ergebnis führt dies den Sachverständigen zum Ausschluss der Diagnose des sexuellen Sadismus (S. 117 des Gutachtens).
111Diese Darstellung des Untergebrachten steht eindeutig im Widerspruch zu den Feststellungen des der Unterbringung zugrunde liegenden Urteils des Landgerichts Krefeld vom 18.12.2003, wie sie oben wiedergegeben sind, und in denen das genaue Gegenteil, nämlich Durchführung der Taten gerade zur sexuellen Befriedigung des Untergebrachten und regelmäßig verbunden mit Schmerzeslauten der Opfer, gestützt auf dessen geständige Einlassung festgestellt worden ist.
112Dort findet sich auch eine deutliche Verknüpfung von Schmerzzufügung gegenüber den Geschädigten und sexueller Befriedigung des Untergebrachten. So hatte H1 in Fall 4 vor Schmerzen geweint, während der Untergebrachte einen Finger in ihrem After hin- und her bewegt. Im Fall 6 erregte ihn das Einführen der Kerze in den After des Kindes und er ejakulierte in dessen Pobereich. Im Fall 7 verkehrte der Untergebrachte bis zum Samenerguss mit beiden Geschädigten, und zwar oral mit dem Kind und vaginal mit der Mutter. Die Misshandlung des Kindes mit den vier Sicherheitsnadeln im Fall 10 erfolgte nach den Urteilsfeststellungen ebenfalls zur sexuellen Erregung des Untergebrachten. Keineswegs ist dort aber festgestellt, dass der Untergebrachte – wie gegenüber L erklärt – daraufhin sein Tun „gelassen“ habe. Im Fall 14 kam es wieder zum sexuellen Missbrauch von Kind und Mutter bis zum Samenerguss, im Fall 15 wurde er durch das Einführen einer Kerze in After und Scheide des Kindes sexuell erregt, so dass er anschließend in dessen Beisein mit der Mutter den Geschlechtsverkehr ausführte. Im Rahmen des sexuellen Missbrauchs im Fall 15 jammerte das Kind vor Schmerzen, als er wiederum einen Gegenstand – diesmal einen Vibrator – in dessen After und Scheide eingeführt hatte, was ihn so erregte, dass er das Kind zum Oralverkehr bis zum Samenerguss mit anschließendem Herunterschlucken des Ejakulates zwang. Im Fall 20 erregte ihn, dass sich die Geschädigte G unter seinem Zwang eine Zigarette auf der Brust ausdrückte, so sehr, dass er mit ihr anschließend den – erzwungenen – Geschlechtsverkehr vollzog. In den Fällen 20 und 21 vollführte er mit der vor Schmerzen schreienden G gegen deren Willen den Analverkehr und im Fall 24 erregte ihn die Misshandlung der ihn anflehenden Geschädigten mit der Toilettenschüssel und der Wasserspülung so sehr, dass er mit ihr im unmittelbaren Anschluss anal und vaginal verkehrte. Gleichwohl verneint der Sachverständige L in seinem Gutachten die Sadismus- Kriterien „Steigerung der sexuellen Erregung durch Furcht oder Schmerz des Opfers“, „Erregung durch den sadistischen Akt“ und „Verstümmelung der Genitalien des Opfers“ (trotz Sicherheitsnadeln durch Vagina und Brustwarzen).
113Der Sachverständige L übernimmt auch unkritisch die Schilderung des Untergebrachten, er selbst sei während seiner Kindheit von einem siebzehnjährigen Nachbarssohn sexuell missbraucht („der hat mich immer anal genommen“) worden und verwertet sie in seinem Gutachten, indem er eine weitere als eine ausschließlich sexuelle Motivation für die Taten annimmt, nämlich dass sie der Reinszenierung von in der eigenen Kindheit und Jugend erfahrener körperlicher und sexualisierter Gewalthandlungen dienten, was für L von herausragender Bedeutung für das Verständnis der Persönlichkeit des Untergebrachten sowie für die Einschätzung von dessen Legalprognose ist (S. 92, 94, 95f des Gutachtens). Für die Richtigkeit dieser Angaben des Untergebrachten bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte. Insbesondere gibt es im Rahmen der Feststellungen des der Unterbringung zugrunde liegenden Urteils des Landgerichts Krefeld zur Person des Untergebrachten, die ebenfalls auf dessen eigenen Angaben beruhen, keinerlei Hinweise auf ein solches eigenes Missbrauchsgeschehen. Der Untergebrachte will dies der Psychologin Frau N in der JVA Bochum erzählt haben (S. 45 Gutachten), überprüft hat dies der Sachverständige L nicht.
114Soweit der Sachverständige L im Rahmen der Ablehnung der Diagnose eines sexuellen Sadismus die persönlichen Angaben des Untergebrachten zu seinem sexuellen Erleben, seinen sexuellen Phantasien bzw. sein inneres Erleben bei Begehung der Indexdelikte zugrunde legt, fehlt ebenfalls jede kritische Auseinandersetzung damit, dass der therapieerfahrene Untergebrachte all dies nur erfunden haben kann, um der – wie ihm selbst bekannt sein dürfte – für eine bedingte Entlassung äußerst wenig förderliche Diagnose des sexuellen Sadismus zu entgehen. Dass der Untergebrachte dazu neigt, gegenüber Sachverständigen die Unwahrheit zu sagen, ergibt sich bereits aus dem Vorstehenden, nämlich aus seinen den Urteilsfeststellungen widersprechenden Angaben über seine Tatmotivation und die Modalitäten der Tatausführung hinsichtlich der Delikte, die seiner Unterbringung in diesem Verfahren zugrunde liegen, sowie seine wahrscheinlich erfundene Geschichte zu seinem eigenen sexuellen Missbrauch in der Kindheit.
115Insgesamt sieht der Senat bei dem Untergebrachten erheblichen therapeutischen Handlungsbedarf, was – unabhängig von der Klassifizierung nach ICD 10 bzw. DSM V - seine sadistische und pädophile sexuelle Neigung angeht. Es reicht hier nicht aus, seine Angaben unkritisch zu übernehmen und sich auf ein lange zurückliegendes Gutachten des Sachverständigen O zu beziehen, der eine weitere therapeutische Herangehensweise nicht für erforderlich gehalten hatte. Angesichts der Vorstrafe des Untergebrachten, die ebenfalls ein den hier zugrunde liegenden Taten vergleichbares Handlungsmuster, nämlich das Herangehen an eine Frau mit minderjährigen Kindern, um anschließend diese Kinder bzw. deren Freunde sexuell auszunutzen, aufweist, spricht aus Sicht des Senats eine deutliche Sprache im Hinblick auf das Vorliegen pädophiler Neigungen. Hier, wie einige Sachverständige dies ausführen, davon zu sprechen, dass bei dieser Vorgeschichte keinerlei Anhaltspunkte für eine pädophile Neigung des Untergebrachten vorliegen, ist aus Sicht des Senats schlichtweg nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass der Untergebrachte mit sadistisch gefärbten Straftaten erst in einer späteren Lebensphase etwa ab dem 39 Lebensjahr in Erscheinung getreten ist, lässt sich ohne Weiteres darauf zurückführen, dass er schlicht keine Möglichkeit hatte, diese Neigungen in früheren Beziehungen auszuleben. Immerhin hatte es aber bereits seit dem Jahre 1975 Gewalttätigkeiten des Untergebrachten gegenüber seinen damaligen Partnerinnen gegeben, ohne dass darüber Näheres bekannt wäre. Auf das Bestehen solcher Beziehungen, die sexuell-sadistische Straftaten zulassen, ist der Untergebrachte aber nach Ansicht aller Sachverständiger angewiesen, da sie sämtlich der Ansicht sind, dass der Untergebrachte eben nicht der Typ des Straftäters ist, der ihm unbekannte Opfer überfällt, um diese anschließend zu quälen und sexuell zu missbrauchen. Vielmehr benötigt er zunächst die Herstellung eines engeren Kontaktes zu den Opfern, in dessen Rahmen es dann zu solchen Straftaten kommt. Im Übrigen entspricht es dem Stand der psychiatrischen Forschung zum Bereich des Sadismus, dass gerade die eigenen Angaben des Probanden kein hinreichend zuverlässiges Mittel sind, um die Diagnose zu begründen oder auszuschließen. Vielmehr sind wesentlich die Umstände der Taten heranzuziehen, die hier aber nach Ansicht des Senates eine eindeutige Sprache im Hinblick auf eine sadistisch-sexuelle Orientierung des Untergebrachten sprechen (Eher et al., Sadism and Violent Reoffending in Sexual Offenders, in: Sexual Abuse: A Journal of Research and Treatment, 2016, Vol. 28(1) 46–72: „Evidence of sadism can occasionally be derived from statements of the sadist. Alternatively, and more commonly in the context of forensic assessment, a sadistic sexual preference has to be inferred from victim statements or from a detailed description of pertinent offenses as a corresponding disposition may not be disclosed by the offender”).
116Dies alles wird bei den künftigen Entscheidungen über die Erledigung der Unterbringung bzw. die bedingte Entlassung des Untergebrachten aus der Unterbringung auf der Grundlage eines fundierten Sachverständigengutachtens zu berücksichtigen sein.