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Die Berufung des Klägers gegen das am 28.02.2020 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld – 18 O 26/19 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten im Wesentlichen über Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines T Modell01 Diesel.
4Die Beklagte zu 1 ist autorisiert, Fahrzeuge der Marke T zu vertreiben, die Beklagte zu 2 ist die Fahrzeugherstellerin.
5Am 20.05.2017 erwarb der Kläger von der Beklagten zu 1 das streitgegenständliche Fahrzeug, einen T Modell01, Erstzulassung 00.04.2014, mit einer Laufleistung von 70.015 km zu einem Preis von 46.400,00 € (Anl. K1, Bl. 5 ff. d.A.). In dem Fahrzeug ist ein 3,0 l V 6 Dieselmotor mit 180 kW verbaut, den die Beklagte zu 2 von der W AG bezog. Das Fahrzeug verfügt über eine Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5.
6Zur Reduktion des Stickoxidausstoßes enthält das Fahrzeug ein System der Abgasrückführung (AGR). Dabei kommt ein sog. Thermofenster zur Anwendung, das insbesondere dazu führt, dass die AGR bei kühleren Temperaturen zurückgefahren wird. Über einen SCR-Katalysator verfügt das Fahrzeug nicht.
7In den dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1 heißt es unter Ziff. VI.:
8“1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden. (…)
91. Die Verjährungsverkürzung in Z.1 S. 1 dieses Abschnittes (…) gilt nicht für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung der Pflichten des Verkäufers, seines gesetzlichen Vertreters oder seiner Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit.“
10Das Fahrzeug wurde am 29.05.2017 an den Kläger ausgeliefert.
11Mit E-Mail vom 28.07.2017 fragte der Kläger bei der Beklagten zu 1 nach, ob sein Fahrzeug von der Rückrufaktion der T Modell01 Diesel betroffen sei. Ein Mitarbeiter teilte daraufhin per E-Mail am 30.07.2017 mit, dass aktuell auf eine Rückmeldung der Beklagten zu 2 gewartet werde und er Bescheid gebe, sobald er etwas wisse. Eine Rückmeldung der beiden Beklagten erfolgte jedoch nicht. Der Kläger wandte sich daraufhin aufgrund der Presseberichterstattung betreffend den sog. Abgasskandal der Volkswagen AG an seinen Prozessbevollmächtigten.
12In der Folge ordnete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) den Rückruf für Fahrzeuge des Typs T Modell01 V6 3,0 l Diesel mit Abgasnorm Euro 6 (Baujahre 2014 bis 2017) und eine Aktualisierung der Motorsoftware dieser Fahrzeuge an. Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs mit der Abgasnorm Euro 5 waren von dem Rückruf nicht betroffen.
13Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.12.2018 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie dessen Anfechtung und forderte die Beklagten unter Fristsetzung zum 19.12.2018 zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf. Die Beklagte zu 1 wies die Forderung mit Schreiben vom 19.12.2018 mit der Begründung zurück, das Fahrzeug sei nach Überprüfung der Fahrgestellnummer nicht von einer Softwaremanipulation betroffen. Die Beklagte zu 2 teilte mit Schreiben vom 14.12.2018 (Anl. K7, Bl. 22 d.A.) mit, sie nehme in Abstimmung mit dem KBA eine Aktualisierung der Motorsoftware des Typs T Modell01 3,0 l V6 Diesel der Baujahre 2014 und 2015 mit der Abgasnorm Euro 6 vor, das Fahrzeug des Klägers sei als eines mit der Abgasnorm Euro 5 nicht betroffen.
14Anfang des Jahres 2020 stellte die Beklagte zu 2 ein Software-Update für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zur Verfügung, dessen Durchführung ausweislich der über das KBA an die Fahrzeughalter versandten Schreiben nahegelegt wurde, um im Einklang mit den Zielen des sog. Diesel-Gipfels im Jahr 2017 eine weitere Reduzierung des Schadstoffausstoßes zu erreichen.
15Der Kläger hat mit der Klageschrift behauptet, sein Fahrzeug sei von der sog. Dieselaffäre betroffen. Dies folge aus einem Artikel der Q Zeitung (Anl. K4, Bl. 13 f. d.A.), wonach der T Modell01 3,0 l V6 (Jahrgänge 2014 bis 2016) betroffen sei. Einer Mitteilung der Verbraucherzentrale (Anl. K4, Bl. 15 d.A.) zufolge würden Fahrzeughalter eines T Modell01 Diesel Euro 5 (Baujahr 2014) angeschrieben, wenn eine Nachrüstung des Fahrzeugs möglich sei. Er müsse vor diesem Hintergrund davon ausgehen, dass sein Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen sei. Ein Sachverständigengutachten werde ergeben, dass dies der Fall sei, das Fahrzeug also insbesondere über eine Steuerung verfüge, die erkenne, ob es sich auf einem Prüfstand befinde, und für diese Situation die Abgaswerte ändere. Das Fahrzeug „dürfe“ über keine Zulassung verfügen, da das KBA – wie auch bei dem Modell01 Euro 6 – von der Beklagten zu 2 getäuscht worden sei. Beiden Beklagten sei dies bereits im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Kaufvertragsschlusses bekannt gewesen. Er habe bereits beim Kaufvertragsschluss gefragt, ob das Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen sei. Dies sei vom Verkäufer verneint worden. Bei zutreffender oder unterbliebener Information hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten würden daher aus § 826 BGB haften.
16Auf Hinweis des Gerichts zur mangelnden Substantiierung seines Vorbringens hat der Kläger unter Verweis auf eine nicht näher benannte Quelle im Internet behauptet, bei V6 und V8 Motoren von T schalte die Abgasreinigung ab, sobald Lenkbewegungen erkannt würden. Dadurch würden auf dem Prüfstand geringere Abgaswerte erzielt als im realen Fahrbetrieb. Damit liege eine „illegale Abgastechnik“ vor. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Fahrzeug sei vor diesem Hintergrund mangelhaft. Einer Nacherfüllungsfrist bedürfe es nicht, da die Beklagte zu 1 einen Mangel bestritten und damit jede Gewährleistung endgültig abgelehnt habe. Der Rücktritt sei auch nicht im Hinblick auf die vereinbarte Verkürzung der Verjährungsfrist ausgeschlossen. Die Begrenzung beziehe sich bei zutreffender Würdigung nur auf die Haftungsfrist, nicht aber auf die Frist zur Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche. Andernfalls sei die Klausel unwirksam. Eine Verkürzung der Frist zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen sei bei gebrauchten Sachen unzulässig, lediglich die Haftungsdauer dürfe verkürzt werden (Bl. 178 d.A.). Zudem habe die Beklagte zu 1 „möglicherweise“ schon bei der Veräußerung des Fahrzeugs den Mangel gekannt und ihn nach seiner Anfrage im Jahr 2017 hingehalten. Daher habe er den Kaufvertrag auch angefochten. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei zudem rechtsmissbräuchlich.
17Der Kläger hat ferner behauptet, den Organen der Beklagten zu 2 sei durch den Bezug der Motoren von der W AG bekannt gewesen, dass diese vom Abgasskandal betroffen seien. Die Beklagte zu 2 habe die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs in Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung vertrieben, um eigenen Gewinn durch Täuschung der Kunden zu erzielen. Mit dem als Anlage K7 (Bl. 22 d.A.) vorgelegten Schreiben habe die Beklagte zu 2 zugegeben, die Käufer des Fahrzeugmodells Modell01 3,0 l V6 Diesel Euro 6 vorsätzlich rechtswidrig geschädigt zu haben. Die Behauptung, dass lediglich Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 6 betroffen seien, sei „hochgradig unglaubwürdig“, werde bestritten und insoweit Sachverständigenbeweis angeboten. Die Rückrufliste des KBA sei nicht abschließend und werde ständig aktualisiert, weshalb es nicht darauf ankomme, dass das streitgegenständliche Fahrzeug dort noch nicht erfasst sei. Mangels gerichtlicher Entscheidungen habe er, der Kläger, zunächst nur vermuten können, dass sein Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen sei.
18Unter Verweis auf ein Urteil des LG Koblenz vom 10.07.2019 hat der Kläger in der Folge behauptet, in dem Fahrzeug sei ein Thermofenster verbaut. Darin liege eine unzulässige Abschalteinrichtung (Bl. 103R d.A.). Ein Thermofenster sei nur zulässig, soweit es zum Schutz des Motors vor Beschädigungen notwendig sei. Es sei daher nur gestattet, auf punktuell eintretende Ereignisse zu reagieren, nicht zulässig seien Abschalteinrichtungen, wenn sie den Normalbetrieb beträfen. Dies sei bei dem vorliegend verbauten Thermofenster der Fall. Dies sei zum Schutz der Bauteile nicht erforderlich. Es liege zwar noch kein Rückruf vor, es bestehe aber die latente Gefahr, dass ein solcher erfolge. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es fehle damit die Eignung für die gewöhnliche Verwendung.
19Unter Zugrundelegung einer Gesamtfahrleistung von 250.000 km und der von ihm zurückgelegten Laufleistung von 14.485 km ergebe sich ein Nutzungsvorteil in Höhe von 3.734,22 €, der auf den Kaufpreis angerechnet werde (Bl. 3 d.A.).
20Der Kläger hat beantragt,
211. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 42.665,78 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 865,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2018 Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges T Typ typ01, Fahrzeugidentifikationsnummer FIN01, Erstzulassung 00.04.2014, zu zahlen;
222. festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme des unter Ziff. 1 bezeichneten Fahrzeuges in Verzug befinden.
23Die Beklagten haben beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, die Klage beziehe sich im Wesentlichen auf andere Motoren (EA189) bzw. Fahrzeugtypen (T Modell01 3,0 l V6 Euro 6) und sei daher unschlüssig. Die Behauptungen des Klägers zum streitgegenständlichen Fahrzeug erfolgten erkennbar ins Blaue hinein, unstreitig gebe es diesbezüglich keinen Rückruf des KBA. Mit Schriftsatz vom 14.02.2020 hat die Beklagte zu 2 diesbezüglich ausgeführt, dass „momentan eine Anhörung zu diesem Fahrzeug“ stattfinde, ein Bescheid jedoch nicht ergangen sei.
26Die Beklagte zu 1 hat zudem behauptet, das Fahrzeug weise keinen Mangel auf, es verfüge nicht über eine „illegale Abgastechnik“. Ein Rückschluss von neueren (Euro 6) auf ältere Motoren (Euro 5) verbiete sich. Das Klägervorbringen zum Thermofenster werde mit Nichtwissen bestritten. Zudem hat sie die Auffassung vertreten, ein Rücktritt komme aufgrund der fehlenden Nachfristsetzung nicht in Betracht.
27Überdies hat die Beklagte zu 1 die Einrede der Verjährung erhoben. Diesbezüglich hat sie die Auffassung vertreten, etwaige Ansprüche seien aufgrund der vereinbarten Verkürzung der Verjährungsfrist mit Ablauf des 29.05.2018 verjährt. Die Erhebung der Einrede sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Sie habe auf die schriftliche Anfrage des Klägers keine Auskunft über die Betroffenheit des Fahrzeugs vom sog. Abgasskandal geben können, da das Fahrzeug von keinem Rückruf des KBA betroffen gewesen sei.
28Ferner hat die Beklagte zu 1 die Ansicht vertreten, der Kaufvertrag sei auch nicht aufgrund der klägerseits erklärten Anfechtung nichtig. Das Vorbringen des Klägers sei unschlüssig und unsubstantiiert. So werde schon nicht konkret behauptet, dass sie Kenntnis von einem Mangel gehabt habe. Zudem werde nicht dargelegt, worüber der Kläger getäuscht worden sein soll. Eine Täuschung durch die Beklagte zu 2 werde mit Nichtwissen bestritten und im Übrigen müsse sie, die Beklagte zu 1, sich eine solche nicht zurechnen lassen. Letztlich sei das Anfechtungsrecht gemäß § 124 BGB auch verfristet. Auch anderweitige Schadensersatzansprüche gegen sie kämen nicht in Betracht.
29Die Beklagte zu 2 hat behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei entgegen der klägerischen Behauptung nicht von der sog. Abgasthematik betroffen. Das Thermofenster reduziere die Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen („Ausrampen“), was zum Schutz des Motors notwendig sei. Das Thermofenster entspreche dem Stand der Technik und werde bei allen Herstellern eingesetzt. Dies sei in Fachkreisen und bei den Aufsichtsbehörden allgemein bekannt. Das gelte auch für das in dem streitgegenständlichen Fahrzeug bedatete Thermofenster (Bl. 145 d.A.). Es stelle, so hat die Beklagte zu 2 gemeint, schon keine Abschalteinrichtung dar, weil keine Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bei normalen Fahrbedingungen vorliege. Selbst wenn darin eine Abschalteinrichtung liege, sei diese jedenfalls nicht unzulässig. Auch die ohne Thermofenster eintretende Versottung des Motors durch dauerhafte Belastung stelle eine Beschädigung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a Alt. 1 VO(EG) 715/2007 dar.
30Sie hat ferner die Ansicht vertreten, anhand des Klägervortrags lasse sich schon nicht erkennen, worüber dieser getäuscht worden sein solle. Die Existenz des Thermofensters sei zu keinem Zeitpunkt verschleiert oder verheimlicht worden. Angesichts der fortgeltenden Typgenehmigung und Nutzbarkeit des Fahrzeugs sei eine Täuschung des Klägers nicht erkennbar. Zudem scheide eine Täuschung des Klägers durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs schon deshalb aus, weil er den PKW als Gebrauchtfahrzeug erworben habe. Es lasse sich anhand des klägerischen Vortrags auch nicht feststellen, dass er einem täuschungsbedingten Irrtum unterlegen und deswegen eine schädigende Vermögensverfügung getroffen habe. Es werde bestritten, dass der Kläger bei Kenntnis von der Funktionsweise eines – dem Stand der Technik entsprechenden und in jedem vergleichbaren Dieselfahrzeug verbauten – Thermofensters vom Kauf abgesehen hätte. Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden, da es weder zu einem Wertverlust des Fahrzeugs noch zu Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit gekommen sei.
31Zudem habe der Kläger einen sie betreffenden Vorsatz schon nicht dargelegt. Auch insoweit bleibe das Vorbringen des Klägers gänzlich unsubstantiiert und nicht erwiderungsfähig. Überdies sei insoweit zu berücksichtigen, dass sie nicht Herstellerin des in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors sei, sondern dieser von der W AG entwickelt und hergestellt worden sei. Sie habe den Motor mit Thermofenster (Bl. 234 d.A.) lediglich zugekauft. In der Verwendung eines Thermofensters liege jedenfalls in keinem Fall eine besonders verwerfliche Täuschung.
32Der auf ein Fehlverhalten von unterhalb der Vorstandsebene angesiedelter Mitarbeiter gerichtete Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Stuttgart stelle lediglich eine fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht im Unternehmen fest. Hieraus ergäben sich auch keine Ansprüche gemäß § 831 Abs. 1 BGB. Insbesondere folge dies nicht aus einem Verstoß gegen § 27 EG-FGV, da zum einen die Übereinstimmungsbestimmung nicht ungültig sei und diese Norm zudem kein Schutzgesetz darstelle. Im Übrigen treffe sie, die Beklagte zu 2, keine sekundäre Darlegungslast, die sie zudem aber auch erfüllt habe.
33Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 423 ff. d.A.) Bezug genommen.
34Das Landgericht Bielefeld hat mit dem am 28.02.2020 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen Folgendes aus:
35Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 aus kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht. Ein etwaiger Anspruch sei jedenfalls verjährt. Die Verjährungsfrist sei durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1 wirksam auf ein Jahr begrenzt worden. Die Verkürzung entspreche der Regelung in § 476 Abs. 2 BGB. Zwar widerspreche § 476 Abs. 2 BGB der Richtlinie 2011/83/EU des europäischen Parlamentes und des europäischen Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher. Dies sei bis zu einer Neuregelung jedoch ohne Auswirkungen auf die lex lata, wobei auch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht komme.
36Etwaige Ansprüche seien daher mit Ablauf des 29.05.2018 verjährt, die Rücktrittserklärung vom 12.12.2018 somit verfristet. Arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1 habe der Kläger nicht dargelegt. Allein der Vortrag, er habe bei den Verkaufsverhandlungen nach einer Betroffenheit vom Abgasskandal gefragt und dies sei verneint worden, begründe ein solches nicht. Der Kläger habe schon nicht substantiiert behauptet, dass auf Seiten der Beklagten zu 1 Kenntnis von einer etwaigen Betroffenheit des Fahrzeugs vom sog. Abgasskandal bestanden habe oder eine solche zumindest für möglich gehalten worden sei. Gemessen daran könne der Beklagten zu 1 kein arglistiges Verhalten nachgewiesen werden. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, die Beklagte zu 1 habe keine Auskunft über die Betroffenheit des Fahrzeugs vom sog. Abgasskandal machen können, da sie nicht Herstellerin sei und unstreitig kein Rückruf des KBA vorgelegen habe. Ihr sei auch das Zuwarten des Klägers bis zur Erklärung des Rücktritts nicht anzulasten. Eine wirksame Anfechtung liege vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht vor.
37Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bestünden ebenfalls nicht. Ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2 lasse sich dem Klägervortrag nicht entnehmen. Die Behauptungen des Klägers erfolgten ins Blaue hinein. Es fehle schon an substantiiertem Vortrag dazu, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Weder liege ein Motor des Typs EA 189 vor, noch handele es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen T Modell01 3,0 l mit der Schadstoffklasse Euro 6. Eine Vergleichbarkeit mit diesem Motor sei nicht dargetan und könne nicht einfach nur hergeleitet werden. Es könnten nicht sämtliche Motoren einer Motorenfamilie ohne Berücksichtigung ihrer technischen Merkmale dem Generalverdacht einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterworfen werden. Selbst wenn aber eine unzulässige Abschalteinrichtung vorläge, würde dies allein keine Haftung begründen. Die Beklagte zu 2 sei nicht Herstellerin des Motors. Der Kläger hätte daher darzulegen, dass sie Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeugs gehabt und ihn deshalb habe täuschen wollen. Der Kläger habe zu den subjektiven Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere zur Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 2 oder der verfassungsmäßig berufenen Vertreter, nicht ausreichend vorgetragen. Der Hinweis auf die Medienberichterstattung oder bloße Vermutungen genügten insoweit nicht. Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2 setze zumindest voraus, dass klägerseits zu den subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB ansatzweise vorgetragen werde.
38Soweit der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Schriftsätzen der Beklagten vom 14.02.2020 und 10.02.2020 beantragt habe, sei dem nicht zu entsprechen gewesen, da das Gericht seine Entscheidung nicht auf die in diesen Schriftsätzen enthaltenen Ausführungen gestützt habe.
39Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 254 ff. d.A.) Bezug genommen.
40Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt im Wesentlichen, er habe mehrfach unter Beweisantritt dargelegt, dass das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge. Unstreitig verwende die Beklagte zu 2 ein Thermofenster, durch das die Abgasrückführung nur innerhalb eines Temperaturfensters von 20°C bis 30°C uneingeschränkt wirksam sei und bei kühleren Außentemperaturen zurückfahre bzw. gänzlich abgeschaltet werde. Zwar habe das KBA noch keinen Rückruf angeordnet, ein solcher liege aber für das Modell Modell01 Diesel V6 Euro 6 vor. Die verbauten Motoren „ähnelten“ sich. Unstreitig habe die Beklagte zu 2 eingeräumt, die Endabnehmer hinsichtlich des vorbenannten Modells arglistig getäuscht zu haben.
41Die Ehefrau des Klägers habe – was unstreitig ist – als Halterin des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung ein Schreiben des KBA aus März 2020 erhalten (Anl. K9, Bl. 345 d.A.), wonach die Beklagte zu 2 ein Software-Update für die Motorsteuerung anbiete (Bl. 347 f. d.A.), um angeblich eine weitere Reduzierung der Stickoxydemissionen zu erreichen.
42Die angefochtene Entscheidung verstoße bereits gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs, da die beantragte Schriftsatzfrist nicht bewilligt worden sei. Wäre dies der Fall gewesen, hätte die Entscheidung des LG Stuttgart vom 13.03.2020 (Bl. 276 ff. d.A.) vorgelegt werden können, bei der es sich um einen Vorlagebeschluss betreffend das streitgegenständliche Fahrzeug handele.
43Das Landgericht habe verkannt, dass es „auf der Hand“ liege, dass die Beklagte zu 2 eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut habe, die einen Mangel darstelle, der die Beklagten zur Rückgängigmachung des Kaufes verpflichte.
44Ferner habe das Landgericht verkannt, dass die Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 nicht verjährt seien. Soweit das Landgericht bezüglich der Wirksamkeit der Verkürzung der Verjährungsfrist auf eine Kommentierung im Münchener Kommentar durch Lorenz verweise, begegne dessen Auffassung Bedenken. Zudem sei eine besondere Prüfung der Wirksamkeit der AGB erforderlich. Diese seien vorliegend intransparent, weil der Verbraucher nicht erkennen könne, was gelten solle, „wenn er den Verkäufer innerhalb der Frist nochmals gezielt nach einer Verwicklung des Fahrzeugs im Abgasskandal befragt und er von dem Verkäufer keine Antwort erhält“. Dies gelte erst recht, weil insoweit eine Nacherfüllung ausscheide. Im Zweifel hätte das Landgericht „für die zweijährige Regelverjährung“ entscheiden müssen.
45Das Landgericht stelle zudem zu Unrecht darauf ab, dass bislang kein amtlicher Rückruf vorliege. Er habe das Fahrzeug konkret unter Benennung einer ID bezeichnet, sodass ein Sachverständiger feststellen könne, dass es mit „den mehrfach vorgetragenen, unzulässigen Abschalteinrichtungen“ ausgestattet sei.
46Rechtsfehlerhaft sei auch die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte zu 2 hafte nicht, weil sie den Motor nicht hergestellt habe. So kenne die Beklagte zu 2, insbesondere deren Vorstand, als Fahrzeugherstellerin die genaue Funktionsweise des Motors und die Zulässigkeit/Unzulässigkeit von Abgaseinrichtungen.
47Unter Zugrundelegung einer Gesamtfahrleistung von 300.000 km – wie in der Rechtsprechung vertreten – und der (zwischenzeitlich erhöhten) Laufleistung von insgesamt 28.995 km ergebe sich ein anzurechnender Nutzungsvorteil in Höhe von 5.849,81 €, weshalb das erstinstanzliche Urteil nur eingeschränkt angefochten werde.
48Der Kläger beantragt,
49das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 28.02.2020, 18 O 26/19, teilweise abzuändern und
501. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 40.550,19 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 865,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2018 Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges T Typ typ01, Fahrzeugidentifikationsnummer FIN01, Erstzulassung 00.04.2014, zu zahlen;
512. festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme des unter Ziff. 1 bezeichneten Fahrzeuges in Verzug befinden.
52Die Beklagten beantragen,
53die Berufung zurückzuweisen.
54Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
55Die Beklagte zu 1 führt insbesondere aus, dass weder eine arglistige Täuschung noch ein Mangel vorliege. Bei dem Software-Update handele es sich nicht um eine verpflichtende Maßnahme, sondern diene der weiteren Reduktion des Schadstoffausstoßes bei Fahrzeugen der Abgasklasse Euro 5. Ferner fehle es unstreitig an einer Nachfristsetzung, die auch nicht entbehrlich gewesen sei. Ein etwaiges Rücktrittsrecht sei zudem verfristet. Die Verkürzung der Verjährungsfrist sei zulässig, die AGB seien weder intransparent noch wegen Verstoßes gegen EU-Recht unwirksam.
56Die Beklagte zu 2 führt insbesondere an, der Kläger übergehe weiterhin die Besonderheiten des Falles. Der streitgegenständliche Motor sei nicht baugleich mit dem des Modell01 3,0 l V6 Diesel Euro 6. Die Motoren wiesen nicht die gleichen technischen Eigenschaften auf. Auch die Motorsteuerung sei unterschiedlich. Vergleiche und Rückschlüsse seien nicht zulässig. Der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps sei von W, konkret der W (..) „Motorenwerk und Produktstandort, Anm. d. Redaktion“, geliefert worden, die Motorsteuerung und die dazugehörige Motorsteuerungssoftware sei als Teil eines teilmontierten Fahrzeugs von VW an sie, die Beklagte zu 2, geliefert worden. Mit der Anpassung der Motoren zum Zwecke der Erzielung des gewünschten Fahrverhaltens habe sie VW beauftragt, diese wiederum habe W unterbeauftragt. Sie habe während der Entwicklungsphase zwar Fahrtests durchgeführt und Rückmeldungen zu gewünschten Änderungen gegeben, eine spezifische oder gesamthafte Softwareanalyse sei jedoch grundsätzlich nicht durch sie erfolgt. Die notwendigen Änderungen der Bedatung habe W durchgeführt. Die Endmontage sei in ihrem Cer Werk erfolgt. Dort habe sie den gelieferten Dieselmotor in das von VW gelieferte teilmontierte – und das Motorsteuerungsgerät samt Software bereits umfassende – Fahrzeug eingebaut und die Montage finalisiert. Ihr Arbeitsanteil habe sich auf den rein mechanischen Einbau des Motors beschränkt. Eine vermeintliche Kenntnis von angeblich unzulässigen Abschalteinrichtungen werde damit widerlegt.
57Sie habe zudem mit dem Aufkommen der Dieselthematik umfangreiche interne technische Prüfungen durchgeführt, ohne dass dabei unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt worden seien. Mitte Juni 2017 habe sie erstmals zu dem nicht streitgegenständlichen Modell01 3,0 l V6 Diesel Euro 6 die relevanten Informationen zum Warmlaufmodus (SCR-Katalysator) erhalten. Einen solchen Katalysator habe das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig nicht. Diese Erkenntnisse habe sie nur eine Woche später am 23.06.2017 gegenüber dem KBA offengelegt. In der Folge habe das KBA einen Rückrufbescheid zum Modell01 3,0 l V6 Diesel Euro 6 und zum Modell02 3,0 l V6 Diesel Euro 6 erlassen, in dem die Bedatung des Warmlaufmodus (SCR-Katalysator) als unzulässige Abschalteinrichtung verbeschieden worden sei.
58Das nunmehr zur Verfügung stehende freiwillige Software-Update sei aufgrund des technischen Fortschritts mittlerweile durchführbar und diene der weiteren Reduktion des Schadstoffausstoßes. Allein aus Datenschutzgründen sei der Versand nicht durch T selbst erfolgt, sondern über das KBA.
59Im Übrigen gehöre der Kläger als Gebrauchtwagenkäufer selbst bei unterstellter Täuschung nicht zum Kreis derjenigen, die sie, die Beklagte zu 2, mit Werbeaussagen im Blick gehabt habe.
60Ferner stehe einem Sittenwidrigkeitsvorwurf entgegen, dass die Typgenehmigungsvoraussetzungen nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dienten, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen.
61Mit Schriftsatz vom 19.10.2020 behauptet die Beklagte zu 2 ferner, dass das Ende 2019 eingeleitete Anhörungsverfahren des KBA betreffend den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp nach umfangreichen technischen Untersuchungen im September 2020 beendet worden sei und das KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt habe. Insoweit verweist die Beklagte zu 2 auf ein Schreiben des KBA an das OLG Stuttgart vom 11.09.2020 (Anl. B19, Bl. 447 ff. d.A.), in dem mitgeteilt wird, dass „allgemeingültig für die Gruppe an Fahrzeugen des Volkswagenkonzerns mit dem V6-TDI Euro 5 Generation 2 Motoren“ keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und dementsprechend auch kein amtlicher Rückruf angeordnet worden sei; für die festgestellten emissionsbezogenen Abschaltstrategien sei keine Unzulässigkeit festgestellt worden, weil umfangreiche vorgelegte Unterlagen des Herstellers zu spezifischen Feldausfällen, verbunden mit entsprechenden Nachweistests, deren Notwendigkeit zur Gewährleistung des Motorschutzes belegten. Die Beklagte zu 2 behauptet, auch der streitgegenständliche Fahrzeugtyp verfüge – neben dem im Schreiben des KBA genannten T Modell03 – über den vorgenannten Motor. Ein Betriebseinschränkung oder -untersagung drohe demnach nicht. Die technische Notwendigkeit eines Thermofensters sei dem KBA, wie sich aus dem Schreiben ergebe, bereits in den Jahren 2008/2009 prinzipiell bekannt gewesen und daher bestimmte Prüfungen bei niedrigen Temperaturen ausdrücklich nicht vorgeschrieben gewesen.
62Mit weiterem Schriftsatz vom 01.03.2021 hat die Beklagte zu 2 – unter näherer Darlegung – vorgetragen, sie habe im Rahmen ihrer umfangreichen internen Sachverhaltserfassung keine Belege dafür gefunden, dass ihre (auch ehemaligen) Vorstände oder sonstige relevante Personen bis in den Juni 2017 hinein Kenntnis von der konkreten, vom KBA als unzulässig festgestellten Bedatung der Motorsteuerungssoftware bei den Fahrzeugtypen Modell01 Diesel V6 Euro 6 und Modell02 Diesel V6 Euro 6 gehabt hätten. Dies gelte noch viel mehr für die nicht betroffenen Fahrzeugtypen Modell01 Diesel V6 EU5 und Modell03 Diesel V6 EU5. Insoweit sei schon nicht ersichtlich, von welcher konkreten Bedatung Kenntnis bestanden habe sollte.
63Der Kläger hat zum Vorbringen der Beklagten zu 2 im Schriftsatz vom 19.10.2020 mit Schriftsatz vom 02.11.2020 (Bl. 453 ff. d.A.) Stellung genommen und ausgeführt, dass angesichts der von der Beklagten zu 1 eingeräumten Anhörung durch das KBA der Verdacht bestanden habe und noch bestehe, dass das Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen sei. Ein solches Fahrzeug habe er jedoch nicht kaufen wollen, zumindest hätte ihm der Umstand offengelegt werden müssen.
64Ferner werde im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten zu 2, wonach das KBA keine unzulässigen Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug habe feststellen können, mit Nichtwissen bestritten, dass eine „absolute Vergleichbarkeit“ des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit dem vom KBA überprüften Modell03 (Baujahr 2013; vgl. Anl. B19, Bl. 447 f. d.A.) bestehe.
65Die Ehefrau des Klägers habe zudem „im Oktober 2020“ über das KBA ein weiteres Schreiben der Beklagten zu 2 erhalten, in dem darauf hingewiesen werde, dass im Falle der Durchführung des als „freiwillig“ propagierten Software-Updates eine fahrzeugspezifische Umrüstungsbescheinigung ausgestellt werde (Anl. K11, Bl. 456 ff. d.A.). Allerdings solle in Erweiterung zu dem Schreiben „im März 2020“ nunmehr auch eine Änderung der Schaltkriterien erfolgen. Der Kläger meint, wenn es sich um eine freiwillige Maßnahme handele, sei unklar, weshalb eine Umrüstungsbescheinigung erforderlich sei. Es handele sich offenbar um eine rein politisch motivierte Entscheidung, die den Rückruf durch das KBA verhindern solle.
66Mit weiterem Schriftsatz vom 08.03.2021 trägt der Kläger bezüglich des Schriftsatzes der Beklagten zu 2 vom 01.03.2021 vor, dass insoweit eine angemessene Frist zur Stellungnahme und eine Verlegung des Verhandlungstermins vom 09.03.2021 beantragt werde, im Übrigen werde Verspätung gerügt. Welche Kenntnis seitens der Beklagten bestanden habe, folge aus der Recherche der u.a. auf (..) ausgestrahlten Sendung (..). Danach sei die Abgasmanipulation als Geschäftsmodell von VW und W bereits seit 2008 konzernwert den Vorständen bekannt gewesen, auch denen der Beklagten zu 2. In einem solchen Unternehmen sei es ausgeschlossen, ohne Kenntnis der Vorstände Fahrzeuge mit unzulässiger Abschalteinrichtung zu produzieren. Die vorgenannte Dokumentation lege anschaulich die Verschleierungstaktik offen, mit der offenbar auch die Beklagte zu 2 vorgehe, statt zuzugeben, dass sie ihre betroffenen Fahrzeuge in Kenntnis der Verwendung unzulässiger Abgaseinrichtungen vertrieben habe, sich bei ihren Kunden zu entschuldigen und auch das streitgegenständliche Fahrzeug zurückzunehmen, sobald durch Gutachten eines gerichtlich zu bestellenden Sachverständigen feststehe, dass es mit Einrichtungen versehen sei, die bewirkten, dass es im Realbetrieb u.a. wesentlich mehr Stickoxyde ausstoße als auf dem Prüfstand und somit als von der Beklagten zu 2 bei Zulassung gegenüber dem KBA angegeben. Dies sei – so die Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 - C‐693/18 – unzulässig. Hierüber habe die Beklagte zu 2 ihre Kunden aus „krasser Gewinnsucht“ getäuscht. Weitere Erkenntnisse zu den Kenntnissen der Vorstände der Beklagten zu 2 würden ggf. durch das Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig aufgedeckt.
67Er, der Kläger, müsse – selbst bei Durchführung des freiwilligen Updates – weiterhin mit einem Rückruf oder einer Stilllegung seines Fahrzeugs rechnen. Dies gelte erst recht im Hinblick auf die im Dezember 2020 ergangene Entscheidung des EuGH. Möglicherweise stehe – angesichts der Entscheidung des EuGH – ein Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs unmittelbar bevor. Daher sei eine Terminverlegung angezeigt.
68Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
69II.
70Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten aus keinem rechtlichen Grund zu.
711.
72Die Klage gegen die Beklagte zu 1 ist unbegründet.
73a.
74Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1 auf Rückzahlung des Kaufpreises bestehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
75aa.
76Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen die Beklagte zu 1 aus §§ 437 Nr. 2, 323, 346 Abs. 1 BGB.
77Es kann dahinstehen, ob der Kläger einen Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs schlüssig dargelegt hat und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung – die unstreitig nicht erfolgt ist – entbehrlich war. Denn der Rücktritt ist – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – jedenfalls unwirksam (§§ 438 Abs. 4, 218 BGB), weil ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch des Klägers (§ 439 BGB) zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 12.12.2018 schon verjährt war und die Beklagte zu 1 die Einrede der Verjährung erhoben hat.
78Für den gewährleistungsrechtlichen Nacherfüllungsanspruch gilt grundsätzlich die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Vorliegend regeln die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1 jedoch eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr. Demnach war die gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe des Fahrzeugs am 29.05.2017 beginnende Frist bereits am 29.05.2018 abgelaufen, also weit vor Erklärung des Rücktritts am 12.12.2018.
79(1)
80Die formularvertragliche Verkürzung der Verjährungsfrist für Ansprüche ist wirksam, insbesondere verstößt sie weder gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB noch ist sie wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden (§ 307 Abs. 1, 2 BGB) unwirksam. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) liegt nicht vor, weil § 475 Abs. 2 letzter Halbs. BGB a.F. (§ 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB n.F.) auch beim Verbrauchsgüterkauf eine derartige Verkürzung der Verjährung gestattet (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, juris Rn. 17).
81Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Klausel auch nicht intransparent und daher unwirksam. Soweit der Kläger in der Berufung ausführt, der Verbraucher könne nicht erkennen, was gelten solle, „wenn er den Verkäufer innerhalb der Frist nochmals gezielt nach einer Verwicklung des Fahrzeugs im Abgasskandal befragt und er von dem Verkäufer keine Antwort erhält“, erschließt sich dies nicht. Die Klausel enthält – vorbehaltlich der in Ziff. 2 genannten Ausnahmen – eine eindeutige Regelung, wonach Gewährleistungsrechte ein Jahr nach Ablieferung verjähren. Einer Erwähnung des vom Kläger benannten Einzelfalls bedarf es ersichtlich nicht.
82(2)
83Entgegen der Auffassung des Klägers ist die zwischen den Parteien vereinbarte Verkürzung der Verjährungsfrist auch nicht wegen Verstoßes gegen Unionsrecht unwirksam. Zwar verstößt § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB n.F. bei wortlautgemäßer Anwendung gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 und Art. 7 Abs. 1, UAbs. 2 der Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG (EuGH, Urt. v. 13.07.2017, Az. C-133/16, juris Rn. 32 ff.) und sind die nationalen Gerichte gehalten, das nationale Recht soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck einer Richtlinie auszulegen unter voller Ausschöpfung des ihnen nach nationalem Recht zustehenden Beurteilungsspielraums (BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, juris Rn. 19, 46). Jedoch scheidet eine richtlinienkonforme Anwendung dahingehend, dass § 476 Abs. 2 letzter Halbs. BGB n.F. eine Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist auf bis zu ein Jahr nicht zulässt, aus (BGH, a.a.O., Rn. 30 ff.). Trotz Richtlinienwidrigkeit ist die Vorschrift deshalb bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin dahingehend anzuwenden, dass sie eine derartige Abrede zulässt (BGH, a.a.O., Rn. 19). Die hierauf gestützte, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1 enthaltene Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr ist demnach zulässig (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 46).
84(3)
85Der Geltung der verkürzten Verjährungsfrist steht im vorliegenden Fall auch nicht die Regelung des § 438 Abs. 3 S. 1 BGB entgegen, wonach im Fall des arglistigen Verschweigens eines Mangels die Regelverjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB gilt.
86(a)
87Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass auf Grundlage des klägerischen Vortrags kein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1 feststellbar sei. Es fehle schon an einer substantiierten Darlegung des Klägers zu einem zumindest bedingten Vorsatz der Beklagten zu 1. Dieser Feststellung ist der Kläger im Rahmen der Berufung nicht entgegengetreten. Vielmehr wendet sich der Kläger bezüglich der Verjährung ausschließlich gegen die Annahme einer wirksamen Verkürzung der Verjährungsfrist. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit einer (vermeintlichen) Haftung der Beklagten zu 2 pauschal darauf verweist, er habe bereits mit der Klageschrift vorgetragen, dass „die Beklagten“ schon im Zeitpunkt des Verkaufes „von der unzulässigen Abschalteinrichtung des Fahrzeugs“ Kenntnis gehabt hätten, ist dies ersichtlich nicht geeignet, die Ausführungen des Landgerichts in Frage zu stellen.
88(b)
89Ein arglistiges Verhalten kommt vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Behauptung „ins Blaue hinein“ in Betracht. Danach schließt bei einer objektiv unrichtigen Erklärung auch guter Glaube Arglist nicht aus, sofern der Handelnde das Fehlen einer hinreichenden Erkenntnisgrundlage nicht offenlegt (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, juris; BGH, Urt. v. 08.05.1980 – IVa ZR 1/80, juris; Palandt/Ellenberger, 80. Aufl. 2021, § 123 Rn. 11 m.w.N.). Zwar hat der Kläger behauptet, der Verkäufer der Beklagten zu 1 habe im Rahmen der Verkaufsverhandlungen auf Nachfrage erklärt, dass das Fahrzeug nicht vom sog. Abgasskandal betroffen sei. Ob eine solche Erklärung tatsächlich erfolgt ist, kann indes offenbleiben:
90(aa)
91Es ist schon nicht erkennbar, dass die behauptete Angabe objektiv unrichtig war, denn eine Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom sog. Abgasskandal ist vom Kläger nicht substantiiert dargelegt worden. Zwar dürfen insbesondere an die Darlegung einer unzulässigen Abschalteinrichtung keine überspannten Anforderungen gestellt werden; nicht erforderlich ist etwa, dass bereits ein Rückruf bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorliegt. Zudem ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn 7, 8 f m.w.N.).
92Letzteres ist vorliegend jedoch der Fall, soweit der Kläger seine Behauptung, sein Fahrzeug sei vom sog. Abgasskandal betroffen, auf den Rückruf des Fahrzeugtyps Modell01 V6 Diesel Euro 6 stützt und er das Vorliegen einer sog. Prüfstandserkennungssoftware behauptet. Der Kläger hat keine greifbaren Anhaltspunkte benannt, die diese Behauptungen tragen. Vielmehr ist das Vorbringen des Klägers widersprüchlich.
93Im Rahmen der Klageschrift hat der Kläger seine Behauptung, wonach das Fahrzeug über unzulässige Abschalteinrichtungen verfüge, ausschließlich auf die von ihm zitierte Presseberichterstattung (Anl. K4, Bl. 13 ff.) gestützt, die zwar den vom KBA angeordneten Rückruf von Fahrzeugen des Typs Modell01 3,0 l V6 Diesel zum Gegenstand hat, jedoch nicht zwischen den Modellen mit der Schadstoffklasse Euro 5 und Euro 6 differenziert. Auf Grundlage dieser Pressemitteilungen hat der Kläger, wie er mit Schriftsatz vom 17.09.2019 (Bl. 103 d.A.) ausdrücklich einräumt, lediglich „vermutet“, dass auch sein Fahrzeug betroffen sei. Angaben dazu, mit welcher Art von Abschalteinrichtung das Fahrzeug ausgestattet sein soll, sind nicht erfolgt. Auch auf entsprechenden Hinweis des Landgerichts hat der Kläger lediglich ausgeführt, es sei „hochgradig unglaubwürdig“, dass lediglich Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 6 betroffen seien. Erstmals mit der Replik behauptet der Kläger auf Grundlage einer den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp betreffenden Entscheidung des LG Koblenz vom 10.07.2019 (Az. 12 O 119/18), dass in dem Fahrzeug ein Thermofenster verbaut sei, welches eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle. Zugleich vertritt er die Auffassung, es liege auf der Hand, dass die Beklagte zu 2 die „Software“ nicht nur in den neueren Modellen mit der Abgasnorm Euro 6, sondern bereits in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp eingesetzt habe. Auch mit der Berufung behauptet der Kläger weiter, das – unstreitig – verbaute Thermofenster stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Ein Rückruf bezüglich des T Modell01 mit der Abgasnorm Euro 6 sei – was ebenfalls unstreitig ist – bereits erfolgt, die Motoren der Fahrzeuge „ähnelten“ sich. Dass bislang bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps kein Rückruf des KBA erfolgt sei, sei nicht maßgeblich, da die „Rückrufliste“ nicht abschließend sei und ständig aktualisiert werde.
94Der Kläger stützt seine Behauptung des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung demnach einerseits auf die vermeintliche Vergleichbarkeit mit dem zurückgerufenen Modell der Schadstoffklasse Euro 6, andererseits behauptet er, eine unzulässige Abschalteinrichtung liege in Gestalt eines Thermofensters vor. Dabei verkennt der Kläger jedoch, dass der Rückruf des Fahrzeugtyps Modell01 3,0 l V6 Diesel mit der Abgasnorm Euro 6 nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten zu 2 nicht auf einem als unzulässig angesehenen Thermofenster beruht, sondern eine sog. Warmlaufphase (SCR-Katalysator) betrifft, die vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft wurde. Soweit der Kläger eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters behauptet und bezüglich einer drohenden Betriebsuntersagung durch das KBA auf den Fahrzeugtyp mit der Abgasnorm Euro 6 verweist, geht dies somit erkennbar fehl. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt einer Warmlaufphase wie das Modell mit der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet ist, denn das klägerische Fahrzeug verfügt unstreitig schon nicht über einen SCR-Katalysator. Das pauschale Vorbringen des Klägers, wonach sich die Motoren der vorgenannten Fahrzeugtypen „ähnelten“, greift vor diesem Hintergrund ersichtlich nicht durch.
95Auch der Umstand, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig mit einem sog. Thermofenster ausgestattet ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich dabei – auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 (C-693/18) – um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Denn es sind weder konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen noch ersichtlich, dass der Verwendung des Thermofensters ein vorsätzlich sittenwidriges Verhalten zugrunde liegt und damit ein Sachverhalt, wie er – insbesondere im Fall des Motortyps EA189 – Gegenstand des sog. Diesel-Abgasskandal ist (dazu im Einzelnen nachfolgend unter Ziff. 2 lit. a.).
96Soweit der Kläger meint, dass angesichts des von der Beklagten zu 1 eingeräumten Anhörungsverfahrens durch das KBA der Verdacht bestanden habe und noch bestehe, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen sei, geht dies ebenfalls fehl. Das entsprechende Anhörungsverfahren ist nach dem Vorbringen der Beklagten im September 2020 beendet worden, ohne dass das KBA eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt hat. Dem ist der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht substantiiert entgegen getreten. Soweit er mit Nichtwissen bestreitet, dass eine „absolute Vergleichbarkeit“ des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit dem in dem von der Beklagten zu 2 vorgelegten Schreiben des KBA vom 11.09.2020 (Anl. B19, Bl. 447 ff. d.A.) genannten Modells Modell03 (Baujahr 2013) bestehe, führt dies ersichtlich nicht weiter. Dies gilt umso mehr, als in dem vorgenannten Schreiben – wie von der Beklagten zu 2 dargelegt – ausdrücklich mitgeteilt wird, dass „allgemeingültig für die Gruppe an Fahrzeugen des Volkswagenkonzerns mit dem V6-TDI Euro 5 Generation 2 Motoren“ keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und dementsprechend auch kein amtlicher Rückruf angeordnet worden sei.
97Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den an die Ehefrau des Klägers gerichteten Schreiben der Beklagten zu 2, wonach eine Software-Aktualisierung zum Zwecke der Reduzierung des Schadstoffausstoßes empfohlen wird. Substantiierter Vortrag des Klägers dazu, dass die Begründung der Maßnahme unter Verweis auf die Ziele des sog. Dieselgipfels unzutreffend ist, ist nicht erfolgt. Insbesondere verfängt das pauschale Vorbringen des Klägers, wonach es sich „offenbar um eine rein politisch motivierte Entscheidung“ handele, die den Rückruf durch das KBA verhindern solle, nicht.
98(bb)
99Darüber hinaus hat der Kläger im Hinblick auf eine etwaige Behauptung „ins Blaue hinein“ auch das Fehlen einer hinreichenden Erkenntnisgrundlage auf Seiten der Beklagten zu 1 nicht dargetan. Vielmehr ist – auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen – weder erkennbar, geschweige denn vorgetragen, dass zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Fahrzeugerwerbs im Jahr 2017 Anhaltspunkte für eine Betroffenheit des Fahrzeug vom sog. Abgasskandal bestanden haben und die behauptete Erklärung der Beklagten zu 1 ohne sachliche Grundlage erfolgt ist. Dies gilt insbesondere, soweit der Kläger offenbar die Auffassung vertritt, eine Betroffenheit vom sog. Abgasskandal ergebe sich aus dem Vorliegen des Thermofensters, bezüglich dessen Unzulässigkeit er auf die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der VO (EG) 715/2007 aus dem Jahr 2020 verweist.
100(c)
101Auch eine Zurechnung arglistigen Verhaltens der Beklagten zu 2 – ein solches unterstellt – kommt nicht in Betracht. Die Zurechnung des arglistigen Verhaltens Dritter bemisst sich nach den §§ 123 Abs. 2, 166 und 278 BGB. Damit hätte die Beklagte zu 1 für das Verhalten der Fahrzeugherstellerin nur dann einzustehen, wenn deren Verhalten dem der Beklagten zu 1 deshalb gleichzusetzen wäre, weil die Beklagte zu 2 mit Wissen und Wollen der Beklagten zu 1 als deren Erfüllungsgehilfin, Repräsentantin oder Vertrauensperson – und nicht bloß als außenstehende Dritter i.S.v. § 123 Abs. 2 BGB – aufgetreten ist (vgl. Senat, Urt. v. 06.02.2020 – I-34 U 98/19; OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 14.06.2018 - 5 U 82/17, BeckRS 2018, 21349, Rn 8 m.w.N.).
102Da der Hersteller der Kaufsache nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist, kann der Beklagten zu 1 eine – unterstellte – arglistige Täuschung der Beklagten zu 2 im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nicht zugerechnet werden (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2018, VIII ZR 66/17, juris Rn 97; Urt. v. 02.04.2014, VIII ZR 46/13; Senat, a.a.O.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.01.2020, 2 U 7/19,BeckRS 2020, 62; OLG Koblenz, Urt. v. 07.09.2017, 1 U 302/17, BeckRS 2017, 127511). Die Beklagte zu 2 als Herstellerin des Fahrzeugs ist vielmehr „Dritte“ im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB (so die ganz herrschende Rechtsprechung vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.07.2019 - 17 U 160/18, BeckRS 2019, 14948; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 - 7 W 26/16 -, juris Rn 8 m.w.N.; OLG Hamm, Beschl. v. 05.01.2017 - 28 U 201/16 -, juris Rn. 40; OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2017 - 2 U 39/17 -, juris Rn 4 m.w.N.). Dies gilt auch für Vertragshändler, die zwar besonderen Verpflichtungen gegenüber dem Hersteller unterliegen mögen, jedoch nicht mit diesem gleichzusetzen sind. Beides sind rechtlich unabhängige juristische Personen, die keine gesellschaftsrechtliche oder personelle Verflechtung aufweisen. Die Beklagte zu 1 ist als Händlerin ein selbständiges Absatzorgan und nicht auf der gleichen Wirtschaftsstufe wie die Beklagte zu 2 tätig. Damit verfolgen beide eigenständige Absatz- und Gewinninteressen. Die Beklagte zu 1 selbst trägt die mit dem Absatz der von ihr bei der Beklagten zu 2 bezogenen Fahrzeuge sowie die mit ihren marktspezifischen Investitionen verbundenen wirtschaftlichen Risiken, zumal sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt. Die Beklagte zu 2 ist an Vertragsabschluss und -abwicklung weder unmittelbar beteiligt, noch gibt es die Beklagte zu 1 bindende Weisungen bei der Vertragsanbahnung. Die Nutzung des Rufs der T-Marke und der Hersteller-Werbung seitens der Beklagten zu 1 entspricht den im Wirtschaftsleben üblichen Abläufen. Es handelt sich dabei für den Rechtsverkehr erkennbar um Mittel des Marketings zur Steigerung des Verkaufs, die nicht ernsthaft den Eindruck erwecken können, der Händler sei Teil der Fahrzeugkonzeption und -herstellung oder habe hierauf Einfluss. Insgesamt kann von einem durchschnittlichen Fahrzeugkäufer erwartet werden, dass er zwischen Vertragshändler und dem Hersteller unterscheiden kann (so Senat, a.a.O.; OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 14.06.2018 - 5 U 82/17, BeckRS 2018, 21349, Rn 8 m.w.N. unter Bezugnahme u.a. auf OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2017 - 2 U 39/17, juris).
103Die selbständige Herstellerin ist auch kein Wissensvertreter, sodass eine Zurechnung von Wissen der Herstellerin in Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB nicht in Betracht kommt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 02.05.2019, 28 U 101/18, BeckRS 2019, 16619, Rn 59; OLG München, Urt. v. 03.07.2017, 21 U 4818/16, BeckRS 2017, 119589).
104bb.
105Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagte zu 1 aus §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB i.V.m. § 123 BGB aufgrund der von ihm erklärten Anfechtung zu. Wie zuvor ausgeführt, ist weder ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1 feststellbar, noch ist ihr ein solches Verhalten zurechenbar.
106cc.
107Schadensersatzansprüche, insbesondere solche aus § 826 BGB, scheiden gegen die Beklagte zu 1 ebenfalls aus. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass schon nicht feststellbar sei, dass die Beklagte zu 1 Kenntnis von einem Mangel gehabt oder das Vorliegen eines solchen auch nur für möglich gehalten habe. Dies hat der Kläger mit der Berufung nicht angegriffen. Damit kommt auch ein sittenwidriges Handeln der Beklagten zu 1 nicht in Betracht.
108b.
109Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen.
110c.
111Da der Kläger aus den vorgenannten Gründen keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages hat, befindet sich die Beklagte zu 1 auch nicht mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug.
1122.
113Die zulässige Klage gegen die Beklagte zu 2 ist ebenfalls unbegründet.
114a.
115Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2 kein Anspruch auf Erstattung des für das streitgegenständliche Fahrzeug gezahlten Kaufpreises zu.
116aa.
117Ein entsprechender Schadensersatzanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 826, 31 BGB.
118(1)
119Soweit der Kläger zunächst pauschal den Einbau einer Software zur Teststandserkennung und auf dieser Grundlage das Vorliegen einer „illegalen Abgastechnik“ behauptet hat, kann er damit nicht durchdringen.
120Der entsprechende Vortrag des Klägers ist als prozessual nicht zu berücksichtigende "Behauptung ins Blaue" zu werten. Denn objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Abschaltlogik sind dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen, vielmehr ist dieser widersprüchlich. Wie bereits dargelegt, geht der in diesem Zusammenhang erfolgte Verweis auf den Rückruf betreffend den T Modell01 3,0 l V6 Diesel Euro 6, der nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten zu 2 die Bedatung des Warmlaufmodus (SCR-Katalysator) betrifft, ersichtlich fehl, da im streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig kein SCR-Katalysator verbaut ist. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
121Selbst wenn das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung unter Verwendung einer Prüfstandserkennung unterstellt würde, ließe sich auf der Grundlage des Klägervortrags im Übrigen nicht feststellen, dass bei der Beklagten zu 2 eine auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde oder für die Beklagte zu 2 handelnde Personen an einer entsprechenden von W als Motorhersteller getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte zu 2 handelnden Personen wussten, dass die von W gelieferten Motoren – den Klägervortrag als zutreffend unterstellt – mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten zu 2 hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (vgl. BGH, Urt. v. 08.03.2021 - VI ZR 505/19, juris (Pressemitteilung); vgl. ferner Senat, Urt. v. 24.11.2020 – 34 U 138/19; OLG Koblenz, Urt. v. 30.09.2020 – 5 U 1970/19, juris; OLG Frankfurt, Urt. v. 05.12.2019 – 16 U 61/18, juris; OLG München, Urt. v. 13.02.2020 – 14 U 2813/19, Anl. B14; OLG München, Beschl. v. 05.02.2020 – 1 U 3303/19, Anl. B15; OLG Köln, Beschl. v. 18.02.2020 – 3 U 129/19, juris). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Motor nicht von der Beklagten zu 2, sondern von W hergestellt wurde. Dazu, dass die verwendete Motorsteuerungssoftware einschließlich einer etwaigen unzulässigen Abschalteinrichtung (mit Prüfstandserkennung) gleichwohl von der Beklagten zu 2 bzw. unter deren Mitwirkung entwickelt wurde und diese über deren Einsatz (mit-)entschieden hat, oder die Beklagte zu 2 überhaupt Kenntnis von einer von W verwendeten (unzulässigen) Software hatte, hat der Kläger keinen belastbaren Vortrag gehalten. Sein pauschales Vorbringen, die Beklagte zu 2, insbesondere deren Vorstand, kenne als Fahrzeugherstellerin die genaue Funktionsweise des Motors und die Zulässigkeit/Unzulässigkeit von Abgaseinrichtungen, genügt insoweit ebenso wenig wie die Behauptung, die „Abgasmanipulation als Geschäftsmodell von VW und W“ sei auch dem Vorstand der Beklagten zu 2 bekannt gewesen. Soweit der Kläger – auch in der Berufung – wiederholt auf das Modell Modell01 V6 Euro 6 Bezug nimmt und vorträgt, die Beklagte zu 2 habe mit dem als Anlage K7 vorgelegten Schreiben „unstreitig“ einen Betrug eingeräumt, ist dies offensichtlich unzutreffend. Vielmehr ergibt sich aus dem Schreiben allein, dass die Beklagte zu 2 für das Fahrzeug Modell01 3,0 l V6 Diesel Euro 6 in Abstimmung mit dem KBA eine Aktualisierung der Motorsoftware vornimmt. Eine vorsätzliche Täuschung wird damit ersichtlich nicht eingeräumt.
122Offenbleiben kann dabei, ob der Beklagten zu 2 in diesem Zusammenhang eine sekundäre Darlegungslast obliegt, weil der Kläger keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während die Beklagte zu 2 alle wesentlichen Tatsachen bezüglich ihres Unternehmens kennt und es ihr unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn 37). Denn selbst wenn eine sekundäre Darlegungslast angenommen wird, ist die Beklagte zu 2 dieser im hiesigen Verfahren – auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens – hinreichend nachgekommen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es – anders als bei Klagen gegen den Hersteller eines Motors, dessen Entwicklung einschließlich des Einsatzes einer etwaigen Manipulationssoftware zwingend auf (irgend-)einer Ebene des Herstellers erfolgt und gebilligt worden ist – im Falle eines Zukaufs von Motor und Motorsteuerungssoftware gerade nicht auf der Hand liegt, dass ‚jedenfalls irgendwer‘ im Abnehmerunternehmen eine Entscheidung zur Entwicklung bzw. Verwendung einer Abschalteinrichtung getroffen haben muss. Vielmehr genügt es in diesem Fall (auch) im Rahmen einer sekundären Darlegungslast, substantiiert zum Bezug des Motors und der Motorsteuerungssoftware sowie deren erforderlichen Anpassung an das Fahrzeug vorzutragen. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten zu 2 gerecht. So hat die Beklagte zu 2 im Einzelnen dargelegt, der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps sei von W, konkret der W (..) „Motorenwerk und Produktstandort, Anm. d. Redaktion“, geliefert worden, die Motorsteuerung und die dazugehörige Motorsteuerungssoftware seien als Teil eines teilmontierten Fahrzeugs von VW an sie, die Beklagte zu 2, geliefert worden. Mit der Anpassung der Motoren zum Zwecke der Erzielung des gewünschten Fahrverhaltens habe sie VW beauftragt, diese wiederum habe W unterbeauftragt. Sie habe während der Entwicklungsphase zwar Fahrtests durchgeführt und Rückmeldungen zu gewünschten Änderungen gegeben, eine spezifische oder gesamthafte Softwareanalyse sei jedoch nicht durch sie erfolgt. Die notwendigen Änderungen der Bedatung habe W durchgeführt. Die Endmontage sei in ihrem Cer Werk erfolgt. Dort habe sie den gelieferten Dieselmotor in das von VW gelieferte teilmontierte – und das Motorsteuerungsgerät samt Software bereits umfassende – Fahrzeug eingebaut und die Montage finalisiert. Ihr Arbeitsanteil habe sich auf den rein mechanischen Einbau des Motors beschränkt.
123Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten. Vielmehr hat er, wie dargelegt, keine greifbaren Anhaltspunkte benannt, die seine Behauptung tragen, die Beklagte zu 2 habe zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Fahrzeugerwerbs Kenntnis von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit Prüfstandserkennung gehabt.
124(2)
125Soweit der Kläger darüber hinaus vorträgt, ein Anspruch aus § 826 BGB ergebe sich aus dem unstreitig vorhandenen Thermofenster, das eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 darstelle, verhilft dies der Klage gegen die Beklagte zu 2 ebenfalls nicht zum Erfolg.
126Ob es sich bei dem in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, kann vorliegend offenbleiben, da sich auf Grundlage des Parteivorbringens jedenfalls kein sittenwidriges Handeln der Beklagten zu 2 feststellen lässt.
127Mit der Verwendung einer Umschaltlogik, wie sie der Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 zugrunde lag, lässt sich der Einsatz eines Thermofensters nicht vergleichen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, juris; OLG Hamm, Urt. v. 06.07.2020 – 17 U 168/19, juris; OLG Hamm, Urt. v. 02.09.2020 – 30 U 192/19, juris; OLG München, Beschl. v. 29.09.2020 – 8 U 201/20, juris m.w.N.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 20.04.2020 – 1 U 103/19, juris m.w.N.; OLG Köln, Urt. v. 03.07.2020 – 19 U 9/20, juris). Der Kläger hat nicht ausreichend und damit nicht schlüssig dazu vorgetragen, dass in subjektiver Hinsicht das Bewusstsein der Beklagten zu 2 vorhanden war, sittenwidrig zu handeln. Über die Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus müssen auch Anhaltspunkte dafür erkennbar sein, dass dies von Seiten der Beklagten zu 2 in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde. Die Beklagte zu 2 muss daher zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben, Fahrlässigkeit, auch grobe, genügt nicht. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 18.05.2020 - 12 U 2149/19). Dabei ist für die Feststellung des Schädigungsvorsatzes im Rahmen von § 826 BGB nicht der heutige Meinungsstand oder die heutige Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 (Az. C-693/18), sondern der Zeitpunkt der Ausstattung des Fahrzeugs mit der Software maßgeblich (vgl. OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.).
128Anders als beim Einsatz einer Teststandserkennung, die bewusst das Abgasverhalten des Fahrzeugs auf dem Prüfstand vom Realbetrieb entkoppelt und deren Einsatz offensichtlich gesetzeswidrig ist, ist ein Rückschluss von einem – unterstellt – gesetzeswidrigen Verhalten beim Einsatz eines Thermofensters nicht zwingend (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Die objektive Verwendung eines gesetzeswidrigen Thermofensters kann den Rückschluss auf einen entsprechenden Vorsatz nur ausnahmsweise rechtfertigen, nämlich dann, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für die Beklagte zu 2 handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, a.a.O.).
129Solche Anhaltspunkte werden vom Kläger nicht dargelegt. Der Kläger beschränkt sich darauf, der Beklagten zu 2 den Vorsatz zu unterstellen und diesbezüglich Mutmaßungen anzustellen (vgl. vorstehend unter Ziff. (1)). Auch im Rahmen der Berufung behauptet der Kläger lediglich pauschal, der Vorstand der Beklagten zu 2 als Fahrzeugherstellerin habe die genaue Funktionsweise des Motors und die Zulässigkeit/Unzulässigkeit von Abgaseinrichtungen gekannt (Bl. 343 d.A.). Zudem verweist er auf die – ebenfalls pauschale – erstinstanzliche Behauptung, die Beklagte zu 2 habe Kenntnis „von der unzulässigen Abschalteinrichtung“ gehabt. Dieses Vorbringen bleibt indes gänzlich unkonkret und ist ersichtlich nicht geeignet, Anhaltspunkte für ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten zu 2 im Zusammenhang mit dem Einsatz des Thermofensters zu begründen. Ebenso führt die pauschale Behauptung, wonach (auch) dem Vorstand der Beklagten zu 2 die Abgasmanipulation als Geschäftsmodell von VW und W bekannt gewesen sei, offenkundig nicht weiter, zumal jeglicher Bezug zu dem im streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandenen Thermofenster fehlt. Nichts anderes gilt für den in diesem Zusammenhang erfolgten – ebenfalls pauschalen – Verweis auf eine Fernsehdokumentation.
130Es ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass bzw. aus welchen Gründen es sich – insbesondere aus der maßgeblichen ex ante Sicht – bei dem im relevanten Fahrzeugtyp verbauten Thermofenster um eine offensichtlich unzulässige Software handeln soll. Insbesondere der Verweis des Klägers auf die im Dezember 2020 ergangene Entscheidung des EuGH verfängt insoweit nicht. Dass die Gesetzeslage an dieser Stelle zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht unzweifelhaft und eindeutig war, zeigt neben der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO 2007/715/EG auch der Umstand, dass sich das KBA wie auch das Bundesverkehrsministerium offenbar bislang nicht von der Unzulässigkeit des behaupteten „Thermofensters“ im streitgegenständlichen Fahrzeug haben überzeugen können und ein Rückruf sämtlicher betroffener Fahrzeuge behördlich bis heute gerade nicht angeordnet worden ist (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 30.07.2019 – 10 U 134/19, juris Rn. 80 ff.). Auch der in der Literatur (vgl. Führ, NVwZ 2017, 265) betriebene erhebliche Begründungsaufwand, um das „Thermofenster“ als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen, spricht gegen eine klare und eindeutige Rechtslage, gegen welche die Beklagte zu 2 bewusst verstoßen hätte (OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2019 – 12 U 246/19, juris Rn. 47 m.w.N.).
131Ebenso ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte zu 2 die Verwendung des sog. Thermofensters bzw. dessen Ausgestaltung gegenüber dem KBA verschleiert hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19, juris). Vielmehr hat die Beklagte zu 2 bereits erstinstanzlich ausdrücklich vorgetragen, dass den Prüfbehörden der Einsatz von Thermofenstern bekannt gewesen sei und dies auch für das im streitgegenständlichen Fahrzeug bedatete Thermofenster gelte (Bl. 145 d.A.). Der Kläger ist diesem Vorbringen nicht substantiiert entgegen getreten. Aus dem Schreiben des KBA vom 11.09.2020 (Anl. B19) ergibt sich im Übrigen, dass das KBA – zumindest für den dort betroffenen T Modell03 Euro 5, Baujahr 2013 – aufgrund der Angaben zur AGR in einem Beschreibungsbogen Kenntnis von dem dort eingesetzten Thermofenster hatte.
132bb.
133Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB kommt aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht.
134cc.
135Ein Anspruch aus § 831 BGB besteht – selbst wenn das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterstellt wird – ebenfalls nicht.
136Weder W noch VW sind als selbständige Unternehmen weisungsabhängige Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 2. Dass Mitarbeiter der Beklagten zu 2 eine unerlaubte Handlung begangen haben, die eine Haftung der Beklagten zu 2 nach § 831 BGB gegenüber dem Kläger begründen könnte, lässt sich auf der Grundlage des klägerischen Vortrags ebenfalls nicht feststellen.
137b.
138Ein Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen steht dem Kläger mangels Hauptforderung nicht zu.
139c.
140Da der Kläger aus den vorgenannten Gründen keinen Anspruch auf Schadensersatz hat, befindet sich die Beklagte zu 2 auch nicht mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug.
1413.
142Dem Antrag des Klägers im Schriftsatz vom 08.03.2021 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2021 auf Gewährung einer Erwiderungsfrist auf den Schriftsatz der Beklagten zu 2 vom 01.03.2021 war nicht zu folgen. Ein Schriftsatznachlass kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn sich das Vorbringen der anderen Partei in der Wiederholung früheren Vorbringens oder reinen Negativerklärungen erschöpft oder das Vorbringen nicht entscheidungserheblich ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 283 Rn. 2a). So liegt der Fall hier. Der Vortrag der Beklagten zu 2 im Schriftsatz vom 01.03.2021, wonach sich im Rahmen einer umfangreichen internen Sachverhaltserfassung weder Belege dafür ergeben hätten, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten wäre bzw. relevante Vertreter ihrerseits von einer solchen Kenntnis hätten, noch dafür, dass (auch ehemaligen) Vorstände oder sonstige relevante Personen bis in den Juni 2017 hinein Kenntnis von der konkreten, vom KBA als unzulässig festgestellten Bedatung der Motorsteuerungssoftware bei den Fahrzeugtypen Modell01 Diesel V6 Euro 6 und Modell02 Diesel V6 Euro 6 gehabt hätten, ist für die hiesige Entscheidung ebenso unerheblich, wie die in diesem Zusammenhang erfolgten Ausführungen zu Einzelheiten der Sachverhaltsermittlung sowie zu einzelnen (auch ehemaligen) Vorstandsmitgliedern und sonstigen Personen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, fehlt es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Klägers zu vermeintlichen Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte zu 2, ohne dass es auf die vorgenannten Ausführungen der Beklagten zu 2 ankäme. Daher hat das Gericht die Ausführungen der Beklagten zu 2 im Schriftsatz vom 01.03.2021 nicht berücksichtigt.
143Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 08.03.2021 ferner ausführt, dass weitere Erkenntnisse zu den Kenntnissen der Vorstände der Beklagten zu 2 ggfs. durch das Kapitalanleger-Musterverfahren aufgedeckt würden und möglicherweise ein Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs unmittelbar bevorstehe, weshalb eine Terminverlegung, jedenfalls aber die Einräumung einer Schriftsatzfrist angezeigt sei, geht dies ersichtlich fehl. Die Spekulationen des Klägers, dass in der Zukunft ggfs. weitere Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die der Klage zum Erfolg verhelfen könnten, vermögen offenkundig keine Terminverlegung oder Schriftsatzfrist zu begründen. Soweit der Kläger Vermutungen zu einem möglichen Rückruf aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 anstellt, verkennt er im Übrigen, dass ein solcher Rückruf für die Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits ohnehin keine Relevanz hätte, da sich daraus weder (durchsetzbare) Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 noch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 2 ableiten ließen. Auf die vorstehenden Ausführungen wird insoweit verwiesen.
1444.
145Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
1465.
147Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
1486.
149Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 45.000,00 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG.
150Zu diesem Urteil ist ein Berichtigungsbeschluss vom 22.04.2021 ergangen, indem das Rubrum des Urteils betreffend die Beklagte zu 2) berichtigt wurde.