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Wirkt ein Gynäkologe bei einem pathologischen CTG nicht auf die sofortige Einweisung der Kindesmutter in ein Krankenhaus hin, so kann darin ein grober Behandlungsfehler vorliegen. Bei einer schweren geistigen und körperlichen Beeinträchtigung eines Kindes kann ein Schmerzensgeld von 500.000,- € angemessen sein.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. Juli 2020 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 4) wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 500.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. März 2011 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 4) verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der durch die fehlerhafte ambulante Schwangerschaftsvoruntersuchung am 10.08.2005 durch den Beklagten zu 4) verursacht worden ist oder noch verursacht wird, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung des Beklagten zu 4) werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers werden dem Kläger zu 3/4 und dem Beklagten zu 4) zu 1/4 auferlegt.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bis 3) trägt der Kläger.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4) trägt dieser selbst.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das angefochtene und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der am 10.08.2005 geborene Kläger macht Ansprüche auf Schmerzensgeld und im Wege des Feststellungsbegehrens Schadensersatzansprüche wegen einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung im Rahmen einer ambulanten Schwangerschaftsvoruntersuchung und seiner Geburt geltend.
4Die Mutter des Klägers (geb. am 00.00.1972) hatte bereits in der Vergangenheit eine Schwangerschaft wegen eines pathologischen Cardiotokogramms (CTG) mittels Sectio entbunden. Sie wurde nun in ihrer dritten Schwangerschaft von dem Beklagten zu 4) ärztlich betreut. Dieser errechnete den 08.08.2005 als voraussichtlichen Geburtstermin und führte im Verlauf der Schwangerschaft insgesamt zehn Untersuchungen durch, unter anderem auch am 08.08.2005 und am 09.08.2005. Am Vormittag des 10.08.2005 – dem Tag der Geburt des Klägers - stellte sich dessen Mutter erneut bei dem Beklagten zu 4) vor. Nach den Befunden des Beklagten 4) waren der Schwangerschaftsverlauf und die Kindesentwicklung bis zu jenem Tag unauffällig. Er nahm gegen 11:20 Uhr eine vaginale Untersuchung und eine Ultraschalluntersuchung vor, ferner wurde ein 12-minütiges CTG angefertigt. Im Einweisungsschein vom gleichen Tag hielt der Beklagte zu 4) die Diagnosen „Gravidität über dem Termin“ und „Oligohydramnie bei Gravidität“ fest. Befunde des CTG waren weder im Mutterpass noch als Zusatz zur Einweisung eingetragen.
5Am Abend desselben Tages - wobei die genaue Uhrzeit streitig ist - wurde die Mutter des Klägers im Kreißsaal des Klinikums der Beklagten zu 1) vorstellig, weil sie das Gefühl hatte, die Kindesbewegungen hätten abgenommen. Sie wurde daraufhin um 19:11 Uhr an ein CTG-Gerät angeschlossen. Auf diesem zeigte sich sofort ein eingeschränkt oszillatorischer Verlauf der fetalen Herzfrequenz, keine Akzelerationen, einmalig Dip Typ II im Stehen, ausreichende Nulldurchgänge; Weckversuche und Seitenwechsel der Mutter hatten keine Veränderung zur Folge. Ferner konnten alle 10 Minuten Wehen aufgezeichnet werden, welche die Mutter des Klägers indes nicht spürte. Daraufhin wurde um 19:40 Uhr die diensthabende Beklagte zu 2) verständigt. Es wurde eine Braunüle angelegt und Blut für das Labor entnommen. Eine Fetometrie ergab unter anderem folgenden Befund: „Wenig Kindsbewegungen, Herzaktion positiv, Plazenta wenig verkalkt, Oligohydramnion“. Die Beklagte zu 2) diagnostizierte: „Terminüberschreitung um zwei Tage, Oligohydramnion, suspektes CTG, Zustand nach Sectio wegen pathologischem CTG, Eisenmangelanämie“. Eine Dopplersonographie zeigte einen Resistance-Index von 0,67 bzw. 0,75, die Arteria cerebri media wies einen Resistance-Index von 0,48 bzw. 0,59 und damit einen Wert unterhalb der 5er-Perzentile auf. Bei der vaginalen Untersuchung durch die Beklagte zu 2) zeigte sich folgender Befund: „Portio medio-sacral, erhalten, weich. Muttermund außen für zwei Finger durchgängig, innen fingerdurchgängig, Pfeilnaht quer“.
6Um 20:25 Uhr wurde die Mutter des Klägers erneut an das CTG angeschlossen und ihr Blutdruck gemessen. Die zuständige Oberärztin, die Beklagte zu 3), wurde erstmals etwa 20 Minuten nach dem um 20:08 Uhr erfolgten Abschluss der Dopplersonographie informiert. Sie gab die telefonische Anordnung, die Mutter des Klägers auf eine Sectio vorzubereiten und sie diesbezüglich aufzuklären sowie einen Oxytocin-Belastungstest (OBT) vorzunehmen, der schließlich um 21:10 Uhr durchgeführt wurde.
7Das CTG zeigte sich weiterhin auffällig, da es noch immer einen eingeschränkt silenten Verlauf der fetalen Herztöne aufwies, sich wiederum einmalig ein Dip Typ II zeigte und auch ein um 21:42 Uhr erneut erstelltes CTG weiterhin eine silente fetale Herzfrequenz darstellte. Daher erklärten sich die Eltern des Klägers um 21:00 Uhr mit einer Entbindung mittels Sectio einverstanden. Diese wurde - nach dem Eintreffen der Beklagten zu 3) im Kreißsaal um 21:45 Uhr – um 22:17 Uhr vorgenommen, wobei die letzten 17 Minuten vor der Geburt nicht mittels CTG überwacht wurden. Das Fruchtwasser roch foetid, übel riechend und war grünlich schmierig verfärbt. Der Kläger zeigte sich in einem reduzierten Zustand mit einer lockeren Nabelschnurumschlingung um den Nacken. Er war zyanotisch und relativ schlapp. Der Nabelschnur-Arterien-pH betrug 6,84, der Base Excess -17. Der Kläger wurde sodann intubiert und im intubierten Zustand notfallmäßig in die Kinderklinik des A Krankenhauses in Z/X überwiesen. Die Behandlungsunterlagen dieses Krankenhauses waren nicht mehr auffindbar.
8Eine histologische Untersuchung der Plazenta ergab das Vorliegen einer normgewichtigen Plazenta mit dissoziierten Zottenreifungsstörung bei Prävalenz der Unreife, ausgedehnter Zottenreifungsfibrose und verstärkten knospenartigen Trophoblastproliferationen sowie chronischen Plazentainfarkten, die etwa 5 % des Volumens einnahmen.
9Der Kläger leidet unter einer schweren geistigen und körperlichen Störung, insbesondere unter symptomatischer fokaler Epilepsie, Mikrozephalie, schwerer psychosomatischer Retardierung sowie einer zentralen Sehminderung, bedingt durch eine hypoxämische Encephalopathie nach peripartaler Asphyxie.
10Der Kläger hat behauptet, die Behandlung der Beklagten sei grob fehlerhaft gewesen. Der Beklagte zu 4) habe seine Mutter am Tag seiner Geburt nicht umgehend und unter besonderem Hinweis auf die Dringlichkeit in das Krankenhaus eingewiesen. Das von diesem erstellte CTG habe eine deutlich eingeschränkte Oszillation im Sinne eines silenten Herzfrequenzmusters sowie eine Dezeleration des Typs Dip II, folglich eine Spätdezeleration, aufgewiesen. Dieses sei im Zusammenhang mit dem ausgeprägten Oligohydramnion und dem angedeuteten pathologischen Urinstatus sowie der Tatsache, dass sich seine Mutter bereits im Übertragungszeitraum befand, ein zwingender Grund gewesen, seine Mutter sofort und unter Mitgabe des CTG in die Geburtsklinik einzuweisen. Stattdessen habe der Beklagte zu 4) das CTG als unauffällig befundet und die für den nächsten Tag ausgesprochene Einweisung – dies ist unstreitig - lediglich mit der Terminsüberschreitung und dem Oligohydramnion begründet. Infolge der verspäteten Einweisung habe der Kläger eine mehrstündige Sauerstoffunterversorgung erlitten. Des Weiteren habe der Beklagte zu 4) behandlungsfehlerhaft nur eine äußerst knappe cardiotokographische Kontrolle für erforderlich gehalten, obwohl sich eine deutlich erkennbare Dezeleration bei eingeschränkter Oszillation gezeigt habe.
11Der Kläger hat weiter behauptet, dass auch die Behandlung der Beklagten zu 1) bis 3) fehlerhaft gewesen sei, insbesondere weil die erforderlichen Maßnahmen nicht schnell genug erfolgt seien. Seine Mutter habe sich bereits um 17:30 Uhr in der Klinik der Beklagten zu 1) vorgestellt. Obwohl diese die Auffälligkeiten mitgeteilt habe, sei sie nicht umgehend versorgt worden. Ferner sei eine sofortige Sectio nicht für erforderlich gehalten worden, obgleich seine Mutter eine solche gewünscht habe. Spätestens nach dem um 19:11 Uhr durchgeführten pathologischen CTG hätte angesichts des silenten Verlaufs der fetalen Herzfrequenz eine sofortige Sectio durchgeführt werden müssen, insbesondere weil die Beklagten zu 1) bis 3) - dies ist unstreitig - gewusst hätten, dass bereits in der Vergangenheit eine Sectio wegen eines pathologischen CTG erfolgt war. Ein silentes Herzfrequenzmuster in Verbindung mit einem pathologischen Doppelergebnis sei ein deutliches Warnzeichen für ein unzureichendes fetales Wohlbefinden. In dieser Situation müsse mittels Fetalblutanalyse der Säure-Base-Status des Feten ermittelt und wenn dies nicht möglich sei, zwingend vom „worst case“ ausgegangen und umgehend eine Sectio durchgeführt werden. Je länger die Mangelversorgung des Feten dauere, je größer werde die Gefahr einer akuten Dekompensation. Ohne rechtzeitige Geburtsbeendigung müsse geradezu zwangsläufig der Zeitpunkt kommen, indem die Plazenta endgültig dekompensiere und die Sauerstoffversorgung des Feten nicht einmal mehr für das niedrigste Niveau ausreiche. Diese Situation sei vorliegend eingetreten. Deshalb müsse auch einem silenten Herzfrequenzmuster in jedem Fall Beachtung geschenkt werden. Mit der Begründung des Sachverständigen B, dass das CTG von Anfang an silent gewesen sei und sich im Verlauf nicht wesentlich verschlechtert habe, werde die Beurteilung der silenten Herzfrequenz verkürzt. Deren Anteil von vorliegend nahezu 100 % an der Gesamtregistrierzeit bleibe unberücksichtigt. Bei einem silenten Oszillationstyp liege die zu tolerierende Normgrenze hingegen bei 25 %, bezogen auf die Gesamtregistrierdauer. Weiterhin sei nicht nachvollziehbar, weshalb mit einem Oxytocin-Belastungstest nicht bereits um 20:30 Uhr begonnen worden sei.
12Die eingetretenen Schäden seien auf die verspätete Geburt zurückzuführen und nicht etwa auf eine seit Beginn der Schwangerschaft bestehende Sauerstoffunterversorgung. Im Rahmen einer akuten Sauerstoffunterversorgung müssten auch keine Schäden an Nieren, Lunge und am Herzen auftreten. Ferner müsse eine pernatale Asphyxie nicht zu Krampfanfällen führen und auch eine Mikrozephalie stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer etwaigen Plazentainsuffizienz.
13Weiterhin wirft der Kläger dem Anästhesisten C im Hinblick auf die im Anschluss an die Geburt erfolgte Erstversorgung einen Behandlungsfehler vor. Die postpartale Versorgung sei unzureichend gewesen. Es hätte eine Puffermaßnahme mit Natriumbikarbonat eingeleitet werden müssen. Diese sei unabdingbare Voraussetzung und gehöre zu medizinischen Standard bei Neugeborenen, die im Zustand einer schwersten gemischt respiratorisch/metabolischen Azidose geboren werden. Die um 22:50 Uhr ermittelte Sauerstoffsättigung von 83 % sei keinesfalls ausreichend gewesen. Mit Blick auf die Gefahren einer unzureichenden Reanimation eines schwerst asphyktischen Neugeborenen müsse davon ausgegangen werden, dass sich aufgrund mangelnder Pufferung keine zufriedenstellende Sauerstoffversorgung eingestellt habe. Außerdem hätten mit Stellung der Indikation für eine Sectio bereits die Pädiater aus Z informiert werden müssen, da bereits die reine Anfahrzeit 30 Minuten betrage.
14Der Beklagte zu 4) hat behauptet, dass er die Mutter des Klägers bereits im Rahmen einer Untersuchung am 04.08.2005 darauf hingewiesen habe, dass diese sich bei Komplikationen sofort im Krankenhaus vorstellen solle, weshalb er ihr vorsorglich einen Einweisungsschein ausgestellt habe. Ferner habe er ihr, nachdem sie bei der Vorstellung am 08.08.2005 von Blutungen berichtet habe, erneut eine Einweisung empfohlen und einen Einweisungsschein ausgestellt. Auch als sie einen Tag später wieder in seiner Praxis erschienen sei, habe er sie erneut auf das Krankenhaus verwiesen. Diesem Hinweis habe die Mutter des Klägers wiederum nicht Folge geleistet und sich am Tag der Geburt erneut bei ihm vorgestellt. Hierdurch werde deutlich, dass er - der Beklagte zu 4) - die Mutter des Klägers permanent erfolglos dazu gedrängt habe, sich zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus zu begeben. Wenn die Eltern des Klägers dieser Empfehlung nicht gefolgt seien, könne dies nicht seinem Nachteil gewertet werden.
15Die am 10.08.2005 durchgeführte Ultraschall- und die vaginale Untersuchung hätte ein zeitgerechtes Wachstum des Klägers gezeigt. Der Beklagte zu 4) habe vorsorglich ein CTG anfertigen lassen, welches einen auffälligen, aber nicht pathologischen Befund erbracht habe. Daraufhin habe er der Mutter des Klägers erklärt, dass eine sofortige Krankenhauseinweisung und nicht etwa erst eine solche am Folgetag notwendig sei. Dementsprechend habe er - dies ist unstreitig - eine Einweisung angefertigt und ihr ausgehändigt. Er habe der Mutter des Klägers sogar ein Taxi zum Krankenhaus bestellen wollen, was diese aber abgelehnt hätte. Im Übrigen habe er nur deshalb ein kurzes CTG durchgeführt, weil er innerhalb dieser kurzen Zeit bereits einen entsprechenden Befund erhoben habe, der ihn zur Einweisung der Mutter des Klägers in das Krankenhaus veranlasst habe.
16Die Beklagten zu 1) bis 3) haben behaupten, die Mutter des Klägers habe sich erst gegen 18:56 Uhr im Kreißsaal der Klinik der Beklagten zu 1) vorgestellt. Sie habe zunächst unbedingt eine spontane Geburt gewünscht. Eine Aufklärung über die Anästhesie und über eine Sectio sei daher nur vorsorglich erfolgt. Der Zustand des Klägers sei nie akut gewesen, dies folge auch schon aus dem bei dem Beklagten zu 4) erstellten CTG, wo sich ebenfalls ein silenter Verlauf der fetalen Herzfrequenz mit einer einmaligen variablen Dezeleration gezeigt habe. Darüber hinaus seien sämtliche diagnostischen Untersuchungen ohne zeitliche Verzögerung erfolgt und auch die erforderlichen Maßnahmen seien zeitnah initiiert worden. Durch die histologische Untersuchung der Plazenta sei deutlich geworden, dass eine schicksalhafte Erkrankung, welche seit Schwangerschaftsbeginn zu einer Sauerstoffunterversorgung geführt habe, die Schädigungen des Klägers hervorgerufen habe und nicht etwa eine kurzfristige Beeinträchtigung im Geburtsmanagement. Die beschriebene dissoziierte Zottenreifungsstörung mit in der Unreife verharrenden Funktionsgewebeanteilen sowie die ausgedehnte Zottenstromafibrose und verstärkte knospenartige Tropholastproliferationen bewiesen, dass nicht akute Veränderungen die Beeinträchtigungen des Klägers hervorgerufen hätten. Auch wenn die aufwändigen Untersuchungen kürzer ausfallen wären, hätte sich an der Gesamtsituation des Klägers kaum etwas geändert.
17Für eine, durch eine akute Sauerstoffunterversorgung hervorgerufene, Asphyxie müssten Schäden an Niere und Lunge sowie im Herzen des Klägers aufgetreten sein. Akutzeichen einer Sauerstoffunterversorgung zeigten sich im CTG als schwere Dezeleration, die bei jeder Wehe regelmäßig aufträten, und sich durch eine kindliche Tachyfrequenz des Herzens ausdrückten. Die nachgewiesene Mikrozephalie mit einem Kopfumfang von 33,8 cm stelle ein Indiz für einen Anlagefehler und nicht etwa eine akute Sauerstoffunterversorgung dar. Ein Beweis für die Chronizität der Erkrankung und nicht etwa eine Sauerstoffunterversorgung in den letzten zwei Stunden vor der Geburt sei, dass es bei dem Kläger in der Kinderklinik in Z in den ersten Wochen unstreitig keine Krampfanfälle gegeben habe.
18Der Vorwurf, eine Pufferung unterlassen zu haben, sei mit den modernen Erkenntnissen der Neonatalmedizin nicht in Einklang zu bringen. Während einer Reanimationsphase sei die Gabe von Natriumbikarbonat nicht zu empfehlen. Die Information der Pädiater sei zu dem Zeitpunkt erfolgt, als erstmalig die Auffälligkeit des kindlichen Zustands diagnostiziert worden sei. Eine frühere Aktion sei nicht indiziert gewesen.
19Das Landgericht hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen B, D und E. Mit Urteil vom 29.11.2013 hat es den Beklagten zu 4) zur Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 350.000,00 Euro verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte zu 4) verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen Schäden zu ersetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
20Mit Urteil vom 30.01.2015 hat der Senat, auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 4), das Urteil vom 29.11.2013 aufgrund mehrerer wesentlicher Verfahrensfehler aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückverweisen.
21Das Landgericht hat daraufhin weitere Gutachten der Sachverständigen B und Prof. F eingeholt sowie die Zeuginnen G und H vernommen.
22Mit Urteil vom 27.07.2020 hat das Landgericht den Beklagten zu 4) erneut zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 350.000,00 Euro verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte zu 4) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dem Beklagten zu 4) sei ein grober Behandlungsfehler anzulasten. Ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten liege darin, dass er nach dem Abbruch des CTG am 10.08.2005 nicht mit der erforderlichen Dringlichkeit auf eine sofortige Verbringung der Mutter des Klägers in ein Krankenhaus hingewirkt habe. Zudem seien die Ärzte der Beklagten zu 1) durch ihn nicht über das Ergebnis und den Abbruch des CTG, zumindest durch Mitteilung des suspekten CTG und den Grund des Abbruchs, informiert worden, sodass die behandelnden Ärzte nicht auf die Notwendigkeit einer sofortigen zielgerichteten Behandlung aufmerksam gemacht worden seien.
23Der Sachverständige B habe insoweit festgestellt, dass das am 10.08.2005 abgeleitete CTG in dem Sinne reaktionspflichtig gewesen sei, als dass weitere Untersuchungen respektive Maßnahmen, die zur Entbindung führten, notwendig gewesen seien. Bei Unterlassung dieser gebotenen Befunderhebung sei, angesichts des eindeutig reaktionspflichtigen – wenn nicht sogar pathologischen - CTG, jedoch die dringende Empfehlung einer unverzüglichen Krankenhausaufnahme geboten gewesen, wobei sich ein solcher Hinweis der Patientendokumentation nicht entnehmen lasse. Aus dem Fehlen eines solchen Vermerks in der Dokumentation sei darauf zu schließen, dass eine derartige Empfehlung nicht ausgesprochen worden sei. Auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung habe der Beklagte zu 4) nicht dargetan, dass er mit der gebotenen Deutlichkeit auf die Mutter des Klägers eingewirkt und dieser die Dringlichkeit der Situation vor Augen geführt habe. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei es geboten gewesen der Mutter des Klägers mit Nachdruck zu empfehlen, sich unverzüglich in ein Krankenhaus zu begeben und dieser notfalls auch mitzuteilen, dass das Kind sonst möglicherweise sterben werde.
24Auch aufgrund der Aussagen der Zeuginnen G und H sei nicht festzustellen, dass der Beklagte zu 4) der Mutter des Klägers den unbedingt notwendigen Hinweis auf eine sofort erforderliche Krankenhausbehandlung gegeben habe. Aus der Aussage der Zeugin G ergebe sich nicht, dass die Mutter des Klägers auf die Notwendigkeit einer sofortigen Krankenhauseinweisung hingewiesen worden sei. Dies ergebe sich auch nicht mit notwendiger Sicherheit aus den Angaben der Zeugin H, zumal diese nichts zur Reaktion der Mutter des Klägers auf den Hinweis zur Krankenhauseinweisung habe sagen können und auch nichts zur Reaktion des Beklagten zu 4) darauf, dass diese bereits zuvor Krankenhauseinweisungen nicht nachgekommen war.
25Weiterhin habe der Sachverständige B dargelegt, dass es ratsam gewesen wäre, pathologische Befunde bei notfallmäßiger Einweisung der Patientin zur schnellen Orientierung des Klinikarztes mitzugeben, zumindest aber das Krankenhaus telefonisch oder schriftlich über die Dringlichkeit der Aufnahme und das Erfordernis unmittelbarer weiterer Untersuchungen zu informieren, wobei auf dem Einweisungsschein zumindest die Dringlichkeit der Einweisung erkennbar sein müsse. Diese ergebe sich auch nicht aus dem festgestellten und vermerkten Oligohydramnion, da dies kein Zeichen für sofortiges Tätigwerden sei. Dies alles habe der Beklagte zu 4) unstreitig unterlassen. Wäre die Mutter des Klägers unmittelbar nach dem Besuch der Praxis des Beklagten zu 4) im Krankenhaus aufgenommen worden, wäre bei den dann standardmäßig durchgeführten Untersuchungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erkannt worden, dass dem Kind eine Minderversorgung drohe. Zwar könne auch dann nicht gesagt werden, dass das Kind völlig gesund wäre, es sei aber davon auszugehen, dass sich eine Sauerstoffschuld, in dem Ausmaß, wie sie tatsächlich eingetreten ist, sich nicht ergeben hätte.
26Darüber hinaus sei ein - zumal suspektes - CTG über lediglich zwölf Minuten für eine definitive Beurteilung des Zustandes eines sich intrauterin befindlichen Kindes unzureichend. Ein vorzeitiger Abbruch des CTG sei nur zu rechtfertigen, wenn entweder unmittelbar weiterführende Untersuchungen - etwa eine Dopplersonografie - durchgeführt oder eine dringliche Krankenhauseinweisung organisiert werde. Bei Fortsetzung des CTG wäre mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund festgestellt worden; es sei davon auszugehen, dass dieser hochpathologisch gewesen wäre.
27Weiterhin habe der Sachverständige das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers bejaht. Angesichts des hoch suspekten kindlichen Herzfrequenzmusters stelle es einen Verstoß gegen elementare Regeln der Pränatalmedizin dar, der einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe, nicht entsprechend weitere Befunde erhoben oder für eine unmittelbare Krankenhauseinweisung gesorgt zu haben.
28Die eingetretenen Schädigungen des Klägers beruhten auch auf den Behandlungsfehlern des Beklagten zu 4). Die Kausalität folge bereits aus der Annahme eines groben Behandlungsfehlers und einer daraus folgenden Beweislastumkehr. Der Beklagte zu 4) habe den Beweis nicht erbracht, dass auszuschließen ist, dass die Schäden auf den Behandlungsfehler zurückzuführen sind. Der Sachverständige E habe ausgeführt, es sei jedenfalls denkbar, dass ein besserer Zustand des Klägers möglich gewesen wäre, wenn die Sectio bereits im Laufe des Nachmittags erfolgt wäre. Ferner sei nicht auszuschließen, dass die gesamte Schädigung oder vielleicht auch nur der größte Teil nach Aufnahme der Mutter des Klägers im Krankenhaus eingetreten ist. Zwar könne man nicht genau sagen, wann der größte Teil der Schädigung eingetreten ist, es gebe aber schwerwiegende Anhaltspunkte dafür, dass die vorliegend eingetretenen Folgen auf einer schweren Syphyxie beruhten, die sich über die letzten Stunden vor der Geburt hingezogen habe. Zwar sei nicht vorstellbar, dass der Kläger ohne jegliche Schäden geboren worden wäre, wenn eine Sectio im Laufe des Nachmittags durchgeführt worden wäre, allerdings sei ein besserer Zustand durchaus denkbar.
29Ergänzend habe der Sachverständige F festgestellt, dass die Folgeerscheinungen und Beschwerden des Klägers (symptomatische fokale Epilepsie, Mikrozephalie, schwere psychosomatische Retardierung, Zentrale Sehminderung) sämtlich Folgen der vom Kläger erlittenen perinatalen Asphyxie mit konsekutiver schwerer hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie (HIE) seien. Bei der neonatologischen Beurteilung des Falles bestehe die Schwierigkeit einer äußerst spärlichen Dokumentation. Bei dem Kläger sei sicher eine mittelgradige, wahrscheinlich gar schwere HIE anzunehmen. Der pränatale Ablauf bedeute in der pathophysiologischen Sequenz der HIE, dass es ein Zeitfenster gegeben habe, in dem schlussendlich fetale Kompensationsmechanismen des Klägers noch zur Verfügung gestanden haben müssen, die eine mildere Form einer HIE oder auch ein Überleben des Klägers mit einem weniger ausgeprägten Schädigungsmuster ermöglicht hätten. Bei einer früheren Geburt wäre die Wahrscheinlichkeit für den Kläger eine größere gewesen, mit einer milderen HIE geboren zu werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen lasse sich nicht feststellen, ob und in welchem Ausmaß der Kläger bei einer früheren Entbindung einen besserer Zustand aufgewiesen hätte.
30Nach Ansicht der Kammer sei für die infolge des Behandlungsfehlers eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers ein Schmerzensgeld i.H.v. 350.000,00 Euro angemessen.
31Ein Anspruch auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente stehe dem Kläger hingegen nicht zu. Diese komme ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn ein besonders schwerer Dauerschaden vorliege, dessen Entwicklung nicht absehbar ist, oder ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten Rechnung getragen werden müsse, was vorliegend nicht der Fall sei.
32Der Feststellungsantrag sei hingegen zulässig und begründet. Der Kläger dürfe auch bei einer noch nicht abgeschlossenen Ermittlung der Schadenshöhe oder einer noch andauernden Schadensentwicklung einen Feststellungsantrag stellen, selbst wenn einzelne Schadensposition bereits beziffert werden könnten. Es erscheine der Kammer aufgrund des Alters des Klägers nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass zukünftig mit einem weiteren Schaden zu rechnen sei.
33Von den Beklagten zu 1) bis 3) könne der Kläger hingegen keinen Schadensersatz verlangen, da er den ihm obliegenden Beweis nicht geführt habe, dass ein Behandlungsfehler der Beklagten zu 1) bis 3) bei ihm einen Schaden verursacht habe.
34Der Sachverständige B komme zwar zu dem Ergebnis, dass von einer etwas protrahierten Entscheidungsfindung auszugehen sei, diese jedoch angesichts der gleichbleibenden kindlichen Herzfrequenzmuster nicht zu einer Veränderung der Versorgungssituation des Klägers geführt habe. Aufgrund der bereits seit einiger Zeit bestehenden Pathologie habe keine Indikation für eine umgehende Notsectio bestanden, auch wenn die von der Beklagten zu 2) erhobenen Dopplerwerte bereits eine kindliche Zentralisierung mit diastolischem Fluss in der Arteria cerebri media indiziert hätten. Die pathologische Durchblutungssituation in der Arteria cerebri media, welche als Ausdruck einer kindlichen Zentralisation zugunsten der Oxygenierung des Gehirns habe interpretiert werden müssen, stelle sich als entscheidendes Faktum dar. Frühestens um 20:30 Uhr seien alle Befunde, die zu erheben waren, zusammenfassend zu bewerten gewesen. Zwar hätte man im Hinblick auf die bis 21:00 Uhr erhobenen Befunde eine Sectio etwa ein bis anderthalb Stunden früher durchführen können und auch müssen, allerdings habe diese Verzögerung nicht zu einer messbaren Verschlechterung des subakuten Mangelzustand des Klägers geführt. Angesichts dieses Umstandes sei das zögerliche Verhalten der Beklagten zu 1) bis 3) behandlungsfehlerhaft, jedoch sei eine Kausalität für die sich post partum darstellende kindliche Mangelsituation nicht herzuleiten. Der Zustand des Klägers sei kein akuter gewesen, sondern habe die Anpassung seiner Zirkulation auf niedrigstem Niveau an einen subakuten Mangel dargestellt, welche nicht erst bei dem Betreten der Klinik begonnen habe. Allerdings sei der Versuch einer vaginalen Entbindung angesichts des noch unreifen Zervixbefundes nur eingeschränkt erfolgsversprechend gewesen, jedoch sei die Geburtseinleitung durch Oxytocin im Sinne eines Oxytocin-Belastungstests nicht im strengen Sinne kontraindiziert gewesen. Solange keine Verschlechterung des kindlichen Herzfrequenzmusters erfolge, sei eine vaginale Geburtseinleitung unter kontinuierlicher CTG-Ableitung noch erlaubt gewesen. Zwar seien sowohl die eindeutig von der Norm abweichenden dopplersonografischen Werte, als auch das fetale Herzfrequenzmuster geeignet gewesen, eine kindliche Mangelversorgung zu diagnostizieren, jedoch hätten die Beklagten zu 1) bis 3) nicht vermuten können, dass diese so hochgradig sein würde, wie sich nach Durchführung der Sectio herausgestellt habe. Entscheidend sei, dass es sich nicht um einen akuten geburtshilflichen Notfall gehandelt habe, sondern vielmehr um eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits über längere Zeit bestehende zirkulatorische Kompensation einer Mangelversorgung des Klägers. Weitere Untersuchung hätten keine über die erhobenen Befunde hinausgehenden handlungsrelevanten Erkenntnisse gebracht.
35Aus geburtshilflicher und neonatologischer Sicht sei allerdings ein Zeitpunkt, ab dem sich das Kind in seiner Situation verschlechtert habe nicht erkennbar, sodass nicht feststellbar sei, dass sich eine Veränderung durch eine um 60 Minuten frühere Geburt hätte verhindern lassen. Medizinisch entscheidend sei der Zustand, ab dem der Kläger in einen irreversiblen Schadenszustand geraten sei. Dieser Zeitpunkt lasse sich – zumal es hier nur um Stunden gehe - im Nachhinein nicht (mehr) feststellen. Es habe dementsprechend vorliegend keinen Zeitpunkt im Sinne einer Zäsur gegeben, ab jenem ein Absehen von einer sofortigen Schnittentbindung sicher als behandlungsfehlerhaft anzusehen sei.
36Da vorliegend keine Notsectio durchgeführt und diese auch nicht indiziert gewesen sei, komme es bezüglich des Erscheinens des Beklagten zu 3) nicht auf Normzeiten an.
37Es liege auch kein Widerspruch darin, dass die Nichtreaktion auf das in der Praxis geschriebene CTG grob fehlerhaft sei, während die protrahierte Reaktion auf das silente CTG in der beklagten Frauenklinik für noch hinnehmbar erachtet worden sei. Zum einen sei der Zeitraum zwischen Aufnahme und Entscheidung zur Schnittentbindung bzw. Geburt mit etwa 3 Stunden vergleichsweise kurz und im Übrigen sei dieser auch nicht ohne ärztliche Maßnahmen verstrichen, sondern beinhalte die notwendigen diagnostischen Schritte. Demgegenüber ergebe sich durch das Unterlassen des gebotenen Handelns durch den Beklagten zu 4) eine Verzögerung von etwa 10 Stunden.
38Es liege bei den Beklagten zu 1) bis 3) nur ein einfacher Behandlungsfehler vor, da die Mutter des Klägers ohne jegliche Vorindikation lediglich mit der subjektiven Angaben nachlassender Kindesbewegung in die Klinik gekommen sei. Eine aussagefähige CTG-Analyse könne erst nach einer gewissen Laufzeit, etwa 30 Minuten, vorgenommen werden. Auch sei ein Weckversuch bei silentem Herzfrequenzmuster indiziert, ebenso sei es üblich gewesen durch Flüssigkeitsgabe an die Mutter den Versuch zu unternehmen, dieses zu verbessern. Weiterhin habe ein klinischer Befund erhoben werden müssen. Hiernach sei als erstes eine dopplersonografische Überprüfung der Zirkulationssituation des Kindes indiziert gewesen. Der vergangene Zeitraum nach Beendigung der Doppleruntersuchung bis zur Entscheidung eine Schnittentbindung durchzuführen sei zwar vermeidbar lang, jedoch sei den Geburtshelfern eine gewisse Zeit zur Entscheidungsfindung zu zustehen. Es habe sich nicht um einen akuten Notfall im Sinne einer erkennbaren Verschlechterung gehandelt und schließlich seien doch die richtigen Konsequenzen gezogen worden. Im Übrigen liege ein entscheidender Unterschied darin, dass in der Klinik der Beklagten zu 1) das CTG über den notwendigen Zeitraum geschrieben worden sei, während der Beklagte zu 4) dieses abgebrochen habe, ohne im Anschluss daran höherwertige diagnostische Maßnahmen zu unternehmen.
39Das gesamte Beweisergebnis zur gynäkologischen Beratung des Klägers werde auch durch die beiden von dem Kläger vorgelegten Privatgutachten von I und J nicht mehr infrage gestellt, die sich inhaltlich nicht wesentlich voneinander unterschieden und auch zu denselben Schlussfolgerungen gelangten. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe sich dezidiert mit den beiden Privatgutachten auseinandergesetzt.
40Den Beklagten zu 1) bis 3) sei daher nur ein einfacher Behandlungsfehler vorzuwerfen. Dementsprechend müsse der Kläger den Nachweis führen, dass seine Beeinträchtigungen Folge einer Fehlbehandlung in der Klinik der Beklagten zu 1) seien. Dies sei ihm nach dem Ergebnis der neonatologischen Begutachtung nicht gelungen. Es sei letztlich spekulativ, ob durch eine frühere Kaiserschnittentbindung ein besseres Ergebnis für den Kläger zu erzielen gewesen wäre.
41Auch im Hinblick auf die Erstversorgung des Klägers nach seiner Geburt sei der Beklagten zu 1) kein Behandlungsfehler vorzuwerfen. Die Erstversorgung durch den anästhesiologischen Oberarzt C habe dem fachärztlich gebotenen Standard entsprochen. Dieser sei zunächst zur Erstversorgung des asphytischen Klägers befugt gewesen, da er über eine den Anforderungen entsprechende Qualifikation verfügt habe und auch zur Erstversorgung in der Lage gewesen sei. Zudem habe C nach den üblichen und zu dem Behandlungszeitpunkt neuesten Reanimationsrichtlinien und darüber hinaus schnell und folgerichtig gehandelt. Weiterhin sei der körperliche Schaden sei dem Kläger nicht erst während der Reanimation zugefügt worden, sondern dieser sei Ausdruck einer prä- und/oder intrapartalen Mangelversorgung des Feten.
42Der Sachverständige E habe ausgeführt, dass eine Pufferung nicht zwingend vorzunehmen gewesen sei. Die Vorgehensweise des Anästhesisten sei nicht zu beanstanden. Zur Frage einer Volumengabe bzw. dem Ansatz von Katecholaminen könne der Sachverständige mangels zur Verfügung stehender Unterlagen nichts sagen. Im Hinblick auf den Blutzucker stelle dieser zwar einen nicht zu vernachlässigenden Umstand dar, stehe jedoch auch nicht primär im Vordergrund. Zwar sei aus dem Fehlen der Dokumentation zur Gabe von Volumen bzw. Ansatz von Katecholaminen zu schließen, dass dies nicht stattgefunden hätten, jedoch ändere dies nichts am Ergebnis, da der körperliche Schaden nicht erst während der Reanimation zugefügt wurde.
43Hiergegen wenden sich der Kläger und der Beklagte zu 4) mit ihren Berufungen.
44Der Kläger mit seiner Berufung verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter. Das Landgericht habe fehlerhaft eine Haftung der Beklagten zu 1) bis 3) abgelehnt und auch ein zu niedriges Schmerzensgeld zugesprochen. Er rügt, dass das Landgericht entgegen der Empfehlung des Senats keinen anderen, geburtshilflichen Sachverständigen beauftragt habe, sondern weiterhin an dem Sachverständigen B festgehalten habe. Zudem sei im Rahmen des ersten Urteils die „protrahierte Entscheidungsfindung“ bei dem Beklagten zu 4) noch als nicht behandlungsfehlerhaft angesehen worden, während dies nun doch als behandlungsfehlerhaft, indes nicht als haftungsbegründend angesehen werde, als der Zustand des Klägers präpartal keinen akuten, sondern lediglich subakuten Sauerstoffmangel angezeigt habe, der nicht erst bei Betreten des Krankenhauses eingetreten sei. Dies sei unter Berücksichtigung des neonatologischen Gutachters unzutreffend, da dieser Sachverständige ausgeführt habe, dass der Zeitpunkt einer fetalen Dekompensation heute nicht mehr ausgemacht werden könne. Zudem sei der geburtshilfliche Sachverständige von seinem Standpunkt abgerückt und halte nun eine verzögerte Durchführung der Sectio für behandlungsfehlerhaft. Die Frage des Behandlungsverlaufs sei jedoch von der Frage der hieraus resultierenden Konsequenzen zu trennen.
45Zudem habe sich das Landgericht nicht damit auseinander gesetzt, warum noch am Vormittag in der Praxis des Beklagten zu 4) nach Aufzeichnung des CTG eine Situation einer dringlichen Krankenhauseinweisung bestanden habe, nach Bestätigung dieser dringenden Handlungsbedürftigkeit ab 20:13 Uhr jedoch noch die oberärztlichen Anordnungen und ein OBT abgewartet wurden. Es sei vielmehr aufgrund des eindeutigen Dopplerbefundes eine umgehende Geburt mittels Sectio geboten gewesen.
46Zudem habe das Landgericht sich nicht hinreichend mit der Frage der Mitursächlichkeit auseinander gesetzt. Für eine haftungsbegründende Mitursächlichkeit reiche das Vorliegen eines einfachen Behandlungsfehlers. Stehe eine sichere Mitursächlichkeit fest, führe dies zur Zurechnung des gesamten Schadens, sofern nicht feststehe, dass nur ein abgegrenzter Teil des Schadens verursacht worden sei. Insofern müssten die Beklagten zu 1) bis 3) beweisen, dass der Behandlungsfehler nur zu einem abgegrenzten Teil des Schadens geführt hat. Vorliegend sei die Hirnschädigung maßgeblich durch eine schwere perinatale Asphyxie verursacht worden. Da eine Mikrozephalie ausscheide, bleibe lediglich als nicht abgrenzbare weitere Ursache die Nabelschnurstrangulation. Daher seien die Behandlungsfehler der Beklagten zu 1) bis 3) mitursächlich geworden.
47Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes hält der Kläger nunmehr ein solches in Höhe von 500.000,00 Euro für angemessen. Es sei hierbei zu berücksichtigen, dass der Kläger - dies ist unstreitig - absolut hilflos, rund-um-die-Uhr auf Hilfe und Fürsorge Dritter angewiesen sei, da er praktisch nichts alleine könne. Er werde nie eine Familie gründen können, ihn quälten Krämpfe, Spastiken und Schmerzen. Zudem bedürfe er medikamentöser Behandlung.
48Der Kläger beantragt,
49unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung,
501. die Beklagten zu 1) bis 4) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes, in das gerichtliche Ermessen gestelltes Schmerzensgeld, nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.08.2005 zu zahlen,
512. ...
523. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 4) verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzten, der durch die fehlerhafte ambulante Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung am 10.08.2005 durch den Beklagten zu 4), die fehlerhafte Geburtseinleitung und postpartale Versorgung am 10.08.2005 bei der Beklagten zu 1) verursacht worden ist oder noch verursacht wird, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen oder übergegangen sind.
53Die Beklagten zu 1) bis 3) beantragen,
54die Berufung zurückzuweisen.
55Der Beklagte zu 4) beantragt,
561. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage gegen den Beklagten zu 4) abzuweisen,
572. hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,
583. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
59Der Kläger beantragt,
60die Berufung des Beklagten zu 4) zurückzuweisen.
61Der Beklagte zu 4) verfolgt mit seiner Berufung die Abweisung der Klage. Das Landgericht habe seine Feststellungen auf den Sachverständigen B gestützt, obwohl der Senat die Frage aufgeworfen habe, ob es nicht angezeigt sei, ein weiteres – geburtshilfliches – Sachverständigengutachten einzuholen. Die Feststellungen des Sachverständigen B seien unzutreffend und widersprüchlich. Soweit das Landgericht auf eine angeblich unzureichende Dokumentation abstelle, sei dies unzutreffend, da in der Krankendokumentation im Eintrag vom 10.08.2005 u.a. „Susp CTG, Krhsew. notwendig usw.“ aufgeführt sei.
62Zudem sei die Bewertung der Aussagen der mittlerweile vernommenen Zeuginnen fehlerhaft. Auch habe es das Landgericht versäumt, den Beklagten zu 4) als Partei zu vernehmen, zumindest aber ergänzend anzuhören, insbesondere zur Frage der Verdeutlichung der Dringlichkeit gegenüber der Kindesmutter und dem Angebot, ein Taxi zu rufen, um sie aus der Praxis ins Krankenhaus zu fahren. Die Anhörung des Beklagten zu 4) sei nur zu unerheblichen Gesichtspunkten erfolgt. Die beiden Zeuginnen hätten zudem übereinstimmend ausgesagt, dass die Kindesmutter ein Taxi nur deshalb abgelehnt habe, da ihr Begleiter ein Auto gehabt habe und dem Vorgehen im Übrigen zugestimmt habe.
63Auch die Beweisaufnahme zur Kausalität bzw. die diesbezüglichen Feststellungen des Gerichts seien unvollständig und unzureichend. Zwar habe die Überweisung des Beklagten zu 4) weder ein CTG noch einen Hinweis auf ein auffälliges CTG enthalten, jedoch hätten die Beklagten zu 1) bis 3) bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass sie sich auf Voruntersuchungen ohnehin nicht verlassen hätten. Eine – unterstellte – unzureichende Information hätte sich nicht ausgewirkt, zumal letztere nicht einmal mehr Kindesbewegungen wahrgenommen hätten. Auch sei hierbei nicht überzeugend, dass bei dem Beklagten zu 4) sogar ein grober Behandlungsfehler vorgelegen haben soll.
64Weiterhin seien die Schwächen der Begutachtung durch E nach der Zurückverweisung nicht beseitigt worden. Diese könnten auch nicht durch das Gutachten des Sachverständigen F ersetzt werden. Die Kausalitätsbegutachtung durch diesen beträfe ausschließlich Kausalitätserwägungen im Hinblick auf den vom Sachverständigen B konstatierten vermeidlichen Behandlungsfehler im Krankenhaus der Beklagten zu 1) bis 3).
65Im Übrigen ist der Beklagte zu 4) der Ansicht, dass die Berufung des Klägers gegen ihn mangels Beschwer unzulässig, im Übrigen – aufgrund der vorstehenden Erwägungen - auch unbegründet sei.
66Die Beklagten zu 1) bis 3) verteidigen das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. In Kenntnis des bei dem Beklagten zu 4) durchgeführten CTGs wären sie zu einer anderen Interpretation der Einweisungsdiagnose bzw. des aktuellen Befundes gekommen. Die Vorbefunde wären selbstverständlich sofort berücksichtigt worden, zumal das CTG des Beklagten zu 4) eindeutig pathologisch gewesen sei und in dessen Kenntnis sofort eine Entbindung durchgeführt worden wäre. Das CTG ab 19:11 Uhr habe hingegen erst differenzialdiagnostisch aufgearbeitet werden müssen. Im Übrigen habe der Sachverständige B darauf hingewiesen, dass der Zeitraum zwischen Aufnahme und Schnittentbindung vergleichsweise kurz gewesen sei und er in der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2018 noch ausgeführt habe, dass das Verhalten in der Klinik der Beklagten zu 1) auf der Grenze zwischen fehlerhaft und noch hinnehmbar gewesen sei. Keinesfalls liege ein grober Behandlungsfehler vor. Auch habe die Kindesmutter abends im Kreißsaal in schlechtem Deutsch noch berichtet, dass beim Frauenarzt alles in Ordnung gewesen sei.
67Der Sachverständige F habe auf die Frage ausdrücklich offengelassen, wie es sich ausgewirkt hätte, wenn der Kläger 90 Minuten früher zur Welt gekommen wäre und hierzu ausgeführt, dass sein Zustand „möglicherweise“ besser gewesen wäre. Dies gehe zu Lasten des beweisbelasteten Klägers. Die Frage der Mitursächlichkeit gehe insofern fehl, da nicht feststehe, dass sich ein Verursachensbeitrag des Nachbehandlers tatsächlich ausgewirkt habe.
68Der Senat hat die Eltern des Klägers persönlich angehört. Ferner haben die Sachverständigen B und F ihre Gutachten mündlich erläutert und ergänzt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.12.2021 sowie den Berichterstattervermerk vom gleichen Tag verwiesen.
69Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere des genauen Wortlautes der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
70II.
71Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet. Die Berufung des Beklagten zu 4) ist zulässig, aber nicht begründet.
72Die Zulässigkeit der Berufung des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 4) ergibt sich bereits aus der formellen Beschwer des Klägers aufgrund der Teilabweisung seiner Anträge im Tenor, die auch in der anteiligen Kostenbelastung des Klägers im Verhältnis zu dem Beklagten zu 4) zum Ausdruck kommt (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 34. Aufl. 2022, Vorb. zu §§ 511-541, Rn. 13).
73Das Landgericht hat den Beklagten zu 4) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 350.000,00 Euro verurteilt und festgestellt, dass dieser verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
74Die gegen die Beklagten zu 1) bis 3) gerichtete Klage hat es insgesamt abgewiesen. Der Senat ist nach erneuter Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte zu 4) zur Zahlung eines höheren Schmerzensgelds verpflichtet ist und die Berufungen im Übrigen ohne Erfolg bleiben.
751.
76Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 4) ein Anspruch Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500.000,00 Euro nach den §§ 611, 280, 253 Abs. 2 BGB bzw. §§ 823, 249, 253 Abs. 2 BGB zu. Daneben war die Ersatzpflicht des Beklagten zu 4) für sämtliche materiellen Schaden festzustellen.
77Der Senat stützt sich dabei aus den nachfolgenden Gründen auf die erstinstanzliche Begutachtung durch den gerichtlichen gynäkologischen Sachverständigen B und den gerichtlichen neonatologischen Sachverständigen F sowie ihre umfassenden und überzeugenden Ausführungen bei ihrer Anhörung vor dem Senat. An der hohen Qualifikation und Sachkunde beider Sachverständiger im Bereich der Gynäkologie bzw. Neonatologie bestehen keine Zweifel. Beide Sachverständige haben sich dezidiert mit dem zu beurteilenden medizinischen Sachverhalt auseinandergesetzt. Sie vermochten auch im Rahmen ihrer Anhörung durch den Senat ihre Feststellungen und fachlichen Beurteilungen unter Berücksichtigung sämtlicher Befunde überzeugend zu vertreten. Dabei haben sie sich auch intensiv mit den vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt.
78a.
79Nach der ergänzenden Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Beklagten zu 4) nach Abbruch des CTG am 10.08.2005 ein grober Behandlungsfehler zur Last zu legen ist.
80Ein grober Behandlungsfehler ist ein Fehler, bei dem eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen wird und der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH Urt. v. 11.06.1996 – VI ZR 172/95, VersR 1996, 1148; BGH Urt. v. 03.07.2001 – VI ZR 418/99, NJW 2001, S. 2795).
81Gestützt auf die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen B ist darin, dass der Beklagte zu 4) am 10.08.2005 nicht mit der erforderlichen Dringlichkeit auf eine sofortige Einweisung der Mutter des Klägers in ein Krankenhaus hingewirkt hat, ein grob behandlungsfeherhaftes Verhalten zu sehen. Bereits darin, dass die Ärzte der Beklagten zu 1) nicht durch den Beklagten zu 4) über das Ergebnis und den Abbruch des CTG, zumindest durch Mitteilung des suspekten CTG und den Grund des Abbruchs - vorab telefonisch oder zumindest durch entsprechende Notiz auf der Einweisung - informiert worden sind und die behandelnden Ärzte der Beklagten zu 1) deshalb nicht auf die Notwendigkeit einer sofortigen und zielgerichteten Behandlung aufmerksam gemacht worden sind, liegt ein grob fehlerhaftes Verhalten.
82(1) Das Landgericht hat gestützt auf das gynäkologische Gutachten des Sachverständigen B im Zusammenhang mit dem am 10.08.2005 abgeleiteten CTG zutreffend ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten insoweit angenommen, als dass dieses CTG in dem Sinne reaktionspflichtig gewesen sei, dass weitere Untersuchungen respektive Maßnahmen, die zur Entbindung führten, notwendig gewesen seien. Bei Unterlassung dieser gebotenen Befunderhebung sei, angesichts des eindeutig reaktionspflichtigen – wenn nicht sogar pathologischen - CTG, jedoch die dringende Empfehlung einer unverzüglichen Krankenhausaufnahme geboten gewesen, welche in dieser Form nicht erfolgt sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei es geboten gewesen, der Mutter des Klägers mit Nachdruck unmissverständlich zu empfehlen, sich unverzüglich in ein Krankenhaus zu begeben und dieser notfalls auch mitzuteilen, dass das Kind sonst möglicherweise sterben werde.
83(2) Dies hat sich auch im Rahmen der ergänzenden Beweisaufnahme durch den Senat bestätigt. Der Sachverständige B erläuterte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat, dass das 12-minütige CTG in der Praxis des Beklagten zu 4) als pathologisch zu bezeichnen sei, wobei dieses strenggenommen aufgrund der Kürze nicht auswertbar sei. Zur damaligen Zeit im Jahre 2005 sei überwiegend noch nach dem sog. Fischer-Score ausgewertet worden. Dieser sei auch im vorliegenden Fall anwendbar gewesen, da es sich zeitlich noch um ein CTG in der Schwangerschaft gehandelt habe. Mit dem Ergebnis von 5 Punkten nach dem Fischer-Score sei man in der Praxis des Beklagten zu 4) jedoch am Ende gewesen. Es habe hiernach jedenfalls Handlungsbedarf bestanden und man habe von der ungünstigsten Hypothese einer Mangelsituation ausgehen müssen, wonach der Kläger nicht mehr genügend versorgt werde und geboren werden müsse. Es sei insofern durchaus vernünftig gewesen das CTG abzubrechen, allerdings hätte die Mutter des Klägers dann direkt in eine Klinik überwiesen werde müssen. Essenziell notwendig seien in einer solchen Situation die Aufklärung der Patientin, die Information der Klinik und die Organisation des Transportweges gewesen.
84Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts an, nach denen davon auszugehen ist, dass der Beklagte zu 4) auf die Mutter des Klägers bereits nicht mit der gebotenen Deutlichkeit eingewirkt und dieser die Dringlichkeit einer sofortigen Krankenhauseinweisung vor Augen geführt hat. Der Beklagte zu 4) führte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 08.05.2012 - welche ihm im Senatstermin noch einmal wörtlich vorgehalten wurde und deren Richtigkeit er bestätigte - aus, dass er das Ergebnis der Untersuchung mit der Mutter besprochen und ihr gesagt habe, das CTG sei auffällig. Es bestehe ohnehin ein Risiko wegen des Fruchtwassers und der nicht geklärten Ursache für die Blutungen, weshalb die Mutter ins Krankenhaus gehen solle. Er habe ihr hierbei auch gesagt, sie solle möglichst bald ins Krankenhaus. Ferner habe er auch angeboten, aus der Praxis heraus ein Taxi zu bestellen, wozu es aber nicht gekommen sei, wobei er nicht mehr wisse, aus welchen Gründen dies nicht geschehen sei.
85Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass damit nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Mutter des Klägers der Ernst der Lage mit hinreichender Klarheit verdeutlicht wurde. Vielmehr wäre es nach den Ausführungen des Sachverständigen B erforderlich gewesen, der Mutter des Klägers mit allem Nachdruck und mit deutlichen Worten - notfalls „bis zum Eklat“ - vor Augen zu führen, welche Konsequenzen es haben könne, wenn sie das Krankenhaus nicht sofort aufsuche.
86In diesem Zusammenhang steht auch bereits nach Aussagen der erstinstanzlichen vernommenen Zeuginnen G und H, bei denen es sich um Mitarbeiterinnen in der Praxis des Beklagten zu 4) handelt, nicht fest, dass die Mutter des Klägers mit der erforderlichen Dringlichkeit auf die Notwendigkeit einer umgehenden Krankenhausbehandlung hingewiesen worden ist. Zwar gab die Zeugin H an, dass der Mutter des Klägers gesagt worden sei, sie müsse sofort ins Krankenhaus. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, vermochte die Zeugin jedoch nichts zur Reaktion der Mutter des Klägers hierauf zu sagen. Sie wisse auch nicht mehr, ob gesagt worden sei, dass eine Gefahr für das Kind bestehe, wenn die Mutter nicht sofort ins Krankenhaus gehe. Ebenso vermochte sie nichts dazu zu sagen, ob der Beklagte zu 4) darauf reagiert habe, dass die Mutter des Klägers bereits zuvor Krankenhauseinweisungen nicht nachgekommen war. Der Beklagte zu 4) trägt insoweit selbst vor, die Mutter bereits an den Tagen zuvor permanent erfolglos dazu gedrängt zu haben, sich zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus zu begeben. Aufgrund der sachverständigenseits erläuterten Dringlichkeit hätte er insofern sicherstellen müssen, dass die Mutter des Klägers die Ernsthaftigkeit der Situation begreift und sich in ein Krankenhaus begibt.
87Jedenfalls war es nach den Ausführungen des Sachverständigen B – selbst bei unterstellter richtiger Information der Mutter des Klägers – bereits grob fehlerhaft, die Klinik nicht zu informieren. Der Beklagte zu 4) hat in seiner persönlichen Anhörung insoweit eingeräumt, keine Veranlassung gesehen zu haben im Krankenhaus anzurufen, um die Patientin dort anzukündigen. Der Sachverständige schilderte hierbei anschaulich, dass in der Klinik bei einer (angekündigten) dringlichen Patientin oder Notfallpatientin eine andere Aufnahmeprozedur vorläge. Zudem hätten im Falle einer Ankündigung seitens der Klinik bereits das entsprechende Personal und ein Saal bereitgestellt werden können. Auch eine noch so gut informierte Patientin werde es alleine nicht schaffen, bei Aufnahme im Krankenhaus, sofort in den Kreißsaal zu kommen. Vielmehr sei es Aufgabe des Arztes - hier des Beklagten zu 4) - alle Hindernisse für eine schnelle klinische Aufnahme ausräumen. Die Nichtinformation der Klinik sei eine nicht hinnehmbare Regelverletzung. Dies stelle einen nicht nachvollziehbaren und unvorstellbaren Vorgang dar.
88Auch aus der vom Beklagten zu 4) erstellten Krankenhauseinweisung vom 10.08.2005 ergebe sich kein Hinweis auf die Dringlichkeit. Weder die dort angegebenen Terminsüberschreitung, noch das Oligohydramnion deuteten auf eine Dringlichkeit hin.
89Hinsichtlich der Organisation des Transportes schilderte der Sachverständigen B im Senatstermin, dass eine Fahrt aus der Praxis in die Klinik mit dem Taxi oder dem privaten Pkw grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, zumal ein Rettungstransportwagen auch eine gewisse Rüst- und Anfahrzeit habe. Es sei daher vertretbar gewesen, die Patientin im Taxi oder Privatwagen in die Klinik fahren zu lassen, aber dann mit der - hier unterlassenen - Information über die Einweisung an die Klinik, damit die Patientin dort nicht im Rahmen der Aufnahme „in der Verwaltung hängen bleibe“.
90Dieser Wertung als grober Behandlungsfehler schließt sich der Senat aus eigener Überzeugung an. Angesichts des einerseits vorliegenden dringenden Handlungsbedarfs aufgrund der zu unterstellenden ungünstigsten Hypothese, dass das Kind nicht mehr genügend versorgt wird und geboren werden muss, sowie der Einfachheit des gebotenen Handelns auf der anderen Seite ist es vollkommen unverständlich, dass dies vorliegend unterblieben ist. Die Unterlassung der gebotenen sofortigen Krankenhauseinweisung der Mutter des Klägers mit Information der Klinik ist mithin als grober Behandlungsfehler des Beklagten zu 4) anzusehen.
91b.
92Aufgrund der Beweisaufnahme steht weiter zur Überzeugung des Senats fest, dass das unterlassene Verhalten des Beklagten zu 4) generell geeignet war, die gesundheitliche Befindlichkeit des Klägers in seiner konkreten Ausprägung hervorzurufen. Dagegen hat der – aufgrund des groben Behandlungsfehlers insoweit beweispflichtige - Beklagte zu 4) nicht beweisen können, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem ihm vorzuwerfenden Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden gänzlich unwahrscheinlich ist.
93Der neonatologische Sachverständige Prof. F hat in seinen schriftlichen Ausführungen, welche dieser im Senatstermin ergänzend erläuterte, festgestellt, dass die Folgeerscheinungen und Beschwerden des Klägers (symptomatische fokale Epilepsie, Mikrozephalie, schwere psychosomatische Retardierung, Zentrale Sehminderung) sämtlich Folgen der vom Kläger erlittenen perinatalen Asphyxie mit konsekutiver schwerer hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie (HIE) seien. Man müsse davon ausgehen, dass die Mangelversorgung ursächlich für die HIE gewesen sei. Der Kläger sei zweifelsfrei als erheblich deprimiertes, asphylitisches Neugeborenes geboren worden. Mit der HIE sei ein Krankheitsbild bezeichnet, bei der eine geringe, mäßig oder schwer ausgeprägte, dem Neugeborenen „ansehbare“ Funktionsstörung des Gehirns bestehe. Diese HIE werde als pathophysiologischen Sequenz verstanden, die infolge einer Minderdurchblutung („Ischämie“) oder auch reduzierten Sauerstoffversorgung („Hypoxie“) oder einer Kombination beider Phänomene beim betroffenen Neugeborenen auftrete. Neugeborene mit einer Asphyxie - wie beim Kläger - würden in Abhängigkeit vom Schweregrad einer konsekutiver HIE das wohl deutlich erhöhte Risiko tragen, an dieser Erkrankung zur versterben oder auch bleibende Spätfolgen davonzutragen. Auch wenn die körperlichen Symptome des Klägers in den für die Beurteilung zur Verfügung stehenden Unterlagen äußerst rudimentär dargestellt seien, sei sicher eine mittelgradige, wahrscheinlich gar schwere HIE beim Kläger anzunehmen.
94Die im Resultat bei dem Kläger mit der Geburt bestehende HIE sei nicht nur auf eine Störung der fetoplazentaren Einheit zurückzuführen, sondern mutmaßlich zusätzlich durch „Strangulationsereignisse“ des Feten vor bzw. unter der Geburt begünstigt worden. Die genannten Folgeerscheinungen und Beschwerden des Klägers seien vollständig auf eine mutmaßlich schwere HIE zurückzuführen.
95Ausweislich der ergänzenden Erläuterungen des Sachverständigen F im Senatstermin, deuteten die beim Kläger vorliegenden Schäden auf eine Schädigung des reifen Kindes hin. Das Schädigungsmuster passe auf ein Ereignis, was vor der Geburt aufgetreten sein könnte. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für einen Gendefekt vor.
96Es lasse sich jedoch nicht sicher feststellen, ob und in welchem Ausmaß der Kläger bei einer früheren Entbindung einen besserer Zustand aufgewiesen hätte. Dies bleibe spekulativ. Der pränatale Ablauf bedeute in der pathophysiologischen Sequenz der HIE, dass es ein Zeitfenster gegeben habe, in dem schlussendlich fetale Kompensationsmechanismen des Klägers noch zur Verfügung gestanden haben müssen, die eine mildere Form einer HIE oder auch ein Überleben des Klägers mit einem weniger aus geprägten Schädigungsmuster ermöglicht hätten. Bei einer früheren Geburt wäre die Wahrscheinlichkeit für den Kläger eine größere gewesen, mit einer milderen HIE geboren zu werden. Hierbei lasse sich jedoch kein „linearer Verlauf“ zurückrechnen, wie der Zustand bei einer früheren Geburt gewesen wäre. Es gebe keine Hinweise darauf, dass ein plötzliches Ereignis stattgefunden habe, aufgrund dessen sich der Zustand des Klägers akut verschlechtert habe und der den Zustand bei seiner Geburt allein erklären könne.
97Aus neonatologischer Sicht sei anzunehmen, dass eine Geburt 90 Minuten vor der tatsächlichen Abnabelung des Klägers sowohl eine terminale Bradykardie als die letztendlich den Schweregrad der HIE begründenden pathophysiologischen Abläufe hätte verhindern können. Möglicherweise wäre der Kläger beispielsweise am 10.08.2005 um 20:47 Uhr mit einer moderaten HIE mit einem geringeren Gruppenrisiko der bleibenden Schädigung zur Welt gekommen. Es müsse angenommen werden, dass um 22:17 Uhr die individuellen Kompensationsmechanismen des Klägers erschöpft gewesen seien, mit der Folge der irreversiblen neurologischen Schädigung.
98Auch der Sachverständige B kommt in seiner geburtshilflich-gutachterlichen Stellungnahme zu der Einschätzung, dass es sich bei dem Kläger nicht um einen akuten geburtshilflichen Notfall gehandelt habe, sondern eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits über längere Zeit bestehende zirkulatorische Kompensation einer Mangelversorgung des Kindes auf niedrigstem Niveau stattgefunden habe. Aus geburtshilflicher Sicht sei die Situation, in der es gewissermaßen zum vollständigen Versagen der fetalen Kompensationsmechanismen mit der Folge der irreversiblen neurologischen Schädigung des Klägers gekommen ist, nicht zu identifizieren.
99c.
100Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 4) danach ein Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden nach den §§ 249, 253 Abs. 2 BGB zu.
101(1) Der Kläger kann gemäß § 253 Abs. 2 ZPO ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen, dessen Höhe der Senat mit 500.000,00 Euro bemisst.
102Dabei sind insbesondere die symptomatische fokale Epilepsie, Mikrozephalie, schwere psychosomatische Retardierung und Zentrale Sehminderung zu berücksichtigen sowie der Umstand dass der schwer geistig behinderte und körperlich beeinträchtigte Kläger niemals in der Lage sein wird, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Der mittlerweile 16 Jahre alte Kläger ist geistig und von seinen körperlichen Fähigkeiten her auf dem Stand eines sechs Monate alten Säuglings. Er kann nur innerhalb des engsten Familienkreises mit anderen kommunizieren. Er kann nicht sehen und nicht schreiben. Zu einer aktiven Wortbildung und Sprache ist der Kläger nicht in der Lage, mit Ausnahme des Wortes „Baba“ für Vater. Grundbedürfnisse wie Hunger und Durst kann er nicht selbständig kommunizieren. Er ist jedoch in der Lage Musik zu hören und nimmt auch Ortsveränderungen, wie beim Spazierengehen oder Urlauben am Meer, wahr. Soweit die Eltern des Klägers im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat angaben, dass der Kläger eine „Berufsschule“ besuche, passt dies jedoch nicht zu den beschriebenen Fähigkeiten des Klägers, so dass es sich hierbei vermutlich eher um eine spezielle Einrichtung handeln dürfte, wie auch der Sachverständige F ausführte.
103Es ist nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen F auch nicht davon auszugehen, dass sich der Zustand des Klägers in Zukunft verbessern wird.
104Die konkrete Höhe des Schmerzensgeldes bemisst der Senat angesichts der festgestellten schwersten und dauerhaften Beeinträchtigungen mit 500.000,00 €.
105Die Funktion des Schmerzensgeldes liegt nach ständiger Rechtsprechung darin, dem Verletzten einen materiellen Ausgleich für den erlittenen immateriellen Schaden und Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu gewähren. Eine billige Entschädigung in Geld steht dem Geschädigten aber auch zu, wenn seine Persönlichkeit weitgehend zerstört ist, selbst wenn seine Empfindungsfähigkeit ganz oder teilweise durch das schadensstiftende Ereignis aufgehoben ist (vgl. BGH Urt. v. 13.10.1992 – VI ZR 201/01, VersR 1993, 327; BGH Urt. v. 16.02.1993 – VI ZR 29/92, VersR 1993, 585). Das Schmerzensgeld muss dabei der Höhe nach unter umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzungen stehen (vgl. nur Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Auflage, § 253 Rdn. 4, 15 m.w.N.).
106Dem Kläger ist aufgrund seiner in höchstem Maße eingeschränkten Fähigkeiten praktisch jede Möglichkeit einer körperlichen und geistigen Entwicklung genommen. Er wird die normalen Entwicklungsstufen von Kindheit, Jugend, Erwachsensein bis zum Alter kaum bewusst erleben und auch keine Persönlichkeit entwickeln oder eine Familie gründen können. Er ist lediglich in der Lage, ihm nahestehende Bezugspersonen zu erkennen und auf diese zu reagieren und sich dabei nonverbal zu äußern. Der Kläger ist in seiner täglichen Lebensführung maximal beeinträchtigt und wird sein ganzes Leben lang auf die Hilfe Außenstehender angewiesen sein. Dabei wird es die notwendige dauerhafte Anwesenheit von Angehörigen, Helfern und Pflegepersonen dem Kläger unmöglich machen, sich eine eigene, intime Sphäre aufzubauen. Hinzu kommen die immer wiederkehrenden epileptischen Anfälle, welche die Befindlichkeit des Klägers zusätzlich beeinträchtigen und weshalb er regelmäßig Medikamente einnehmen muss. Er leidet unter Krämpfen, Spastiken und Schmerzen. Derartig umfassende geistige und körperliche Beeinträchtigungen ab dem Zeitpunkt der Geburt rechtfertigen zur Überzeugung des Senats eine in der Höhe herausragende Entschädigung. Auch angesichts der grob fehlerhaften Behandlung des Beklagten zu 4) hält der Senat insgesamt ein Schmerzensgeld von 500.000,00 Euro für gerechtfertigt. Dieser Betrag ist angemessen und erforderlich, um den dem Beklagten zu 4) zuzurechnenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Klägers gerecht zu werden. Er bewegt sich auch im üblichen Rahmen vergleichbarer Entscheidungen der obergerichtlichen Rechtsprechung zu Höchstschadensfällen bei der Geburt (vgl. OLG Hamm Urt. v. 16.01.2002 – 3 U 156/00, VersR 2002, 324; OLG Köln Urt. v. 20.12.2006 – 5 U 130/01, VersR 2007, 219; OLG Zweibrücken Urt. v. 22.04.2008 – 5 U 6/07, MedR 2009, 88; KG Berlin Urt. v. 16.02.2012 – 20 U 157/10, MedR 2012, 596; OLG Naumburg Urt. v. 28.11.2001 – 1 U 161/99, VersR 2002, 1295). Soweit in diesen Entscheidungen teilweise sogar noch weitergehendere Schwerstschädigungen (z.B. schwere spastische Tetraparesen) als im hier zu bewertenden Streitfall in die Schmerzensgeldbemessung eingeflossen sind, hält der Senat gleichwohl angesichts des ebenfalls zu berücksichtigen Umstands, dass diese Entscheidungen teils 10 Jahre und mehr zurückliegen, das festgesetzte Schmerzensgeld in dieser Höhe für angemessen.
107Neben der Schwere der geistigen Behinderung ist für die Höhe des Schmerzensgeldes auch bestimmend, dass der Kläger bereits seit seiner Geburt massiv beeinträchtigt ist und sein gesamtes weiteres Leben lang – ohne Aussicht auf Besserung seines Zustandes - vollumfänglich auf fremde Hilfe angewiesen sein wird. Es fällt dabei insbesondere ins Gewicht, dass er niemals in der Lage sein wird, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln oder eigene Wünsche und Bedürfnisse zu kommunizieren.
108(2) Der Zinsanspruch für den Schmerzensgeldanspruch ab dem 19.03.2011 folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Klageerweiterung ist dem Beklagten zu 4) am 18.03.2011 zugestellt worden.
109Der Kläger kann die Zinsen hingegen nicht bereits seit dem Tag seiner Geburt, dem 10.08.2005, verlangen. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung vom Zeitpunkt seiner Entstehung an mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen ist, existiert nicht. Aus § 849 BGB ergibt sich vielmehr, dass eine solche kraft Gesetzes eintretende Verzinsung die Ausnahme ist und auf die dort genannten Fälle der Entziehung oder Beschädigung einer Sache beschränkt bleiben muss (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 80. Auflage, § 849 Rdn. 1 m.w.N.).
110(3) Der Kläger kann schließlich die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten zu 4) für sämtliche materiellen Schäden verlangen. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO besteht schon deshalb, weil angesichts von Art und Schwere der Beeinträchtigungen des Klägers und aufgrund seines jungen Alters künftige Schadensfolgen möglich erscheinen.
1112.
112Der Kläger hat keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu 1) bis 3). Zwar ist auch bei den Beklagten zu 1) bis 3) von einem Behandlungsfehler auszugehen, jedoch vermochte der Kläger den ihm obliegenden Beweis nicht zu führen, dass dieser Behandlungsfehler bei ihm einen Schaden verursacht hat.
113a.
114Nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme ist den Beklagten zu 1) bis 3) ein (einfacher) Behandlungsfehler vorzuwerfen, da zwar von diesen die notwendigen Schritte unternommen wurden, jedoch nicht in der gebotenen Zeit. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B sei das Vorgehen hinsichtlich der verstrichenen Zeit kritikwürdig und in diesem quantitativen Sinne auch behandlungsfehlerhaft. Es sei von einer etwas protrahierten Entscheidungsfindung auszugehen.
115Hierbei ist nach den Erläuterungen des Sachverständige B zunächst zu berücksichtigen, dass den Beklagten zu 1) bis 3) aufgrund der - vorstehend geschilderten - unterlassenen Informationen durch den Beklagten zu 4) bei Aufnahme der Mutter des Klägers nicht die Dringlichkeit der Situation bewusst war und sich diese auch nicht deutlich darstellte. Durch das festgestellte grob behandlungsfehlerhafte Verhalten des Beklagten zu 4) sind die Ärzte der Beklagten zu 1) nicht über das Ergebnis und den Abbruch des CTG, weder telefonisch, noch durch entsprechende Notiz auf der Einweisung, informiert worden und wurden insofern nicht auf die Notwendigkeit einer sofortigen und zielgerichteten Behandlung aufmerksam gemacht.
116Der Sachverständige B führt weiter aus, dass man im Hinblick auf die bis 21:00 Uhr erhobenen Befunde eine Sectio etwa ein bis anderthalb Stunden früher hätte durchführen können und auch müssen. Frühestens um 20:30 Uhr seien alle Befunde, die zu erheben waren, zusammenfassend zu bewerten gewesen. Angesichts dieses Umstandes sei das zögerliche Verhalten der Beklagten zu 1) bis 3) behandlungsfehlerhaft. Aufgrund der bereits seit einiger Zeit bestehenden Pathologie habe zwar zunächst keine Indikation für eine umgehende Notsectio bestanden, auch wenn die von der Beklagten zu 2) erhobenen Dopplerwerte bereits eine kindliche Zentralisierung mit diastolischem Fluss in der Arteria cerebri media indiziert hätten. Die pathologische Durchblutungssituation in der Arteria cerebri media, welche als Ausdruck einer kindlichen Zentralisation zugunsten der Oxygenierung des Gehirns habe interpretiert werden müssen, stelle sich als entscheidendes Faktum dar.
117Im Übrigen sind die von den Beklagten zu 1) bis 3) durchgeführten Maßnahmen als solche nicht zu beanstanden. Zwar sei nach den Ausführungen des Sachverständigen B - unter kontinuierlicher CTG Ableitung - der Versuch einer vaginalen Entbindung angesichts des noch unreifen Zervixbefundes nur eingeschränkt erfolgsversprechend gewesen, jedoch sei die Geburtseinleitung durch Oxytocin im Sinne eines Oxytocin-Belastungstests nicht im strengeren Sinne contra-indiziert gewesen. Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige B insoweit erläutert, dass ein Oxytocin-Belastungstest zwar heute nicht mehr zum Standard gehöre. In dem für die Beurteilung maßgeblichen Jahr 2005 sei bei einem – wie hier – Fischer-5-Score ein Oxytocin-Belastungstest jedoch noch Standard gewesen, was sich auch daran zeige, dass dies selbst im Jahr 2013 noch in der anerkannten Standardliteratur von Uhl noch so beschrieben worden sei. Bereits in seiner Anhörung vor dem Landgericht führte der Sachverständige insoweit aus, dass der Oxytocin-Belastungstest vorliegend zwar nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre, allerdings sei ein Schaden hierdurch nicht ausgelöst worden. Ein solcher Belastungstest könne auch als zarter Versuch der Einleitung einer vaginalen Geburt gedeutet werden. Solange keine Verschlechterung des kindlichen Herzfrequenzmusters erfolgte, sei eine vaginale Geburtseinleitung noch erlaubt gewesen. Die Beklagten zu 1) bis 3) wären jedoch ebenso berechtigt gewesen unverzüglich eine Sectio durchzuführen. In beiden Handlungsweisen sei unter Berücksichtigung der konkreten Umstände keine Unterschreitung des gebotenen Standards zu sehen. Entscheidend sei, dass es sich nicht um einen akuten geburtshilflichen Notfall gehandelt habe, vielmehr um eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits über längere Zeit bestehende zirkulatorische Kompensation einer Mangelversorgung des Klägers. Bei Betrachtung des cardiotokographischen Verlaufsverlaufs falle auf, das keine Veränderung des fetalen Herzfrequenzmusters zu verzeichnen sei, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass - insbesondere mit Blick auf dieses gleichartige Herzfrequenzmuster - der Prozess der langsamen Verminderung des Sauerstoffs und Gasaustausches zwischen der Plazenta und dem Feten auf dem niedrigsten Niveau stabil gewesen sei. Insoweit habe die Blutgasanalyse zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers eindrucksvoll gezeigt, dass dies bereits am Vormittag des 10.08.2005 eingesetzt habe. Sowohl die eindeutig von der Norm abweichenden dopplersonographischen Werte als auch das fetale Herzfrequenzmuster seien zwar geeignet gewesen, eine kindliche Mangelversorgung zu diagnostizieren, jedoch hätten die Beklagten zu 1) bis 3) - aus ex ante Sicht - nicht vermuten können, dass diese so hochgradig sein würde, wie sich nach Durchführung der Sectio angesichts einer schwersten Azidose mit einem pH-Wert von 6,8 herausgestellt habe. Weitere Untersuchungen, wie z.B. eine Fruchtwasserspiegelung zur Feststellung, ob eine grünliche Verfärbung vorhanden ist, hätten keine über die erhobenen Befunde hinausgehenden handlungsrelevanten Erkenntnisse gebracht und seien daher auch nicht durchzuführen gewesen. Eine Fetalblutanalyse zur Messung des Sauerstoffgehalts des Blutes des Klägers war nach den Feststellungen des Sachverständigen B zudem nicht möglich, da hierfür eine Blutentnahme aus der Kopfhaut des Klägers erforderlich gewesen wäre.
118Zur Überzeugung des Senats besteht auch keine Diskrepanz in den Feststellungen zur Dringlichkeit in der Praxis des Beklagten zu 4) und dem Behandlungsverlauf im Hause der Beklagten zu 1) bis 3). Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B liege kein Widerspruch darin, dass die Nichtreaktion auf das in der Praxis geschriebene CTG grob fehlerhaft, während die protrahierte Reaktion auf das silente CTG in der Frauenklinik eher noch hinnehmbar gewesen sei. Zunächst gelte auch hier, dass die Kenntnis des CTG aus der Praxis geeignet gewesen wäre, den Prozess in der Frauenklinik zu beschleunigen, da dann die stationäre Diagnostik nicht hätte de novo stattfinden müssen, sondern klar gewesen wäre, dass es sich um eine protrahierte Mangelsituation in der Versorgung des Klägers gehandelt habe. Dementsprechend wäre die Kenntnis des Kardiotokogramms in der Praxis geeignet gewesen, den Entscheidungsprozessen zu befördern und Veranlassung gewesen, die zu treffenden Maßnahmen früher und mit höherer Dringlichkeiten zu ergreifen. Auch sei der Zeitraum von der Aufnahme gegen 19:00 Uhr in der Klinik der Beklagten zu 1) bis zur Schnittentbindung um 21:45 Uhr und Geburt um 22:17 Uhr mit etwa drei Stunden vergleichsweise kurz, angesichts der Nichtreaktion auf ein pathologisches Herzfrenquenzmuster zum Zeitpunkt des Praxisbesuchs am Mittag bis zur Aufnahme gegen 19:00 Uhr, was zu einer Untätigkeit von etwa neun Stunden geführt habe. Schließlich sei die Zeit in der Frauenklinik - im Gegensatz zur völligen Nichtreaktion des Beklagten zu 4) - nicht ohne ärztliche Maßnahmen verstrichen, sondern beinhalte die notwendigen diagnostischen Schritte.
119Die Auffassung, dass es sich bei den Versäumnissen der klinischen Geburtshelfer nur um einen einfachen und nicht um einen groben Behandlungsfehler handele ergebe sich aus der Überlegung, dass die Mutter des Klägers ohne jegliche Vorindikation lediglich mit der subjektiven Angabe nachlassender Kindsbewegungen in die Klinik gekommen sei. Das Vorgehen sei hinsichtlich der verstrichenen Zeit kritikwürdig, völlig unverständlich sei es allerdings insoweit nicht, als den hier tätigen Geburtshelfern eine gewisse Zeit zur Entscheidungsfindung zuzugestehen sei und es sich auch nicht um einen akuten Notfall im Sinne einer erkennbaren Verschlechterung, sondern um eine protrahierte Mangelsituation gehandelt habe. Insofern sei nach der Beendigung der Doppleruntersuchung bis zur Entscheidung eine Schnittentbindung durchzuführen, der insoweit vergangene Zeitraum als vermeidbar lang anzusehen und möge die späte Entscheidung auch als behandlungsfehlerhaft eingestuft werden, jedoch seien im Ergebnis doch die richtigen Konsequenzen gezogen worden. Auch sei das CTG in der Klinik über den notwendigen Zeitraum von 20 bis 30 Minuten geschrieben worden, während der Beklagte zu 4) die Untersuchung nach 12 Minuten abgebrochen habe, was medizinisch nur zulässig sei, wenn im Anschluss daran höherwertige diagnostische Maßnahmen unternommen werden, was vorliegend nicht geschehen sei.
120Der Sachverständige B hat sich im Rahmen seiner Begutachtung auch intensiv und dezidiert mit den beiden Privatgutachten von I und J auseinandergesetzt, wie sich bereit aus den diesbezüglichen schriftlichen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen vom 31.03.2016 ergibt. Dieser führt insoweit aus, dass die beiden Privatgutachten zum gleichen Ergebnis gelangten. In der Sache selbst würden seine - die des gerichtlichen Sachverständigen - Äußerungen hierbei durchaus nicht im Widerspruch zu denen des I stehen. Seine eigenen Bewertungen im Sinne des einfachen Behandlungsfehlers und der Herleitung einer klar bezogenen Kausalität zum Schaden des Klägers würden sich hingegen von denjenigen der Privatgutachter unterscheiden. Soweit I moniere, dass nach Vorlage eines pathologischen Herzfrequenzmusters eine ständige Beurteilung und eine alle 10 Minuten dokumentierte Bewertung auf dem CTG-Streifen nicht stattgefunden habe, seien konservative Maßnahmen vorliegend angesichts des geburtshilflichen Befundes sicher nicht indiziert, vielmehr sei eine Doppleruntersuchung angezeigt gewesen. Inwieweit die Durchführung dieser Doppleruntersuchung durch die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) den Erfordernissen einer weiteren Befunderhebung nicht etwa Rechnung getragen hätte, führe I nicht aus. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass nach erfolgter Doppleruntersuchung die Entbindung spätestens bis 20:30 Uhr hätte indiziert werden müssen, während der Verzicht auf eine umgehende Schnittentbindung als eine kaum zu übertreffende Sorgfaltspflichtverletzung und Fehleinschätzung angesehen werden müsse. Eine vaginale Geburtseinleitung sei zu diesem Zeitpunkt absolut unrealistisch gewesen. Die Anordnung eines sogenannten Oxytocin-Belastungstests deute auf erhebliche Defizite bez. abrufs- / anwendungsbereiter Kenntnisse von Physiologie und Pathophysiologie der feto-plazentralen Funktionseinheit und der fetalen Adaptionsmechanismen hin. Der Sachverständige B führt insoweit aus, dass er einen Oxytocin-Belastungstest ebenfalls vorliegend für nicht indiziert gehalten habe, da dieser zumindest in Perinatalzentren seit 2004 nicht mehr durchgeführt worden sei. Im Übrigen seien die Ausführungen des I hinsichtlich der Verlässlichkeit des Kardiotokogramms als diagnostischem Instrument insoweit zu relativieren, als in der Bewertung eines Behandlungsfehlers stets auch die Wertigkeit der verwendeten Methoden Berücksichtigung finden müsse. Bei den Privatgutachten sei eine durch das geburtshilfliche Ergebnis geprägte Sichtweise erkennbar.
121b.
122Der Kläger vermochte hinsichtlich der Beklagten zu 1) bis 3) den ihm insoweit obliegenden Beweis nicht zu führen, dass der festgestellte Behandlungsfehler bei ihm einen Schaden verursacht hat. Dem Kläger oblag insoweit die Beweislast, da – wie vorstehend ausgeführt - hinsichtlich der Beklagten zu 1) bis 3) nur ein einfacher Behandlungsfehler festzustellen war.
123Die Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler und dem Schaden ließ sich nicht feststellen und bleibt insofern spekulativ.
124Nach den Ausführungen des Sachverständigen B habe die protrahierte Entscheidungsfindung angesichts des gleichbleibenden kindlichen Herzfrequenzmusters nicht zu einer Veränderung der Versorgungssituation des Klägers geführt. Zwar hätte man im Hinblick auf die bis 21:00 Uhr erhobenen Befunde eine Sectio etwa ein bis anderthalb Stunden früher durchführen können und auch müssen, allerdings habe diese Verzögerung nicht zu einer messbaren Verschlechterung des subakuten Mangelzustands des Klägers geführt. Eine Kausalität für die sich post partum darstellende kindliche Mangelsituation sei nicht herzuleiten. Der Zustand des Klägers sei kein akuter gewesen, sondern habe die Anpassung seiner Zirkulation auf niedrigsten Niveau an einen subakuten Mangel dargestellt, welche nicht erst beim Betreten der Klinik begonnen habe.
125Auch nach den Ausführungen des neonatologischen Sachverständigen F lasse sich nicht feststellen, ob und in welchem Ausmaß der Kläger bei einer früheren Entbindung einen besserer Zustand aufgewiesen hätte. Es sei - wie bereits dargestellt - letztlich spekulativ, ob durch eine frühere Schnittentbindung ein besseres Ergebnis für den Kläger zu erzielen gewesen wäre. Der gesamte Geburtsverlauf sei vielmehr von einer ständig schlechten Versorgungslage geprägt, ohne dass es hierbei ein zusätzliches akutes Ereignis gegeben habe, auf welches der Zustand des Klägers bzw. eine spürbare Verschlechterung seines Zustandes zurückgeführt werden könne. In seinen Erläuterungen vor dem Senat schilderte der Sachverständigen zudem, es sei auch möglich, dass die wesentliche Schädigung des Klägers bereits in der Praxis des Beklagten zu 4) eingetreten ist.
126Auf eine Mitursächlichkeit kommt es vorliegend nicht an, da bereits nicht feststeht, dass sich ein Verursachensbeitrag der nachbehandelnden Beklagten zu 1) bis 3) überhaupt ausgewirkt hat.
127c.
128Zutreffend ist das Landgericht weiterhin zu der Feststellung gelangt, dass der Beklagten zu 1) auch im Hinblick auf die Erstversorgung des Klägers nach seiner Geburt kein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist. Die Erstversorgung durch den anästhesiebiologischen Oberarzt C entsprach dem fachärztlich gebotenen Standard.
129Zunächst war der Anästhesist C zur Erstversorgung des asphyktischen Klägers befugt, da dieser nach den Darlegungen der Sachverständigen D und E, an deren Sachkunde keine Zweifel bestehen und deren Ausführungen sich der Senat ebenfalls anschließt, über eine den Anforderungen entsprechende Qualifikation verfügt habe. Zudem habe dieser nach den üblichen und zum Behandlungszeitpunkt neuesten Reanimationsrichtlinien und darüber hinaus schnell und folgerichtig gehandelt. Die Neonatologie Z sei sofort nach Erkennen desspyktischen Zustands des Klägers alarmiert und der Kläger sei stimuliert und abgesaugt worden. Ferner sei nach Erfolglosigkeit des letztgenannten Vorgehens intubiert worden und es sei eine endotracheales Absaugen vorgenommen worden. Der körperliche Schaden sei dem Kläger des Weiteren nicht erst während der Reanimation zugefügt worden. Der Zustand des Neugeborenen, der Nabel-pH, das Basendefizit und der später erhobene Laktatwert seien Ausdruck einer prä- und/oder intrapartalen Mangelversorgung des Feten. Diese Feststellung stimmt insofern auch mit den entsprechenden Ausführungen der Sachverständigen B und F überein.
130Der Sachverständige E kam auch im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Sachverständigengutachtens in der Sitzung des Landgerichts vom 08.11.2013 zu dem Ergebnis, dass die Vorgehensweise des Anästhesisten nicht zu beanstanden gewesen sei, zumal das Ergebnis jedenfalls besser als zu Beginn der Tätigkeit gewesen sei. Eine Pufferung sei nicht zwingend vorzunehmen gewesen. Die Frage, ob eine Pufferung durchzuführen sei, werde hierbei streitig behandelt. Nach einer vertretbaren Auffassung, sei diese nicht geboten, weil eine Normalisierung der Zelle auf diese Art und Weise letztendlich nicht zu erreichen sei. Die Vorgehensweise des Anästhesisten sei nicht zu beanstanden. Was die Frage einer Volumengabe bzw. den Ansatz von Katecholaminen betreffe, könnten hierzu anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen keine Angaben gemacht werden. Zutreffend geht das Landgericht insofern davon aus, dass selbst wenn hierin ein Verstoß gegen eine Dokumentationspflicht zu sehen sei, dies am Ergebnis nichts ändert, da der Sachverständige D dargelegte, dass der körperliche Schaden dem Kläger nicht erst während der Reanimation zugefügt worden sei.
131III.
132Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
133Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind solche des Einzelfalls.