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Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Berufungsverfahren auf 53.378,67 € festgesetzt.
G r ü n d e:
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung zweier Rentenversicherungsverträge in Anspruch.
4Er schloss mit der Beklagten, der Zweigniederlassung einer Versicherungsgesellschaft mit Sitz in A/Schottland (im Folgenden: Versicherer), im Jahr 2006 mit Versicherungsbeginn 1. Juni 2006 zwei Verträge über eine kapitalbildende Rentenversicherung nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) ab. Die Beklagte gehörte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinem Sicherungsfonds oder einer vergleichbaren Einrichtung an.
5Die Policenbegleitschreiben vom 5. und 8. Mai 2006 (Anlagen K1 und K2 zur Klageschrift) enthielten jeweils durch Fettdruck hervorgehobene Belehrungen über das Widerspruchsrecht folgenden Inhalts:
67„Sie können diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen widersprechen. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung einer Widerspruchserklärung in Textform (schriftlich oder in anderer lesbarer Form). Selbstverständlich werden wir Ihnen in diesem Fall bereits gezahlte Beiträge zurückerstatten.“
Der Kläger entrichtete in der Folgezeit Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 40.500 €, ehe er mit Schreiben vom 1. Oktober 2019 den Widerspruch erklärte und die Beklagte zur Abrechnung und Rückabwicklung der Verträge bis zum 15. Oktober 2019 aufforderte. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Schreiben vom 9. Oktober 2019 - und nach anwaltlicher Aufforderung - mit einem weiteren Schreiben vom 15. November 2019 zurück.
8Mit der Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Rückzahlung aller von ihm geleisteten Beiträge zuzüglich Nutzungen, insgesamt 53.378,67 €, verlangt, ferner Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten an seinen Rechtsschutzversicherer und Freistellung von weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 250 € und Zahlung von Verzugszinsen.
9Nach seiner Auffassung ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsfrist sei mangels ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nicht in Lauf gesetzt worden. Überdies sei die ihm überlassene Verbraucherinformation gemäß § 10a VAG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 10a VAG a.F.) unvollständig gewesen. Es fehle – insoweit unstreitig – unter anderem eine Angabe über die (Nicht-) Zugehörigkeit des Versicherers zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten im Sinne von Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe i der Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 225 ff. der elektronischen Gerichtsakte I. Instanz; im Folgenden: eGA-I und für die Berufungsinstanz eGA-II) Bezug genommen.
11Mit dieser hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Er sei über sein Widerspruchsrecht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 VVG a.F. belehrt worden und es fehle auch nicht an einer ordnungsgemäßen Verbraucherinformation im Sinne von § 10a VAG a.F. Über die fehlende Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung sei der Versicherungsnehmer nicht zu unterrichten. Schon der Wortlaut von Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe i der Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F. verlange keine Angabe dazu, ob eine Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfond bestehe, sondern nur Angaben über die Zugehörigkeit. Damit setze die Vorschrift die Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfond voraus. Jedenfalls aber sei nicht erkennbar, dass die - vom Kläger selbst nicht erkannte - fehlerhafte Verbraucherinformation sein Informationsrecht erheblich beeinträchtigt habe, bei ihm eine Fehlvorstellung über den Beginn der Widerspruchsfrist ausgelöst und ihn von einem Widerruf, über den er ordnungsgemäß belehrt worden sei, abgehalten habe.
12Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.
13Die Belehrung der Beklagten über das dem Versicherungsnehmer zustehende Vertragslösungsrecht sei unwirksam, weil der Klammerzusatz („schriftlich oder in anderer lesbarer Form") das Textformerfordernis unvollständig und damit irreführend erläutere. Zwar schreibe das Gesetz eine Erklärung der „Textform“ nicht vor. Wenn der Versicherer jedoch eine Begriffsbestimmung ergänze, müsse diese alle wesentlichen Merkmale nennen. Andernfalls laufe der Versicherungsnehmer Gefahr, gerade auf Grund der vermeintlich abschließenden Erläuterung von eigenen Erkundigungen abzusehen und deshalb eine unwirksame Erklärung abzugeben. Mit diesem Aspekt des Textformerfordernisses setze sich die vom Landgericht zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2015 (IV ZR 105/13, VersR 2015, 876) nicht auseinander. Zudem begründeten die fehlenden Angaben in der Verbraucherinformation zur Nicht-Mitgliedschaft des Versicherers in einer Sicherungseinrichtung entgegen der Annahme des Landgerichts ein andauerndes Widerspruchsrecht.
14Der Kläger beantragt,
1519unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen
161. an ihn 53.378,67 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2019 zu zahlen;
172. weitere 2.153,21 € an die B Rechtsschutz-Schadenabwicklung GmbH, C-Straße, D, zu zahlen und diesen Betrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen;
183. den Kläger von Forderungen seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 250 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
2021die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
22Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in dieser Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23II.
24Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg.
25Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung der Prämien nebst gezogener Nutzungen aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 BGB zusteht. Der Kläger wurde ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. belehrt und die Versicherungsverträge kamen wirksam zustande. Aus diesem Grunde stehen dem Kläger auch nicht die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung und auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
261.
27Zwar stand dem Kläger, da der Vertragsschluss im Jahre 2006 unstreitig nach dem so genannten Policenmodell erfolgte, ursprünglich ein Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zu. Der Widerspruch erfolgte aber nicht fristgerecht.
28a)
29Gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1, 2 VVG a.F. betrug die Widerspruchsfrist 30 Tage. Der Lauf der Frist begann gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. in dem Zeitpunkt, in welchem dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. zugingen und er über sein Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer der Frist ordnungsgemäß belehrt wurde. Die ergänzende Bestimmung in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Widerspruchsrecht jedenfalls ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte, ist auf Lebensversicherungsverträge nicht anwendbar (grundlegend BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101).
30Gemessen an diesen Voraussetzungen wurde die Widerspruchsfrist hier jeweils ordnungsgemäß in Lauf gesetzt, so dass sie bei Erklärung des Widerspruchs durch den Kläger im Jahre 2019 abgelaufen war. Der Kläger wurde in den Policenbegleitschreiben in ordnungsgemäßer Weise über sein Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer der Frist belehrt. Anders als die Berufung meint, ist die - drucktechnisch deutlich hervorgehobene - Belehrung inhaltlich nicht zu beanstanden.
31aa)
32Das Landgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass sie nicht deswegen unwirksam ist, weil hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerspruchs Ausführungen enthalten sind. Dagegen wendet sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung vom 22. März 2021 (eGA-II 25 ff.) - zu Recht - nicht.
33bb)
34Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Widerspruchsbelehrung aber auch nicht deshalb inhaltlich zu beanstanden, weil sie hinsichtlich des Textformerfordernisses im Klammerzusatz darauf verweist, dass der Widerspruch „schriftlich oder in anderer lesbarer Form“ zu erfolgen hat.
35Der Begriff der „Textform“ in der Widerspruchsbelehrung ist - wie die Berufung richtig erkennt - nicht erläuterungsbedürftig. Ohne die gesetzliche Erläuterung in § 126b BGB kennen zu müssen, kann der Versicherungsnehmer diesem Begriff ohne Weiteres entnehmen, dass er den Widerspruch in letztlich lesbarer Form dem Versicherer übermitteln und als Urheber erkennbar sein muss. Er kann ersehen, dass er seine Erklärung in Schriftzeichen und einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise festhalten muss und eine lediglich mündliche Erklärung nicht genügt. In diesem Verständnis wird er durch den in der Belehrung enthaltenen Hinweis bestärkt, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Der Klammerzusatz „schriftlich oder in anderer lesbarer Form“ ist dabei nicht geeignet, den Versicherungsnehmer von der Einlegung des Widerspruchs abzuhalten. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird den Klammerzusatz zutreffend so verstehen, dass es genügt, wenn die Erklärung in Textform lesbar gemacht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 11; Beschluss vom 17. August 2015 - IV ZR 83/13, BeckRS 2015, 17678 Rn. 11; Senatsbeschluss vom 20. März 2019 - 20 U 10/19, BeckRS 2019, 13398 Rn. 13).
36b)
37Das Landgericht hat weiter richtig angenommen, dass dem Beginn der Widerspruchsfrist nicht die vom Kläger geltend gemachte Unvollständigkeit der Verbraucherinformation entgegenstand.
38aa)
39Es hat hierzu hinsichtlich der erstinstanzlich als fehlend beanstandeten Angabe, ob und in welchem Umfang Rückkaufswerte garantiert werden, zu Recht ausgeführt, dass § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F. in Verbindung mit Abschnitt I Nr. 2 Buchstaben b und d der Anlage Teil D zum VAG a.F. den Versicherer nicht zur Angabe verpflichteten, dass es im Hinblick auf den abgeschlossenen Vertrag - wie hier - an einer Garantie von Rückkaufswerten fehlt (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 - IV ZR 8/19, VersR 2020, 208 Rn. 13 ff.). Auch hiergegen wendet sich die Berufung - zu Recht - nicht.
40bb)
41Vergeblich rügt die Berufung schließlich, die unterbliebene Angabe dazu, dass der Versicherer keiner Sicherungseinrichtung im Sinne von Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe i der Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F. angehöre, begründe eine Unvollständigkeit der Verbraucherinformation.
42Lebensversicherer, die - wie die Beklagte - aufgrund einer im EU-/EWR-Ausland erteilten Zulassung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit im Inland tätig sind, sind weder Pflichtmitglieder des Sicherungsfonds für die Lebensversicherung nach § 124 Abs. 1 VAG a.F. (= § 221 Abs. 1 VAG n.F.) noch können sie dem Sicherungsfonds entsprechend § 124 Abs. 2 VAG (= § 221 Abs. 2 VAG n.F.) freiwillig beitreten, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. März 2011 (8 C 47/09, BVerwGE 139, 246) entschieden und im Einzelnen begründet hat.
43Aus der - unionsrechtlich nicht gebotenen - Regelung in Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe i der Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F. folgt auch keine Verpflichtung eines Versicherers, der weder nach § 124 Abs. 1 VAG a.F. Pflichtmitglied eines Sicherungsfonds war noch als Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen EU/EWR-Mitglieds- oder Vertragsstaat einer vergleichbaren Einrichtung nach dem für ihn maßgeblichen Recht seines Herkunftsmitgliedsstaats (§ 110a VAG a.F.) angehörte, über seine Nichtzugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds zu informieren (wie hier OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21. Juni 2021 - 12 U 157/20, BeckRS 2021, 16204 Rn. 43 ff.; Graf/Zegowitz/Hafernkorn, VersR 2021, 1001 ff.; Frohnecke, r+s 2017, 337, 339 f.; jeweils mwN; entgegen OLG Karlsruhe, Urteile vom 28. Juni 2019 - 12 U 134/17, BeckRS 2019, 19886 Rn. 30; vom 20. Oktober 2015 - 12 U 439/14).
44Bereits der Wortlaut der Bestimmung liefert keinen Anhalt dafür, dass sie dem Versicherer, der keinem Sicherungsfonds angehört, die vom Kläger vermisste Negativmitteilung über seine fehlende Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds abverlangt. Auch der systematische Zusammenhang der Bestimmung, die der Anlage Teil D Abschnitt I Nr. 1 zum VAG a.F. durch Art. 1 Nr. 33 des Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und anderer Gesetze vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3416) zugleich mit der Schaffung eines nationalen Sicherungsfonds gemäß §§ 124 ff. VAG a.F. durch Art. 1 Nr. 27 desselben Gesetzes angefügt wurde, und ihr Zweck, eine Information der Versicherten über die ihnen zustehenden Rechte zu gewährleisten (BT-Drs. 15/3418 S. 28), rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Eine Information über die den Versicherten aus dem neu geschaffenen Sicherungsfonds zustehenden Rechte war nur dann zu erreichen, wenn der Versicherer einem Sicherungsfonds angehört und auch angehören kann.
45Der Zweck der nicht auf einer Vorgabe durch die Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. L 345 S. 1) beruhenden Informationspflicht unterscheidet sich dabei von den durch diese Richtlinie begründeten Informationspflichten, deren Ziel es ist, den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages die Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen und dadurch die ihm zur Verfügung stehende größere Auswahl von Verträgen im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts voll nutzen zu können (EuGH, Urteil vom 5. März 2002 - C-386/00, VersR 2002, 1011 Rn. 20 [AXA Royal Belge SA]).
46Der nationale Gesetzgeber hat folgerichtig in Teil D Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe i der Anlage zum VAG a.F. (nur) eine Verpflichtung der Versicherer zu Angaben über ihre „Zugehörigkeit“ zu einem Sicherungsfonds vorgesehen und nicht wie bei der hier nicht einschlägigen Bestimmung in Nr. 2 Buchstabe h der Anlage zu § 48b VVG a.F. (eingefügt durch Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 [BGBl. I S. 3102]), die auf den Vorgaben in Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. L 271 S. 16) beruht, eine Verpflichtung des Versicherers, Angaben über das „Bestehen“ eines Garantiefonds oder anderer dort genannter Entschädigungsregelungen zu machen.
47c)
48Aber selbst dann, wenn man eine (nur) durch das - nationale Recht - vorgesehene Verpflichtung des (ausländischen) Versicherers annimmt, auch über seine Nicht-Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu informieren, wäre die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Kläger wegen einer unvollständigen Verbraucherinformation treuwidrig.
49Dabei ist die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu berücksichtigen, die selbst bei Verletzung unionsrechtlich begründeter Informationspflichten nicht stets ein ewiges Rücktritts- oder Widerspruchsrecht verlangt, vielmehr es als unverhältnismäßig ansieht, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm auch bei Verletzung von Informations- und Belehrungspflichten nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Lösungsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 - C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, VersR 2020, 341 Rn. 79 [Rust-Hackner]).
50Bei der fehlenden Angabe über die Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds, die - wie ausgeführt - nicht darauf abzielt, den Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, die wesentlichen Elemente der ihm angebotenen Versicherungsprodukte zu vergleichen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 - IV ZR 8/19, r+s 2020, 141 Rn. 21), handelt es sich dagegen um eine „reine Information“, mit der keine Aussage über die Qualität der Konditionen getroffen wird (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21. Juni 2021 - 12 U 157/20, BeckRS 2021, 16204 Rn. 45 mwN). Demgemäß wird dem Versicherungsnehmer durch die unterlassene Information nicht die Möglichkeit genommen, sein Lösungsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei erteilter Information auszuüben (s. auch Graf/Zegowitz/Hafernkorn, VersR 2021, 1001, 1008). Ein Widerspruchsrecht nach langer Vertragsdauer wäre im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unverhältnismäßig.
512.
52Ob der zwischen den Parteien bestehende Versicherungsvertrag Wirksamkeitszweifeln wegen einer möglichen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des in § 5a VVF a.F. verankerten Policenmodells unterliegt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, r+s 2015, 332), kann hier dahinstehen. Denn die Berufung auf eine solche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit wäre nach ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers als Versicherungsnehmer und nach jahrelanger beanstandungsfreier Zahlung der Prämien jedenfalls wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 32 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, r+s 2015, 332 Rn. 42 ff.). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt.
53III.
54Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
56Der Senat weicht nicht von einem tragenden abstrakten Rechtssatz in der veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juni 2019 (12 U 134/17, BeckRS 2019, 19886) ab. Diese enthält keine Aussage darüber, ob die Entscheidung einen ausländischen Versicherer betrifft, der keiner Sicherungseinrichtung angehörte, oder einen deutschen Versicherer, der nicht über seine Zugehörigkeit zum Sicherungsfonds informierte. Zu letztgenannter Konstellation hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10. Februar 2021 (IV ZR 32/20, VersR 2021, 437) entschieden, dass einer Ausübung des Widerspruchsrechts der Einwand des Rechtsmissbrauchs selbst dann entgegensteht, wenn in der Verbraucherinformation gemäß § 10a VAG a.F. die Zugehörigkeit des Versicherers zu einem Sicherungsfonds - fehlerhaft - verneint wird.
57Überdies ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe noch vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 19. Dezember 2019 - C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, VersR 2020, 341 [Rust-Hackner]) ergangen, nach der die Frage, ob das nationale Recht eine Verpflichtung des Versicherers vorsieht, auch über seine Nicht-Zugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung zu informieren, als nicht entscheidungserheblich offen bleiben kann.