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Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfor- dern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
2Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung eines fondsgebundenen Renten- versicherungsvertrages nach einem von der Klägerin erklärten Widerspruch gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin aus der Berufungsbegründung vom 01.02.2021 (Bl. 9 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II und für die erste Instanz eGA-I) greifen nicht durch.
31.
4Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der ge- leisteten Prämien nebst von dem Beklagten gezogener Nutzungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Er ergibt sich insbesondere nicht aus
5§§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1 BGB.
6Die Klägerin erbrachte die Prämienzahlungen mit rechtlichem Grund.
7Der von ihr erklärte Widerspruch führte nicht zu einer Unwirksamkeit des zwi- schen den Parteien im Jahre 2004 geschlossenen Versicherungsvertrages.
8Denn die Widerspruchsfrist war im August 2020 lange abgelaufen. Unabhängig davon wäre die Ausübung des Widerspruchsrechts im Streitfall aber auch je- denfalls treuwidrig.
9a)
10Die Widerspruchsfrist war im August 2020 seit langem abgelaufen.
11Der Lauf der Frist wurde mit Übersendung des Versicherungsscheines gemäß
12§ 5a Abs. 2 S. 1 VVG wirksam in Lauf gesetzt, weil die darin enthaltene Beleh- rung den Anforderungen dieser Vorschrift genügte.
13aa)
14Die der Klägerin erteilte Belehrung war entgegen dem Vorbringen in der Beru- fungsbegründung ausreichend hervorgehoben.
15Dazu musste sie, wovon auch das Landgericht völlig zutreffend ausgegangen ist, so gestaltet sein, dass sie einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht entgehen kann, auch wenn er nicht danach sucht (vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 28.01.2004 – IV ZR 58/03, VersR 2004, 497, juris Rn. 18).
16Dies ist bei der hier in Rede stehenden Belehrung der Fall.
17Die auf Seite drei des dreiseitigen Versicherungsscheins enthaltene Belehrung konnte die Klägerin nicht übersehen, selbst wenn sie nicht danach gesucht haben sollte.
18Innerhalb des insgesamt übersichtlichen und nur aus drei Seiten bestehenden Versicherungsscheins ist eingangs auf Seite 1 die Bezeichnung des Vertrages fett gedruckt. Auf den Seiten 2 und 3, welche die wesentlichen vertraglichen Informationen enthalten, findet sich dann aber Fettdruck nur noch ganz aus- nahmsweise. Außer der insgesamt fett gedruckten Widerspruchsbelehrung sind ansonsten nur wenige Zahlen und Daten auf diese Weise hervorgehoben. Es kommt hinzu, dass sich neben der Widerspruchsbelehrung – ebenfalls in Fettdruck – am linken Rand zudem das Schlagwort „Widerspruchsrecht“ befindet, durch das der Versicherungsnehmer noch zusätzlich auf diesen Punkt auf- merksam gemacht wird. Der Senat hat bei dieser Fallgestaltung keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der landgerichtlichen Bewertung, dass die Belehrung einem Versicherungsnehmer nicht entgehen konnte, auch wenn dieser nicht da- nach suchte. Dass es noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, die Textpassage mit der Belehrung hervorzuheben, etwa durch Umrahmung oder farbliche Unterlegung, ist ohne Belang. Für die erforderliche Hervorhebung stehen dem Versicherer vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung. Ob die Hervorhebung aus- reichend ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls und vom Tatrichter zu beurteilen (vgl. zum Ausreichen einer in Fettdruck gehaltenen Belehrung auch BGH, Urteil vom 28.06.2017 – IV ZR 440/14, VersR 2017, 997, juris Rn. 2 und 29).
19bb)
20Entgegen dem Berufungsvorbringen ist die Belehrung auch nicht im Hinblick auf die Formulierung „nach Überlassung“ fehlerhaft.
21Diese Formulierung gibt den Gesetzeswortlaut wieder und ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Berufungsbegründung entsteht für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer keine Unsicherheit darüber, ob der Tag der Überlassung zur Frist zählt oder nicht (BGH, Beschluss vom 17.08.2015 – IV ZR 293/14, r+s 2015, 593 zu der Formulierung „wenn Ihnen die Unterlagen vorliegen“; vgl. ferner BGH, Urteil vom 11.02.2015 – IV ZR 311/13, NJW-RR 2015, 655, juris Rn. 17 f.).
22cc)
23Schließlich macht es die Widerspruchsbelehrung vorliegend entgegen der Ansicht der Klägerin nicht inhaltlich unzutreffend, dass sie die "weiteren beigefügten Informationen" anstelle der Verbraucherinformation im Sinne von
24§ 10a VAG a.F. als fristauslösende Unterlagen benennt.
25Der Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach eine unzureichende Bezeichnung der fristauslösenden Unterlagen eine Belehrung fehlerhaft macht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28.09.2016 – IV ZR 192/14, VersR 2016, 1484, juris Rn. 19). Der BGH hat aber dessen ungeachtet die tatrichterliche Wertung gebilligt, wonach sich aus dem Gesamtzusammenhang hinreichend deutlich ergeben könne, auf welche Unterlagen es für den Fristbeginn ankommt, auch wenn dies aus der Belehrung isoliert betrachtet nicht hervorgeht (BGH, Beschluss vom 12.07.2016 – IV ZR 558/15, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 30.06.2015 – IV ZR 16/14, juris Rn. 8).
26Auch hier ergibt sich – wie der Senat zu einer identischen Belehrung bereits entschieden hat (Senat, Hinweisbeschluss vom 12.01.2021 – 20 U 209/20, n.v.) – aus dem Gesamtzusammenhang unter Einbeziehung des Policenbegleitschreibens hinreichend deutlich, welche Unterlagen für den Fristbeginn maßgeblich sind. Entscheidend ist, dass der Versicherungsnehmer erkennt, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit der Lauf der Frist beginnt. Diese Information erhielt die Klägerin vorliegend dadurch, dass ihr in der Belehrung mitgeteilt wird, dass der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheines, der Versicherungsbedingungen und der weiteren beigefügten Informationen als abgeschlossen gilt und diese Unterlagen auch die Verbraucherinformationen enthielten (vgl. zur Verwendung des Begriffs
27„Beilagen“ im Versicherungsschein bei gleichzeitiger Nennung der fristauslösenden Unterlagen im Policenbegleitschreiben BGH, Beschluss vom
2829. Juni 2016 – IV ZR 28/16, BeckRS 2016, 16407 Rn. 8; s. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. September 2019 – 9 U 66/17, VersR 2020, 148 = NJW-RR 2020, 21 Rn. 17). Eines gesonderten Hinweises darauf, dass die Verbraucherinformation vollständig sein muss, um die Frist in Lauf zu setzen, bedurfte es ebenso wenig wie die Benennung der gesetzlichen Grundlage.
29b)
30Im Übrigen wäre die Ausübung des Widerspruchsrechts im Streitfall jedenfalls auch treuwidrig.
31aa)
32Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG
33a.F. richtlinienkonform einschränkend auszulegen (BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101). Bei fehlerhafter Belehrung oder unzureichender Information des Versicherungsnehmers kann daher – entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Norm – ein ewiges Widerspruchsrecht bestehen. Indes kann die Ausübung des Widerspruchs treuwidrig sein. Dies ist eine Frage des Einzelfalls und von den Tatgerichten zu beurteilen (siehe etwa BGH, Beschluss vom 11. November 2015 – IV ZR 117/15, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 27. September 2017 – IV ZR 506/16, juris Rn. 10, 15).
34Dabei ist die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu berücksichtigen, welcher der Senat folgt. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619 in Verbindung mit Art. 31 der Richtlinie 92/96, Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83 in Verbindung mit deren Art. 36 Abs. 1 und Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138 in Verbindung mit deren Art. 186 Abs. 1 erfordern nicht bei jedem Belehrungsfehler ein ewiges Rücktritts- oder Widerspruchsrecht. Vielmehr gilt: „Wird dem Versicherungsnehmer durch die Belehrung, auch wenn diese fehlerhaft ist, nicht die Möglichkeit genommen, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, wäre es unverhältnismäßig, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen.“ (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C- 355/18 bis C-357/18 und C-479/18, juris Rn. 79.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 05.08.2020 – 20 U 88/20, VersR 2021, 165).
35bb)
36Der Klägerin wurde im Streitfall selbst dann, wenn man von einer – wie nicht –fehlerhaften Belehrung ausginge, jedenfalls nicht die Möglichkeit genommen, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen zu denselben Bedingungen wie bei zu- treffender Belehrung auszuüben.
37Wie dargelegt war die Widerspruchsbelehrung drucktechnisch ausreichend hervorgehoben, so dass sich die Klägerin über das Bestehen einer Lösungs- möglichkeit im Klaren sein musste.
38Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass – wie nicht – die Bezeichnung der fristauslösenden Unterlagen im Versicherungsschein unzureichend sei, hätte dies der Klägerin nicht die Möglichkeit genommen, ihr Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.
39Dass die im Policenbegleitschreiben aufgeführten Unterlagen tatsächlich übersandt wurden, ist unstreitig. Insbesondere gingen der Klägerin neben dem Policenbegleitschreiben auch der Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie eine vollständige Verbraucherinformation zu, so dass sie sämtliche Unterlagen erhielt, auf die § 5a Abs. 1 und 2 VVG a.F. für den Fristbeginn abstellte. Eine Unsicherheit der Klägerin darüber, ob womöglich noch weitere, künftig zu übersendende Unterlagen für den Fristbeginn maßgeblich sein sollen, konnte angesichts der eindeutigen Formulierung im Versicherungsschein nicht entstehen. Für die Klägerin gab es nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass später noch weitere Anlagen übersandt werden würden. Angesichts dessen konnte bei ihr keine Unsicherheit darüber bestehen, dass mit der Übersendung des Policenbegleitschreibens nebst aller Anlagen die Frist für den Widerspruch in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Treuwidrigkeit bei unstreitigem Erhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation bereits Senat, Beschluss vom 05.08.2020 – 20 U 88/20, VersR 2021, 165, juris Rn. 19 ff.).
402.
41Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache kann die Klägerin schließlich auch keine Zinsen beanspruchen.
Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.