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Eine vom Mineralölunternehmen dem Pächter gestellte Regelung, aufgrund derer der Pächter für (Kraftstoff-)Geschäfte, bei deren Abwicklung unbare Zahlungsmittel (namentlich Kreditkarten) eingesetzt werden, eine geringe Provision erhält, stellt nicht notwendigerweise eine sog. Preisnebenabrede dar; sie muss auch nicht an § 86a Abs. 1 HGB scheitern.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.3.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum abgeändert;
die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2A.
3Die Klägerin betreibt als Pächterin der U GmbH eine Autobahnraststätte an der BAB ## („M“) bei M2. Zwischen der U GmbH und der Mineralöllieferantin D GmbH (bzw. der K GmbH) besteht ein sog. BAT-Vertrag u.a. über die Belieferung der genannten Raststätte mit Kraftstoffen. Die D GmbH hat ihre Belieferungsrechte aus diesem Vertrag an die Beklagte weitergegeben. Die C GmbH schloss mit der Beklagten unter dem 5./12.3.2007 einen „Vertriebsvertrag“. Darin heißt es auszugsweise wie folgt:
4§ 1
5Die D GmbH (nachstehend „D“ genannt) hat sich durch BAT-Vertrag mit der Autobahn U GmbH … zur Belieferung der nachfolgenden Autobahntankstelle mit Kraft- und Schmierstoffen verpflichtet:
6M
7In diesem Zuge ist zwischen D und Tankstellenpächter ein Vertriebsvertrag geschlossen worden, der den Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen der D zum Gegenstand hat.
8D hat mit Zustimmung der U die Rechte und Pflichten aus dem BAT-Vertrag auf die Muttergesellschaft der Kraftstofffirma, die E AG … übertragen.
9…
10§ 2
11Unter Zugrundelegung des in § 1 genannten BAT-Vertrages wird zwischen dem Tankstellenpächter und der Kraftstofffirma folgendes vereinbart:
12a) Der Tankstellenpächter übernimmt im Namen und für Rechnung der Kraftstofffirma als ihr Handelsvertreter den Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen an der in § 1 genannten Autobahntankstelle. ...
13Mit dem unter § 2 c genannten Vertragsbeginn endet zugleich der zwischen ...Tankstellenpächter und D bestehende Vertriebsvertrag ...
14b) Die Kraftstofffirma zahlt dem Tankstellenpächter für den Verkauf von Kraftstoffen … folgende Provisionen / Auslieferungsvergütungen:
15für Ottokraftstoffe
16€ 1,84 je 100 Liter als Provision bei einem Absatz bis 2 Mio. Liter je Kalenderjahr
17€ 1,07 je 100 Liter als Provision bei einem Absatz über 2 Mio. Liter …
18für Dieselkraftstoffe
19€ 1,41 je 100 Liter als Provision im Bargeschäft bei einem Absatz bis 2 Mio. Liter je Kalenderjahr
20€ 0,88 je 100 Liter als Provision im Bargeschäft bei einem Absatz über 2 Mio. Liter …
21€ 1,25 je 100 Liter als Auslieferungsvergütung im Rahmen der Kreditsystemverfahren bei einem Absatz bis 2 Mio. Liter je Kalenderjahr
22€ 0,72 je 100 Liter als Auslieferungsvergütung im Rahmen der Kreditsystemverfahren bei einem Absatz über 2 Mio. Liter je Kalenderjahr …
23Für die Vergütungen von T&E-Karten, Kreditkarten und Gutscheinen sind die diesbezüglichen Nebenvereinbarungen mit der Kraftstofffirma zu beachten.
24…
25j) Dieser Vertrag sowie sämtliche Änderungen und Ergänzungen … bedürfen der Zustimmung von U. …
26Der Vertrag wurde von den Parteien dieses Rechtsstreits sowie von der Autobahn U GmbH sowie der D GmbH unterzeichnet.
27Die C GmbH sowie die Beklagte hatten bereits unter dem 8./20.2.2007 einen „Nachtrag zum Vertriebsvertag …“ geschlossen, der als Anlage 1 eine „Vergütungsübersicht an E/B Bundesautobahntankstellen ab 1.10.2006 sowie Disagio/Gebühren im Kartengeschäft“ (Bl. 227) umfasste. Diese Übersicht enthält u.a. folgende Zeilen:
28OK T&E |
bis 2 Mio über 2 Mio |
1,54 0,77 |
OK bar abzüglich |
€ -0,30%/l |
DK T&E |
bis 2 Mio über 2 Mio |
1,41 0,88 |
DK bar abzüglich |
€ -0,30%/l |
Im Jahre 2009 wurde der „Vertriebsvertrag“ mit Zustimmung der U GmbH auf die Klägerin übertragen. In der Folgezeit schlossen die Parteien mehrere sich jeweils ersetzende Regelungen betreffend die Abwicklung des sog. Kartengeschäfts („Nachtrag zum Vertriebsvertrag“ bzw. „Nachtrag zum Vertriebs-/Agenturvertrag“), so am 12./16.3.2010 und zuletzt am 22.4./4.5.2016. Die „Anlage 1 zur Kartenvereinbarung“ vom 22.4./4.5.2016 hat folgenden Inhalt:
30Vergütungsübersicht an E/B Bundesautobahntankstellen
31sowie Disagio/ Gebühren im Kartengeschäft
32Agenturware |
€ct/pl |
|
OK Bargeschäft |
bis jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,84 |
Bar / EC / Gutschein / Coupon / B SuperCard |
ab jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,07 |
DK Bargeschäft |
bis jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,41 |
Bar / EC / Gutschein / Coupon / B SuperCard |
ab jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
0,88 |
OK T&E |
bis jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,54 |
Diners, Amex, Visa, MasterCard |
ab jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
0,77 |
DK T&E |
bis jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,11 |
Diners, Amex, Visa, MasterCard |
ab jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
0,58 |
OK Flotte |
bis jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,84 |
ROUTEX, DKV, UTA, Westfalen |
ab jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,07 |
DK Flotte |
bis jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
1,25 |
ROUTEX, DKV, UTA, Westfalen |
ab jährl. Gesamtabsatz 2 Mio Liter |
0,72 |
Partnereigengeschäft: |
||
… |
… |
Die Provisionssätze in den Kategorien OK- und DK-Bargeschäft sowie OK T&E und DK T&E entsprachen darin weiterhin jenen, die bereits in der ersten Vereinbarung aus 2007 niedergelegt worden waren.
35In ihren monatlichen Abrechnungen stellte die Beklagte das sog. Kartengeschäft gesondert dar, und zwar aufgeteilt nach „Zahl- und Tankkartenabrechnung Agenturware (B2B cards)“ und nach „Zahl- und Tankkartenabrechnung Agenturware (B2C cards)“; unter der Rubrik „Kommission Red.“ stellte sie jeweils die Beträge zusammen, um die sie sodann eine Kürzung zuvor ermittelter Provisionsbeträge vornahm.
36Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe ihr im Rahmen des Agenturgeschäfts im Zeitraum von 2014 bis (einschließlich) 2017 zu Unrecht „Kreditgebühren“ belastet und Kürzungen für das Kraftstoffgeschäft über Flottenkarten vorgenommen, und zwar in einer Gesamthöhe von 24.709,48 €. Sie hat die Auffassung vertreten, die Vereinbarung betreffend die drei Kategorien „OK T&E“, „DK T&E“ und „DK Flotte“ sei unwirksam. Es werde der Grundsatz des Handelsvertreterrechts (§ 87 b Abs. 2 HGB) verletzt, wonach sich die Provision nach den erwirtschafteten Umsätzen bemesse. Die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sei im Übrigen Sache der Beklagten, die deshalb auch die Kosten dafür zu tragen habe. Die Klausel scheitere auch an § 307 BGB, weil es sich um eine unzulässige Preisnebenabrede handele. Schließlich unterlaufe die Beklagte mit der Vereinbarung die zwingenden Vorschriften zum Handelsvertreterausgleich, so dass sie wegen § 89 b Abs. 4 HGB unwirksam sei.
37Die Klägerin hat beantragt,
38die Beklagte zu verurteilen, an sie 24.709,48 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.2.2019 zu zahlen.
39Die Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin verfolge in der Sache keine ihr einbehaltenen „Kreditkartengebühren“, sondern Provisionsdifferenzen. Diesen lägen AGB-rechtlich nicht kontrollfähige Vereinbarungen zur Provisionshöhe zugrunde, die auch ihre innere Berechtigung hätten, weil (Kunden-)Zahlungen mittels der genannten T&E-Karten besondere Kosten zur Folge hätten; bei den Flottenkarten für den Bezug von Dieselkraftstoff lägen zumeist besondere die betreffenden (Groß-)Kunden begünstigende Konditionen zugrunde. Sie hat in diesem Zusammenhang behauptet, die Regelungen im „Vertriebsvertrag“ der Klägerin auch nicht selbst gestellt zu haben; Verwenderin sei vielmehr die Autobahn U GmbH gewesen. Die Klägerin könne sich nicht auf § 87 b Abs. 2 HGB berufen, schon weil die Bemessung der Provision nach der Höhe des Entgelts im Kraftstoffverkauf nicht üblich und im Übrigen wirksam abbedungen sei; maßgeblich sei allein der Umsatz (die verkaufte Menge an Kraftstoffen). Schließlich sei auch der Schutzbereich des § 89 b (Abs. 4) HGB nicht eröffnet.
42Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil in der „Kartenvereinbarung“ der Sache nach eine Preisnebenabrede getroffen worden sei, die die Klägerin unangemessen benachteilige.
43Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter. Sie verweist erneut darauf, dass die Entscheidung des 12. ZS des OLG Hamm (12 U 165/15) nach den Grundsätzen, die der BGH in seiner Entscheidung vom 16.11.2016 (Az. VII ZR 6/16) aufgestellt habe, keine Geltung mehr haben könne, weil das Kassensystem selbst nicht als erforderliche Unterlage im Sinne von § 86 a Abs. 1 HGB anzusehen sei.
44Auch die AGB-Kontrolle versage, weil sie, die Beklagte, schon nicht Verwenderin des „Vertriebsvertrags“ gewesen sei; jedenfalls der verminderte Provisionssatz für Tankkarten (im „Vertriebsvertrag“ als „Auslieferungsvergütung im Rahmen der Kreditsystemverfahren“ bezeichnet) sei bereits – wie unstreitig ist – in diesem „Vertriebsvertrag“ selbst geregelt; auch die Festsetzung der Provisionssätze in Fällen von Kreditkartentransaktionen („T&E“, Diners …) finde in dem „Vertriebsvertrag“ zumindest die Grundlage, indem er auf „Nebenvereinbarungen mit der Kraftstofffirma“ verweise. Die vereinbarten Provisionssätze unterlägen aber ohnehin nicht der Inhaltskontrolle, weil es um die Vergütung der Hauptleistungspflichten der Klägerin gehe. Ohnehin könne für den Bereich der Tankkarten („DK Flotte Routex …“) schon deshalb nicht von einer Entgeltnebenabrede gesprochen werden, weil ihr, der Beklagten, in diesem Bereich gar keine Kartengebühren anfielen. Auch für den Bereich der eigentlichen Kreditkartentransaktionen („OK T&E …“/ „DK T&E …“) sei keine Entgeltnebenabrede getroffen, sondern es seien niedrigere Provisionssätze vereinbart worden.
45§ 87 b Abs. 2 S. 2 HGB sei nicht anwendbar, schon weil § 87 b Abs. 2 S. 1 HGB wirksam abbedungen sei, indem die Parteien eine vom Absatz abhängige Provision vereinbart hätten.
46§ 89 b HGB werde nicht tangiert, da in dessen Rahmen die vereinbarten Provisionen zugrunde zu legen seien und die Vorschrift nicht gebiete, Provisionen in einer bestimmten Höhe zu vereinbaren.
47Die Beklagte beantragt,
48abändernd die KIage abzuweisen.
49Die Klägerin beantragt,
50die Berufung zurückzuweisen.
51Sie verteidigt das Urteil mit ihren bisherigen Argumenten.
52Auf einen Hinweis des Senats, wonach bislang zu einer Zustimmung der U GmbH zu jeglichen Änderungen und Ergänzungen des Vertriebsvertrags nicht vorgetragen worden sei, verweist die Klägerin nunmehr auf eine „Änderungsvereinbarung“ zwischen der C GmbH und der Beklagten vom 18./25.7.2007 sowie darauf, dass ihr keine neue „Kartenvereinbarung“ beigefügt worden sei. Die Klägerin hat in Abrede gestellt, dass die U GmbH stillschweigend Zustimmungen erteilt habe.
53Die Beklagte führt aus, es gebe zwar „keinen formalisierten Prozess“, aufgrund dessen es zu ausdrücklichen Zustimmungen der U GmbH gekommen sei, doch habe sie jeder „Kartenvereinbarung“ konkludent zugestimmt. Denn der U GmbH sei bekannt, dass jeder Vertriebsvertrag durch weitere Vereinbarungen ergänzt zu werden pflege. Da die U GmbH das Kassensystem zur Verfügung stelle, müsse ihr auch der Inhalt der jeweiligen Kartenvereinbarung bekannt sein, da die erforderliche „systemseitige“ Anpassung nur über die U GmbH erfolgen könne; in dieser Umsetzung sei die Zustimmung enthalten. Abgesehen davon sei die Zustimmung der U GmbH zum „Vertriebsvertrag“ dahin auszulegen, dass sie sich bereits „auf alle Ergänzungsvereinbarungen“ beziehe. Die Beklagte verweist ferner darauf, der BAT-Vertrag enthalte in Ziff. 2.4 die Verpflichtung des Pächters, die Kartenabwicklung für das gesamte Geschäft, auch jenseits des Vertriebs von Agenturwaren, an der BAT M abzuwickeln. Die „Kartenvereinbarung“ diene der Umsetzung dieser Verpflichtung, weshalb die „Kartenvereinbarung“ für die U GmbH eine „wesentliche Geschäftsgrundlage“ sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die erste „Kartenvereinbarung“ vom 8./20.2.2007, die – unstreitig - schon dieselben Provisionssätze vorgesehen habe, die auch in der letzten „Kartenvereinbarung“ genannt seien, bereits vorgelegen habe, als die U GmbH am 31.7.2007 ihre Zustimmung zum „Vertriebsvertrag“ erteilt habe.
54Die Beklagte vertritt ferner die Auffassung, die Behauptung der Klägerin, es fehle an einer Zustimmung der U GmbH, sei verspätet, zumal die Klägerin in der Klageschrift selbst von „formal ordnungsgemäß abgeschlossenen Kartenvereinbarungen“ ausgegangen sei. Zu Unrecht berufe sich die Klägerin darauf, infolge der „Änderungsvereinbarung …“ vom 18./25.7.2007 habe es einer neuen Einbeziehung der „Kartenvereinbarung“ bedurft. Maßgeblich sei ohnehin nur, dass die erste „Kartenvereinbarung“ die Zustimmung der U GmbH erhalten habe. Im Übrigen sei jedenfalls ab 2013, seit die U GmbH selbst an Autobahntankstellen Kraftstoff im eigenen Namen verkaufe, eine Zustimmung zu Konditionsvereinbarungen zwischen Mineralöllieferanten und Wettbewerbern aus kartellrechtlichen Gründen unzulässig; die U GmbH sei deshalb zu einer diesbezüglichen Mitwirkung nicht mehr bereit.
55Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
56B.
57Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
58I.
59Nach Auffassung des Senats ist Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen der Klägerin § 2 lit. b) des Vertriebsvertrags in Verbindung mit den „Nebenvereinbarungen“ bzw. „Kartenvereinbarungen“ und den §§ 84 ff. HGB.
60Der Sache nach geht es ihr um eine Nachzahlung von Provisionen, und zwar der Differenzen zwischen den Provisionen im Kraftstoff-Bargeschäft (einschließlich Debitkarten, Gutscheinen etc.) einerseits und den Provisionen im Kraftstoffgeschäft bei Bezahlung mit T&E-Karten sowie im Flottengeschäft (mit Dieselkraftstoff) andererseits.
611.
62Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin bestehen nicht. Denn die Parteien haben unstreitig gestellt, dass der „Vertriebsvertrag“, der zunächst zwischen der C GmbH und der Beklagten bestand, im Jahr 2009 auf die Klägerin übertragen worden ist.
632.
64Die Provisionsregelungen, soweit sie von der Klägerin in Zweifel gezogen werden, sind wirksam.
65a)
66Die Wirksamkeit scheitert nicht an einer (fehlenden) Zustimmung der U GmbH.
67aa)
68Bezüglich des Provisionssatzes für den Verkauf von Dieselkraftstoff im sog. Flottengeschäft (der „Vertriebsvertrag“ spricht von „Systemkreditverfahren“), der um 0,16 €Cent/l hinter den Sätzen für das „Bargeschäft“ zurückbleibt, liegt eine Zustimmung der U GmbH unzweifelhaft vor, da die entsprechenden Provisionssätze bereits im „Vertriebsvertrag“ selbst geregelt worden sind.
69bb)
70Auch bezüglich der Provisionssätze, die die Parteien in Bezug auf den Verkauf von Otto- oder Dieselkraftstoff unter Verwendung sog. T&E-Karten in gesonderten Nebenvereinbarungen gem. § 2 lit. b) des „Vertriebsvertrags“ festgelegt haben, liegt eine etwa erforderliche Zustimmung der U GmbH vor.
71Unstreitig hat die (als Anlage B7 vorgelegte) „Vergütungsübersicht“ vom 8.2.2007 der U GmbH bei deren Zustimmung zum „Vertriebsvertrag“ am 31.7.2007 vorgelegen. Damit deckt die Zustimmungserklärung auch diese Nebenvereinbarung. In der Folgezeit sind zwar weitere Nachträge zum „Vertriebsvertrag“, sog. „Kartenvereinbarungen“, nebst jeweiliger „Vergütungsübersichten“ vereinbart worden, doch sind die Provisionssätze damit nicht verändert worden. Ein etwaiges neues Zustimmungsbedürfnis bestand nach seinem Sinn und Zweck indes nur für inhaltlich divergierende (neue) Regelungen, nicht für bloße Wiederholungen bereits „genehmigter“ Vereinbarungen.
72Auf die Frage, ob das Zustimmungserfordernis mit dem Eintritt der U GmbH als Wettbewerberin in das Kraftstoffgeschäft auf Bundesautobahn-Tankanlagen in 2013 zwischenzeitlich entfallen ist, weil es mit dem GWB nicht vereinbar ist, kommt es nicht mehr an.
73b)
74Es ist nicht ersichtlich, dass die Vereinbarung von Provisionssätzen, soweit darin für Geschäftsabschlüsse mit Kunden unter Einsatz von T&E-Karten ein geringerer Provisionssatz vereinbart ist, gegen § 307 BGB verstößt.
75aa)
76Allerdings handelt es sich bezüglich der „Nachträge“ und der beigefügten „Vergütungsübersichten“ um allgemeine Geschäftsbedingungen, die die Beklagte als Verwenderin im Sinn von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB der Klägerin gestellt hat. Denn die Beklagte hat diese Regelungen offensichtlich selbst für eine Vielzahl von Fällen formuliert und die Klägerin – bzw. die C GmbH – damit konfrontiert.
77bb)
78Doch ist eine Kontrolle der in den Nachträgen bzw. den Vergütungsübersichten getroffenen Provisionsvereinbarung nach § 307 BGB nicht möglich.
79Gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 308, 309 BGB nur solche Bestimmungen in AGB, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Hingegen sind Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (sog. Leistungsbeschreibungen) mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit ebenso wie Vereinbarungen über das vom anderen Teil zu erbringende Entgelt, insbesondere soweit sie dessen Höhe betreffen, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB entzogen. Nicht kontrollfähig in diesem Sinne sind allerdings nur solche Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen abweichend vom Gesetz oder der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistung verändern, ausgestalten oder modifizieren, unterliegen dagegen der Inhaltskontrolle (BGH, Urt. vom 9.4.2014, Az. VIII ZR 404/12, NJW 2014, S. 2269 Tz. 43f.). Dies betrifft sog. Preisnebenabreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber im Falle ihrer Unwirksamkeit dispositives Gesetzesrecht treten kann. Preisnebenabreden treten als lediglich ergänzende Regelungen, die die Art und Weise der Erbringung der Vergütung und/oder etwaige Modifikationen des Preises zum Inhalt haben, „neben“ eine bereits bestehende Preis(haupt-)abrede (BGHZ 185, 96 = NJW 2010, 2789 und BGHZ 146, 331 [338] = NJW 2001, 2399 Tz. 20) und gestalten auf diese Weise zwar indirekt die vertragliche Vergütung. Sie bestimmen aber nicht unmittelbar das Ob und den Umfang von Entgelten für Leistungen, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht werden. Vielmehr wälzt der Verwender durch sie nur allgemeine Betriebskosten oder Aufwendungen zur Erfüllung eigener gesetzlicher oder nebenvertraglicher Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten, die in seinem eigenen Interesse liegen, auf den Kunden ab (BGH, NJW 2011, 1726 Rn. 18; BGHZ 195, 298 [301] = NJW 2013, 995 Tz. 13). Ob darin eine unangemessene Benachteiligung des Kunden liegt, muss im Rahmen der Inhaltskontrolle überprüft werden (BGH, Urt. vom 23.8.2018 – III ZR 192/17 - NJW 2019, 47 Tz. 15, beck-online).
80(1)
81Die Parteien haben in sämtlichen „Nachträgen“ bzw. „Kartenvereinbarungen“ - auch für die Geschäfte unter Einsatz von „T&E-Karten“ - unmittelbar Provisionssätze festgelegt, und zwar auch bereits in der „Vergütungsübersicht“ vom 8.2.2007.
82Es ist unschädlich, dass die Beklagte in den „Vergütungsübersichten“ dabei offengelegt hat, dass es sich bei der Herabsetzung des Provisionssatzes um ein „Disagio“ wegen der Gebühren handelt (so namentlich in den Überschriften der Übersichten). Denn wenn die Parteien § 87 b Abs. 2 HGB abbedingen können, ist es auch rechtlich unbedenklich, wenn die Beklagte die Motivation für die Kürzung des Provisionssatzes in Fällen der Kartenzahlung (T&E-Fälle) offenlegt.
83Dem entspricht es, dass als Preisabrede auch solche Klauseln einer Inhaltskontrolle entzogen sind, in denen der Preis bei Vertragsschluss zwar nicht unmittelbar beziffert wird, die jedoch die für die Preisbestimmung maßgeblichen Berechnungsfaktoren und das Verfahren zur Preisermittlung festlegen. Denn zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehört auch die Vereinbarung preisbildender Faktoren (v. Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Gaslieferverträge (Stand Dezember 2012) Rn. 55, beck-online).
84Entscheidend ist, dass die Festsetzung des – verminderten – Provisionssatzes in Fällen der Nutzung bestimmter Karten unmittelbar und nicht – allein – über eine spätere Modifikation erfolgt.
85Sähe man das anders, führte dies dazu, bei der Prüfung von Provisionssätzen eine Art von Motivationsforschung betreiben zu müssen, was nicht Sinn und Zweck der §§ 305 ff. BGB ist. Mit den hier vorliegenden Regelungen wird dem Pächter die Möglichkeit eingeräumt, Provision auch für unbare Kraftstoff- und Schmierstoffgeschäfte unter Einsatz sog. T&E-Karten zu verdienen, allerdings in einem geringeren Umfang, der den besonderen Kosten der Abwicklung Rechnung trägt. Das ist – jenseits von Fällen einer sittenwidrig zu niedrig bemesssenen Provision (§ 138 BGB), für die hier nichts ersichtlich ist - nicht zu beanstanden. Denn es besteht schon keine Pflicht der Beklagten, den Handelsvertretern auch für die betreffenden Kartengeschäfte überhaupt Provisionen zu gewähren (ein entsprechender Passus, wonach es dem Vertragspartner freistehe, solche Geschäfte vorzunehmen oder nicht, er aber im Fall der Vornahme keine Provision erhalte, wird kaum gegen die §§ 307ff. BGB verstoßen). Dann aber kann auch eine von vornherein vereinbarte geringere Provisionierung derartiger Geschäfte im Hinblick auf die der Beklagten bei solchen Geschäften entstehenden Kosten nicht unwirksam sein.
86(2)
87Im Übrigen läge, selbst wenn die „Kontrollfähigkeit“ der Provisionsregelung bejaht würde, auch keine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor.
88(a)
89Dies gilt zunächst insoweit, als die Höhe der Provision – in allen Verkaufsfällen - nicht vom Entgelt, sondern von der Menge der verkauften Kraftstoffe abhängig gemacht wird.
90Auch wenn dies der Regelung des § 87 b Abs. 2 S. 1 HGB widerspricht, der die Provision an die Höhe des Entgelts knüpft, verweist die Beklagte zu Recht darauf, dass diese Bestimmung abdingbar ist (z.B. Hopt, Handelsvertreterrecht, 6. Aufl., § 87 b Rn. 18).
91(b)
92Für eine Kürzung der Provision in Fällen der T&E-Kartenzahlungen läge, sofern es darauf überhaupt noch ankäme, auch ein nachvollziehbarer Grund vor, nämlich die Belastung der Beklagten mit besonderen Gebühren im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Abwicklung (Ziff. 13 des jeweiligen „Nachtrags“). Dass die Provisionsreduzierung unangemessen hoch ist, hat die Klägerin im Übrigen nicht konkret geltend gemacht.
93c)
94Die Vereinbarung einer niedrigeren Provision für bestimmte Fälle unbarer Zahlung verstößt auch nicht gegen § 86 a Abs. 1 HGB, wonach der Unternehmer dem Handelsvertreter die „erforderlichen Unterlagen“ kostenfrei zur Verfügung zu stellen hat.
95Aus der Entscheidung des BGH vom 17.11.2016 (Az. VII ZR 6/16, Tz. 19f.) geht hervor, dass der Begriff der Unterlage weit zu verstehen ist und alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt. Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter solche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, auf die der Handelsvertreter zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrags bildenden Verträge angewiesen ist.
96Die Ausstattung des Pächters mit einem Kassensystem, namentlich auch zur Abwicklung unbarer Bezahlungsvorgänge, gehört hingegen grundsätzlich nicht zu den erforderlichen Unterlagen im Sinne des § 86 a Abs. 1 HGB, sondern zu den regelmäßig im Geschäftsbetrieb des Handelsvertreters entstehenden Aufwendungen, die er – mangels Üblichkeit eines Aufwendungsersatzes durch den Unternehmer – selbst zu tragen hat.
97Vor diesem Hintergrund ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die Entstehung von (Gebühren-)Belastungen im Rahmen der Zahlungsabwicklung im Kreditkartengeschäft überhaupt als Unterlage im Sinn des § 86 a Abs. 1 HGB in Betracht kommt. Es handelt sich dabei nicht um etwas, das „aus der Sphäre des Unternehmers“ stammt. Die Entstehung von Kartenabrechnungsgebühren ist auch kein Umstand, der für die Tätigkeit des Handelsvertreters, nämlich für die Vermittlung von Kraftstoffverkäufen, „erforderlich“ ist; vielmehr kommen die Vertragsabschlüsse bereits „an der Zapfsäule“ zustande, bevor sich der Kunde für die eine oder andere Art der „Bezahlung“ entscheidet.
98Soweit die Entscheidung des OLG Hamm (a.a.O. vom 17.6.2016, Tz. 32) das „Stationscomputersystem und die technischen Voraussetzungen für den bargeldlosen Zahlungsverkehr“ als erforderliche Unterlage im Sinne von § 86 a Abs. 1 HGB ansieht, konnte der Rechtsprechung des BGH vom 17.11.2016 (Az. VII ZR 6/16) noch nicht Rechnung getragen werden. Im Übrigen ist aber auch zwischen dem erwähnten „Stationscomputersystem“ und den „technischen Voraussetzungen für den bargeldlosen Zahlungsverkehr“ einerseits und der Entstehung von Kosten bei der Zahlungsabwicklung im Fall des Einsatzes (echter) Kreditkarten andererseits zu unterscheiden.
99d)
100Die Regelung scheitert schließlich auch nicht an § 89 b Abs. 4 S. 1 HGB, weil die Provisionsbestimmungen nicht direkt, sondern nur indirekt auf die Höhe eines späteren Ausgleichsanspruchs einwirken. So fallen etwa auch für den Handelsvertreter nachteilige Provisionsvereinbarungen nicht unter das Verbot, (vor Beendigung des Handelsvertretervertrags) Vereinbarungen über den Ausgleich zu treffen (z.B. BGH, Urteil vom 21. 5. 2003, Az. VIII ZR 57/02, NZA 2003, 920, 921; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, 4. Aufl., § 89 b Rn. 211; Hopt, a.a.O., § 89 b Rn. 71 a.E.).
101e)
102Soweit die Klägerin die Wirksamkeit der Verringerung des Provisionssatzes für den Dieselabsatz im Flottengeschäft („Kreditsystemverfahren“ gem. „Vertriebsvertrag“, nunmehr „DK Flotte Routex, DKV, UTA, Westfalen“) rügt, gelten die vorstehenden Ausführungen erst recht. Abgesehen davon, dass insoweit schon die Verwendereigenschaft der Beklagten entfällt, weil ihr – ebenso wie der KIägerin – der „Vertriebsvertrag“ von der U GmbH vorgegeben worden ist, handelt es sich ebenfalls um eine Preisabrede, die jeglicher Klauselkontrolle entzogen ist.
103II.
104Mangels einer Hauptforderung stehen der Klägerin auch keine Zinsen zu.
105C.
106Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
107Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung verlangen keine Befassung des Bundesgerichtshofs, zumal der Senat nicht von anderen obergerichtlichen Entscheidungen abweicht.