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1. Zu den Anforderungen an den Vortrag zur Zulässigkeit einer auf die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung wegen der Verletzung vermögensschützender Normen gerichteten Klage
2. Ein Automobilhersteller haftet für seine Mitarbeiter wegen des Inverkehrbringens von Fahrzeugen mit (unzulässigen) Abschalteinrichtungen gem. § 831 Abs. 1 BGB nur dann, wenn die Mitarbeiter an der zugrunde liegenden strategischen Entscheidung selbst beteilgt waren, was mit dem Status als Verrichtungsgehilfen nicht vereinbar ist, oder wenn sie mit ihrem Verhalten den Vertragshändlern des Herstellers einen (rechtswidrigen) Vermögensvorteil verschaffen wollten.
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.10.2019 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
2A.
3Der Kläger erwarb mit Bestellung vom 15.4.2014 ein Neu-Fahrzeug Q N # Diesel (mit Automatik-Getriebe) zum Preis von 74.392,01 € (brutto), das im April 2015 an ihn ausgeliefert wurde. Das Fahrzeug hat einen Motor des „Typs“ 3.0 I TDI V6 EU6, der von der B AG entwickelt und produziert wurde. Nach unwidersprochener Darstellung der Beklagten erfolgte die Montage der von B bezogenen Motoren sowie des von C gelieferten Steuerungsgeräts im Werk M; streitig ist, ob die Steuerungssoftware von der Beklagten selbst bzw. auf ihre Veranlassung fahrzeugspezifisch modifiziert worden ist. Zur Reduktion des Stickoxidausstoßes kommt neben einem SCR-Katalysator (betrieben mit „AdBlue“) die Abgasrückführung zum Einsatz. Die Beklagte bzw. die B AG nahm bereits im Herbst 2016 am Fahrzeug des Klägers eine mit dem KBA abgestimmte Maßnahme vor. Mit Bescheid vom 16.5.2018 ordnete das KBA nachträgliche Nebenbestimmungen für Fahrzeuge des Typs Q N # 3.0 l Diesel Euro 6 an, wobei es auf von der Beklagten verwendete „Strategien“ A, B und D Bezug nahm. Mit Änderungsbescheid vom 10.7.2018 nahm das KBA den Bescheid vom 16.5.2018 „vollständig“ zurück und ordnete erneut die Entfernung aller unzulässigen Abschalteinrichtungen und die Umrüstung der Fahrzeuge an, und zwar lediglich noch im Hinblick auf die „Strategie“ A. In diesem Bescheid heißt es u.a. (S. 4):
4… Mit der Strategie A enthält das Motorsteuergerät eine Abschalteinrichtung. Durch Erfassung und Auswertung verschiedener physikalischer Größen wird eine Aufheizstrategie im Emissionskontrollsystem betrieben oder abgeschaltet. Wird die Aufheizstrategie (Strategie A) abgeschaltet, verschlechtert sich das Stickoxidemissionsverhalten.
5Solche Abschalteinrichtungen sind nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 der VO (EG) … unzulässig. …
6Gründe gemäß Buchstabe a) liegen nicht vor. Aus den Schaltkriterien lässt sich keine stichhaltige Begründung für einen Motorschutz ableiten.
7…
8Ausweislich des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils ließ der Kläger die Beklagte durch seine Anwälte zur Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes auffordern. Der Kläger nutzt das Fahrzeug bislang ohne Einschränkung.
9Der Kläger hat behauptet, der Motor verfüge über eine Steuerungssoftware, die u.a. den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand erkenne. Die von der B AG bezogenen Motoren nebst Steuerungssoftware seien durch die Beklagte in Absprache mit B und C angepasst worden. Es lägen zumindest „vier Manipulationen“ vor, und zwar in Gestalt eines unzulässigen „Thermofensters“, wonach die Schadstoffemissionsgrenzen nur bei einem bestimmten Außentemperaturbereich (im vorliegenden Fall zwischen 17 0 und 33 0 C) eingehalten würden, in Gestalt der Nutzung einer „Aufwärmstrategie“ (bestimmte Schalt-Einstellung des Automatikgetriebes, die durch fehlende Lenkausschläge ausgelöst und mithin für den Prüfstandbetrieb vorgenommen werde, um die Stickoxidemissionen zu verringern), durch nicht ausreichende Dosierung von Harnstoff (sog. AdBlue) außerhalb des Prüfstandbetriebs sowie durch eine Manipulation der Getriebesteuerung (unterschiedliche Schaltpunktsteuerung; im Prüfstandbetrieb nur der emissionsfreundlichere E-Modus gegenüber dem DSP). Auch das KBA habe in seinem Bescheid vom 16.5.2018 (Anl. R2) diese vier Abschalteinrichtungen (sog. Strategien) festgestellt, die Gegenstand des Rückrufs gewesen seien. Insbesondere darauf stütze er seine Ansprüche, doch lägen noch weitere unzulässige Abschalteinrichtungen vor. Das „Thermofenster“ sei nicht von Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a. VO(EG) 715/2007 gedeckt; es sei aus Gründen des Motorschutzes nicht erforderlich; Maßnahmen, die lediglich Verschleißerscheinungen vorbeugten, würden von dieser Ausnahmeregelung nicht gedeckt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Motor des Fahrzeugs sei daher mit unzulässigen Abschalteinrichtungen im Sinne der VO (EG) 715/2007 ausgestattet.
10Der Kläger hat ferner behauptet, der Vorstand der Beklagten habe Kenntnis von diesen Manipulationen gehabt und sie sogar angewiesen bzw. gebilligt, und sich dazu u.a. auf das Zeugnis des seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten N1 berufen. Die Verwendung der Software für sämtliche „Konzernfahrzeuge“ sei von den Vorständen der Konzerngesellschaften gemeinsam beschlossen worden. Die „Mitarbeiter“, die die Manipulationen vorgenommen hätten, seien sich des Verstoßes gegen das Typgenehmigungsrecht sowie der Möglichkeit von Rückrufen im Fall der Entdeckung bewusst gewesen; sie hätten auch gewusst, dass die solchermaßen ausgestatteten Fahrzeuge einem merkantilen Minderwert unterlägen. Vermögensschäden der Käufer seien jedoch bewusst in Kauf genommen worden, um eigene materielle Interessen zu fördern.
11Die Updates brächten Verschlechterungen beim Verbrauchs- und Emissionsverhalten bezüglich anderer Schadstoffe, auch komme es zu weiteren negativen Auswirkungen. Mit den Updates komme es auch nicht zur Entfernung aller Abschalteinrichtungen. Unzutreffend sei auch der Vortrag der Beklagten, dass diejenigen Fahrzeuge, die an den Servicemaßnahmen teilgenommen hätten, nicht mehr dem Rückruf unterlägen.
12Es liege ferner eine Täuschung über das OBD-System vor, das so programmiert worden sei, dass keine Fehlermeldung der Abgasreinigung gemeldet bzw. gespeichert werde. Damit, so hat der Kläger gemeint, liege auch insoweit eine illegale Manipulation unter Verstoß gegen Art. 4 VO(EG) 692/2008 vor.
13Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Typgenehmigung beziehe sich auf einen „abstrakten Fahrzeugtyp“; die für das Fahrzeug ausgestellte EU-Übereinstimmungsbescheinigung sei damit „ungültig und falsch“, woraus sich ebenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte ergäben.
14Er hat ferner gemeint, die Beklagte treffe bezüglich der Frage ihrer Kenntnis bzw. Unkenntnis eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht nachgekommen sei.
15Er hat behauptet, in mehrfacher Hinsicht getäuscht worden zu sein, u.a. über die Geltung der Typgenehmigung für das erworbene Fahrzeug, die Erfüllung der betreffenden EU-Norm und das Vorhandensein einer voll funktionsfähigen Abgasreinigungsanlage. Ohne die Täuschung über die Verwendung unzulässiger Software hätte er das Fahrzeug nicht erworben.
16Der Kläger hat beantragt,
171. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs der Marke Q vom Typ N # mit der FIN ##1 durch die Beklagte resultieren,
182. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 3.196,34 € freizustellen.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die KIage abzuweisen.
21Sie hat die Auffassung vertreten, der Feststellungsantrag sei schon mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig, doch fehle auch das Feststellungsinteresse. Der Kläger könne sein Begehren auf Rückabwicklung im Rahmen einer Leistungsklage verfolgen; in deren Rahmen sei es ihm auch möglich, die Nutzungsentschädigung zu beziffern, die ansonsten jedenfalls in einem zweiten Prozess zu klären wäre. Unzulässig sei auch der Antrag zu 2), da Grund und Höhe der Verbindlichkeiten, bezüglich derer Freistellung verlangt werde, nicht genannt seien.
22Sie hat behauptet, auch die Entwicklung der Motorsteuerungssoftware einschließlich fahrzeugspezifischer Anpassungen bei der B AG beauftragt zu haben, die auch die sog. „Vernetzung“ (u.a. Bedatung und Abstimmung der Software auf das entsprechende Fahrzeug) vorgenommen habe. Sie hat behauptet, am „Bandende“ sei die Software aus einem von der B AG zur Verfügung gestellten „Flash-Container“ ohne jedwede Einflussmöglichkeiten aufgespielt worden. In ihrem Haus seien Prüfungen der kompletten Fahrzeuge vorgenommen worden; eine Untersuchung der Steuerungssoftware in ihrer Gesamtheit sei nicht veranlasst worden, zumal das auch enormen Zeitaufwand erfordert hätte. Ihr sei von der B AG „bis in den Juni 2017 hinein“ wiederholt bestätigt worden, dass der betreffende Motortyp „frei von Abschalteinrichtungen“ sei. Von einer unzulässigen „Bedatung“ der Steuerungssoftware habe ihr Vorstand keine Kenntnis gehabt.
23Sie hat in Abrede gestellt, dass die Steuerungssoftware Abschalteinrichtungen enthalte. Das – mit der Bezeichnung „Thermofenster“ umschriebene - „Ausrampen“ der Abgasrückführungsrate in Abhängigkeit von bestimmten Außentemperaturen sei als Maßnahme des Motorschutzes gem. Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a) Alt. 1 VO(EG) 715/2007 zulässig. Unzutreffend sei der Vortrag des Klägers, das Fahrzeug verwende außerhalb des Prüfstandbetriebs zu wenig AdBlue. Es gebe auch keine unzulässige Getriebeschaltpunktsteuerung; auch das KBA habe – wie unstreitig geblieben ist - keine (diesbezügliche) unzulässige Software festgestellt. In dem Bescheid des KBA vom 16.5.2018 (Anl. R2) sei nur die „konkrete Bedatung der konkreten Warmlauffunktion“ (darin als „Strategie A“ bezeichnet) beanstandet worden, die bereits im Rahmen des Software-Updates WG22 – ohne ihre Kenntnis – von der B AG entfernt worden sei. Ferner habe das KBA den Bescheid vom 16.5.2018 durch den Änderungsbescheid vom 10.7.2018 vollständig zurückgenommen. Die sog. Strategie D (zwei Betriebsmodi im Rahmen der AdBlue-Dosierung) sei nicht länger als unzulässige Abschalteinrichtung, sondern als „aus Bauteilschutzgründen“ erforderlich angesehen worden. Mit diesem Bescheid seien lediglich die bereits seit Herbst 2016 – auch am Fahrzeug des Klägers - durchgeführten Servicemaßnahmen (Update WG22) verbindlich geworden. Im Übrigen sei auch das (wohl im Hinblick auf den Bescheid vom 10.7.2018) von der Beklagten im Juli 2018 vorgestellte Update vom KBA am 1.8.2018 „freigegeben“ worden.
24Es sei auch nicht zu einer Täuschung des Klägers gekommen; er sei auch keinem täuschungsbedingten Irrtum aufgesessen, da er seine Kaufentscheidung unabhängig von den Emissionswerten des Motors und allenfalls im Vertrauen auf die – vorhandene – Typgenehmigung EU6 getroffen habe. Auch gebe es, so hat die Beklagte gemeint, im Rahmen deliktischer Ansprüche keine Beweiserleichterung oder gar eine Vermutung für die Kausalität einer Schädigungshandlung für den Schadenseintritt.
25Der Kläger habe auch keinen Schaden erlitten, da er das Fahrzeug bislang beanstandungsfrei genutzt habe; ein merkantiler Minderwert sei nicht eingetreten. Mit dem Update seien alle Vorgaben erfüllt, ohne dass noch negative Folgen für den Motor bzw. den Betrieb des Fahrzeugs zu besorgen seien. Der abweichende Vortrag des Klägers sei unbeachtlich, weil er ins Blaue hinein erfolgt sei.
26Jedenfalls fehle es an den subjektiven Voraussetzungen des Betrugs oder des § 826 BGB. Sie, die Beklagte, sei an der Entwicklung oder Produktion des Aggregats nicht beteiligt gewesen; ihrem Vorstand sei mangels Kenntnis der aufgespielten Software auch nicht bewusst gewesen, dass – angeblich - unzulässige Abschalteinrichtungen installiert worden seien. Der Vortrag des Klägers sei nicht hinreichend substantiiert; er habe nicht vorgetragen, dass bestimmte Personen, deren Kenntnisse sie sich zurechnen lassen müsste, mit Vorsatz im Hinblick auf eine etwaige Täuschung und auf einen Schaden des Klägers gehandelt hätten. Es sei nicht ersichtlich, dass und inwieweit ihr Sittenwidrigkeit zur Last zu legen sei, zumal sie die Motoren bzw. die Steuerungssoftware lediglich zugekauft habe.
27Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es sei kein Raum für die Annahme einer sekundären Darlegungslast.
28Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe den für die Annahme einer deliktischen Schädigung gem. §§ 823 Abs. 2, 263 StGB bzw. 826 BGB erforderlichen Schädigungsvorsatz nicht nachgewiesen. Erforderlich dazu sei die Kenntnis der Beklagten von der Existenz einer tatsächlich unzulässigen Steuerungssoftware. Doch habe der Kläger keine Umstände plausibel vorgetragen, die darauf schließen ließen, dass ein Vorstandsmitglied oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten diese Kenntnis hatte, oder die eine solche Kenntnis zumindest naheliegend erscheinen ließen. Das ergebe sich insbesondere daraus, dass die Beklagte das Aggregat weder entwickelt noch selbst produziert habe; soweit der Kläger behauptet habe, die Beklagte habe an den Motoren noch Modifikationen vorgenommen, sei dies ins Blaue hinein erfolgt. Die Beklagte treffe als bloße Käuferin der Motoren auch keine sekundäre Beweislast; ihr seien auch nicht etwaige Kenntnisse von Vorständen der X AG oder der B AG zuzurechnen.
29In seiner Berufungsbegründung bekräftigt der Kläger unter ausführlicher Bezugnahme auf Urteile der Landgerichte Offenburg und Erfurt die Auffassung, sein erstinstanzlichen Vortrag zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte sei schlüssig und „substantiiert“ gewesen; es habe der Beklagten oblegen, im Rahmen der sie treffenden sekundären Darlegungslast diesen Vorwurf zu entkräften, was nicht gelungen sei.
30Mit seinem Schriftsatz vom 13.11.2020 trägt der Kläger weitere (technische) Details zu den aus seiner Sicht als Abschalteinrichtungen zu qualifizierenden Programmierungen der Steuerungssoftware bezüglich der Außentemperaturabhängigkeit („Thermofenster“), der Getriebesteuerung sowie der AdBlue-Dosierung vor. Er behauptet ferner, die Beklagte bilde Organisationseinheiten für jedes Fahrzeugmodell, an deren Spitze sich jeweils ein Leiter befinde, der unmittelbar dem Vorstand unterstellt sei. Insbesondere die Ingenieure G, seinerzeitiger „Projektleiter Antrieb SUV“, und C1, „Leiter der Modellreihe Q N“, seien über „Entwicklung und Verwendung der Abschalteinrichtungen“ informiert gewesen und hätten um die damit verbundenen „Konsequenzen für alle Beteiligten“ gewusst.
31Der Kläger beantragt,
32unter Abänderung des am 19.12.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Münster festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
331. ihm Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs der Marke Q vom Typ N # mit der FIN ##1 durch die Beklagte resultieren,
34hilfsweise
35a) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 74.392,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.2.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Q N # Diesel, FIN ##1,
36b) festzustellen, dass die dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu zahlen für weitergehende Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte das Fahrzeug Q vom Typ N # Diesel, FIN ##1, dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr,
37c) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,
382. ihn von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 3.196,34 € freizustellen.
39Die Beklagte beantragt,
40die Berufung zuückzuweisen.
41Sie hält die Berufungsbegründung des Klägers vom 18.3.2020 bereits für unzulänglich, weil sie noch nicht einmal sporadisch auf das angefochtene Urteil eingehe.
42Sie sei auch unbegründet, denn sie, die Beklagte, habe die B AG mit der Entwicklung des auch im Fahrzeug des Klägers eingebauten Dieselmotors beauftragt, der die vereinbarten Anforderungen erfüllen sollte, darunter auch die „Typisierung nach der Euro 6-Norm“. Der B AG habe auch die „Vernetzung“ (einschließlich Bedatung) oblegen. Sie, die Beklagte, habe Fahrtests durchgeführt, aber keine Gesamtanalyse der Motorsteuerungssoftware vorgenommen, was auch praktisch angesichts der Datenmenge nicht möglich gewesen sei. Erst Mitte Juni 2017 habe sie von der B AG über einen vom KBA als unzulässig angesehenen Warmlaufmodus im SCR-Katalysator beim Q D erfahren. Auf Nachfrage bei der B AG sei ihr dann mitgeteilt worden, dass auch der Q N mit solcher Software ausgestattet gewesen sei; diese Bedatung sei aber bereits im Jahr 2016 im Zuge eines „freiwilligen Updates („WG22“) durch B“ entfernt worden, und zwar ohne, dass sie oder das KBA davon informiert worden seien. Der „finale“ Rückrufbescheid des KBA vom 10.7.2018 habe sämtliche N Diesel V6 erfassen müssen, auch solche, in denen die unzulässige Programmierung bereits beseitigt gewesen sei.
43Im Übrigen sei die Klage auch unzulässig; der Feststellungsantrag zu 1. sei zu unbestimmt und die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht dargelegt.
44Jedenfalls erweise sich die Klage als unbegründet. Weder sei Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens noch Vorsatz dargelegt worden, letzterer lasse sich insbesondere nicht mit dem Schlagwort „Konzernverflechtung“ begründen. Greife eine sekundäre Darlegungslast, so sei diese erfüllt. Darüber hinaus habe der Kläger auch keinen Schaden erlitten, namentlich stehe der vorliegende Fall auch insoweit nicht dem vom BGH am 25.5.2020 entschiedenen Sachverhalt gleich, denn das vom KBA beanstandete Defizit (eine „nicht ausreichende Konditionierung der Warmlauffunktion im Straßenverkehr“ – Bl. 775) habe innerhalb kürzester Zeit behoben werden können. Schließlich habe der Kläger auch die erforderliche Kausalität zwischen einer (angeblichen) Täuschung und seinem Kaufentschluss nicht dargelegt.
45Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
46B.
47Die zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
48I.
49Die Berufungsbegründung vom 20.3.2020 genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO, auch wenn sie sich weitgehend in der Wiedergabe eines anderen Urteils erschöpft. Denn der Kläger rügt, sein Vortrag zur deliktischen Haftung der Beklagten sei ausreichend und das Landgericht habe zu Unrecht eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten verneint.
50II.
51Der Feststellungsantrag (gem. der Berufungsbegründung vom 20.3.2020) ist zulässig, jedoch unbegründet.
521.
53Der Feststellungsantrag ist gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
54a)
55Die Existenz einer deliktischen Schadensersatzverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger stellt zweifellos ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar, das auch gegenwärtig ist, weil Schadensersatzansprüche des Klägers, jedenfalls nach seiner Darstellung, noch unerfüllt bestehen.
56Die Zulässigkeit einer auf die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung gerichteten Klage setzt – bei der Verletzung einer Norm zum Schutz des Vermögens – voraus, dass der Kläger die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens zumindest substantiiert darlegt (z.B. BGH, Urt. vom 4.3.2015, Az IV ZR 36/14, iuris Rn. 15; OLG Hamm, Urt. vom 1.4.2020, Az. 30 U 33/19 beck-online Rn. 93; OLG Karlsruhe, Urt. vom 6.11.2019, Az. 13 U 12/19, BeckRS Rn. 14f. unter Verweis auf OLG Frankfurt, Urt. vom 28.10.2014, Az. 22 U 175/13; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 256 Rn. 9). Anderseits wird in der Rechtsprechung (z.B. BGH, Urt. vom 10.7.2014, Az. IX ZR 197/12; OLG Karlsruhe, Urt. vom 18.7.2019, Az. 17 U 160/18, iuris Rn. 74) verlangt, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden kann. Ferner postuliert der Bundesgerichtshof (Urt. vom 26.7.2018, Az. I ZR 274/16, iuris Rn. 20) eine Darlegungs- und Beweislast des Feststellungsklägers für die Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückgehenden Schadens ergibt.
57Nach Auffassung des Senats bedarf es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung der Frage, welche Anforderungen an den Vortrag hinreichender Wahrscheinlichkeit weiteren Schadenseintritts zu stellen sind.
58Denn der Kläger hat eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts weiterer Schäden jedenfalls im Hinblick auf die – behaupteten – nachteiligen Folgen des Software-Updates auf die Reparaturbedürftigkeit bzw. Haltbarkeit des Motors substantiiert dargelegt.
59Doch auch dann, wenn sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ergeben muss, wäre diese Voraussetzung erfüllt. Denn - im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung – war der Eintritt weiterer Schäden jedenfalls insoweit wahrscheinlich, als der Kläger während seiner Besitzzeit des Fahrzeugs mit (fort-)laufenden Kosten in der Form von Kraftfahrzeugsteuer und Versicherungsprämien belastet werden würde. Die Höhe dieser Kosten hing konkret von der gewählten Motorisierung des Fahrzeugs ab, so dass sich diese Kosten als adäquate (Folge-)Schäden des Fahrzeugerwerbs darstellen, denen nicht – oder allenfalls teilweise – entgegengehalten werden kann, dass sie bei dem – im Fall vollständiger Aufklärung des Klägers über die mit der unzulässigen Softwarekonfiguration verbundenen Folgen - zu unterstellenden Erwerb eines anderen Fahrzeugs ebenfalls angefallen wären und die deshalb als „Sowieso-Kosten“ zu betrachten seien, die sich letztlich nicht schadenerhöhend auswirkten.
60Offen bleiben kann daher, ob auch Erhaltungs- bzw. Wiederherstellungsaufwendungen durch die mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Inspektionen und/oder Reparaturen des Motors ihrerseits als Schadenspositionen gelten müssen, auch wenn es sich dabei nicht um Kosten handeln sollte, die gerade infolge der nicht rechtskonformen Software oder infolge des Updates entstehen (so wohl OLG Hamm, a.a.O., beck-online Rn. 94), oder ob dem der Einwand entgegensteht, dass es sich um „Sowieso-Kosten“ handelt, die auch beim Erwerb eines anderen Fahrzeugs angefallen wären.
61b)
62Der Kläger hat auch ein schutzwürdiges Interesse an alsbaldiger Feststellung.
63Seinem subjektiven Recht muss eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch drohen, dass die Beklagte es ernstlich bestreitet, während das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Diese Voraussetzungen sind gegeben sein; ein Feststellungsinteresse besteht im Übrigen stets zum Zweck der Hemmung der Verjährung (Zöller/Greger, a.a.O., Rn. 9).
64c)
65Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO lässt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, dem Kläger sei – im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit – die Erhebung einer Leistungsklage möglich und zumutbar.
66An dieser Zumutbarkeit fehlt es etwa, wenn sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befand oder wenn der Kläger seinen Anspruch nicht oder nicht ohne aufwendige Begutachtung beziffern kann (Zöller/Greger, a.a.O., Rn. 7a; BGH NJW 2008, S. 1256, 1257).
67aa)
68Zwar liegt kein Fall vor, in dem einem Kläger die Bezifferung eines bereits entstandenen Schadens nicht zugemutet werden kann. Denn die Bezifferung des Schadens, soweit er in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit besteht, ist nur insofern mit einer gewissen Unsicherheit belastet, als es um die Nutzungsvorteile und deren Bemessung geht. Dabei handelt es sich aber um einen „Abzugsposten“, der entscheidend von der konkreten Fahrleistung im Verhältnis zur Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs abhängt. Zu deren Ermittlung ist jedoch kein Sachverständigengutachten erforderlich; sofern das Gericht die nähere Methodik der Ermittlung der Nutzungsvorteile selbst bestimmt und dabei von einem Schätzungsermessen (§ 287 Abs. 1 bzw. 2 ZPO) Gebrauch macht, dispensiert auch dies einen Kläger nicht davon, eine eigene Berechnung aufzumachen und den Schadensersatzanspruch um diesen Betrag zu kürzen.
69bb)
70Doch befand sich der aus Sicht des Klägers entstandene Schaden im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung.
71Der schadenbegründende Sachverhalt hatte nicht bereits mit der Eingehung der Verpflichtung aus dem Kaufvertrag über das Fahrzeug (als sog. ungewollte Verbindlichkeit) bzw. deren Bezahlung seinen Abschluss gefunden.
72Denn es entstanden dem Kläger jedenfalls in Gestalt der Kraftfahrzeugsteuer und der Versicherungsprämien ständig weitere Kosten, die jedenfalls als (Folge-)Schaden der Anschaffung dieses Fahrzeugs gelten müssen.
73Schließlich hat der Kläger auch hinreichend konkret (namentlich in Bezug auf das AGR-Ventil und dessen Verrußung) dargelegt, dass durch das vollzogene Update sogar die Gefahr weiterer Schäden am Fahrzeug selbst begründet worden ist.
74d)
75Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags scheitert auch nicht an § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
76Zwar ist darin als Grund für die begehrte Feststellung der Schadensersatzverpflichtung lediglich „aus der Manipulation des Fahrzeugs Q N # Diesel, FIN …“ angegeben.
77Daran scheitert jedoch nicht die Zulässigkeit des Antrags. Denn dieser ist dahin auszulegen, dass sich die Feststellung auf die vom Kläger in seiner Klageschrift unter der Überschrift „Manipulation beim Q N“ (Ziff. A. II. 2.) genannten Maßnahmen bzw. Programmierungen bezieht (s.a. OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.7.2019, Az. 17 U 160/18, Tz. 65).
782.
79Dem Kläger steht jedoch kein Schadensersatzanspruch wegen des Erwerbs des Fahrzeugs gegen die Beklagte zu.
80a) §§ 311 Abs. 3, 241, 280 BGB
81Schadensersatzansprüche aus §§ 311 Abs. 3, 241, 280 BGB setzen die Begründung eines rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten gem. § 311 Abs. 3 BGB voraus. Sie scheitert daran, dass die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens des Klägers durch die Beklagte (bei bzw. im Vorfeld des Abschlusses des Kaufvertrags) nicht erkennbar ist.
82Die Beklagte verweist im Übrigen zu Recht darauf, dass die Voraussetzungen der sog. Prospekthaftung (im Sinne des Kapitalanlagerechts) nicht vorliegen.
83b) §§ 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. mit Art. 5 VO(EG) 715/2007
84Der BGH hat zwischenzeitlich entschieden, dass sich aus Verletzungen der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV keine Schadenersatzansprüche des Erwerbers ableiten lassen (u.a. BGH, Urt. vom 30.7.2020, Az. VI ZR 5/20, Tz. 10ff.). Dem folgt der Senat, so dass offen bleiben kann, ob die Beklagte überhaupt gegen die Bestimmungen zur Erteilung einer Übereinstimmungsbescheinigung verstoßen hat.
85c) §§ 823 Abs. 2, 31 BGB, 263 Abs. 1 StGB
86Eine Haftung der Beklagten wegen eines Betrugs ihres Vorstands oder eines sonstigen Repräsentanten ist nicht anzunehmen.
87Erforderlich wäre, dass der Vorstand (oder sonstige Repräsentanten) der Beklagten die Entscheidung getroffen hätte(n), sowohl die Behörde im Typgenehmigungsverfahren für das vom Kläger georderte Fahrzeug über Eigenschaften der Steuerungssoftware zu täuschen und damit zur Erteilung der Genehmigung zu veranlassen als auch den Erwerbern wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass sie ein bestandskräftig typgenehmigtes Fahrzeug erhalten.
88aa)
89Es steht nicht fest, dass der (seinerzeitige) Vorstand der Beklagten – oder ein nach der Satzung zuständiges Vorstandsmitglied – selbst über die Beschaffung des Motors (nebst Steuerungssoftware) für das Modell N in Kenntnis der Existenz – etwaiger - rechtswidriger Programmierungen entschieden hat.
90(1)
91Aus dem Umstand, dass sowohl die Beklagte als auch die B AG Konzerntöchter der X AG sind, lässt sich keine Wissens- oder Verhaltenszurechnung über die einzelnen juristischen Personen hinweg konstruieren. Insbesondere bietet § 18 Abs. 1 S. 2 AktG keine Grundlage für eine solche Zurechnung, denn diese Vorschrift ordnet die Fiktion einer „einheitlichen Leitung“ nur in Bezug auf den Konzernbegriff des § 18 Abs. 1 S. 1 AktG an.
92(2)
93Jedenfalls bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte für eine entsprechende Kenntnis des Vorstands bzw. des zuständigen Vorstandsmitglieds oder eines sonstigen Repräsentanten der Beklagten von der fehlenden Konformität der Motorsteuerungssoftware mit den im Zeitpunkt der Bestellung bzw. des Einbaus in die Fahrzeuge geltenden Normen. Die im Fall des von der X AG konzipierten und hergestellten Motors der Baureihe EA 189 obwaltenden Umstände, wie sie etwa vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 25.5.2020 (Az. VI ZR 252/19) zugrunde gelegt worden sind, lassen sich nicht auf die Konzeption eines – auch bezüglich seiner Strategien zur Stickoxidemissionsminderung - anderen (6-Zylinder-)Dieselmotors bei der B AG übertragen.
94Auch wenn, wie der Kläger behauptet, die Entscheidung über den Bezug der betreffenden Motoren von dem (seinerzeitigen) Vorstandsvorsitzenden N1 oder T – als etwaigem sonstigem Repräsentanten - getroffen worden wäre, sind solche greifbaren Anhaltspunkte für eine entsprechende Kenntnis dieser Personen nicht erkennbar. Denn es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sie über Details der bei der B AG im Zeitraum ab etwa 2014 konzipierten Motoren und der in diesem Zusammenhang vorgenommenen (bzw. von ihr bei einem Zulieferer beauftragten) Programmierung der Motorsteuerungssoftware Kenntnis gehabt haben sollten.
95Nichts anderes gilt, falls im Hause der Beklagten noch eine Anpassung bzw. Modifikation der Steuerungssoftware – im Sinne einer Nichtbehebung der als solcher erkannten rechtswidrigen Programmierungen oder einer Veranlassung bzw. gar Ausweitung solcher Programmierungen – erfolgt sein sollte. Denn bei der Vornahme solcher Programmierungen handelt es sich um Konstruktionsdetails im weiteren Sinn, bezüglich derer nicht zu unterstellen ist, dass sie – trotz potentiell umfangreicher Rechtsfolgen – zum Gegenstand einer Entscheidung auf Vorstandsebene gemacht werden.
96(3)
97Das Vorstehende gilt entsprechend im Hinblick auf die vom Kläger behauptete prüfstandspezifische Programmierung des (Automatik-)Getriebes, sollte diese nicht bereits als Teil der Motorsteuerung anzusehen sein. Auch ein solches Konstruktionsdetail kann nicht ohne nähere Anhaltspunkte, die nicht erkennbar sind, als „Vorstandssache“ angesehen werden.
98bb)
99Selbst wenn der Beklagten Kenntnis der vom Kläger behaupteten und nach seiner Auffassung rechtswidrigen Programmierungen zuzuschreiben wäre, bestünden erhebliche Zweifel daran, auch einen Täuschungsvorsatz, einerseits gegen die Typgenehmigungsbehörde, andererseits gegen die Fahrzeugkäufer gerichtet, anzunehmen.
100(1)
101Nach Auffassung des Senats ist es fraglich, ob die Darstellung des Klägers bezüglich eines Erschleichens der Typgenehmigung seitens der Beklagten durch Täuschung der Behörde über das Nichtvorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen im Wege des Verschweigens offenzulegender Angaben (etwa über die „Maßnahmen gegen Luftverunreinigungen“ gem. Anh. I Anl. 3 zur VO(EG) 692/2008) ausreicht.
102Anders als in dem vom Bundesgerichtshof (VI ZR 252/19, a.a.O., Tz. 18) entschiedenen Fall hat die Beklagte des vorliegenden Verfahrens bestritten, die Behörde durch Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen getäuscht zu haben.
103Eine Täuschung der Behörde setzt jedoch voraus, dass die Beklagte überhaupt zur Offenlegung der vom Kläger als unzulässige Manipulationen bezeichneten Programmierungen verpflichtet war.
104Es könnte insoweit allein auf die – nach der Rechtslage bei Durchführung des betreffenden Typgenehmigungsverfahrens in 2014 - formalisierten Voraussetzungen für den Erhalt einer Typgenehmigung (sowie der Emissionsgenehmigung) ankommen, wie sie in Art. 5 Ziff. 2 der VO(EG) 692/2008 unter Hinweis auf den „Beschreibungsbogen“ in Anhang 1 Anlage 3 geregelt waren, sowie auf die weiteren in Art. 5 Ziff. 3. VO(EG) 692/2008 bezeichneten Angaben. Inwieweit die Beklagte nach diesen Vorschriften verlangte Informationen unterdrückte, ist aufgrund der Ausführungen des Klägers nicht nachzuvollziehen. Soweit er auf – geschuldete und angeblich unvollständig gebliebene – Angaben bezüglich „Maßnahmen gegen Luftverunreinigungen“ unter einer Ziff. 3.2.12 verweist, so sieht der sog. Beschreibungsbogen eine solche Ziffer gar nicht vor, sondern verlangt unter der Überschrift „Maßnahmen gegen Luftverunreinigungen“, beginnend mit Ziff. 3.2.12.1, ein Vielzahl konkreter Angaben; unter der Ziff. 3.2.12.2.7.2. wird eine Angabe betr. „Liste und Zweck aller vom OBD-System überwachten Bauteile“ verlangt. Dass es bei vollständiger „Beantwortung“ dieser oder anderer Angaben gem. dem Beschreibungsbogen, namentlich auch zu den „Leistungsmerkmalen“ bei „elektronisch gesteuerten Funktionen“ (in der Einführung vor „0. Allgemeines“ im Anhang I Anl. 3), zur Offenlegung der vom Kläger beargwöhnten Programmierungen hätte kommen müssen, ergibt sich daraus nicht.
105Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach den Ergebnissen des 5. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (der 18. Legislaturperiode; BTDrucks. 18/12900 vom 22.7.2016) bzw. den Aussagen der dort vernommenen Beamten des KBA eine Verpflichtung der Hersteller „zur Offenlegung von Emissionsstrategien“ erst mit der VO(EG) 2016/646 vom 25.4.2016 begründet worden ist, jedoch die „Angabe von Abschaltvorrichtungen“ zuvor nicht vorgesehen gewesen ist (Referatsleiter X1, Bl. 251; Referatsleiter Q1, Bl. 253; Referatsleiter Q2, Bl. 257f.). In den „Bewertungen des Untersuchungsausschusses“ findet sich unter lit. D. („Prüftätigkeit des Kraftfahrtbundesamtes“, S. 510, 513) sodann die Feststellung, dass „der Quellcode der Motorsteuerungssoftware sowie die Emissionsminderungsstrategie .. mit Blick auf den erforderlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in der als Anlage der Richtlinie 2007/45/EG inhaltlich standardisierten Beschreibungsmappe jedoch zu keinem Zeitpunkt genannt und damit vom Hersteller nicht offenzulegen“ war (S. 513; Hervorhebungen durch Verf.). Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass es Art 5 der VO(EG) 715/2007 „sowohl an der erforderlichen Bestimmtheit wie auch an der rechtsstaatlich mindestens gebotenen Bestimmbarkeit fehle“ (a.a.O.).
106Verlangte aber das KBA seinerzeit keine Offenlegung der Steuerungssoftware bzw. der Emissionsminderungsstrategie und beschränkte sich die Beklagte auf die ihr im „Beschreibungsbogen“ (sowie auf die zur Durchführung der Emissionsprüfung) abverlangten Angaben, so stellt das Verschweigen prüfstandspezifisch wirkender Programmierungen möglicherweise allein noch keine Täuschung dar, zumal die Beklagte davon ausgehen konnte, dass die Behörde ihre Entscheidung nur auf die formalisiert abverlangten Angaben – als für sie allein maßgebliche Grundlage - stützen werde.
107Es lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht erkennen, dass sich aus der in Art. 3 IX Unterabs. 3 der VO(EG) 692/2008 der Kommission vom 18.7.2008 zur Durchführung und Änderung der VO(EG) 715/2007 normierten Verpflichtung des Herstellers, „… der Genehmigungsbehörde Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGR), einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen Temperaturen“, zu machen, eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten ergibt. Die vom Kläger thematisierte „Aufwärmstrategie“ sowie die „AdBlue-Dosierung“ dürften bereits kaum als Element des in dieser Vorschrift angesprochenen „Abgasrückführungssystems“ aufgefasst werden können. Es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass Angaben zu einer temperaturabhängigen Konditionierung der Abgasrückführung, sollten sie von der genannten Vorschrift überhaupt verlangt worden sein, mit dem Bewusstsein einer Auswirkung auf die Erteilung der Typgenehmigung unterblieben sind. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte bzw. ihre Organe davon ausgingen, sich im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit. a. der VO(EG) 715/2007 zu bewegen.
108(2)
109Auch die Annahme eines Täuschungsvorsatzes gegenüber den Erwerbern, nämlich im Hinblick auf die Täuschung über die Bestandskraft der Typgenehmigung bzw. der Zulassung des konkreten Fahrzeugs, begegnet Bedenken.
110Erforderlich wäre insoweit, dass die Organe bzw. Repräsentanten der Beklagten mit einer Beeinträchtigung der Zulassung der auf den Markt gebrachten Kraftfahrzeuge – infolge unvollständiger Angaben im Typgenehmigungsverfahren - rechneten und sie in Kauf nahmen. Die verwaltungsrechtliche Situation ist jedoch komplex; es wird vertreten, dass ein derartiger „Durchgriff“ auf die Zulassung der einzelnen Fahrzeuge selbst im Falle einer Rücknahme der Typgenehmigung mit erheblichen verwaltungsrechtlichen Schwierigkeiten verbunden und allenfalls als ultima ratio denkbar ist (Röhl, NZV 2020, S. 183; VG Düsseldorf, Urt. vom 24.1.2018, Az. 6 K 12341/17, iuris Rn. 302f.). Es kann dahinstehen, ob der Vorstand der Beklagten bereits angesichts dieser Situation – im Zeitraum bis zur Auslieferung des vom Kläger bestellten Fahrzeugs – davon ausgehen durfte, dass ein eher theoretisches als ein reales Risiko einer Stilllegung für die Fahrzeugerwerber bestehe, womit der Annahme eines Täuschungsvorsatzes weitgehend die Grundlage entzogen wäre. Jedenfalls ließen, wie in den Ausführungen zum Tatbestand des §§ 826, 31 BGB näher dargelegt, die hier vom Kläger thematisierten Programmierungen keine Auswirkungen auf die Zulassung erwarten.
111cc)
112Soweit der Kläger behauptet, die Beklagte habe „falsche Pflichtangaben zum Kraftstoffverbrauch und zu CO2-Werten“ gemacht, durch „mündliche Informationen und den Aushang“ falsch informiert und u.a. „öffentlich beworben“, dass „die Euro-Norm eingehalten“ werde, lässt sich auch daraus ein betrügerisches Verhalten der Organe oder Repräsentanten der Beklagten nicht herleiten.
113Diese Behauptungen sind nach Inhalt und äußeren Umständen nicht ausreichend substantiiert, denn der Kläger hat weder vorgetragen, welche Emissions- bzw. Verbrauchswerte ihm im Zusammenhang mit seiner Kaufentscheidung zur Kenntnis gegeben worden seien, noch mitgeteilt, welche Werte sich bei seinem Fahrzeug alsdann – unter entsprechenden Bedingungen – ergeben haben.
114Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass Detailangaben zu Emissionen und Verbräuchen bzw. deren Überprüfung gegenüber den Enderwerbern dem Vorstand oder sonstigen Repräsentanten obliegen.
115d) §§ 823 Abs. 2, 4 Nr. 11 UWG a.F., 16 UWG
116Auch eine Haftung der Beklagten wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens ist nicht feststellbar.
117Als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB kommt ohnehin nur § 16 Abs. 1 UWG in Betracht, hingegen sind §§ 3 und 7 UWG (a. und n.F.) keine Schutzgesetze, denn Ansprüche und Anspruchsberechtigungen wegen eines Verstoßes gegen diese Vorschriften sind abschließend in den §§ 8 – 10 UWG geregelt (Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. (2014) Einl. Rn. 7.5; so auch zur aktuellen Fassung des UWG in der 39. Aufl. (2021), a.a.O.).
118§ 16 Abs. 1 UWG stellt denjenigen unter Strafe, der in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt.
119Der Kläger hat schon keine konkrete Werbemaßnahmen der Beklagten in Gestalt öffentlicher Bekanntmachungen oder Mitteilungen für einen größeren Personenkreis bezeichnet und inhaltlich dargestellt, mit denen durch unwahre Angaben irreführend geworben worden sei. Ein – etwaiger - in der Werbung der Beklagten zum Ausdruck kommender Anspruch, (besonders) „umweltfreundliche und schadstoffarme“ Fahrzeuge zu produzieren, wäre ohnehin zu unspezifisch, um bezüglich des hier in Rede stehenden Produkts – des Q N 3.0 V6-Diesel – von unwahren Angaben ausgehen zu können. Den Ausführungen des Klägers lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Beklagte über den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs – im Rahmen der EnVKV – unwahre Angaben gemacht hat. Weder teilt der Kläger die von der Beklagten angegebenen Werte mit noch äußert er sich dazu, inwieweit das Fahrzeug bei seiner Nutzung mehr Kraftstoff verbraucht.
120Abgesehen davon bestehen keine Anhaltspunkte für die ferner erforderliche Absicht der Beklagten, mit unwahren Angaben den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen. Zwar genügt irgendein – tatsächlicher oder vermeintlicher – Vorteil, der das Angebot in besonders günstigem Licht erscheinen lässt, so dass gleichgültig ist, worin das Günstige eines Angebots besteht; es kann außer im Preis z.B. auch in der Leistungsfähigkeit liegen (Köhler/Bornkamm/Bornkamm, a.a.O., § 16 Rn. 17). Für das Tatbestandsmerkmal „besonders günstig“ reicht es aus, dass die vom Verkehr auf Grund der Werbeaussage erwarteten Vorteile nicht die allgemein üblichen sind (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 7. Aufl. 2016, UWG § 16 Rn. 17). Erforderlich wäre danach, dass die Beklagte in ihrer Werbung für den Q N nicht nur unwahre Verbrauchs- oder Emissionswerte genannt, sondern damit auch den Eindruck erweckt hätte, diese lägen unter denen vergleichbarer (Diesel-)Pkw. Auch das lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.
121e) §§ 826, 31 BGB
122Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Beklagten bzw. ihrer Organe oder Repräsentanten (§§ 826, 31 BGB).
123Es lässt sich im vorliegenden Fall bereits ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten bzw. ihrer Organe oder Repräsentanten nicht feststellen.
124aa)
125Ein sittenwidriges Verhalten eines Kraftfahrzeug-Produzenten kann sich allerdings (schon) im Zusammenhang mit der Produktionsentscheidung für ein bestimmtes Fahrzeugmodell und dem dafür betriebenen Typgenehmigungsverfahren ergeben.
126Der Bundesgerichtshof (Urt. vom 25.5.2020, a.a.O., Tz. 16) hat die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit des Inverkehrbringens von Fahrzeugen durch einen Produzenten näher dargelegt. Die Sittenwidrigkeit setzt – im entschiedenen Fall betreffend Fahrzeuge der X AG mit dem Motor EA189 – voraus,
127dass das Inverkehrbringen auf der Basis
128 einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung
129 im eigenen Kosten – und Gewinninteresse
130 durch bewusste und gewollte Täuschung der (Typ-)Genehmigungsbehörde (im entschiedenen Fall des KBA) sowie
131 systematisch, langjährig und - bezogen auf den Motor der Baureihe EA 189 - in siebenstelligen Stückzahlen
132erfolgt und
133dass dieses Verhalten einerseits erhöhte Umweltbelastungen hervorruft und andererseits mit der Täuschung der Erwerber über die Existenz von Gefahren einer Betriebsbeschränkung oder –untersagung der zugelassenen Fahrzeuge einhergeht.
134Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf das Inverkehrbringen (im Sinne der Produktionsentscheidung und des Typgenehmigungsverfahrens) des vom Kläger erworbenen Q N 3.0 V6 EU6 nicht feststellbar.
135Denn es nicht davon auszugehen, dass die Verwendung des von der B AG bezogenen und im Fahrzeug des Klägers verwendeten Antriebsaggregats (nebst Motorsteuerung), insoweit dieses gegen die im Zeitpunkt des Einbaus geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften (insbes. der VO(EG) 715/2007) verstieß, von einer diesbezüglichen strategischen Entscheidung der Beklagten gedeckt war.
136(1)
137Der Kläger behauptet nicht konkret, dass es im Hause der Beklagten selbst eine strategische, also eine grundsätzliche, in die Zukunft wirkende Entscheidung für die Verwendung nicht (typ-)genehmigungsfähiger Fahrzeugmodelle bzw. darin verwendeter Motoren gegeben habe. Der Kläger beruft sich vielmehr auf einen Sachverhalt, der sich im Zeitraum ab etwa 2007 im Zusammenhang mit der Entscheidung der X AG, den Motor der Baureihe EA 189 mit einer Abschalteinrichtung auszustatten, um die weitgesteckten unternehmerischen Ziele der X AG bezüglich einer erheblichen Umsatzausweitung mit Diesel-Pkw nicht zu gefährden, ereignet haben soll. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Sachverhalt – der im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 252/19) als zu Recht festgestellt angesehen wurde (a.a.O., Tz. 15) – auch für die Produktion des im Fahrzeug des Klägers befindlichen Motors Geltung hat. Denn die Baureihe EA 189 bestand (ausschließlich) aus 4-Zylinder-Aggregaten, während für das vom Kläger erworbene Fahrzeug ein 6-Zylinder-Motor – mit anderen Emissionsminderungsstrategien - benötigt und beschafft worden ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Motorsteuerung der Aggregate der Baureihe EA 189 – mit ihrer u.a. vom Bundesgerichtshof (a.a.O.) als (unzulässige) Abschalteinrichtung qualifizierten prüfstandspezifischen Erhöhung der Abgasrückführung zur Senkung der Stickoxid-Emissionen – auch für die betreffenden 3,0 l (V6)-Aggregate, wie sie sich in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeugtyp finden, übernommen worden sind und auch dort zur Verfehlung der maßgeblichen Emissionsvorschriften geführt haben, vermag der Senat nicht zu erkennen.
138(2)
139Eine etwaige Kenntnis ihres damaligen Vorstandsvorsitzenden N1 aus seiner Zeit als Generalbevollmächtigter der X AG, mag er auch von der erwähnten „strategischen Entscheidung“ der X AG bezüglich des Motors EA 189 Kenntnis gehabt haben oder sogar daran beteiligt gewesen sein, reicht nicht für die Annahme aus, auch die Beklagte habe ihrerseits mit der Order der V6-Motoren bei der B AG eine entsprechende strategische Entscheidung getroffen oder nachvollzogen. Dem steht auch entgegen, dass das Angebot dieselbetriebener Fahrzeuge nicht den (bisherigen) Kernbereich der Geschäftstätigkeit der Beklagten darstellte und dass sie von vornherein davon abgesehen hat, eigenständig Dieselmotoren zu entwickeln. Dass in einer derartigen unternehmerischen Situation Raum für eine grundsätzliche und langfristig wirkende Entscheidung bezüglich des Einsatzes nicht den geltenden (Emissions-)Vorschriften genügender Motoren bestand, ist nicht erkennbar.
140Des Weiteren ist auch die vom Kläger behauptete Kenntnis des – angeblichen – „Q-Chefs der Elektronikentwicklung“ T1, mag dieser auch als Repräsentant im Sinne des § 31 BGB zu qualifizieren sein, von einer ihm im Zusammenhang mit den Anforderungen einer US-amerikanischen Umweltbehörde (EPA) bezüglich der Verknüpfung der Additiv-Auffüllung mit den Service-Intervallen berichteten „Strategie zur Harnstoffdosierung“ nicht geeignet, die erforderliche Entscheidung des Vorstands selbst zum Einsatz vorschriftswidriger bzw. sogar nicht (typ-)genehmigungsfähigen Motoren zu ersetzen.
141(3)
142Soweit der Kläger vorträgt, dass – jenseits des benannten Vorstandsmitglieds N1 - auch der übrige (seinerzeitige) Vorstand sowie weitere Repräsentanten der Beklagten im Zeitpunkt der Entscheidung, das Modell N mit dem betreffenden Motor (nebst Motorsteuerung) auszustatten und das dazu erforderliche Genehmigungsverfahren zu betreiben, von den – behaupteten - Verstößen gegen die geltenden zulassungsrechtlichen Vorschriften nebst den möglichen Auswirkungen auf den Bestand einer Zulassung informiert waren, fehlt es dafür an greifbaren Anhaltspunkten, so dass den angebotenen Beweisen nicht nachzugehen ist.
143bb)
144Raum für die Annahme einer Sittenwidrigkeit der Beklagten bzw. ihrer Organe oder Repräsentanten besteht allerdings auch dann, wenn zu einem späteren Zeitpunkt Umstände bekannt geworden sein sollten, die Zweifel an der Bestandskraft einer mittlerweile erwirkten Typgenehmigung aufkommen ließen, die Auslieferung des entsprechenden Fahrzeugmodells aber gleichwohl ohne entsprechende Aufklärung fortgesetzt worden sein sollte. Denn ein solches Verhalten käme einer Täuschung der Erwerber gleich.
145Anhaltspunkte, die für eine derartige (sittenwidrige) Täuschung durch Unterlassen der gebotenen Aufklärungspflichtverletzung sprechen, lassen sich im vorliegenden Fall gleichfalls nicht ausmachen. Anders als in dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Urt. vom 30.1.2020, Az. 13 U 81/19) entschiedenen Fall wurde das Fahrzeug bereits im April 2015 und damit geraume Zeit vor den Verlautbarungen der EPA im September 2015 und dem Datum des 2.11.2015 (Datum des Zugangs der „notice of violation“ auch an die Beklagte) an den Kläger ausgeliefert.
146f) §§ 831 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit 826 BGB oder mit 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB
147Die Beklagte haftet auch nicht wegen eines deliktischen Verhaltens von Verrichtungsgehilfen.
148aa)
149Zwar scheidet die Lieferantin der Motoren, die B AG bzw. deren Zulieferer, als Verrichtungsgehilfin der Beklagten aus. Denn zu einer Verrichtung bestellt ist, wem eine Tätigkeit von einem anderen übertragen worden ist, unter dessen Einfluss er allgemein oder im konkreten Fall handelt und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht (BGH NJW 2013, S. 1002, Tz. 15; Palandt/Sprau, BGB, 79.Aufl., § 831 Rn. 5). An letzterem fehlt es, wenn lediglich eine Lieferbeziehung zwischen zwei (juristischen) Personen besteht.
150Doch kommen neben den vom Kläger benannten Mitarbeitern der Beklagten T1, G (bis November 2015 „Projektleiter Antrieb SUV“) und C1 (Leiter der Modellreihe N) sämtliche mit der Konzeption, mit der Absolvierung des Typgenehmigungsverfahrens, der Herstellung des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs und dessen Auslieferung befassten weiteren Arbeitnehmer der Beklagten als Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht. Auf eine Individualisierung der einzelnen Mitarbeiter und auf deren Tätigkeitsbereich kommt es erst im Rahmen der – nachgelagerten - Frage an, ob der Beklagten ein etwa zu führender Entlastungsbeweis, der nur bezüglich individualisierter Mitarbeiter möglich ist, gelungen ist.
151bb)
152Zwar genügt für die Haftung des Geschäftsherrn grundsätzlich die widerrechtliche Schadenszufügung, also die objektive Erfüllung eines Tatbestands der unerlaubten Handlung durch den Verrichtungsgehilfen. Eines Verschuldens bedarf es nicht, doch gilt anderes, soweit über das allgemeine Verschulden hinaus – wie etwa bei § 826 BGB – subjektive Elemente Voraussetzung der unerlaubten Handlung sind (z.B. BGH, Urt. vom 15.10.2013, Az. VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380, Tz. 11; Münchener Kommentar BGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 831 Rn. 29-33).
153Eine Schädigung des Klägers – durch seine Veranlassung zum tatsächlich ungewollten Erwerb des N – durch die Tätigkeit von Mitarbeitern der Beklagten kommt nur in Gestalt einer von ihnen begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) oder eines Betrugs (§§ 823 Abs. 2, 263 Abs. 1 StGB) in Betracht. Für beide Tatbestände bedarf es besonderer subjektiver Elemente, namentlich des Schädigungs- bzw. Täuschungsvorsatzes, der in der Person eines Verrichtungsgehilfen feststellbar sein muss.
154Eine Haftung der Beklagten gem. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt danach zumindest, dass ihre Mitarbeiter die Entscheidung zur Verwendung des Motors in Kenntnis der rechtswidrigen und zur Täuschung der Typgenehmigungsbehörde sowie zu möglichen Konsequenzen bezüglich der solchermaßen zu erschleichenden bzw. erschlichenen Typgenehmigung führenden Software getroffen bzw. Produktion und Auslieferung von Fahrzeugen in dieser Kenntnis vorgenommen haben, wobei – wie im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.6.2016 (Az. VI ZR 536/15) für verfassungsmäßig berufene Vertreter entschieden – auch bei Verrichtungsgehilfen eine „mosaikartige Zusammenrechnung“ von lediglich partiellem Wissen verschiedener Mitarbeiter ausscheidet. Der positiven Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Software stünde es im Übrigen gleich, wenn sich Mitarbeiter der Beklagten, ohne diese Kenntnis gehabt zu haben, dazu entschieden haben sollten, eine nähere Prüfung der Motorsteuerungssoftware auf ihre Rechtmäßigkeit zu unterlassen, obwohl sie damit rechneten und in Kauf nahmen, dass sie unzulässige Programmierungen (insbesondere Abschalteinrichtungen) mit den vorgenannten Konsequenzen enthalte.
155Hinsichtlich beider möglicher Sachverhaltsvarianten fehlt jedoch nach wie vor hinreichend konkreter Vortrag des Klägers. Seine bloße Mutmaßung, die „zuständigen Stellen“ auf Seiten der Beklagten hätten von Anfang an Kenntnis von den Manipulationen gehabt (z.B. Schriftsatz vom 13.11.2020, S. 52, Bl. 839 d.A.), genügt insoweit nicht.
156cc)
157Zudem ist der Senat der Auffassung, dass eine Haftung der Beklagten für Mitarbeiter, die das vorgenannte Vorstellungsbild tatsächlich gehabt haben (sollten), schon grundsätzlich nicht in Betracht kommt.
158Derartige Mitarbeiter können nämlich – in ihrer Person – wegen der Konzeption, Typgenehmigung, Produktion und Auslieferung von Fahrzeugen nicht den Tatbestand des § 826 BGB verwirklichen, weil dazu die vom Bundesgerichtshof (a.a.O.) verlangte strategische Entscheidung des Herstellers selbst erforderlich ist, die schlechterdings nicht von – definitionsgemäß weisungsabhängigen - Mitarbeitern getroffen werden kann.
159Darüber hinaus scheitert auch eine Betrugsstrafbarkeit (§ 263 Abs. 1 StGB), weil davon auszugehen ist, dass Mitarbeiter der Beklagten allenfalls die Verschaffung rechtswidriger Vermögensvorteile zugunsten ihres Arbeitgebers, nicht aber zugunsten ihnen prinzipiell unbekannter Q-Vertragshändler im Blick gehabt haben, so dass es an der erforderlichen Stoffgleichheit zwischen der Schädigung der Kunden und dem beabsichtigten Vorteil (der Beklagten) fehlt. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Mitarbeiter rechtswidrige Vermögensvorteile zugunsten der Vertragshändler als notwendiges Zwischenziel einer Besserstellung ihres Arbeitgebers in ihren Vorsatz aufgenommen hätten. Denn ob und inwieweit Vertragshändler aus dem Verkauf des betreffenden Fahrzeugtyps überhaupt einen wirtschaftlichen Vorteil generieren, hängt von Umständen ab, die den Mitarbeitern der Beklagten nicht zugänglich sind (z.B. von der Höhe der Spanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis und insbesondere von denjenigen Konditionen, die der jeweilige Vertragshändler dem Endkunden einräumt).
160dd)
161Aber auch dann, wenn man der vorgenannten Auffassung nicht folgte, scheiterte eine Haftung der Beklagten für ihre Mitarbeiter daran, dass sich in Bezug auf die vom Kläger behaupteten Abschalteinrichtungen der erforderliche Schädigungs- und Täuschungsvorsatz bei Mitarbeitern der Beklagten nicht feststellen lässt.
162Der Kläger beruft sich auf das Vorhandensein (unzulässiger) Abschalteinrichtungen („Manipulationen“) im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO(EG) 715/2007 in Gestalt
163 des sog. Thermofensters,
164 einer „Aufwärmstrategie“,
165 einer prüfstandspezifischen Steuerung der Betriebsmodi des SCR-Katalysators (Speicher- und Onlinebetrieb mit mehr oder weniger AdBlue) sowie
166 einer Manipulation der Getriebesteuerung.
167Diese Programmierungen können, selbst wenn sie wie vom Kläger behauptet existieren, einen Schädigungs- bzw. Täuschungsvorsatz von Mitarbeitern der Beklagten nicht begründen. Denn es kommt nicht allein darauf an, ob die genannten Programmierungen objektiv den Vorschriften der EU, namentlich dem Art. 5 der VO(EG) 715/2007 sowie der Reglung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE), entsprachen oder nicht. Für die Annahme eines Schädigungs- bzw. Täuschungsvorsatzes in Bezug auf die Käufer nicht „vorschriftsmäßig“ ausgestatteter Fahrzeuge ist erst dann Raum, wenn die – mit der Konzeption einhergehende - Typgenehmigung unter Verschleierung der Rechtsverstöße und somit in (bewusster) Täuschung der Behörde erwirkt wurde und wenn damit zugleich zumindest in Kauf genommen worden ist, eine Gefahr für den Bestand der solchermaßen erlangten Typgenehmigung und damit letztlich auch für die Fahrzeug-Zulassung zu begründen. Das lässt sich nicht feststellen:
168(a) Thermofenster
169Bezüglich der Programmierung eines sog. Thermofensters durften die Mitarbeiter der Beklagten davon ausgehen, sich damit noch innerhalb des Ausnahmetatbestandes des Art. 5 Abs. 2 lit. a) VO(EG) 715/2007 („Motorschutzgründe“) zu halten, was bereits der Annahme eines Schädigungsvorsatzes oder einer Täuschungsabsicht entgegensteht.
170Bei der Anwendung des jeweils geltenden (Zulassungs-)Rechts durften die Beklagte und ihre Mitarbeiter – wie jeder andere Hersteller auch – unklare Formulierungen durchaus zu ihren Gunsten auslegen, soweit sie sich damit noch im Rahmen eines vertretbaren Verständnisses bewegte. Das war hier der Fall.
171Für das Verständnis der maßgeblichen europarechtlichen Normen ist die bereits referierte Auffassung des 5. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 22.6.2017 (18. Wahlperiode, BTDrucks. 18/12900, S. 513) aufschlussreich, wonach es Art. 5 VO(EG) 715/2007 an der erforderlichen Bestimmtheit und rechtsstaatlich mindestens gebotenen Bestimmbarkeit fehle. In der „Beschlussempfehlung“ resümiert der Ausschuss (zur Rechtslage im auch hier interessierenden Zeitraum), dass es „zum einen für die Typgenehmigungsbehörde mit Hilfe des europäischen Rechts nicht in jedem Fall zweifelsfrei möglich festzustellen“ sei, „ ob eine genutzte Abschalteinrichtung technisch zulässig ist oder nicht“. „Zum anderen“ sei „die Formulierung der Ausnahmen zum Teil so weit, dass sie den Zweck des Verbots konterkarieren und den Automobilherstellern einen viel zu weiten Einsatzspielraum“ lasse, dies gelte „im Besonderen für die Ausnahmen des Motorenschutzes“ (a.a.O., S. 536f.).
172Ferner haben sowohl das KBA als auch eine Vielzahl von Gerichten (u.a. OLG Koblenz, Urt. vom 16.7.2019, Az. 9 U 567/19; OLG Hamm, Urt. vom 2.9.2020, BeckRS 2020, 23982 Tz. 58; OLG Brandenburg, Beschl. vom 18.11.2020, Az. 11 U 50/19, BeckRS 2020, 35720) mittlerweile die Auffassung vertreten, dass ein „Thermofenster“ gem. der VO(EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2 lit. a) als Maßnahme des „Motorschutzes“ jedenfalls vertretbar sei. Das ist ein – letztlich unüberwindliches – Indiz dafür, dass auch die Beklagte die Zulässigkeit einer solchen Programmierung annehmen durfte. Dass der EuGH in einer am 17.12.2020 veröffentlichten Entscheidung (C-693/18; Volltext gegenwärtig noch nicht verfügbar) eine engere Auslegung des Art. 5 Abs. 2 lit. a) der VO(EG) 715/2007 vornimmt, ändert daran nichts, weil diese Rechtsauffassung den Mitarbeitern der Beklagten im Zeitraum 2014/2015 noch nicht bekannt sein konnte. Entsprechendes gilt für die Rechtsauffassung des EuGH zum Verständnis des Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der VO(EG) 715/2007, die aus seinem Urteil vom 13.12.2018 (Az. T-339/16, T-352/16 und T-391/16, s. BeckRS 2018, 32925) hervorgeht.
173Die technischen Ausführungen des Klägers, mit denen er die Entbehrlichkeit einer Reduzierung der Abgasrückführungsrate in Abhängigkeit von der Außentemperatur belegen will, und mit denen er außerdem reklamiert, es sei die jeweils konkrete Ausgestaltung des „Thermofensters“ in Betracht zu nehmen, um deren (Un-)Vereinbarkeit mit der VO(EG) 715/2007 – zumal in englischer bzw. französischer Sprache – zu prüfen, führen zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage bezüglich einer hier allein maßgeblichen deliktischen Verhaltensweise von Mitarbeitern der Beklagten. Auch dann, wenn sich erweisen sollte, dass eine außentemperaturabhängige Regelung der Abgasrückführungsrate objektiv nicht erforderlich war, weil sie namentlich durch die auch von dem Kläger ins Gespräch gebrachten anderen technischen Maßnahmen (Temperierung der Zuluft) hätte ersetzt werden können, lässt sich daraus nicht auf vorsätzliche Verstöße gegen die VO(EG) 715/2007 schließen, wenn und solange die Mitarbeiter der Beklagten die Auffassung vertreten durften, die außentemperaturabhängige Regulierung der Abgasrückführung sei – auf der Basis der konkret vorgegebenen Motorenkonzeption - erforderlich. Letzteres ist aufgrund der Fassung der maßgeblichen Vorschrift der VO(EG) 715/2007 der Fall. Dass sich aus der englischen Version etwas anderes ergibt, ist nicht ersichtlich, abgesehen davon, dass es unzulässig sein dürfte, überhaupt eine deliktische Haftung inländischer Mitarbeiter auf das Verständnis einer Norm zu gründen, das sich erst aus deren englischer oder französischer Fassung ergibt, wenn diese Mitarbeiter nicht über muttersprachliche oder gleichwertige Kenntnisse dieser offiziellen EU-Sprachen verfügen.
174Schließlich lassen sich den Ausführungen des Klägers auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Mitarbeiter der Beklagten bei der Wahl der Parameter für die Bedingungen des sog. Thermofensters – hier also bei der Wahl der konkreten Außentemperaturen für das Maß der Abgasrückführung - in einer unvertretbaren Weise zu „großzügig“ (zu Lasten der Umwelt) vorgegangen sind.
175(b) AdBlue-Dosierung
176Dasselbe gilt in Bezug auf die vom Kläger angesprochene – angeblich - prüfstandspezifische Programmierung der Betriebsmodi des SCR-Katalysators (Wechsel zwischen dem sog. Speicherbetrieb mit einer höheren AdBlue-Einspritzung und dem „Onlinebetrieb“ mit reduzierter AdBlue-Dosierung).
177Denn aus dem Bescheid des KBA vom 10.7.2018 ergibt sich, dass es sich – jedenfalls aus Sicht der Zulassungsbehörde – auch insoweit nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelte.
178Wenn jedoch die (Typ-)Genehmigungsbehörde selbst die Auffassung vertritt, es liege keine Abschalteinrichtung vor, ist nicht erkennbar, dass die Mitarbeiter der Beklagten, selbst wenn sie die betreffende Programmierung kannten, in Kauf genommen haben sollten, damit einen Rechtsverstoß bzw. eine Täuschung der Behörde zu begehen.
179(c) „Aufwärmstrategie“
180Die „Aufwärmstrategie“ (vom KBA u.a. im Bescheid vom 10.7.2018 als „Strategie A“ bzw. als Aufheizstrategie bezeichnet) stellt zwar nach Auffassung der Behörde eine Abschalteinrichtung dar, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt. Sie war im Fahrzeug des Klägers jedenfalls im Zeitpunkt der Auslieferung an ihn vorhanden; auf eine spätere Entfernung kommt es deshalb rechtlich nicht an.
181Selbst wenn die Mitarbeiter der Beklagten diese – nach unwidersprochener Darstellung der Beklagten – auf die Aufheizung des SCR-Katalysators bezogene Programmierung (und namentlich auch die konkret programmierten Bedingungen für die Auslösung der Aufheizung, sog. Bedatung) gekannt haben sollten, ließe sich daraus aber kein Schädigungs- oder Täuschungsvorsatz ableiten.
182Denn die Beklagte hat – in Übereinstimmung mit den Feststellungen des KBA, wonach u.a. die Strategie A „nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) NR. 715/2007 genutzt“ werde (s. Bescheid vom 10.7.2018; mit „Prüfung Typ 1“ dürfte die im ANHANG III der VO(EG) 692/2008 unter der Überschrift „Prüfung der durchschnittlichen Abgasemissionen bei Umgebungsbedingungen“ geregelte „Prüfung Typ 1“ gemeint sein) - dargelegt, dass sich die vom KBA angenommene Vorschriftswidrigkeit der „Aufwärmstrategie“ – lediglich – daraus ergeben habe, dass die Aufheizung jenseits der Bedingungen des NEFZ zu selten ausgelöst worden sei und dass diese „zu enge Bedatung“ durch eine binnen kürzester Zeit vorgenommene Veränderung der Programmierung (im Sinne einer Ausweitung der zum Aufheizvorgang führenden Bedingungen) behoben worden sei. Es sei, anders als im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.5.2020 (a.a.O., Tz. 20) zum dortigen Update festgestellt, von Anfang an klar gewesen, dass eine solche den Forderungen des KBA genügende Initialisierung des Aufheizvorgangs nachträglich problemlos habe programmiert bzw. bereitgestellt werden können.
183Aus diesem Vortrag, dem der Kläger nicht widersprochen hat, ergibt sich zugleich, dass die zunächst fehlerhafte Programmierung der Aufheizung des SCR-Katalysators, selbst wenn sie unter bewusster Missachtung der VO(EG) 715/2007 erfolgt und von den Mitarbeitern der Beklagten in entsprechendem Bewusstsein übernommen worden sein sollte, aus deren Sicht schon keine reale Gefahr für die Typgenehmigung bzw. gar die Zulassung der betroffenen Fahrzeuge auslösen konnte, weil sie eben durch ein unproblematisches und sofort mögliches Update „repariert“ werden konnte.
184(d) Getriebesteuerung
185Auch aus der – angeblichen - „Manipulation der Getriebesteuerung“ lässt sich kein Schädigungsvorsatz ableiten.
186Unstreitig hat das KBA die – angeblich prüfstandspezifische - Getriebesteuerung des Fahrzeugs nicht gerügt. Allerdings ist unklar, ob die Beklagte überhaupt die konkret verwendete Programmierung des (Automatik-)Getriebes im Rahmen der Typgenehmigung oder später offengelegt hat.
187Die Frage bedarf jedoch keiner Klärung, weil der Kläger greifbare Anhaltspunkte für eine den Prüfstandbetrieb erkennende (Getriebe-)Software nicht benannt hat, so dass die Voraussetzungen für eine diesbezügliche Beweisaufnahme nicht erfüllt sind. Dem Verweis auf einen Bericht des Magazins „T2“ auf den „Test“ eines Q D unter nicht näher konkretisierten Umständen lassen sich die erforderlichen Anhaltspunkte nicht entnehmen.
188Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass eine Programmierung des Getriebes, die bei Erkennung eines bestimmten prüfstandspezifischen Testzyklus eine emissionsmindernde Wahl der Schaltzeitpunkte – und also mittelbar eine entsprechende Modifikation der Umdrehungszahlen des Motors – vornimmt, von der Beklagten bzw. ihren Mitarbeitern bereits im Zeitraum 2014/2015 zwingend als Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO(EG) 715/2007 aufzufassen war. Zwar lässt sich eine prüfstandspezifisch wirkende Getriebeprogrammierung durchaus als „Konstruktionsteil“ auffassen, das den jeweils eingelegten Getriebegang ermittelt. Dass jedoch die Programmierung der Schaltpunkte den Zweck hat, „die Funktion eines beliebigen Teils der Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren“, ergibt sich jedenfalls nicht eindeutig aus dem Wortlaut.
189Ferner liegt – anders als bei der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 25.5.2020 (a.a.O.) zugrundeliegenden prüfstandspezifischen Reduzierung der Abgasrückführung, ohne die die maßgeblichen Emissionswerte nicht eingehalten worden wären – bei der behaupteten prüfstandspezifischen Getriebesteuerung nicht auf der Hand, dass sie sich auf den (Fort-)Bestand der Zulassung des Fahrzeugs auswirken kann. Abgesehen davon, dass schon die Relevanz der Getriebeschaltpunkte für die Stickoxidemissionen von der Beklagten in Abrede gestellt worden ist, ohne dass der Kläger greifbare Anhaltspunkte für eine Auswirkung auf diese oder andere im Rahmen der Typgenehmigung bedeutsame Schadstoffemissionen vorträgt, liegt es nahe, dass allenfalls eine behördlich veranlasste Neuprogrammierung der Getriebeschaltpunkte zu erwarten ist, und zwar dergestalt, dass das Getriebe auch außerhalb des Prüfstands die dort gewählten – angeblich emissionsbeschränkenden - Schaltpunkte einhält. Dass mit einer solchen Umprogrammierung erhebliche Einbußen der Tauglichkeit des Fahrzeugs verbunden wären, etwa in Gestalt eines gleichsam unzumutbaren Verlusts an Beschleunigungsvermögen oder Agilität, kann nicht unterstellt werden.
190ee)
191Der Kläger rügt ferner eine – von der Beklagten bestrittene - Manipulation des OBD-Systems, das u.a. in § 29 StVZO (Anl. VIII und VIIIa) sowie in Art. 4 VO(EG) 692/2008 (dort u.a. Anhang XI) erwähnt wird. Er behauptet, dass „trotz der bestehenden Fehlfunktionen im normalen Straßenfahrbetrieb keine Fehlermeldung angezeigt“ werde, es folglich auch bei den Abgasuntersuchungen trotz überhöhter Emissionswerte nicht zu Beanstandungen komme, und er somit über die Existenz eines „ordnungsgemäß funktionierenden“ OBD getäuscht worden sei.
192Der Vortrag des Klägers ist dahin zu verstehen, die Beklagte habe die für die (Typ-)Genehmigung maßgeblichen Vorschriften über die OBD (Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Kraftfahrzeuge; Anhang XI) insoweit nicht eingehalten, als das von ihr installierte OBD die vorgesehenen Schwellenwerte (z.B. im Anhang XI Ziff. 2.3.2) nicht messe bzw. Überschreitungen dieser Werte nicht aufzeichne.
193Für eine solche angebliche „Fehlkonditionierung“ des OBD im Hinblick auf die sog. OBD-Schwellenwerte existieren jedoch keine objektiven Anhaltspunkte. Die Behauptung (Klageschrift, Bl. 62 d.A.), der Anhang XI zur VO(EG) 692/2008 gebe „für das streitgegenständliche Fahrzeug im normalen Straßenfahrbetrieb einen Grenzwert von 540 mg/km an“ und dieser Grenzwert liege „bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um mehr als das 10-fache höher“, lässt schon nicht erkennen, welcher Schadstoff gemeint ist. Auch nennt die Anlage XI nach dem maßgeblichen Stand bei Erstzulassung des Fahrzeugs in den unter Ziff. 2.3.1. – 2.3.4. beigefügten Tabellen keinen Wert von 540 mg/km.
194Im Übrigen vermag der Senat die Relevanz des Vortrags des Klägers betreffend eine angeblich vorschriftswidrig programmierte OBD in Bezug auf eine Gefährdung der Typgenehmigung nicht nachzuvollziehen. Die VO(EG) 692/2008 nimmt im Anhang XI unter Ziff. 2.1. auf die „Vorschriften und Prüfungen für OBD-Systeme … in Anhang 11 Absatz 3 der UN/ECE-Regelung Nr. 83“ Bezug. Die Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Fahrzeuge hinsichtlich der Emission von Schadstoffen aus dem Motor entsprechend den Kraftstofferfordernissen des Motors [2015/1038] (Stand 22.1.2015 in Amtsblatt der Europäischen Union vom 3.7.2015 L 172/1) sieht unter Ziff. 3. „Vorschriften und Prüfungen“ in Ziff. 3.3.2. vor:
195Das OBD-System muss den Ausfall eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems anzeigen, wenn der Ausfall dazu führt, dass die Emissionen die Grenzwerte in den Tabellen … überschreiten.
196Veranlassung des OBD für eine Messung von Schwellenwerten (diese modifiziert im Anhang XI zur VO(EG) 692/2008) besteht danach nur im Fall der Ausfalls emissionsrelevanter Bauteile oder Systeme. Hingegen ist es nicht Aufgabe des OBD, konstante Messungen der Schadstoffemissionen vorzunehmen und bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte Signale und setzen bzw. zu speichern.
197Darüber hinaus ist die Darstellung des Klägers, mit einer solchen Programmierung des OBD würden auch die Anforderungen bei den sog. Abgasuntersuchungen (UMA) unterlaufen, weil sich diese – auch bei seinem Fahrzeug – auf ein Auslesen des OBD-Fehlerspeichers beschränkten, jedenfalls für die Zeit ab dem 1.1.2018 unzutreffend. Auch nimmt die Abgasuntersuchung gem. der StVZO nicht auf die Schwellenwerte der VO(EG) 692/2008, sondern auf bestimmte Werte der Hersteller Bezug; eine Messung der Stickoxidemissionen findet nicht statt. Ein Verfehlen der vorgenannten Schwellenwerte als solcher hat demnach auch keine Konsequenzen für die (Fortdauer) der Zulassung eines Fahrzeugs. Das findet darin Bestätigung, dass der Kläger nicht davon berichtet, die Abgasuntersuchung habe irgendwelche Probleme bereitet.
198ff)
199Der Kläger beruft sich ferner darauf, die Beklagte habe gegen das Gebot eines funktionierenden Qualitätsmanagementsystems (QMS), wie es in Anh. X der Richtlinie 2007/46/EG bzw. Anh. II VO(EG) 371/2010 und § 4 Abs. 4 EG-FGV niedergelegt sei, verstoßen. Verwiesen werde darin auf die ISO 9001; die Beklagte habe nicht sichergestellt, dass die von ihr erworbene Hard- bzw. Software ordnungsgemäß sei.
200Nach Auffassung des Senats ist bereits ein Verstoß der Beklagten gegen § 4 Abs. 4 EG-FGV nicht erkennbar. Offensichtlich hat sie aus Sicht der maßgeblichen Behörde, hier also des KBA, den Nachweis erbracht, dass sie über ein „wirksames System zur Überwachung der Übereinstimmung der Produktion verfügt, um zu gewährleisten, dass die herzustellenden Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten jeweils mit dem genehmigten Typ übereinstimmen“. Der Vorwurf des Klägers geht im Kern auch nicht dahin, bei der Beklagten sei es infolge eines unzulänglichen QMS dazu gekommen, dass die Motorenlieferungen – bezüglich ihrer Steuerungssoftware – von dem zur Typgenehmigung präsentierten Referenzmodell abgewichen seien, sondern dahin, dass die Beklagte die Behörde bereits im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens über die Programmierungen der Steuerungssoftware getäuscht habe.
201Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass etwaige Verstöße gegen die Verpflichtung zur Vorhaltung des von der EG-FGV verlangten „wirksamen Systems“ eine Gefahr für den Fortbestand einer erteilten Typgenehmigung bzw. der Zulassung des Fahrzeugs darstellten.
202gg)
203Die Behauptungen des Klägers, die Beklagte habe „falsche Pflichtangaben zum Kraftstoffverbrauch und zu CO2-Werten“ gemacht, durch „mündliche Informationen und den Aushang“ falsch informiert und u.a. „öffentlich beworben“, dass „die Euro-Norm eingehalten“ werde, führt auch nicht zu einer Haftung der Beklagten für ihre Mitarbeiter gem. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.
204Wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt, sind diese Behauptungen nach Inhalt und äußeren Umständen nicht hinlänglich substantiiert, denn der Kläger hat weder vorgetragen, welche Emissions- bzw. Verbrauchswerte ihm im Zusammenhang mit seiner Kaufentscheidung zur Kenntnis gegeben worden seien, noch mitgeteilt, welche Werte sich bei seinem Fahrzeug alsdann – unter entsprechenden Bedingungen – ergeben haben.
205III.
206Über die vom Kläger zum Antrag zu 1. gestellten Hilfsanträge (lit. a) – c.) gem. Schriftsatz vom 13.11.2020) ist nicht mehr zu entscheiden.
207Die Anträge sind nur für den Fall gestellt worden, dass der Senat den Feststellungsantrag als unzulässig ansehen sollte. Diese Situation ist nicht eingetreten. Eine Prüfung der hilfsweise gestellten Anträge erübrigt sich daher.
208IV.
209Die Berufung ist auch erfolglos, soweit der Kläger Freistellung von vorgerichtlichen Kosten begehrt.
210Der Kläger hat schon nicht dargelegt, im Umfang der von ihm eingeräumten Leistung seines Rechtsschutzversicherers überhaupt noch Anspruchsinhaber oder jedenfalls prozessführungsbefugt zu sein.
211Im Übrigen ist mangels einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten auch keine Anspruchsgrundlage für die Freistellung von Rechtsanwaltskosten gegeben.
212C.
213Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
214Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls zuzulassen.