Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Zur Beweiswirkung eines ausländischen Nationalpasses unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus einem Urkundenüberprüfungsverfahren
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Das Standesamt wird angewiesen, den o.a. Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass der Zusatz „Identität nicht nachgewiesen“ bei der Kindesmutter entfällt.
Gründe
2Die gemäß § 51 Abs. 1 PStG i.V.m. §§ 58 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG sowohl statthaft als auch form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt in Abänderung des angegriffenen Beschlusses zur Erteilung der beantragten Anweisung. Von den im Schreiben des Berichterstatters vom 28.07.2020 genannten Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Berichtigungsverfahrens nimmt der Senat Abstand. Er schließt sich insoweit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. FGPrax 2017, 143; StAZ 2019, 273f) an, wonach das Berichtigungsverfahren immer eröffnet ist, wenn die Richtigkeit eines abgeschlossenen Eintrags in Frage steht.
3Die Streichung des einschränkenden Zusatzes "Identität nicht nachgewiesen" bei der Kindesmutter, allein dies ist beantragt, ist anzuordnen. Das Geburtsregister ist nach § 48 PStG antragsgemäß zu berichtigen, weil die Voraussetzungen für den gemäß § 35 PStV eingetragenen Zusatz nicht mehr vorliegen. Denn die Beteiligte zu 1) hat ihre Identität zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.
4Die Beteiligte zu 1) hat ihren korrekten Vornamen und Familiennamen durch die Vorlageihres nigerianischen Passes nachgewiesen. Zweifel an der Echtheit des Passes bestehen nicht und werden auch weder von den Beteiligten zu 3) und 4) konkret angeführt, noch vom Amtsgericht belegt. Dass die Beteiligten zu 3) und 4) das Procedere, dessen sich die zuständigen nigerianischen Stellen bei der Ausstellung von Reisepässen bedienen, für fragwürdig halten, ändert nichts an der Echtheit des von der Botschaft ausgestellten Passes. Die vom Senat veranlasste Überprüfung des Dokumentes mit einem Dokumentenprüfgerät durch das Polizeipräsidium B hat keine Anhaltspunkte für eine Fälschung oder Verfälschung ergeben.
5Mit der Vorlage des echten nigerianischen Passes hat die Beteiligte zu 1) ihre darin ausgewiesene Identität nachgewiesen. Ein Pass ist wegen des Lichtbildes, der Registrierung bei der Passbehörde und seiner durch die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit bedingten regelmäßigen Überprüfung ein besonders geeignetes Mittel zum Nachweis der Identität (Senat OLGR 2007, 262; KG StAZ 2006, 13; OLG Düsseldorf StAZ 2012, 49; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09. Januar 2014 - 3 W 90/13 - zitiert nach juris). Die Identität einer Person, ihre Staatsangehörigkeit und grundsätzlich auch ihr Name werden nach einhelliger Auffassung vorrangig durch die Vorlage eines Nationalpasses nachgewiesen (Senat FamRZ 2007, 262f; Beschluss vom 22. Dezember 2015, 15 W 137/14 -, juris; OLG Düsseldorf StAZ 2012, 49f; KG StAZ 2000, 303f; OLG Rostock BeckRS 2006, 13581). Dies entspricht einerseits dem völkerrechtlichen Grundsatz der Passhoheit der einzelnen Staaten und trägt andererseits dem Umstand Rechnung, dass der Einzelne praktisch keine andere Möglichkeit hat, seine persönliche Identität urkundlich effektiv nachzuweisen. Selbst bei einem gut funktionierenden Personenstandswesen sind nämlich die insoweit vorgenommenen Beurkundungen nicht geeignet, die Identität des Betroffenen mit der Person zu beweisen, deren Personenstandsfälle beurkundet worden sind. Auch der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass einem Nationalpass im Grundsatz eine Identifikationsfunktion zukommt. Er hat die Aufgabe, die Identität des Ausweisinhabers zu bescheinigen (BVerwGE 120, 206 ff = NVwZ 2004, 1250; Senat Beschluss vom22. Dezember 2015, 15 W 137/14 -; Beschluss vom 6. März 2008, 15 W 367/07, StAZ 2008, 285 = FGPrax 2008, 204; FamRZ 2007, 262f).
6Alleine der Umstand, dass in dem Heimatland der Beteiligten zu 1) kein sicheres Urkundenwesen besteht, also kein solches, dass die dortige Botschaft als hinreichende Grundlage für ein Legalisationsverfahren ansieht, reicht nicht aus, die Beweiswirkung des Nationalpasses in Frage zu stellen. Denn dieser Aspekt betrifft vorrangig Urkunden, die in erster Linie für den inländischen Gebrauch bestimmt sind. Ein Nationalpass ist hingegen stets auch eine staatliche Erklärung gegenüber der Staatengemeinschaft, so dass erfahrungsgemäß auch Staaten, deren innere Organisation wenig verlässlich erscheint, bei der Ausstellung von Pässen wesentlich restriktiver verfahren (Senat StAZ 2018, 123 f.).
7Aus Sicht des Senats erscheint eine weitergehende Prüfung nur dann geboten, wenn dem Standesbeamten weitere Urkunden vorliegen oder sonstige Tatsachen zur Kenntnis gekommen sind, die Zweifel an der Richtigkeit der durch den Pass dokumentierten Identität rechtfertigen könnten. Dies ist hier nicht der Fall.
8Ausweislich der durch den Senat ausgewerteten Ausländerakte hat die Beteiligte zu 1) gegenüber deutschen Behörden -sieht man vielleicht von der Einreise ab - nie irgendwelche anderen Personalien angegeben, als diejenigen, die ihr Nationalpass dokumentiert. Vielmehr hat sie unter eben diesen Personalien über mehrere Jahre – mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus – in Italien gelebt.
9Weiter hat sie sich, soweit ersichtlich, ohne Probleme dem Urkundenüberprüfungsverfahren durch die deutsche Auslandsvertretung gestellt. Hinsichtlich des Beweisergebnisses mag die Generalkritik des Senats an einer Sachverhaltsaufklärung, die „Ross und Reiter“ nicht benennt (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 20.01.2021 -15 W 68/20; juris), dahinstehen. Denn vorliegend hat die Nachprüfung der Angaben der Beteiligten zu 1) diese, soweit sich dies der Stellungnahme der Auslandsvertretung entnehmen lässt, in allen Punkten bestätigt. Der Vertrauensanwalt und damit das Generalkonsulat haben eine Bestätigung der Personalangaben nur deswegen abgelehnt, weil die Beteiligte zu 1) angegeben hatte, dass sie keine Schule besucht habe, in Nigeria aber auch in dem hier interessierenden Zeitraum eine Schulpflicht galt.
10Dieser Vorgang und das Ergebnis sprechen nicht gegen, sondern eher für die Richtigkeit der Angaben der Beteiligten zu 1) und sind damit nicht geeignet, die Beweiswirkung des Nationalpasses in hinreichendem Umfang in Frage zu stellen. Nach den Informationen der deutschen Auslandsvertretungen in ihrem Internet-Auftritt geht – ungeachtet der bestehenden Schulpflicht – ein Großteil der weiblichen Kinder eines Jahrgangs nicht zur Schule. Die Behauptung der Beteiligten zu 1), sie habe keine Schule besucht, kann danach durchaus zutreffend sein. Die Stellungnahme des Generalkonsulats lässt nicht erkennen, ob und wie der Vertrauensanwalt sich mit diesem Umstand befasst hat, etwa indem er die angegebenen Kontaktpersonen zu einer möglichen pro-forma-Anmeldung bei einer Schule befragt hat. Insgesamt ist die Stellungnahme des Generalkonsulats danach schon inhaltlich ungeeignet, die Beweiswirkung des Nationalpasses in Frage zu stellen.