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er Kläger ist des eingelegten Rechtsmittels der Berufung verlustig, soweit er seine Berufung hinsichtlich der geltend gemachten Deliktzinsen nach § 849 BGB zurückgenommen hat.
Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Dezember 2019 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg (2 O 254/19) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis vor Beginn der mündlichen Verhandlung auf bis 35.000,00 € und für die Zeit danach auf bis 13.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Kläger verlangt von der beklagten Herstellerin eines von ihm erworbenen A E, der mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor mit der herstellerinternen Typbezeichnung EA288 ausgestattet ist, Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten „Dieselskandal“ mit der Begründung, das Fahrzeug sei mit einer von der Beklagten entwickelten Abschalteinrichtung versehen, um im Falle eines Abgastests die zulässigen Abgaswerte zu erreichen.
4Die im Zusammenhang mit dem Vorgängermodell des Motortyps EA 288, dem von der Beklagten hergestellten und entwickelten Motor mit der internen Typbezeichnung EA 189, der im Zentrum des (ersten) „Dieselskandals“ stand, ursprünglich verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen Stickoxid-optimierten Abgasrückführungsmodus 1. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Straßenbetrieb. Die Grenzwerte der Euro 5- bzw. Euro 6-Norm werden nur im Modus 1 eingehalten.
5Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wertete die Steuerung der Motoren des Typs EA 189 als unzulässige Abschalteinrichtung und gab im Oktober 2015 der Beklagten durch nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung auf, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten.
6Der Kläger erwarb das genannte Fahrzeug, einen E GTD D 2.0 l 135 kW (184 PS) EU 6 mit einem NOx-Speicherkatalysator (NSK), im November 2013 als Neufahrzeug von dem Autohaus B in C zum Preis von (incl. Überführungs- und Zulassungskosten) 28.145,12 € (Rechnung vom 15. November 2013 – Anlage K 1). Er leistete eine Anzahlung in Höhe von 12.500,00 € und schloss zur Finanzierung des Restbetrages einen Darlehensvertrag mit der A Bank (Darlehensvertrag vom 29. November 2013 – Anlage K 1.1). Für die Finanzierung fielen Kosten in Höhe von insgesamt 2.081,44 € (KSB Plus 722,65 €, Kreditkosten 1.358,79 €) an. Die Rückzahlung des Darlehens war in 48 monatlichen Raten zu je 223,47 € ab dem 15. Dezember 2013 bis zum 15. November 2013 und einer Schlussrate am 15. November 2017 in Höhe von 7.000,00 € vorgesehen.
7Mit vorgerichtlichem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 9. April 2019 (Anlage K 14) ließ er die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung bis zum 23. April 2019 auffordern, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu erstatten sowie die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung unter Berücksichtigung der gezogenen Nutzungen in Form von gefahrenen Kilometern im Zeitpunkt der Rückgabe bezogen auf eine zu erwartende Gesamtlaufleistung von 350.000 km zu zahlen.
8Mit der seit dem 17. Mai 2019 rechtshängigen Klage hat der Kläger zunächst die Zahlung von 28.145,12 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent seit dem 16. November 2013 bis 24. April 2019 und seither fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Zahlung von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.077,74 € und die Feststellung des Annahmeverzuges verlangt.
9Mit Schriftsatz vom 16. September 2019 hat er die Klage wegen der Finanzierungskosten in Höhe von 2.081,44 € erhöht und unter Beibehaltung der Anträge im Übrigen die Zahlung von 30.226,56 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent seit dem 16. November 2013 bis 24. April 2019 und seither fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs begehrt.
10Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihm gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB, § 823 Abs. 2 iVm § 27 EG-FGV, §§ 826, 31 BGB, § 823 Abs. iVm § 263 StGB, § 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei, wobei eine Nutzungsentschädigung nicht in Abzug zu bringen sei.
11Er hat unter Bezugnahme auf den im September 2015 hinsichtlich der Beklagten bekanntgewordenen „Dieselskandal“, deren Manipulierung von Abgaswerten in Abgastests auf dem amerikanischen Markt und Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig (411 Js 49032/15 und 411 Js 46675/15) im Kern vorgebracht, sein Fahrzeug sei mit einer „von der A AG und der Beklagten“ entwickelten Abschalteinrichtung versehen, um im Falle eines Abgastests die zulässigen Abgaswerte zu erreichen. Die Beklagte habe die verbauten Abschalteinrichtungen gegenüber dem KBA am 29. Dezember 2015 erläutert. Die in dem Schreiben vom 29. Dezember 2015 beschriebene „Akustikfunktion“ sei wie bei allen Fahrzeugen mit dem „Skandalmotor“ EA189 auch auf die Fahrzeuge mit dem Nachfolgemotor EA288 übertragen worden. In der „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA288“ (in Auszügen vorgelegt als Anlage K 3), die auch das streitgegenständliche Fahrzeug betreffe, werde beschrieben, welche Umschaltstrategien die Beklagte beim EA288-Motor implementiert habe. Zusätzlich finde eine Leistungsreduzierung statt, um den Verbrauch und damit die streitgegenständlichen CO2-Werte deutlich zu senken. Im Vergleich zu den Euro 5-Dieselmotoren komme bei den Euro 6-Dieselmotoren hinzu, dass Harnstoff aus einem zusätzlichen Tank in die heißen Abgase gespritzt werde. Zur Reinigung der Stickoxide werde über den Fallstrommischer eine Harnstofflösung „AdBlue“ beigemischt. Erkenne die Software, dass das Fahrzeug länger im normalen Betrieb auf der Straße fahre, würden Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb gesetzt. So werde die Abgasrückführungsrate heruntergefahren, wodurch weniger Abgase erneut der Verbrennung zugeführt und in der Folge mehr Stickoxide ausgestoßen würden. Zusätzlich werde die AGR bei kühleren Temperaturen zurückgefahren, wobei eine signifikante Reduktion jedenfalls bei einer Temperatur von 5ºC erfolge („Thermofenster“). Innerhalb eines bestimmten Temperaturbereiches – und insbesondere auch im Temperaturbereich, der bei der Abgasmessung auf dem Prüfstand maßgeblich sei – stoße das Fahrzeug weniger Stickoxide aus. Außerdem werde den Abgasen bei den Euro 6-Dieselmotoren weniger Harnstoff zugeführt. Daher würden im Normalbetrieb deutlich mehr Stickoxide ausgestoßen als auf dem Rollenprüfstand. Die NOx-Emissionen seien daher erheblich höher als auf der EG-Übereinstimmungsbescheinigung bescheinigt worden sei. Aus den internen Unterlagen der Beklagten (Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA288 – Anlage K 3) gehe hervor, dass die gesetzlichen NOx-Grenzwerte (180 bzw. 80 mg) nur im NEFZ-Zyklus (kalt) hätten eingehalten werden sollen. In allen weiteren Fahrzyklen würden die Grenzwerte bis zum 6-fachen überschritten. Die Programmierung der Software der Beklagten sei so ausgelegt gewesen, dass lediglich für den Prüfmodus NEFZ-Prüfstand 70 mg/km bis 90 mg/km geplant gewesen seien. Sobald das Fahrzeug auf der Straße betrieben werde, schalte es den dafür vorgesehenen Betriebsmodus um. Diesen bezeichne die Beklagte als strecken- und beladungsgesteuerte Platzierung der Abgasreinigung. Es würden nun bereits in der RDE-Fahrt (wie geplant) die gesetzlichen Grenzwerte um das 5-fache, im Autobahnmodus gar bis zum 6-fachen überschritten. Die Software sei nur verbaut worden, um bei der Abgasuntersuchung falsche Werte vorzutäuschen. Er habe das Fahrzeug gekauft, weil er von dessen Umweltfreundlichkeit und Gesetzmäßigkeit ausgegangen sei. Tatsächlich entspreche das Fahrzeug nicht den versprochenen Angaben. Es sei eine sogenannte Abschaltvorrichtung eingebaut. Außerhalb des Prüfstands würden alle gesetzlichen Grenzwerte mindestens um das 4,7 fache der gesetzlichen Grenzwerte überschritten. Es bestehe das Risiko eines Entzugs der Zulassung. Das Fahrzeug erfülle nicht die Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung und die Zulassung nach deutschem Recht. Es habe einen Wertverlust erlitten. Dieser könne auch nicht durch das Aufspielen eines Software-Updates ausgeglichen werden. Die Beklagte habe die Abschalteinrichtung im Rahmen der Typgenehmigung nicht offengelegt. Bei Kenntnis aller Umstände hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Bei der Programmierung des streitgegenständlichen Fahrzeugs derart, dass die Motorsteuerungssoftware erkenne, wann das Fahrzeug sich im Prüfstand befinde, um das für diese Situation vorgesehene Abgasrückführungsverfahren einzuleiten, handele es sich um ein bewusstes Vorgehen, um bestimmte Abgaswerte in bestimmten Situationen zu erzielen. Demgemäß schließe sich ein versehentliches Handeln bzw. grob fahrlässiges Vorgehen bereits denknotwendig aus. Die Konsequenzen ihres Handelns seien der Beklagten klar gewesen. Die Entscheider bei der Beklagten hätten gewusst, dass sie die Erwerber entsprechender Fahrzeuge wie dargestellt schädigen und hätten den Einbau der Schadstoffsoftware/Abschalteinrichtung dennoch serienmäßig angewiesen.
12„Die aktuelle Berichterstattung vom 12. September (2019) in allen Medien“ habe „nach kurzer Recherche weitere Details zum Betrug am EA288 zu Tage gefördert“, wozu er auf Recherchen des SWR verweist. Auch die Folgebaureihe der Fahrzeuge mit einem EA 189 – hier der EA 288 – sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden. Diese ließen sich in Bezug auf die Zykluserkennung in eine Lenkwinkelerkennung, eine Temperaturerkennung und eine Zeiterfassung untergliedern. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine Servolenkung verbaut, die bei normalen Fahrbetrieb auf der Straße genutzt werde, da das Lenkrad bewegt werde. Auf dem Prüfstand würden die Vorderräder fixiert und es finde überhaupt kein Lenkwinkeleinschlag statt. Dies erkenne das Fahrzeug und schalte nur für die Prüfstandserkennung in den gesetzlich vorgeschriebenen sauberen Modus, während auf der Straße die Abgasreinigungssysteme weitestgehend ausgeschaltet blieben. Das streitgegenständliche Fahrzeug besitze einen Temperatursensor. Dieser messe zusätzlich die Temperatur und erkenne, dass über einen der Prüfstandsmessung vorausgehenden Zeitraum die Temperatur konstant 20ºC betragen habe (sog. Aufwärmphase). Diese gleichbleibende Temperatur solle sicherstellen, dass im Prüfstandsmodus die jeweiligen Messungen stets unter den gleichen Bedingungen für die Bauteile stattfänden. Außerhalb des Prüfstands gebe es eine solche gleichbleibende konstante Temperatur nicht. Der Prüfzyklus im NEFZ betrage in der Regel 22 Minuten. Auch das streitgegenständliche Fahrzeug erfasse die Dauer der Messung und stelle für diesen Zeitraum nur für den Prüfstand auf einen scheinbar sauberen Modus um. Die vorstehenden Prüfzykluserkennungsmodi seien bei dem EA 288 bis zur 22. Kalenderwoche 2016 so verbaut worden. Das On-Board-Diagnosesystem solle jede Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte und die Reduzierung der Effektivität des Abgasreinigungssystems sowie deren gänzliche Abschaltung in Fehlercodes festhalten, so dass diese bei der folgenden Abgasuntersuchung ausgelesen werden könnten. Die dauerhafte Überschreitung gesetzlicher Grenzwerte um den Faktor 2,5 hätte täglich zu einer Vielzahl von Fehlermeldungen im OBD-System führen müssen. Bei „der Klägerin“ habe aber die OBD-Lampe im Display nicht ein einziges Mal geleuchtet. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge zumindest über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters. Die zum Teil deutliche Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte auf der Straße liefere den Nachweis darüber, dass die Effektivität der Abgasreinigungssysteme gemindert werde. Da die Abgasreinigung bei Temperaturen unter 17ºC reduziert werde, funktioniere sie in der Bundesrepublik Deutschland nur in den Monaten Juni, Juli und August uneingeschränkt. In allen übrigen Monaten läge die Durchschnittstemperatur deutlich unter 17ºC, so dass die Abgasreinigung in dieser Zeit abgeschaltet werde. In dieser Zeit würden die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten. Bereits die objektiven Umstände ließen auf einen Vorsatz der Beklagten schließen. Die Beklagte habe in das OBD eingegriffen, damit dieses keine Fehlermeldung bei der unzureichenden Abgasreinigung außerhalb des vorprogrammierten Temperaturfensters anzeige. In der Absicht, das Thermofenster und seine Funktionsweise den Behörden und der Öffentlichkeit vorzuenthalten, habe die Beklagte die Programmierung des OBD-Systems mit dem Thermofenster gekoppelt. Die Änderung des OBD-Systems sei mangels Offenlegung nicht Gegenstand der EG-Typgenehmigung. Sie sei nicht mit den geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen und daher auch nicht genehmigungsfähig. Daher sei eine Täuschung ebenfalls über das OBD-System erfolgt.
13Die Staatsanwaltschaft Braunschweig habe am 13. Juni 2018 einen Bußgeldbescheid gegen die Beklagte erlassen (Anlage K 12), der sich auf den Motor EA288 bezogen habe.
14Die Beklagte ist dem Begehren entgegen getreten.
15Sie hat namentlich vorgetragen, der Kläger behaupte unzutreffend und ohne jede Tatsachengrundlage, dass auch in dem streitgegenständlichen EA288-Fahrzeug eine Umschaltlogik wie in den EA189-Fahrzeugen zum Einsatz komme, was nicht der Fall sei. Der Kläger beschränke sich auf pauschale Behauptungen ins Blaue hinein. Das in den EA288-Motoren enthaltene Emissionskontrollsystem arbeite sowohl im Prüfstand als auch auf der Straße mit identischer Wirksamkeit. Insbesondere komme im EA288-Motor keine Umschaltlogik dergestalt zum Einsatz, dass das Emissionskontrollsystem im Prüfstand einen abgasoptimierten Modus verwende. Der Einsatz eines Thermofensters stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Der Einsatz eines Thermofensters sei zum Motorenschutz sowohl zulässig als auch üblich und entspreche in Dieselmotoren dem Stand der Technik. Der Einsatz des im EA 288-Motor applizierten Thermofensters sei die einzige Möglichkeit, gewisse Bauteile vor Schäden zu schützen. In bestimmten Temperaturbereichen müsse die AGR-Rate aus Motorschutzgründen abgerampt, d.h. reduziert, werden. Andernfalls käme es zu einer Verlackung und Versottung. Aus dem bloßen Vorhandensein eines Thermofensters als solches ergebe sich folglich nicht automatisch dessen Unzulässigkeit. Die Verwendung von Thermofenstern entspreche dem Stand von Wissenschaft und Technik und sei Standard. In dem Untersuchungsbericht der Kommission „A“ des BMVI aus dem Jahr 2016, der zu dem Ergebnis gekommen sei, dass in Motoren des Typs EA288 die aus den EA189-Fällen bekannte Umschaltlogik nicht zum Einsatz komme, sei zu Thermofenstern ausdrücklich und zutreffend festgestellt worden, dass das von den Herstellern benannte Risiko einer Belagbildung im AGR-System, das für das Thermofenster angeführt worden sei, zweifellos vorhanden sei.
16Bei der Entwicklung des Motorentyps EA288 habe sie zudem die Erfahrungen aus Milliarden Kilometern der im Feld befindlichen EA189-Fahrzeuge nutzen und folglich die Abgasbehandlung des EA288-Motors im Vergleich zu seinem Vorgängermodell erheblich technisch weiterentwickeln können: Die Abgasrückführung bestehend aus Hochdruck- und Niederdruckabgasrückführung (HD- und ND-AGR) sei in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur im Temperaturbereich von -24ºC bis + 70ºC vollständig aktiviert. Die Abgasrückführung setze damit bei praktisch allen Fahrten in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur ein. Das KBA habe den streitgegenständlichen Motortyp EA288 im Hinblick auf die bei den EA189-Fahrzeugen monierte Umschaltlogik überprüft und nach umfangreichen Prüfungen festgestellt, dass dort keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. Folgerichtig habe das KBA keinen Bescheid im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung erlassen und auch keinen verpflichtenden Rückruf angeordnet. Deswegen drohe auch keine Stilllegung des Fahrzeugs. Das Fahrzeug halte die Emissionsgrenzwerte der Abgasnorm EU 6 ein und verfüge über eine wirksame Typgenehmigung. Für das streitgegenständliche Fahrzeug gebe es keine gesetzlichen Vorgaben zur Einhaltung von Grenzwerten im realen Fahrbetrieb. Die gesetzlichen Stickoxidwerte bezögen sich ausschließlich auf den Prüfstand. Emissionswerte, die im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens gemessen worden seien, seien reine Laborwerte, die naturgemäß von denjenigen Werten abwichen, die das Fahrzeug im normalen Straßenbetrieb aufweise. Das liege unter anderem daran, dass die Emissionen im normalen Straßenverkehr stark vom individuellen Fahrverhalten und den Nutzungsumständen (wie z.B. Stadtverkehr, Landstraße oder Autobahn bei hohen Geschwindigkeiten) wie auch weiteren Faktoren wie etwa den Wetterverhältnissen abhingen. Nach der geltenden Rechtslage zum Zeitpunkt der Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp EA288 habe sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Emissionsgrenzwerte allein unter Laborbedingungen festzulegen. Die Emissionen im realen Fahrbetrieb seien für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht maßgeblich. Denn erst durch eine Änderung der Rechtslage ab dem 1. Mai 2017 seien in Europa ergänzend zur zugleich eingeführten Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure (WLTP) neue Regelungen für Real Driving Emissions-Tests (RDE) in Kraft getreten. Die RDE-Messungen würden die Prüfstandsmessungen ergänzen, diese aber nicht ersetzen. Die ergänzenden RDE-Messungen bezögen sich jedoch allein auf neu typgeprüfte Pkw-Modelle, weshalb das streitgegenständliche Fahrzeug hiervon nicht erfasst sei. Entgegen der Ansicht des Klägers sei der US-Sachverhalt für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz, da die für den US-Markt hergestellten Fahrzeuge und Motoren sich aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zulassung in den USA wesentlich von den Fahrzeugen und Motoren unterschieden, die für den europäischen Markt hergestellt worden seien. Die Ausführungen des Klägers zu den Ermittlungen der StA Braunschweig erfolgten ohne Bezug zu dem hiesigen Rechtsstreit.
17Das KBA habe am 10. Oktober 2019 für den hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp einen amtlichen Rückruf wegen einer Konformitätsabweichung angeordnet. Der KBA-Bescheid enthalte weder den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung, noch stelle er diesen Sachverhalt generell für EA288 EU6-Dieselmotoren fest. Vielmehr beschränke sich der Rückrufbescheid auf die technische Nichtkonformität des Alterungsverhaltens des NSK bei diesem Fahrzeugtyp. Mit dem Rückrufbescheid habe das KBA ein von ihr vorgeschlagenes Software-Update zur Verbesserung der Langzeitstabilität des NOx-Speicherkatalysators (NSK) aufgegriffen. Sie habe in routinemäßig durchgeführten Feldüberprüfungen festgestellt, dass der NSK eines speziellen Fahrzeugtyps, zu dem das streitgegenständliche gehöre, im Kundenbetrieb anders altere als sich in den Dauerlauftests des Genehmigungsverfahrens gezeigt habe. In der Folge habe sie dem KBA ein Software-Update zur Verbesserung der Langzeitemissionsstabilität vorgeschlagen. Es handele sich bei diesem Sachverhalt um eine auf einen bestimmten Fahrzeugtyp begrenzte technische Konformitätsabweichung aufgrund eines von dem Genehmigungsstand abweichenden Alterungsverhaltens des NSK. Weder liege eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, noch betreffe dieser Sachverhalt generell alle EA288 EU6-Dieselmotoren. Der Sachverhalt habe folgenden Hintergrund: Um das Alterungsverhalten von Bauteilen des Emissionskontrollsystems zu beurteilen, seien im EG-Typgenehmigungsverfahren Dauerlauftests über 160.000 km gesetzlich vorgeschrieben. Nach Bestehen dieser Tests werde die Typgenehmigung für das entsprechende Modell erteilt. Zwar spiegelten die gesetzlichen Dauerlauftests über 160.000 km in den allermeisten Fällen das tatsächliche Alterungsverhalten im tatsächlichen Kundenbetrieb wider. Das sei aber nicht zwingend. Es bestehe keine 100 %-ige Sicherheit darüber, dass die in den gesetzlich vorgesehenen Dauerlauftests geprüfte Alterung des Emissionskontrollsystems sich auch im praktischen Kundenbetrieb so verhalte, wie im Test. Denn die künstlichen Testläufe könnten die im Kundenbetrieb sehr unterschiedlichen Fahrprofile nicht vollständig sicher und vollumfänglich abdecken. Da also Abweichungen des tatsächlichen von dem prognostizierten Alterungsverhalten nicht vollständig ausgeschlossen werden könnten, sei der Hersteller gesetzlich verpflichtet, durch routinemäßige Felduntersuchungen, die auch als sog. In-Service Conformity- oder ISC-Tests bezeichnet würden, zu prüfen, ob es im Einzelfall im Kundenbetrieb ausnahmsweise zu solchen Abweichungen, d.h. technischen Nichtkonformitäten, gekommen sei. Sei das der Fall, müsse er entsprechend reagieren und durch Korrekturmaßnahmen die Langzeitemissionsstabilität sicherstellen. Solche gesetzlich vorgesehenen Produkt- und Feldüberwachungen seien keine Besonderheit des Automobilsektors und auch in anderen Industriesektoren üblich. Im Automobilsektor beruhe der allergrößte Teil von Rückrufen auf diesen in Feldüberwachungen erkannten technischen Abweichungen. Auf der Internetseite des KBA unter Marktüberwachung/Rückrufe/Rückrufdatenbank würden für mehr als 240 nationale und internationale Hersteller und Zulieferer in alphabetischer Reihenfolge alle Rückrufe pro Kalenderjahr aufgelistet. In fast allen Fällen beträfen die Rückrufe technische Abweichungen bzw. Nichtkonformitäten. Auch gehe aus der Rückrufdatenbank hervor, ob die Rückrufe je nach Fehlerschwere vom KBA überwacht oder nicht überwacht werden. Die Anzahl der gelisteten Rückrufe zeige, dass Rückrufe wegen technischer Abweichungen bzw. Nichtkonformitäten üblich seien. Beispielsweise enthalte die Rückrufdatenbank für die Marke F insgesamt 203 Rückrufe seit dem Jahr 2008. Sie habe dem KBA das abweichende Alterungsverhalten des NSK berichtet und ein Software-Update vorgeschlagen, was das KBA aufgegriffen und die Durchführung des vorgeschlagenen Software-Updates im Wege eines Rückrufes angeordnet habe. Ein Austausch von Hardware bzw. des NSK selbst sei nicht erforderlich. Das Software-Update werde dem KBA von ihrer Seite zur Prüfung und Freigabe vorgestellt. Zusätzlich zu den intensiven Tests des Updates durch sie werde das KBA auch eigenständig Nachprüfungen durchführen. Alle typgenehmigungsrelevanten Fahrzeugwerte hätten unverändert Bestand. Das sei wesentliche Voraussetzung für die Genehmigung des Updates, welches die Langzeitemissionsstabilität des NSK des vorliegenden Fahrzeugmodells sichere. Sobald das Update freigegeben sei, werde sie den Kläger über die Möglichkeit, dieses aufspielen zu lassen, informieren. Für den Kläger sei das verpflichtende Software-Update kostenfrei. Auf die Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs habe das Software-Update keine Auswirkungen. Wie bereits ausgeführt, komme in dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit einer Umschaltlogik zum Einsatz. Das in den EA288-Motoren enthaltene Emissionskontrollsystem arbeite sowohl auf dem Prüfstand als auch auf der Straße mit identischer Wirksamkeit. In den EA288-Fahrzeugen werde keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer unzulässigen Fahrkurvenerkennung verwendet. In jedem Fahrzeug kämen zulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz, die beispielsweise den Motor vor Beschädigungen in besonderen Fahrsituationen schützten oder beim Motorstart technisch erforderlich seien. Solche Abschalteinrichtungen seien notwendig, würden von allen Herstellern eingesetzt und würden dem KBA im Rahmen von bei EG-Typgenehmigungsverfahren geltenden Dokumentationspflichten seit April 2016 offengelegt. Bei der Bewertung von Abschalteinrichtungen oder sonstigen Emissionsstrategien gehe es nicht darum, ob eine solche Einrichtung vom Hersteller verwendet werde, sondern darum, ob sie zulässig oder unzulässig sei. Folglich gebe es auch kein generelles Verbot einer Fahrkurvenerkennung per se. Eine Fahrkurvenerkennung sei vielmehr nur dann unzulässig, wenn sie genutzt werde, um die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems so zu verändern, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im normalen Fahrbetrieb verringert werde. Bei dem hier streitgegenständlichen Fahrzeug werde die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems nicht verringert, da das Emissionskontrollsystem bei voller Funktionsfähigkeit aller Bauteile sowohl im Prüfstand als auch auf der Straße und damit innerhalb und auch außerhalb einer Fahrkurve mit identischer Wirksamkeit arbeite. Zudem sei eine Abschalteinrichtung unter anderem nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 715/2007 zulässig, wenn sie keine Auswirkungen auf die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte habe oder dem Motorschutz diene. Untersuchungen und Messungen an EA288-Fahrzeugen in den letzten Jahren hätten gezeigt, dass die Nutzung von Fahrkurven keinen Einfluss auf die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten hätten oder gehabt hätten. So habe sie seit Aufkommen der EA189-Thematik Ende 2015 die Nutzung und den Effekt von Fahrkurven in Abstimmung mit den Behörden umfassend intern untersucht. Zudem sei durch die verpflichtenden Applikationsrichtlinien sichergestellt, dass eine Nutzung von Fahrkurven nicht zur Einhaltung von Emissionsgrenzwerten verwendet werde. Bestätigt worden seien diese Testergebnisse durch die Untersuchungen des BMVI an EA288-Fahrzeugen aus dem Jahr 2016 im Rahmen der Untersuchungskommission „A“. Folgerichtig habe das BMVI im Zuge der aktuellen Berichterstattung zu den EA288-Fahrzeugen am 12. September 2019 per Twitter (Anlage B 3 - GA 250) klargestellt, dass die Fahrzeuge auch nach Prüfungen des KBA keine unzulässige Fahrzykluserkennung enthielten. Der Vortrag des Klägers zu einer angeblichen Lenkwinkelerkennung, die erkennen soll, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde und daraufhin in einen sauberen Modus schalte, sei unzutreffend. Eine solche Lenkwinkelerkennung komme in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht zum Einsatz. Im Übrigen sei eine Erkennung des Prüfstands durch das jeweilige Fahrzeug nicht per se unzulässig. Vielmehr gebe es Funktionen eines Fahrzeugs, die auf der Prüfstandsrolle zwingend zu deaktivieren seien. Folglich müsse das zu untersuchende Fahrzeug über sog. Erkenntnisinstrumente verfügen und beispielsweise die Elektronische Stabilitätskontrolle des Fahrzeugs (ESC) und die Airbags auf dem Prüfstand deaktivieren. Ansonsten könne es zu Messverfälschungen oder einem ungewollten Auslösen des Airbags kommen. Sie habe auch nicht in unzulässiger Weise in das OBD-System des streitgegenständlichen Fahrzeugs dahingehend eingewirkt, dass sie das OBD-System dergestalt manipuliert habe, dass es im normalen Straßenbetrieb trotz Fehlfunktion keine Fehlermeldung anzeige. Es gebe bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abgasreinigung nicht funktioniere und das OBD-System diese Fehlermeldung hätte anzeigen müssen. Das im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte OBD-System erfülle vielmehr seine gesetzlich vorgesehene Funktionsweise ordnungsgemäß. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass OBD-System im streitgegenständlichen Fahrzeug manipuliert sei, trage der Kläger nicht vor. Schließlich sei das streitgegenständliche Fahrzeug entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht nur während der Prüfdauer im NEFZ „sauber“. Vielmehr zeigten die KBA-Felduntersuchungen im Zusammenhang zum angeblichen Einsatz einer prüfstandsoptimierten Umschaltlogik, dass in den EA288-Motoren keine derartige Umschaltlogik zum Einsatz komme. Im streitgegenständlichen Fahrzeug komme auch keine unzulässige Temperaturerkennung zum Einsatz. Zunächst verkenne die Klagepartei, dass ein modernes Dieselfahrzeug für eine ordnungsgemäße Motorsteuerung permanent Temperaturen erkennen und überwachen müsse, um die einzelnen Systemkomponenten des Motors – beispielsweise je nach Außentemperatur, Ladelufttemperatur und Öltemperatur – zielgerichtet anzusteuern. Eine dauernde Detektierung dieser Temperaturen sei zum ordnungsgemäßen Betrieb des Fahrzeugs daher notwendig und zudem üblich. Zudem sei der klägerische Vortrag bereits unklar; der Kläger erläutere nicht näher, zu welchen angeblich unzulässigen Folgen die von ihm behauptete Temperarturerkennung führen solle. Der Einsatz des sog. Thermofensters stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
18Dass das in den EA288-Motoren eingesetzte Thermofenster zulässig sei, zeige sich auch dadurch, dass sie dem KBA als zuständiger Typgenehmigungsbehörde die Entwicklung und die neueste technische Ausgestaltung der Abgasrückführung in ihren Dieselmodellen (EA 189 und EA 288) im Rahmen eines „Technik-Workshops“ am 22. Januar 2016 vorgestellt habe. Im Fokus des Workshops habe die Darstellung der Entwicklung der AGR-Technologie, die sie in ihren Dieselaggregaten (EA 189 und EA 288) einsetze sowie die damit einhergehenden Hardware- und Software-seitigen Anforderungen und Grenzen gestanden. Im Rahmen dieses Workshops habe sie dem KBA die in EA288-Motoren Abgasnorm EU 6 zum Einsatz kommende AGR-Technologie, bestehend aus Hochdruck- und Niederdruck-AGR, detailliert vorgestellt und die Funktionsweise erläutert. Das KBA habe demnach Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der AGR einschließlich ihrer Applikationsrichtlinien zum Bauteilschutz (u.a. in Bezug auf das Thermofenster). Es seien keine Beanstandungen von Seiten des KBA erfolgt. Folglich habe das KBA die in den EA288-Motoren zum Einsatz kommende AGR-Technologie einschließlich ihrer Applikationsrichtlinien zum Bauteilschutz als zulässig angesehen. Sowohl der Annahme der Sittenwidrigkeit als auch eines Schädigungsvorsatzes stehe, sollte der Einsatz eines Thermofenster per se unzulässig sein, jedenfalls entgegen, dass der Einsatz von Thermofenstern dem KBA sowie dem BMVI generell bekannt und überdies technischer Standard seien.
19Das Landgericht hat am 19. Dezember 2019 mündlich verhandelt. Zu diesem Zeitpunkt wies das Fahrzeug des Klägers einen Kilometerstand von 179.016 auf.
20Mit am Schluss der Sitzung verkündetem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, dass es in der Verwendung von sog. Thermofenstern keine besondere Verwerflichkeit erkennen könne. Zu weiteren im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendeten Abschalteinrichtungen habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Ausweislich des Berichts der Untersuchungskommission „A“ habe in keinem der untersuchten Fahrzeuge eine unzulässige Abschalteinrichtung vergleichbar den vom Rückruf betroffenen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 festgestellt werden können. Dahin stehen könne, ob das klägerische Fahrzeug im Realbetrieb einen höheren Stickoxidausstoß aufweise als im Rahmen der für die Zulassung erforderlichen Laboruntersuchung. Unterschiede in Bezug auf den Schadstoffausstoß ergäben sich durch Fahrprofil, Fahrweise und weitere äußere Einflüsse. Es sei nicht erkennbar, inwiefern darin eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte liegen solle.
21Gegen das Urteil richtet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens zunächst seine erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt hat.
22Er meint, das Landgericht habe die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an ein substantiiertes Vorbringen missachtet und hätte seiner Behauptung, das Fahrzeug halte bei normalem Betrieb auf der Straße die Grenzwerte nicht ein, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen müssen. Ihm stünde entgegen der Ansicht des Landgerichts ein Anspruch insbesondere aus § 826 BGB, aber auch aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB iVm § 263 StGB bzw. 27 EG-FGV und aus „dem Rückgewährschuldverhältnis“ zu.
23Weiter bringt er mit weiteren Ausführungen unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, Rn. 20, vor, dass es auf ein Tätigwerden oder die Bewertung des KBA nicht ankomme. Es stelle sich jedenfalls die Frage, aus welchen Gründen das KBA für das streitgegenständliche Fahrzeug bislang keinen offiziellen Rückruf initiiert habe. Das gelte umso mehr, als nun bekannt geworden sei, dass das KBA im Oktober 2018 bei der Firma G entsprechend den sofortigen Rückruf mit der Begründung angeordnet habe, die eingebauten Systeme zur Reduzierung der Stickoxide in den Abgasen würden unter anderem schon bei Außentemperaturen von unter 17ºC in ihrer Wirksamkeit gedrosselt. Bereits dieser Umstand begründe die zumindest latente Gefahr der Betriebsuntersagung, welche nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17) unabhängig von einem Rückruf durch das KBA bereits einen Mangel begründe. In seinem Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen implementiert und zwar eine Prüfstandserkennung („Fahrkurven“), wie sich aus konzerninternen Unterlagen der Beklagten („Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288“ – Anlage K 3 (GA 417 ff.)) ergebe. Die Beklagte spreche dort von einer „streckengesteuerten Platzierung“ von „Abgasnachbehandlungsevents“ sowie einer strecken- und beladungsgesteuerten Platzierung der Events im normalen Fahrbetrieb. Aufgrund der „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 288“ und des „Statusberichts Diesel“ gehe auch das Oberlandesgericht Köln (Hinweisbeschluss vom 12. September 2019 – 15 U 234/18) davon aus, dass der klägerische Anspruch auch bei dem Motor EA288 aus § 826 BGB begründet sei, soweit die Beklage sich lediglich auf ein pauschales Bestreiten des Vorliegens der Umschaltlogik zurückziehe. Diesbezüglich habe die Tagesschau am 12. September 2019 über die Recherchen des SWR berichtet. Von einem der geschäftsführenden Partner der Kanzlei seiner Bevollmächtigten sei infolge der aktuellen Berichterstattung vom 12. September 2019 ein Telefonat mit (dem in den SWR-Recherchen erwähnten) Herrn Dr. H geführt und in zu den Hintergründen der Berichterstattung in Erfahrung gebracht worden, dass auch die Folgebaureihe der Fahrzeuge mit einem EA189, der hier streitgegenständliche EA288, mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei. Bei Fahrzeugen mit EA288-Dieselmotor und NSK-Abgasnachbehandlungstechnologie seien bis zur 22. Kalenderwoche 2016 – und somit auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug – Prüfzykluserkennungsmodi implementiert worden (Lenkwinkelerkennung, Temperaturerkennung, Zeiterfassung). Der zeitorientierte Fahrmodi-Wechsel werde auch durch Tests der Deutschen Umwelthilfe e.V. an einem I x1 mit EA288-Motor und Euro 5-Norm belegt. Die Abbildung (vgl. GA 415) zeige, dass die emittierten NOx-Werte des Fahrzeugs nach ca. 1400 Sekunden, und somit nach einer „Pufferzeit“ von ca. 200 Sekunden, exorbitant anstiegen. In Spitze würden dabei NOx-Werte von knapp 1800 mg/km erreicht. Nach allen EA189-Fahrzeugen sei die sog. „Akustikfunktion“ also auch auf die EA288-Fahrzeuge übertragen worden. In der „Entscheidungsvorlage“ (GA 417 ff.), die auch das streitgegenständliche Fahrzeuge mit umfasse, werde beschrieben, welche Umschaltstrategien die Beklagte beim EA288 implementiert habe. Wie andere Hersteller greife die Beklagte auch auf eine Abschalteinrichtung in Form des sog. Thermofensters zurück und täusche somit den Endverbraucher über die Konformität des Fahrzeugs mit den gesetzlichen Vorgaben. Das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters werde durch Tests der Deutschen Umwelthilfe e.V. (NOx-Emissionen der einzelnen Messungen – NOx-Messungen I x1 2.0 TDI Euro 5, EA 288 – vgl. GA 422 = GA 459) ersichtlich. Aus den Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts bei unterschiedlichen Außentemperaturen werde deutlich, dass die emittierten NOx-Werte des getesteten Fahrzeugs mit dem hier streitgegenständlichen EA288-Motor und NSK-Technologie bei steigender Außentemperatur um mehr als die Hälfte sänken. Insbesondere bei Temperaturen von 4ºC bis 12ºC seien die Abgaswerte mit über 500 mg bis 700 mg NOx/km um ein Vielfaches höher als es die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte erlaubten. Aus „vergleichbaren Verfahren“ sei bekannt, dass die Abgasreinigung bei zur Anwendungkommen eines Thermofensters nur in einem Bereich von ca. 17ºC bis 30º C zu 100 % aktiv sei. Außerhalb des Temperaturfensters werde diese stark reduziert und die Abgase würden unaufbereitet ausgestoßen, wodurch der NOx-Ausstoß, wie die benannten Messungen zeigten, enorm ansteige. Eine signifikante Reduktion erfolge jedenfalls bei einer Temperatur von 5ºC. Die zum Teil deutliche Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte auf der Straße liefere den Nachweis darüber, dass die Effektivität der Abgasreinigungssysteme gemindert werde, mithin eine Abschalteinrichtung vorliege. Die Beklagte habe die verbauten Abschalteinrichtungen gegenüber dem KBA am 29. Dezember 2015 (vgl. GA 424 ff.) erläutert. Die Programmierung der Software der Beklagen sei danach so ausgelegt gewesen, dass lediglich für den Prüfmodus NEFZ-Prüfstand die gesetzlichen Grenzwerte hätten eingehalten werden sollen. Jeder andere Fahrzyklus sei ebenfalls mit einer Fahrzykluserkennung versehen gewesen und mit Maximalwerten der Überschreitung. Die Beklagte beschreibe gleich multiple Motorsoftwaresteuerungen, die immer an Fahrzeugzykluserkennungen oder den Straßen- und Beladungsmodus anknüpfe. Es handele sich dabei um grundverschiedene Emissionsarten. Ferner werde beschrieben, dass bei fast leerem Harnstofftank auch so gut wie keine Abgasnachbehandlung mehr stattfinde, also die AdBlue-Zufuhr eingestellt werde. Hintergrund der Fortschreibung der illegalen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug sei gewesen, dass Entwicklungsingenieure das Problem gehabt hätten, mit legalen Möglichkeiten die Grenzwerte vor allem im NOx-Bereich einhalten zu können. Den Betrug habe die Beklagte im September 2015 zugegeben. Der damalige Vorstandsvorsitzende J habe in einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG ausdrücklich die volle Verantwortung für den Betrug übernommen. Aufgrund des Sachverhaltes ermittele die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Mitarbeiter der Beklagten (411 Js 49032/15 und 411 Js 46675/15) (vgl. Anlage K 10) und gegen den ehemaligen J (vgl. Anlage K 11). Es sei zwingend notwendig, die Ermittlungsakten beizuziehen. Es sei – nach von ihm auszugsweise zitierten Entscheidungen (GA 462 – 464) – davon auszugehen, dass alle Hersteller das Thermofenster vor Erteilung der Typgenehmigung nicht gegenüber dem KBA offengelegt hätten. Auch aus einer Mitteilung des KBA (Eingang bei Rechtanwälten K am 7. Juni 2019 betreffend einen I x2 3,0 CDI – GA 466) ergebe sich, dass sich das KBA stets auf die Aussagen des Herstellers verlassen habe. Die Beklagte habe in das OBD-System eingegriffen, damit dieses keine Fehlermeldung bei der unzureichenden Abgasreinigung außerhalb des vorprogrammierten Temperaturfensters anzeige. Eine derartige Vorgehensweise sei aus Sicht der Beklagten nicht erforderlich gewesen, wenn sie von der Zulässigkeit des Thermofensters überzeugt gewesen wäre. In der Absicht, das Thermofenster und seine Funktionsweise den Behörden und der Öffentlichkeit vorzuenthalten, habe sie die Programmierung des OBD-Systems mit dem Thermofenster gekoppelt. Jeder Erwerber knüpfe unabhängig von der Person des Verkäufers mit dem Fahrzeug die Erwartung, dass er das Fahrzeug dauerhaft und ohne Gefahr der Stilllegung aufgrund eines Erlöschens der allgemeinen Betriebserlaubnis nutzen könne. Vor diesem Hintergrund sei es sehr wahrscheinlich bis sicher, dass „ein potenzieller Gebrauchtwagenkäufer, wie die Klagepartei, von dem Erwerb eines Fahrzeugs der Beklagten von einem Gebrauchtwagenverkäufer“ absehe, wenn er wisse, dass das Zulassungsverfahren nicht ordnungsgemäß betrieben worden sei. Er habe mit Schreiben vom 7. November 2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Beklagten über das streitgegenständliche Fahrzeug erklärt.
24Unter dem 10. März 2021 trägt der Kläger ergänzend vor, es gebe inzwischen 15 (näher von ihm bezeichnete (GA 586)), für Verbraucher positive Urteile zum auch hier streitgegenständlichen Abgasskandal-Motor EA 288. Vier Oberlandesgerichte hätten positive Hinweis- oder Beweisbeschlüsse erlassen (OLG Celle, 7 U 532/18, Beweisbeschluss, A U EA 288 Euro 6 mit SCR; OLG Oldenburg, 14 U 322/19, Beweisbeschluss, A y1 Euro 6; OLG München, 24 U 4047/18, I A3 EA 288 Euro 5; OLG Köln, 15 U 234/18, A E EA 288 Euro 6 mit NSK; OLG Köln, 15 U 117/19, Hinweisbeschluss I x3, EA 288 Euro 6). Ein großer Teil dieser Verfahren sei mit dem Vortrag der hiesigen Prozessbevollmächtigten zum Erfolg geführt worden, so dass sein Vortrag nicht als unsubstantiiert, widersprüchlich o.ä. zu bezeichnen sein dürfe, wie es die Beklagte auch hier weiter versuche.
25Darüberhinaus gebe es für Fahrzeuge des Typs EA 288 freiwillige Servicemaßnahmen. Anders, als es die Beklagte darstelle, sei Hintergrund einer freiwilligen Servicemaßnahme, dass das KBA emissionsbezogene Abschalteinrichtungen festgestellt habe, diese jedoch nach den vorgelegten Unterlagen des Herstellers unter Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a der VO (EG) 715/2007 subsumiert und daher nicht als unzulässig deklariert habe. Der Kläger verweist dazu auf ein Verfahren vor dem LG Ingolstadt (81 O 265/20), das einen I x4 3.0 l EU 5 betrifft, sowie auf ein Verfahren vor dem OLG Frankfurt (13 U 23/19) betreffend ein 3.0 l TDI V6-Fahrzeug, in dem entsprechende Auskünfte des KBA (vgl. GA 587 f., 589 f.) erteilt worden seien. Daher regt der Kläger an, eine amtliche Auskunft beim KBA einzuholen, ob und welche emissionsbezogenen Abschaltstrategien festgestellt worden seien. Weiter führt er aus, dass die Beklagte sich auf „umfassende Untersuchungen“ des KBA im Rahmen der „Untersuchungskommission A“, insbesondere an Fahrzeugen mit dem hier streitgegenständlichen Motorentyp EA288 berufe. Konkret seien dabei nach Durchsicht des Berichts der „Untersuchungskommission A“ sechs Fahrzeuge mit EA288-Dieselmotor untersucht worden, davon lediglich zwei Fahrzeuge (A L, A M) in Kombination mit einem SCR-Katalysator. Das KBA verfüge indes auch nicht über die zur Analyse der Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs oder vergleichbarer Fahrzeuge notwendigen Daten der Beklagten, insbesondere verfüge es über keinen Zugang zu den Quellcodes der zu analysierenden Software. Darüber hinaus habe die Vergangenheit gezeigt, dass etliche Fahrzeuge vieler Hersteller, welche zuvor vom KBA als „ohne unzulässige Abschalteinrichtung“ zur Zulassung freigegeben worden seien, im Nachhinein einem verpflichtenden Rückruf zwecks Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen unterlegen hätten. Die von dem KBA angeführten Ausführungen und Messungen des KBA in dem vom BMVI veröffentlichten Bericht zur „Untersuchungskommission A“ seien weder repräsentativ noch gäben sie Aufschluss über das tatsächliche Vorliegen oder Nicht-Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sondern lediglich über das Einhalten bzw. Nicht-Einhalten gesetzlicher Grenzwerte. Die Ergebnisse der „Untersuchungskommission A“ ließen sich für eine Beurteilung, ob unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut worden seien, daher nicht valide heranziehen. Das Thermofenster sei in der Motorsteuerungssoftware so bedatet worden, dass die Abgasrückführung in dem streitgegenständlichen Fahrzeug bereits bei Temperaturen unter 20ºC sowie über 30ºC zurückgefahren werde, wobei eine signifikante Reduktion jedenfalls bei einer Temperatur von 5ºC erfolge. Das Thermofenster sei bewusst so konzipiert worden, dass eine 100-prozentige Effektivität der Abgasreinigung lediglich in dem im Prüfstand herrschenden Temperaturbereich (zwischen 20ºC und 30ºC) sichergestellt werde. Eine solche Abschalteinrichtung, die nahezu bei jedem Fahrbetrieb eingeschaltet sei, dauerhaft für eine Reduktion der Abgasrückführung und somit deutlich grenzwertüberschreitende Stickoxidwerte sorge, laufe den Zielsetzungen der EG-VO 715/2007 zuwider. Darüberhinaus sei eine Offenlegung der konkreten Bedatung gegenüber dem KBA nicht erfolgt. Die Abgasreinigung funktioniere in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht bei niedrigen Temperaturen. Sie werde bereits bei unter 20ºC reduziert. Mit zunehmend niedriger Temperatur werde sie bis zu einer Temperatur von 5º C abgerampt. Ab einer Temperatur von 5º C finde somit überhaupt keine Abgasreinigung mehr statt. Die Beklagte habe dem KBA vor Beantragung der Typgenehmigung die Ausrampstrategie, die Lenkwinkelerkennung, das Thermofenster, und dessen konkrete Bedatung, die Prüfzykluserkennung, die zeitabhängige Abschalteinrichtung und auch nicht die OBD-Manipulation offengelegt.
26Der Kläger hat zunächst angekündigt zu beantragen, abändernd
271. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.226,56 € nebst Zinsen in Höhe von vier Prozent seit dem 16. November 2013 bis 24. April 2019 und seither fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer 000 zu zahlen,
282. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 24. April 2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet,
293. die Beklagte zu verurteilen, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.077,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2019 zu zahlen.
30Nach teilweiser Rücknahme der Berufung hinsichtlich der geltend gemachten Deliktszinsen und „Konkretisierung“ des Berufungsantrages zu 1. mit Schriftsatz vom 10. März 2021 beantragt der Kläger unter Aufrechterhaltung der Anträge im Übrigen,
311. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.226,56 € nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2019 abzüglich einer im Termin zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer 000 zu zahlen,
32wobei er die Nutzungsentschädigung im Senatstermin auf der Basis eines Kilometerstandes von 187.428 mit 17.583,95 € beziffert.
33Die Beklagte beantragt,
34die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
35Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und bringt in ihrer Berufungserwiderung vom 8. März 2021 vor, der Kläger habe auch in der Berufung keine Anhaltspunkte dargelegt, die auf den Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug schließen lassen könnten. Die klägerischen Behauptungen zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei den jeweils streitgegenständlichen EA288-Fahrzeugen erwiesen sich als unsubstantiierter Vortrag ins Blaue hinein. Allein die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für den Stickoxidausstoß im Straßenbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstandsbetrieb sei nicht geeignet, den Rückschluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu ziehen. Das streitgegenständliche Fahrzeug unterliege keinen vom KBA angeordneten Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Zudem bestätigten die eindeutigen Testergebnisse im Rahmen der KBA-Felduntersuchungen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte. Nach den Prüfungen, die das KBA im Rahmen der Untersuchungskommission „A“ im Auftrag des BMVI u.a. an acht Fahrzeugen der Emissionsklassen Euro 5 und Euro 6 mit dem Motor EA288 vorgenommen habe, sei das BMVI zu dem Ergebnis gekommen, dass in den Motoren des Typs EA288 die aus den EA189-Fällen bekannte Umschaltlogik nicht zum Einsatz komme. Die Untersuchungen seien durch unabhängige Gutachter erfolgt und die Fahrzeuge unter variierten Prüfstandsanforderungen sowohl im Labor auf dem Rollenprüfstand nach dem NEFZ als auch unter den gesetzlich nicht erforderlichen RDE-Messungen getestet worden. Der Vorwurf der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer unzulässigen Fahrkurvenerkennung sei bereits im Ansatz verfehlt, weil er von einem unzutreffenden Verständnis der Funktionsweise einer Fahrkurvenerkennung ausgehe. Eine Fahrkurvenerkennung – auch Zykluserkennung genannt – sei im Ausgangspunkt eine Softwarefunktion, die erkenne, ob das Fahrzeug einen Prüfzyklus durchfahre. Derartige Zykluserkennungen seien nicht unzulässig. Es gebe kein dahingehendes regulatorisches Verbot und eine Fahrkurven- oder Zykluserkennung sei auch nicht gleichbedeutend mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Von der Fahrkurven- bzw. der Zykluserkennung zu unterscheiden sei die Erkennung eines Rollenprüfstands. Ein sog. Rollenmodus oder Rollenprüfstandsmodus könne erforderlich sein, wenn bestimmte Funktionen des Fahrzeugs auf dem Rollenprüfstand deaktiviert werden müssten, wie etwa die Elektronische Stabilitätskontrolle (ESC) oder die Airbags. Wie die Messungen des KBA im Rahmen der Untersuchungskommission A zeigten, ginge auch der klägerische Vorwurf zur Fahrkurvenerkennung ins Leere. Die Messungen hätten gezeigt, dass der streitgegenständliche EA288-Motor bei allen vom KBA untersuchten Fahrzeugen bei voller Funktionsfähigkeit aller abgasbehandelnden Bauteile die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte einhalte. Dies erfolge unabhängig von einer Fahrkurvenerkennung. Auf Basis der bisherigen Messungen des KBA gebe es keine im Prüfstandsbetrieb optimierende Funktion, die erforderlich wäre, um die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Das habe das KBA jüngst im Rahmen amtlicher Auskünfte (Anlagen BE 3 ff.) gegenüber Gerichten in Parallelverfahren bestätigt. Weiter sei im Rahmen einer amtlichen Auskunft vom KBA am 15. Dezember 2020 (Anlage BE 5) erneut bestätigt worden, dass umfangreiche Untersuchungen bis zum heutigen Tage erfolgt seien und keine unzulässigen Abschalteinrichtungen – auch nicht in Form einer Fahrkurverkennung – in EA288-Fahrzeugen festgestellt worden seien. Sie habe dem KBA im Zuge der Aufarbeitung der Dieselthematik betreffend Fahrzeuge mit dem EA189-Motor auch unmittelbar nach deren Bekanntwerden am 2. Oktober 2015 vorgestellt, dass in Fahrzeugen mit EA288-Motor eine Fahrkurverkennung zwar hinterlegt sei, an die indes nicht die aus den EA189-Fahrzeugen bekannte Umschaltlogik geknüpft sei, durch die Emissionen in grenzwertrelevanter Weise auf dem Prüfstand reduziert worden seien. Beispielhaft verweise sie auf das Schreiben vom 29. Dezember 2015 an das KBA. Schon zu diesem Zeitpunkt sei klargestellt worden, dass im Motorsteuergerät der EA288-Konzepte zwar eine Fahrkurvenerkennung hinterlegt sei, daran aber gerade nicht die aus dem EA189-Motor bekannten Folgen der Umschaltlogik geknüpft seien. In diesem Schreiben sei auch die „Akustikfunktion“ erläutert worden, mit der das Fahrzeug erkennen könne, dass es einen Prüfzyklus durchfahre. Durch das Schreiben werde verdeutlicht, dass die Fahrkurve bei EA288-Fahrzeugen nicht die gleichen Folgen wie die in EA189-Fahrzeugen verwendete Umschaltlogik habe, durch die Emissionen in grenzwertrelevanter Weise reduziert worden seien. Da infolge der Umschaltlogik in den EA189-Fahrzeugen eine generelle Verunsicherung in den Fachabteilungen über die Verwendung von Fahrkurven bestanden habe, habe sie trotz der grundlegenden konzeptionellen Unterschiede der Aggregate auch für die EA288-Fahrzeuge im November 2015 entschieden, die vorgenannte Akustikfunktion bzw. Fahrkurvenerkennung bei den EA288-Aggregaten mit SCR-Technologie ab November 2015 zu entfernen und generell ab dem Modelljahreswechsel der Kalenderwoche 22 des Jahres 2016 bei allen EA288-Fahrzeugen (SCR- wie NSK-Technologie) nicht mehr zu verwenden. Das Instrument, mit dem Beklagten-intern eine solche Änderung der Bedatung des Motorsteuergerätes festgelegt worden sei, sei die sogenannte „Applikationsrichtlinie“ gewesen. Der in der Applikationsrichtlinie EA288 dokumentierte Verzicht auf die Fahrkurvenerkennung in EA288-Fahrzeugen sei in dem Schreiben vom 29. Dezember 2015 an das KBA erläutert worden. Alle erläuterten Informationen über die bisherige und nach der Applikationsrichtlinie EA288 seit November 2015 geplante Bedatung der EA288-Motoren sei sodann Anlass für das KBA gewesen, umfangreich die Angaben zu überprüfen und zwischen November 2015 und April 2016 repräsentative EA288-Fahrzeuge auf das mögliche Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen zu testen. Das Ergebnis für alle Prüfungen der EA288-Fahrzeuge durch das KBA sei eindeutig: Hinweise, die aktuell laufende Produktion der Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA288 (Euro 6) sei ebenfalls von Abgasmanipulationen betroffen, hätten sich als unbegründet erwiesen. Um zu ermitteln, ob in den zu überprüfenden Fahrzeugen unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien, habe das KBA ein neues detailliertes Prüfverfahren entwickelt, das bis dahin weder im Regulierungsrecht noch in der Genehmigungspraxis vorgesehen gewesen sei. Die Fahrzeuge seien nicht nur in dem für diese Fahrzeuge nach der Regulierung vorgesehenen NEFZ mit kaltem Motor auf dem Prüfstand (NEFZ kalt) getestet worden. Es seien darüber hinaus sechs weitere Messungen in verschiedenen NEFZ-nahen Prüfzyklen auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb vorgenommen worden, die in jeweils unterschiedlichen einzelnen Parametern (Geschwindigkeit, Temperatur, Reihenfolge der Einzelzyklen) von dem gesetzlich vorgegebenen NEFZ-Zyklus abweichen würden. Durch diese neu Prüfmethode lasse sich nämlich feststellen, ob Fahrzeuge über eine Funktion verfügen, mit der eine NEFZ-Prüfstandsfahrt erkannt wird, z.B. durch eine Fahrkurve, eine Lenkwinkelerkennung o.ä., und ob an diese Fahrkurve Funktionen geknüpft seien, die die Wirksamkeit des Emissionsminderungssystems verglichen mit Fahrprofilen, in denen das Fahrzeug nur leicht abweichend von dem gesetzlichen NEFZ kalt-Prüfzyklus auf der Straße oder der Prüfrolle gefahren werde, wesentlich veränderten. Die für die getesteten EA288-Motoren bei einem von dem gesetzlichen NEFZ kalt abweichendem Fahrprofil ermittelten Emissionen wichen zwar von dem bei einer Prüffahrt im NEFZ ermittelten Emissionen ab, da Änderungen der Testrand- und Umgebungsbedingungen zwangsläufig auch Änderungen der Emissionen bewirkten. Die Abweichungen würden indes die veränderten Testrandbedingungen und Fahrprofile widerspiegeln und seien gerade nicht so wesentlich, dass sie auf eine Funktion hinweisen würden, die vergleichbar mit der EA189-Umschaltlogik gezielt nur im Prüfstand grenzwertkausal reduziere. Entscheidend sei das Verhältnis zwischen dem Ergebnis des NEFZ kalt einerseits und den Ergebnissen der sechs NEFZ-nahen Prüffahrten andererseits. So belegten die bei dem A N EA 189 EU 5 2.0 l (Bericht der Untersuchungskommission A – Anlage BE 2 S. 114 = GA 553) sich zeigenden erheblichen Unterschiede nach der ingenieurtechnischen Bewertung des KBA als fachlich zuständige Marktüberwachungsbehörde das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, während sich bei dem EA288 EU6 Motor im A E O EA288 EU6 2.0 l (NSK) (Bericht der Untersuchungskommission A – Anlage BE 2 S. 64 = GA 554) ein genau umgekehrtes Bild zeige, bei dem sich die Ergebnisse der sechs den NEFZ kalt abwandelnden Testverfahren, anders als im Falle des A N, gerade nicht wesentlich von den Ergebnissen des NEFZ kalt unterscheiden würden. Die Ergebnisse des KBA bestätigten somit, was sie dem KBA bereits Anfang Oktober 2015 mitgeteilt habe, nämlich, dass in einigen EA 288 Motoren eine Fahrkurvenerkennung verbaut gewesen sei, mit der allerdings keine der Umschaltlogik in EA189-Motoren vergleichbaren Emissionsauswirkungen verknüpft gewesen seien. In der Applikationsrichtlinie EA288 vom 18. November 2015 sei gleich auf S. 2 (Anlage BE 7) – die der Kläger nicht mit vorgelegt hat – auf die durch den EA189-Fall entstandene Verunsicherung, den Hintergrund für den Leitfaden und die erfolgte Abstimmung mit dem KBA hingewiesen worden: „Aufgrund der hohen Verunsicherung in den Fachabteilungen bei Applikation und Freigabe heutiger und zukünftiger Projekte ist ein mit den relevanten Zulassungsbehörden (KBA) vereinbarter Leitfaden für Applikation und Freigaben notwendig. Die angehängten Unterlagen zu 1. Applikationsrichtlinien für Serien und Neuprojekte EA 288 sowie 2. Freigabevorgaben für EA288 Projekte sind inhaltlich mit den Zulassungsbehörden (KBA) und dem Rechtswesen vereinbart und für die betroffenen Aggregate bindende Entwicklungsvorgaben.“ Der Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gehe vor diesem Hintergrund fehl. Auf Seite 3 der Applikationsrichtlinie EA 288 vom 18. November 2015 (Anlage BE 7) seien für die Applikateure die Zielwerte der Applikation für NOx und Partikel festgelegt, und zwar zunächst durch Wiederholung der Gesetzesvorgaben der EU für NOx iHv 80 mg/km in NEFZ kalt, die indes nach den internen Zielvorgaben der Beklagten um 10 mg/km reduziert und auf max. 70 mg/km im NEFZ kalt festgelegt worden seien. Außerdem seien die A-internen Zielwerte für weitere Zyklen, die zwar nicht im Gesetz festgeschrieben, aber in der Praxis weit verbreitet seien (z.B. NEFZ warm, ADAC eco, RDE extended, ADAC Autobahn) festgelegt. Auf Seite 4 der Applikationsrichtlinie EA 288 vom 18. November 2015 (Anlage BE 7) befänden sich die Applikationsanweisungen für die künftige Bedatung der Fahrkurven beim dem Motorsteuergerät für EA 288 NSK-Fahrzeuge. Unter der „Gültigkeit habe sie festgelegt, ab wann die Vorgaben gelten und dass sie drei Vorgänge betreffen würden: (1) die Freigabe der Software für „SOP“ (Start of Production), d.h. die Freigabe für Software vor dem Produktionsstart eines neuen Modells; (2) die Freigabe für „Modellpflege“, also die Modellaktualisierung eines laufenden, bereits produzierten Modells; und (3) die Freigabe für einen KD-Master, das seien Freigaben für Softwaremaßnahmen in im Feld befindlichen Gebrauchtfahrzeugen. Unter „Anwendungsbeschreibung“ habe sie in den Applikationsrichtlinien die bisherige Bedatung des NSK mit Blick auf die an die Fahrkurve geknüpfte streckengesteuerte Platzierung der DeNOx- und DeSOx-Events beschrieben, wobei sie den technischen Hintergrund im Einzelnen näher (s.u. II.) darstellt. Soweit der Kläger behaupte, im streitgegenständlichen Fahrzeug komme eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines unzulässigen Thermofensters zum Einsatz, sei das nicht zutreffend, sondern er verkenne vielmehr die konkrete Funktionsweise des Thermofensters bzw. stelle diese unrichtig dar. Thermofenster würden in sämtlichen in der EU produzierten Dieselfahrzeugen mit Abgasrückführung eingesetzt. Sie seien technisch-physikalisch unverzichtbar und in ihrer konkreten Ausgestaltung von dem jeweiligen Stand der Technik abhängig. Ihre grundsätzliche Verwendung sei zwingend, ihre jeweilige Ausgestaltung unterschiedlich, da sich der Stand der Technik zum einen zwischen den Motoren unterscheide, zum anderen über die Jahre fortentwickelt habe, so dass z.B. die Thermofenster moderner EU6-Motoren weiter seien als die Thermofenster von EU5-Motoren. Thermofenster, also Funktionen zur Reduzierung der Abgasrückführung, würden in bestimmten Bereichen der Umgebungslufttemperatur zum Zwecke des Motorschutzes in Diesel-Fahrzeugen aller Hersteller verwendet, so auch im streitgegenständlichen Fahrzeug. Aus dem Temperaturbereich, in dem die Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht aktiv sei, ergebe sich aber, dass es sich bei dem hier vorliegenden Thermofenster schon tatbestandlich nicht um eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 handele. Das Thermofenster sei nämlich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug auf Grund des sehr fortschrittlichen Abgasrückführungssystems dahin konfiguriert, dass die Abgasrückführung bei einer Außentemperatur zwischen -24 Grad Celsius bis +70 Grad Celsius zu 100 % aktiv sei, ober- und unterhalb dieses Thermofensters aus Motorschutzgründen keine Abgasrückführung erfolge und es innerhalb des Thermofensters keinen kontinuierliche Abstufung in Abhängigkeit zur Außentemperatur, d.h. keine schrittweise Reduktion der Abgasrückführungsrate gebe, die üblicherweise auch als Abrampen bezeichnet werde. Das Thermofenster habe bei EA288-Fahrzeugen aufgrund neuer technologischer Erkenntnisse und fortschreitender Felderfahrungen erweitert werden können und umfasse – wie vorgetragen – einen Bereich von -24ºC bis + 70º C. Im Ergebnis sei also die Abgasrückführung in Abhängigkeit zur Umgebungslufttemperatur bei praktisch allen Fahrten aktiv. Auch das KBA habe den Vorwurf eines unzulässigen Thermofensters bereits überprüft und zu ihren Gunsten verneint. Sie habe das KBA im Rahmen des Technik-Workshops am 22. Januar 2016 insbesondere auch über das Thermofenster in Kenntnis gesetzt. Es seien keine Beanstandungen seitens des KBA wegen des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt. Konsequenterweise heiße es deshalb in dem zitierten Untersuchungsbericht der Kommission A des BMVI aus dem Jahr 2016, dass für das sog. Abrampen der AGR-Menge in Abhängigkeit von Umgebungstemperatur/Temperatur im Ansaugsammler/Kühlwassertemperatur (Thermofenster) alle befragten Hersteller das Risiko einer Belagbildung im AGR-System anführten. Im Falle der EA288-Motoren komme im Übrigen hinzu, dass aufgrund der besonderen Weite des Thermofensters schon der Tatbestand der Abschalteinrichtung nicht vorliege, da im normalen Fahrbetrieb und unter den in Europa herrschenden klimatischen Bedingungen die Abgasrückführung in den jeweils aktiven Motorbetriebsarten bei allen Fahrten aktiv sei. Das OBD-System sei ein Fahrzeugdiagnosesystem, das während des Fahrbetriebs u.a. alle abgasbeeinflussenden Systeme überwache, dem Fahrer über eine Kontrollleuchte auftretende Fehler anzeige und sie im Steuergerät speichere. Über das Steuergerät könnten die Fehlermeldungen später anhand von genormten Fehlercodes ausgelesen werden. Das OBD-System überwache daher nur die abgasbeeinflussenden Systeme, wirke auf diese aber nicht ein, und könne damit bereits die Tatbestandsvoraussetzungen einer Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Ziff. 10 VO (EG) 715/2007 nicht erfüllen. Selbst wenn man der klägerischen Behauptung folgen und unterstellen würde, dass das OBD-System einen Fehler in der Emissionskontrolle nicht ordnungsgemäß detektieren würde, würde die Nichtanzeige jedenfalls keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Sie habe nicht in unzulässiger Weise auf das OBD-System des streitgegenständlichen Fahrzeugs dahingehend eingewirkt, dass das OBD-System keine Fehlermeldung bei einer angeblich unzureichenden Abgasreinigung außerhalb des „vorprogrammierten Temperaturfensters“ angezeigt habe. Eine unzulässige „Kopplung“ des OBD-Systems mit einer temperaturgesteuerten Emissionsreduktion (Thermofenster) finde im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht statt. Sie habe diesbezüglich auch nicht in der Absicht gehandelt, „das Thermofenster und seine Funktionsweise den Behörden und der Öffentlichkeit“ vorzuenthalten. Eine prüfstandsoptimierende Umschaltlogik oder eine die Schadstoffemissionen nur im Prüfstandsbetrieb optimierende Funktion die erforderlich wäre, um die gesetzlichen Emissionswerte einzuhalten, komme nicht zum Einsatz. Das KBA sei somit zu dem Ergebnis gekommen, dass beim EA288-Motor keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme und habe demzufolge auch keinen Rückruf wegen einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung angeordnet. Da das streitgegenständliche Fahrzeug keiner Rückrufaktion des KBA in Bezug auf den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterliege, drohe auch keine Stilllegung des Fahrzeugs und es verfüge dementsprechend über eine wirksame Typgenehmigung. Sie habe mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2019 vorgetragen, dass das KBA mit Bescheid vom 10. Oktober 2019, korrigiert durch Bescheid vom 23. Januar 2020, für den hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zunächst einen Rückruf wegen einer Konformitätsabweichung angeordnet habe, mit dem das KBA ein von ihr vorgeschlagenes Software-Update zur Verbesserung der Langzeitstabilität aufgegriffen habe. Gegen diesen Bescheid habe sie sich mit einem Widerspruch gewendet, weil es nach ihrer Rechtsauffassung bereits an einer Konformitätsabweichung fehle. Außerdem sei ein Rückruf unverhältnismäßig, weil sie das Software-Update freiwillig angeboten habe. Das KBA sei dieser Ansicht vollumfänglich gefolgt und habe den Rückrufbescheid mit Abhilfebescheid vom 1. September 2020 aufgehoben. Das KBA habe in dem Abhilfebescheid das Vorliegen einer Konformitätsabweichung ausdrücklich verneint. Entgegen der Ansicht des Klägers seien die Emissionen im realen Fahrbetrieb für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht maßgeblich für die Bewertung der Gesetzeskonformität des Emissionsverhaltens. Denn erst durch eine Änderung der Rechtslage ab dem 1. September 2017 seien in Europa neue Regelungen für Real Driving Emissions-Tests (RDE) in Kraft getreten, die die Prüfstandsmessungen ergänzten. Diese ergänzenden RDE-Messungen bezögen sich jedoch allein auf neu typgeprüfte Pkw-Modelle. Auch die weiteren von dem Kläger vorgelegten Messungen könnten eine etwaige Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs weder darlegen, noch beweisen. Der angebliche Messbericht der DUH beziehe sich bereits nicht auf Messungen bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug selbst. Mit dem Verweis auf die Messungen der DUH könne der Kläger auch im vorliegenden Verfahren nicht durchdringen, da seine Argumentation die gesetzlichen Grundlagen vermische. Die Messungen der DUH seien im realen Fahrbetrieb durchgeführt worden. Die Messungen, die für die Erteilung der EG-Typgenehmigung erfolgt und für die Hersteller für das streitgegenständliche Fahrzeug verbindlich seien, seien dagegen solche, die ausschließlich auf dem Rollenprüfstand im sog. NEFZ erfolgt seien. Erst für Fahrzeuge, die ab September 2017 zugelassen worden seien, seien zusätzliche Messungen auf der Straße mit sog. Portable Emission Measurement Systemen (PEMS) mit zu berücksichtigen. Die Ausführungen des Klägers zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig würden ohne Bezug zum hiesigen Rechtsstreit erfolgen. Bei dem Antrag auf Beiziehung der Ermittlungsakten handele es sich außerdem um einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag. Gewährleistungsansprüche würden von vornherein ausscheiden, da sie – insoweit unstreitig – nicht Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei.
36Mit Schriftsatz vom 15. März 2021 führt die Beklagte im Kern ergänzend unter Bezugnahme auf weitere amtliche Auskünfte des KBA (Anlage BE 5 – GA 624 ff.) aus, dass kaum ein Aggregat intensiver durch das KBA untersucht worden sei als das hier streitgegenständliche EA288-Aggregat. Der Umfang sei unvergleichlich. Fahrzeuge mit EA 288-Motoren seien über mehr als fünf Jahre in drei Phasen umfassend durch das KBA untersucht worden. Zunächst im Jahr 2015/2016 durch die Untersuchungen und Tests des KBA im Rahmen der „Untersuchungskommission A“, deren Ergebnisse in dem Bericht von April 2016 veröffentlicht worden seien. Sodann von 2017 bis 2019 vor der Genehmigung der freiwilligen Software-Updates u.a. für EA 288-Fahrzeuge, die Hersteller im Rahmen des Nationalen Forums Diesel zugesagt gehabt hätten; die Genehmigung des Software-Updates setze voraus, dass in der vorherigen Untersuchung keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden sei. Schließlich von 2019 bis 2020 in seiner Funktion als Marktüberwachungsbehörde, in der das KBA spezifische Feldüberwachungen an verschiedenen aus dem Feld gezogenen EA 288-Fahrzeugen durchgeführt habe. Das dreifache Prüfungsprogramm habe das KBA in amtlichen Auskünften gegenüber verschiedenen Gerichten mehrfach verdeutlicht (Anlagen BE 5, BE 10 – 12). Die Ergebnisse seien immer dieselben geblieben. Fahrzeuge mit dem Aggregat EA 288 enthielten keine unzulässige Abschalteinrichtung. Insbesondere sei der Verbau einer Fahrkurvenerkennung dem KBA seit deren Offenlegung im Jahr 2015 bekannt gewesen und von diesem nicht als unzulässige Abschalteinrichtung gerügt worden. Das KBA habe auch für das hier streitgegenständliche Aggregat bestätigt, dass dieses keine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte. Das ergebe sich aus der amtlichen Auskunft des KBA gegenüber dem LG Freiburg vom 12. Oktober 2020 (A E 2.0 l 110 kW und 135 kW EU 6; Anlage BE 12 – GA 628 f.).
37Mit weiterem Schriftsatz vom 18. März 2021 reichte die Beklagte u.a. den KBA-Bericht „Wirksamkeit von Software-Updates zur Reduzierung von Stickoxiden bei Dieselmotoren“ vom 10. Januar 2020 (Anlage BE 19) zur Akte. Zudem wiederholt sie im Kern ihr bisheriges Vorbringen und verweist mit Blick auf den Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 10. März 2021 darauf, dass, soweit sich der Kläger auf KBA-Auskünfte zu 3 Liter VTDI Motoren beziehe, der Vortrag ins Leere gehe, da sich diese bereits in baulicher und technologischer Hinsicht erheblich von dem hier vorliegenden EA288-Motor unterschieden. Die in Bezug genommenen 3 Liter VTDI-Motoren, die – insoweit unstreitig – in der Produktionsverantwortung der I AG lägen, verfügten insbesondere über einen deutlich größeren Hubraum, seien leistungsstärker und wiesen eine höhere Zylinderzahl auf. Diese Motoren seien damit im Ergebnis nicht vergleichbar mit den EA288-Motoren. Schon deshalb seien die Behauptungen des Klägers ohne Belang. Im Übrigen bleibe es dabei, dass das KBA bei seinen Überprüfungen im Jahr 2015 und 2016 auf ein Standardverfahren zur Ermittlung unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückgegriffen habe, das übrigens auch von der Europäischen Kommission in ihren „Leitlinien für die Bewertung zusätzlicher Emissionsstrategien und des Vorhandenseins von Abschalteinrichtungen“ aus dem Jahr 2017 (Anlage BE 15) empfohlen und zu Grunde gelegt werde. Die Kommission rate dort dazu, Fahrzeuge im NEFZ und in abgewandelten Testzyklen auf der Rolle und im normalen Fahrbetrieb zu prüfen und die Prüfergebnisse aus den jeweiligen Zyklen zu vergleichen. Die Aussage des Klägers, das vom KBA gewählte Verfahren sei „fehlerlastig“ und unzureichend, sei nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil: Das KBA habe das aktuell gültige Standardverfahren auf eine repräsentative Auswahl von EA288-Fahrzeugen angewendet und dabei festgestellt, dass sich Hinweise auf einen Verdacht des Verbaus unzulässiger Abschalteinrichtungen bei EA288-Fahrzeugen als unbegründet erwiesen hätten. Die Forderung nach einer umfassenden Softwareanalyse durch den Kläger setze sich damit in Widerspruch zu den Vorgaben der Kommission und der Verfahrenspraxis des KBA. Auch der Vortrag des Klägers, dass nur zwei Fahrzeuge mit einem SCR-Katalysator untersucht worden seien, sei vorliegend schon deshalb unerheblich, da hier unstreitig ein Fahrzeug mit einem NSK streitgegenständlich sei.
38Der Senat hat am 23. März 2021 mündlich verhandelt.
39Im Termin hat der Beklagtenvertreter, der eine Generalauskunft des KBA vom 18. Februar 2021 betreffend einen I x1 2.0 l TDI Euro 6 mit einem EA 288-Motor überreichte (GA 656 f.), ausgeführt, dass die Nutzung der Fahrkurve dem KBA Anfang Oktober 2015 offen gelegt worden sei. Bei dem in der Auskunft des KBA vom 12. Oktober 2020 an das LG Freiburg (Anlage BE 12 – GA 628 f.) bezeichneten E mit 110 kW handele es sich um ein Fahrzeug mit NSK. Die 110 kW-Fahrzeuge gebe es nicht als SCR-Fahrzeug. Die dort auf Seite 2 erwähnte ABE 91774 betreffe NSK-Fahrzeuge. Das 110 kW-Fahrzeug und das 135 kW-Fahrzeug seien in demselben Cluster. Die Motorisierung sei nicht allein ausschlaggebend. Die Bestätigungsmessung des 110 kW-Fahrzeugs sei repräsentativ auch für den in dem Schreiben an das Landgericht Freiburg bezeichneten A E 2.0 l Diesel 135 kW Euro 6 und damit auch für das hier streitgegenständliche Fahrzeug.
40Im Anschluss an den Senatstermin erhielt der Kläger Gelegenheit, bis zum 20. April 2021 zu den Schriftsätzen der Beklagten vom 15. März 2021 und 18. März 2021 und erhielten beide Parteien Gelegenheit, innerhalb der genannten Frist zu den Erörterungen im Senatstermin Stellung zu nehmen.
41Der Kläger bemängelte mit Schriftsatz vom 19. April 2021 – neben weiteren Ausführungen –, dass die im Termin vorgelegte Auskunft eine I x1 betreffe und bestreitet insoweit mit Nichtwissen, dass die Auskunft noch aktuell sei, das KBA seine Auffassung nicht geändert habe, die Ausführungen für das streitgegenständliche Fahrzeug Gültigkeit beanspruchten und die unbekannten Ersteller zu der Fertigung des Dokuments befugt gewesen seien und der erteilten Auskunft tatsächliche Untersuchungen durch das KBA vorangegangen seien. Weiter bestreitet er mit Nichtwissen, dass dem KBA die Bedatung des Thermofensters vollständig mitgeteilt worden und das KBA daher in Kenntnis aller Umstände zu dem Schluss der Zulässigkeit gekommen sei und meint, die Beklagte hätte hierzu rechtzeitig erwidern können, was nicht erfolgt sei, so dass sein Vortrag als zugestanden gelte. Zudem bestreitet er mit Nichtwissen, dass das KBA keine unzulässigen Abschalteinrichtungen gefunden habe und eigene Prüfungen auf Abgasrollenprüfständen und bei unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt und auch die Software auf unzulässige Abschalteinrichtungen geprüft habe. Er ist der Ansicht, eine „allgemeingültige“ Erklärung könne das KBA für EA288-Motoren auch nicht abgeben, da im A y1 dieser Motor verbaut sei und angeordnete Rückrufe bestünden, die auch bestandskräftig seien.
42Die Beklagte verweist mit Schriftsatz vom 20. April 2021 im Kern auf ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. P vom 8. Februar 2021 (Anlage BE 20) aus einem Parallelverfahren vor dem LG Coburg (25 O 435/19), der auf Grundlage eigener Messungen an einem Fahrzeug A E Q EA288 EU 6 mit NSK 2.0 l 110 kW, das mit dem streitgegenständlichen vergleichbar sei, zu folgender Bewertung gekommen sei: „Die Behauptung der Klagepartei, dass in dem streitgegenständlichen Motor EA288 im Fahrzeug des Klägers eine Software (z.B. Lenkwinkelerkennung, Temperaturerkennung, Zeitvermessung) verbaut ist, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand zum Durchfahren des neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) befindet und in diesem Fall die Abgasrückführung in einer anderen Weise regelt als im normalen Straßenverkehr, um so auf dem Prüfstand die gesetzlich geforderten Stickoxidemissionen einzuhalten, während sich das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr durchgängig in einem anderen Modus mit höheren Stickoxidemissionen befindet, kann aufgrund der hier durchgeführten Messungen nicht bestätigt werden“.
43Mit weiterem Schriftsatz vom 5. Mai 2021 tätigte die Beklagte weitere Ausführungen mit Blick auf den klägerischen Schriftsatz vom 19. April 2021 und führte u.a. aus, dass das KBA auch bei dem A y1 EA288 EU 6 keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt habe, sondern der überwachte Rückruf nur aufgrund einer Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverfahrens durchgeführt worden sei.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen. Im Übrigen wird auf das Protokoll der Sitzung vom 23. März 2021 (GA 651 ff.) verwiesen.
45II.
46Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Ihm stehen keine – mangels eines Vertragsverhältnisses hier allein in Betracht kommenden – deliktsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu.
471. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB bestehen nicht (BGH, Urteile vom 23. März 2021 – VI ZR 1180/20, juris Rn. 19; vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 10; vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 10 ff., 17 ff.; vom 8. Dezember 2020 – VI ZR 244/20, juris Rn. 20).
482. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Kaufpreises aus §§ 826, 31 BGB zu.
49Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr., etwa BGH, Urteile 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, juris Rn. 8; vom 28. Juni 2016 – VI ZR 541/15, juris Rn. 17; vom 19. November 2013 – VI ZR 336/12, juris Rn. 9 mwN).
50a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 25 ff.) wie des Senats (etwa Urteil vom 10. September 2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 43 ff.) liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor, wenn der Fahrzeughersteller auf der Grundlage einer für seinen Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in hohen Stückzahlen in Deutschland in eigenen und in Fahrzeugen der weiteren Konzernunternehmen Dieselmotoren der Baureihe EA189 in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt (heimlich) so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (Abl. L 171 vom 29. Juni 2007 S. 1 ff.) nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 397/19, juris Rn. 11; vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 juris Rn. 16 ff.; Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 5 ff.). Denn damit einher geht einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zum Fahrzeugkäufer, der eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwarb, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Gebrauchtfahrzeug handelte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 16; vgl. zur Sittenwidrigkeit auch Senatsurteil vom 5. März 2020 – 13 U 326/18, juris Rn. 61 mwN).
51b) Von einem derartigen sittenwidrigen Verhalten kann hier bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Vortrag des Klägers zu dem Vorhandensein (mindestens) einer unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug bzw. zu einer angeblichen Täuschung der Behörden durch die Beklagte als „Behauptung ins Blaue hinein“ zu werten ist und damit unberücksichtigt zu bleiben hat.
52aa) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist allerdings bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 17. November 2020 – II ZR 68/20, juris Rn. 15 mwN; Beschlüsse vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19, juris Rn. 7; vom 14. Januar 2020 – VI ZR 97/19, juris Rn. 8; vom 26. März 2019 – VI ZR 163/17, juris Rn. 11). Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr., BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2020, VIII ZR 57/19, juris Rn. 7; vom 26. März 2019 – VI ZR 163/17; jeweils mwN).
53Im Regelfall unerheblich ist auch, wie wahrscheinlich die behauptete Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 – VI ZR 300/18, juris Rn. 11). Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält (st. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 385/18, juris Rn. 83; vom 7. Februar 2019 – III ZR 498/16, juris Rn. 37; Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII R 57/19, juris Rn. 8 mwN). Die Vorschriften über den Beweisantritt (etwa §§ 373, 403 ZPO) verlangen grundsätzlich auch nicht, dass eine Partei sich darüber äußert, welche Anhaltspunkte sie für die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Behauptung hat (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2020 – VI ZR 97/19, juris Rn. 8; vom 1. August 2007 – III ZR 35/07, juris Rn. 7). Wie weit eine Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, hängt von ihrem Kenntnisstand ab (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2020 – VI ZR 97/19, juris Rn. 8).
54bb) Eine Behauptung ist aber dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist (st. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 29. Januar 2020 – VIII ZR 385/18, juris Rn. 83; vom 7. Februar 2019 – III ZR 498/16, juris Rn. 37; Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 8 mwN), mithin aus der Luft gegriffen ist und deshalb ein Rechtsmissbrauch vorliegt (BGH, Urteil vom 9. Februar 2018 – V ZR 274/16, juris Rn. 11 mwN). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 8; vom 14. Januar 2020 – VI ZR 97/19, juris Rn. 8; jeweils mwN).
55Mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Konzeption und Funktionsweise des in seinem Fahrzeug eingebauten Motors einschließlich des Systems zur Verringerung des Stickoxidausstoßes kann der Laie keine genauen Kenntnisse von dem Vorhandensein und der konkreten Wirkung einer Abschalteinrichtung haben (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 9). Er ist letztlich auf Vermutungen angewiesen und kann diese naturgemäß nur auf einige greifbare Anhaltspunkte stützen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 10). Von ihm kann daher nicht verlangt werden, dass er im Einzelnen darlegt, weshalb er von dem Vorhandensein einer oder mehrerer Abschalteinrichtungen ausgeht und wie diese konkret funktionieren. Vielmehr ist von ihm nur zu fordern, dass er greifbare Umstände anführt, auf die er den Verdacht gründet, sein Fahrzeug weise eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf (BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 10).
56cc) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist den Beweisantritten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers zu vermeintlichen unzulässigen Abschalteinrichtungen in seinem Fahrzeug nicht nachzugehen. Er hat seine Behauptungen ohne greifbare Anhaltspunkte, die dem streitgegenständlichen Motortyp zuzuordnen wären, vorgebracht (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn. 31, 43; OLG Köln, Urteil vom 28. April 2021 – 5 U 129/20, juris Rn. 30; OLG Oldenburg, Urteil vom 19. März 2021 – 6 U 283/20, juris Rn. 39, 44; OLG München, Beschluss vom 15. März 2021 – 20 U 7287/20 unter 1. a) bb); OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. März 2021 unter II. 2. b) bb. (2) (a); OLG München, Beschlüsse vom 8. März 2021 – 17 U 6806/20 unter 1.; vom 5. März 2021 – 18 U 6488/20 unter I. 2. b) aa), I 2. b) aa) (2); jeweils vorgelegt als Anlagenkonvolut BE 22; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021 – 16a U 196/19, juris Rn. 35; OLG Dresden, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 9a U 2974/19, juris Rn. 27, 29; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 4 U 51/20, juris Rn. 14; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 59).
57(1) Die Ad-hoc Mitteilung der Beklagten nach § 15 WpHG vom 22. September 2015 bezieht sich nur auf die von der Beklagten entwickelte und hergestellte Motorvariante EA189. Der Umstand, dass die Beklagte im Motortyp EA189 eine unzulässige Abschalteinrichtung nebst Prüfstanderkennung („Umschaltlogik“) verwendet hat, stellt noch keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass dies auch beim Motortyp EA288 der Fall ist (OLG Dresen, Urteil vom 4. Dezember 2020 – 9a U 2074/19, juris Rn. 30; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021 – 16a U 196/19, juris Rn. 54).
58(2) Tatsächliche Anhaltspunkte für die Implementation einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem klägerischen Fahrzeug lassen sich auch nicht mit Bezug auf Vorgänge in den USA herleiten, da aufgrund der regulatorischen Unterschiede zwischen Europa und USA und den hieraus folgenden unterschiedlichen Anforderungen von möglichen Manipulationen in US-Fahrzeugen nicht auf solche in EU-Fahrzeugen geschlossen werden kann (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021 – 16a U 196/19, juris Rn. 55).
59(3) Vor diesem Hintergrund verfängt auch der Hinweis auf den Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 13. Juni 2018 (411 Js 27840/18) (Anlage K 12) nicht, denn in diesem sind als Gegenstand des Verfahrens nur die „Abgasmanipulationen bei den Dieselmotoren des A-Konzerns Typ EA189 sowie bei Fahrzeugen mit dem Motor EA288 auf dem US-Markt“ benannt.
60(4) Ebenso wenig bieten die weiter benannten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig genügende Anhaltspunkte für den Verbau einer abgasmanipulierenden Software in dem klägerischen Fahrzeug. Auch insoweit ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass sich diese gerade auf den hier streitgegenständlichen Motortyp EA 288 und nicht lediglich auf den zunächst im Zentrum stehenden EA189 beziehen. Die insoweit als Anlage K10 in Bezug genommene Mitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 18. Mai 2018 an das Landgericht Landau an der Pfalz betreffend die dort geführten Verfahren 411 Js 46675/15 und 411 Js 49032/15 verhält sich lediglich in allgemeiner Form über seit September 2015 geführte Ermittlungen im Zusammenhang mit der sog. „Diesel-Abgas-Affäre“. Die weiter herangezogene Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 27. Januar 2017 (Anlage K11) verhält sich im Schwerpunkt darüber, dass in dem dort geführten „Ermittlungsverfahren gegen verantwortliche Mitarbeiter der A AG wegen der Manipulation von Abgaswerten bei Diesel-Fahrzeugen“ „die Zahl der Beschuldigten aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse von 21 auf nunmehr 37 Personen“ ausgeweitet worden sei. Ein Bezug zu dem hier streitgegenständlichen Motor EA288 ist nicht erkennbar.
61(5) Auch das – von dem Kläger in der Klageschrift nur teilweise – einkopierte Schreiben der Beklagten an das Kraftfahrtbundesamt vom 29. Dezember 2015 (GA 4 – 6), betreffend die sogenannte „Akustikfunktion inklusive Fahrkurve“, die auch in dem Motor EA 288 verbaut worden sei, und die „Detektierung eines Lenkwinkels“ in der „in Nordamerika eingesetzten Variante des EA 189“, deutet nicht auf das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem klägerischen Fahrzeug hin, welche mit derjenigen im Motor EA189 vergleichbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn. 45; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021, juris Rn. 48; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 52). Das Gegenteil ist der Fall. Denn zum einen besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Schreibens ein Bezug des Lenkwinkels nur zum Motortyp EA189 und insoweit auch nur ausschließlich betreffend die in Nordamerika eingesetzte Variante des EA189. Zum anderen führt Beklagte in dem – senatsbekannten – Schreiben vom 29. Dezember 2015 auf (der nur unvollständig einkopierten) Seite 3 unmittelbar anschließend weiter gerade ausdrücklich aus:
62„Die vorstehend beschriebene Applikation mit der sogenannten Akustikfunktion inklusive Fahrkurve ist in allen Steuergeräten der Firmen R, S und T seit Einführung der CR-Technologie ab 2007 in den A Dieselaggregaten der Baureihen EA 189 und EA 288 enthalten, wobei sie, wie bereits mehrfach dargelegt und nachgewiesen – in der Aggregatebaureihe EA 288 keinen Einfluss auf die Emissionen des Aggregates hat.“
63Einhergehend damit heißt es in der von dem Kläger – ebenfalls nicht vollständig – als Anlage K3 bzw. K14 vorgelegten internen Unterlage der Beklagten „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 288“ vom 18. November 2015 auf der dortigen Seite 22 „Umschaltstrategie Bedatungsebenen EA 288 EU6 NSK“ im unteren Bereich: „Die Funktion unterscheidet zwei NSK-Regenerationsstrategien. … und rechts daneben „Emissionseinfluss Nein“.
64(6) Ebensowenig bieten die sich aus den zu (5) genannten Unterlagen ergebende – unstreitig – in dem klägerischen Fahrzeug im Auslieferungszustand implementierte „Fahrkurve/Umschaltstrategie“ mit „nur streckengesteuerter“ und „im normalen Fahrbetrieb strecken- und beladungssgesteuerter Platzierung von DeNOx-/DeSOx-Events“ für sich genommen hinreichenden Anlass für die Annahme des Verbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem Fahrzeug des Klägers.
65Eine Fahrkurvenerkennung ist nicht an sich unzulässig. Vielmehr ist dies gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 nur dann der Fall, wenn dadurch eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 aktiviert wird, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringert.
66Zu den Hintergründen der Verwendung der Fahrkurvenerkennung hat die Beklagte dezidiert vorgetragen, dass sich keinerlei Auswirkungen auf das Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Fahrzeugs ergäben. Sie hat dazu detailliert ausgeführt, dass NSK-Fahrzeuge als Abgasnachbehandlungssystem den NOx-Speicher-Katalysator enthielten. Auf diesem würden auf einer katalytisch beschichteten Oberfläche die NOx während des Fahrbetriebs zunächst in einen Speicher eingelagert, was wiederum eine daran anknüpfende regelmäßige Regeneration erforderlich mache. Die Regeneration des NSK sei ein chemischer Vorgang, durch den die eingelagerten Stickoxide größtenteils aus der Speicherstruktur entfernt und in die Komponenten Stickstoff (N2) und Kohlendioxid (CO2) reduziert würden. Jede NSK-Regeneration selbst wirke sich auf CO2- und Schadstoffemissionen aus. Die NSK-Regeneration werde auch als sog. „DeNOx-Event“ oder „DeNOx-Auslösung“ bezeichnet; eine weitere Regeneration gebe es für die Entschwefelung, als „DeSOx“ bezeichnet. Bis zum Modelljahreswechsel in der Kalenderwoche 22 des Jahres 2016 sei die NSK-Regeneration im realen Straßenbetrieb je nach Fahrprofil bei den EA228 EU6-Motoren strecken- und beladungsgesteuert ca. alle 5 gefahrene km bzw. nach voller Beladung vollzogen worden, je nachdem, welches Ereignis vorher eingetreten sei (gefahrene Strecke oder volle Beladung). Aufgrund dieser ca. alle 5 km erfolgenden Regenerationsintervalle würde die Anzahl der Regenerationen, die während des gesetzlichen Prüfzyklus NEFZ (11 km) gefahren würden, davon abhängen, in welchem Beladungszustand der NSK sich zu Beginn des Prüfzyklus befinde. Sei der NSK leer oder fast leer, könne es während des NEFZ-Prüfzyklus nach Erreichen der jeweiligen 5 km Strecke zu zwei Regenerationen kommen. Sei der NSK voll oder fast voll, könne dies während des NEFZ-Zyklus zu drei Regenerationen führen. Die Messergebnisse zwischen diesen beiden Fällen seien nicht vergleichbar. Zum anderen stelle nur ein Test mit anfänglich leerem NSK sicher, dass der Test tatsächlich diejenigen NOx-Emissionen widerspiegele und repräsentativ abbilde, die von Beginn bis zum Ende des Zyklus entstünden, während im zweiten Fall noch NOx-Emissionen aus einem vorangegangenem Fremd-Zyklus regeneriert würden. Um dieses Problem zu vermeiden und zur Gewährleistung einer sowohl repräsentativen wie reproduzierbaren NEFZ-Messung sei es deshalb in den Fällen eines ca. alle 5 km regenerierenden NSK erforderlich, darauf zu achten, dass der NEFZ-Prüfzyklus mit einem leeren oder fast leeren NSK beginne. Die Fahrkurvenerkennung habe insbesondere bewirkt, dass der NSK am Ende der einem NEFZ stets vorgeschalteten Vorkonditionierungsfahrt, sog. Preconditioning oder „Precon“, vollständig regeneriert worden sei, damit er zu Beginn der NEFZ-Prüffahrt leer sei und dass innerhalb des NEFZ der NSK an zeitlich genau definierten Punkten regeneriere. Das bedeute eine Regeneration nach jeweils 5 km; zum einen im ersten Drittel des außerstädtischen Teils (bei ca. 70 km/h) und zum zweiten Mal kurz vor dem Ende des außerstädtischen Teils (bei ca. 100 km/h). In der „Anwendungsbeschreibung“ habe sie diesen technischen Sachverhalt beschrieben und dem KBA offengelegt. Sodann habe sie unter „Applikationsrichtlinie“ den künftigen Umgang mit der Fahrkurvenerkennung beschrieben: „SOP vor 22/2016“: Für Neufahrzeuge und neue Modelle, bei denen der Produktionsstart (SOP) zwischen der KW 47/2015 und der KW 22/2016 liege, bleibe die bisherige Bedatung unverändert. Das erfolge laut Applikationsrichtlinie „unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für Roh- und Endrohremissionen“, womit sie auf die gesetzlichen Vorgaben auf S. 3 verwiesen habe. „SOP ab 22/2016 (für SOP, Modellpflege)“: Insoweit seien die Fahrkurven entfernt. EA228-Fahrzeuge mit SOP ab KW 22/2016 enthielten also grundsätzlich keine Fahrkurve mehr. Für die Steuerung der NSK-Regeneration bei diesen Fahrzeugen laute der Hinweis: „Umschaltungen oder die Platzierung von Abgasnachbehandlungsevents muss auf Basis physikalischer Randbedingungen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für Roh- und Endrohremissionen erfolgen.“ In technischer Hinsicht sei eine Umstellung auf eine neue Technologie erfolgt, mit der die NSK-Regeneration grundlegend umgestellt worden sei, nämlich das sog. „Günstigkeitsprinzip“. D.h. die Regeneration des NSK erfolge jeweils dann, wenn ein dafür günstiges Fahrprofil gefahren werde, unabhängig von der Beladung. Ein günstiges Fahrprofil zur Regeneration des NSK liege beispielsweise bei einer Konstantfahrt bei mittlerer Volllast vor, etwa wenn das Fahrzeug auf 70 km/h oder auf 100 km/h beschleunige. Solche Konstantfahrten würden im außerstädtischen Teil 2 des NEFZ (EUDC) erfolgen. Da der vor einer NEFZ-Prüffahrt liegende Precon aus drei EUDCs bestehe, sei damit auch nach dem neuen Modell sichergestellt, dass der NSK am Ende des Precon regeneriere und der NEFZ mit einer nahezu leeren Anfangsbeladung gefahren werde. Zugleich erfolge auf diese Weise am Ende der NEFZ-Prüffahrt eine Regeneration, so dass sämtliche im NEFZ entstandene Emissionen in die Messung einflössen. Auf diese Weise könnten auch ohne eine fahrkurvenabhängige streckengesteuerte NSK-Entladung vor Beginn und am Ende des NEFZ repräsentative wie reproduzierbare Ergebnisse erreicht werden. „SOP ab 22/2016 (für KD-Master)“: Für Softwaremaßnahmen an im Feld befindlichen Fahrzeugen werden auch nach der KW 22/2016 nur „Fehler-Abstellmaßnahmen umgesetzt“, d.h. es würden dann, wenn bei Feldfahrzeugen im Einzelfall Fehler auftreten, diese abgestellt, ohne dass dies zum Anlass genommen werde, generell die Fahrkurve zu entfernen, so dass, vorbehaltlich einer „abweichenden Einzelfallentscheidung“, bei diesen Fahrzeugen die „Steuerung der NSK-Events unverändert erfolgt zur Basis der in Serie freigegebenen Software und Bedatung.“ Allerdings sei in einer Aktualisierung der Applikationsrichtlinie vom 18. November 2015 im Juli 2016 entschieden worden, generell die Fahrkurvererkennung bei Feldfahrzeugen anlässlich von Software-Änderungen ab KW 4/2018 auszubauen. Das führe im Ergebnis dazu, dass aus sämtlichen im Feld befindlichen EA 288-Fahrzeugen auch die Fahrkurvenerkennung aus den oben geschilderten Gründen entfernt werde – auch bei denen, deren SOP vor KW 22/2016 gelegen habe oder bei denen nach KW 22/2016 keine Modellpflegemaßnahme durchgeführt worden sei.
67Diesem erheblichen Vortrag hat der Kläger nichts Substantielles entgegen gesetzt. Er stimmt überdies mit der vorgelegten Auskunft des KBA vom 12. Oktober 2020 an das LG Freiburg (Anlage BE 12), wonach der dort bezeichnete Fahrzeug A E 2.0 l Diesel 135 kW Euro 6 EA288 keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissonsverhaltens aufweise, und diversen weiteren, von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegten (u.a. Anlagenkonvolut BE 21) Auskünften des KBA überein, wonach Prüfungen im KBA gezeigt hätten, dass auch bei Deaktivierung der Funktion „Umschaltlogik“ in der Motorsteuerung der Aggregate EA288 die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten worden seien, so dass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele.
68(7) Bei der von dem Kläger zur Begründung eines Anspruchs weiter herangezogenen „Lenkwinkelerkennung“, „Temperaturerfassung“ und „Zeiterfassung“ handelt es sich – wohl auch nach Ansicht des Klägers – um bloße Parameter, um die Zyklus- bzw Prüfstandsbedingungen zu erkennen. Das Vorhandensein von Erkenntnisfunktionen an sich wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt und mit den unter I. dargestellten Argumenten von ihr als technisch unerlässlich bezeichnet. Ob die von dem Kläger bemängelten Erkenntnisfunktionen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommen, kann dahinstehen. Unzulässig wären sie jedenfalls nur dann, wenn sie Einfluss auf eine unterschiedliche Abgasbehandlung zwischen Prüfstand und normalem Fahrbetrieb nähmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn. 46 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 53; OLG Oldenburg, Urteil vom 19. März 2021 – 6 U 283/20, juris Rn. 36).
69(8) Für seine Behauptung, bei seinem Fahrzeug erfolge eine unterschiedliche Emissionsbehandlung, je nachdem ob sich das Fahrzeug in der Prüfstandsanordnung oder im Normalbetrieb befinde, hat der Kläger indes keine belastbaren Umstände dargetan.
70(a) Ohne Belang ist insoweit allerdings, dass ein Rückruf seitens des KBA im Zusammenhang mit der Emissionsbehandlung für Fahrzeuge der streitgegenständlichen Art vom Kläger nicht dargelegt worden und dem Senat auch sonst nicht – insbesondere nicht aus den allgemein zugänglichen Quellen des KBA – bekannt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 13).
71(b) Der angeordnete Rückruf hinsichtlich Fahrzeugen der streitgegenständlichen Art vom 10. Oktober 2019 betraf, anderes behauptet auch der Kläger nicht, eine technische Konformitätsabweichung und ist aufgehoben worden. Die Hintergründe des ursprünglichen Rückrufes hat die Beklagte zudem im Einzelnen, wie unter I. dargestellt, erläutert. Dem ist der Kläger nicht näher entgegen getreten.
72(c) Soweit der Kläger darauf verweist, es gebe für Fahrzeuge des Typs EA 288 freiwillige Servicemaßnahmen, und anders, als es die Beklagte darstelle, sei Hintergrund einer freiwilligen Servicemaßnahme, dass das KBA emissionsbezogene Abschalteinrichtungen festgestellt habe, diese jedoch nach den vorgelegten Unterlagen des Herstellers unter Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a der VO (EG) 715/2007 subsumiert und daher nicht als unzulässig deklariert habe, wozu er auf ein Verfahren vor dem LG Ingolstadt (81 O 265/20), das einen I x4 3.0 l EU 5 betrifft, sowie auf ein Verfahren vor dem OLG Frankfurt (13 U 23/19) betreffend ein 3.0 l TDI V6-Fahrzeug, in dem entsprechende Auskünfte des KBA (vgl. GA 587 f., 589 f.) erteilt worden seien, Bezug nimmt, ergeben sich auch hieraus keine Umstände, die zum Beleg einer in seinem Fahrzeug implementierten emissionsbezogenen Abschalteinrichtung geeignet wären. Zu Recht bringt die Beklagte hierzu vor, dass der Vortrag ins Leere gehe, da sich die KBA-Auskünfte auf 3 Liter VTDI Motoren bezögen. Ihrem Vorbringen nach unterscheiden sich diese bereits in baulicher und technologischer Hinsicht erheblich von dem hier vorliegenden EA288-Motor; die in Bezug genommenen 3 Liter VTDI-Motoren verfügten insbesondere über einen deutlich größeren Hubraum, seien leistungsstärker und wiesen eine höhere Zylinderzahl auf. Sie lägen zudem in der Produktionsverantwortung der I AG. Diese Motoren seien damit im Ergebnis nicht vergleichbar mit den EA288-Motoren. Auch hiergegen erinnert der Kläger nichts.
73(d) Soweit der Kläger ohne nähere Ausführungen auf bestandskräftig angeordnete Rückrufe hinsichtlich A y1-Fahrzeugen hinweist, in denen ebenfalls der Motor EA288 verbaut sei, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Rückrufe sich auf die gleiche Technologie, über die das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt, namentlich die Verwendung eines NSK im Rahmen der Abgasbehandlung, beziehen.
74(e) Der nach Bekanntwerden des „Dieselskandals“ – und ersichtlich in Kenntnis des KBA auch hinsichtlich der in dem EA288-Motor verwendeten Fahrkurve/Umschaltlogik – durchgeführte Feldversuch, der in dem Bericht „Untersuchungskommission A“ niedergelegt ist, hat in Bezug auf ein Fahrzeug der hier streitgegenständlichen Art (vgl. Seite 62 des genannten Berichtes) zwar zu festgestellten Abweichungen der Emissionen im NEFZ und Fahrbetrieb geführt.
75Allerdings wurde nach dem Ergebnis dieses Berichtes die Schwelle zur Annahme einer Abschalteinrichtung nicht überschritten und das Fahrzeug in die als unbedenklich erachtete Gruppe I. eingestuft. Aus diesem Bericht ergibt sich zudem, dass die Tests durch vom KBA beauftragte unabhängige Prüfer durchgeführt wurden und zwar mit Fahrzeugen, von denen sichergestellt wurde, dass diese nicht von der Beklagten ausgesucht werden konnten. Weiter ist dem Bericht zu entnehmen, dass es dabei gerade darum ging, in variierten Verfahren unzulässige Abschalteinrichtungen zu entdecken, wozu Test in verschiedenen Prüfzyklen und auch mit Straßenmessungen (PEMS) erfolgten (Seiten 8, 12, 13 ff, 60 des Berichts) (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 45).
76Die Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für den Stickoxidausstoß im Straßenbetrieb bei Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstandsbetrieb ist als solche auch nicht geeignet, den Rückschluss auf eine unzulässige Abschalteinrichtung zu ziehen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Januar 2021 – 16a U 196/19, juris Rn. 59 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 44).
77(f) Der Verweis des Klägers auf einen Test der Deutschen Umwelthilfe e.V. an einem I x1 mit EA 288-Dieselmotor und Euro 5-Norm, wonach die emittierten NOx-Werte des Fahrzeugs nach ca. 1400 Sekunden und somit nach einer „Pufferzeit“ von ca. 200 Sekunden exorbitant anstiegen, ist schon deswegen nicht geeignet, eine emissionsbeeinflussende Motorsteuerungsstrategie in seinem Fahrzeug zu belegen, weil in seinem Fahrzeug ein anderer Motortyp, nämlich der Euro 6-Norm, verbaut ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn. 46; OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 4 U 171/18, juris Rn. 53).
78(g) Der divergierende Vortrag des Klägers einerseits, in dem Motor seines Fahrzeugs sei ein Thermofenster verbaut, das seiner konkreten Ausgestaltung nach, wie ihm aus „vergleichbaren Verfahren“ bekannt sei, nur in einem Bereich von ca. 17ºC bis 30º C zu 100 % aktiv sei, außerhalb des Temperaturfensters werde die Abgasreinigung stark reduziert und die Abgase würden unaufbereitet ausgestoßen, wodurch der NOx-Ausstoß, wie die benannten Messungen zeigten, enorm ansteige, wobei eine signifikante Reduktion jedenfalls bei einer Temperatur von 5ºC erfolge bzw. andererseits, die Abgasbehandlung werde bei Temperaturen unter 20ºC sowie über 30ºC zurückgefahren, wobei eine signifikante Reduktion jedenfalls bei einer Temperatur von 5ºC erfolge, ist bezogen auf sein Fahrzeug nicht näher erläutert oder belegt. Insbesondere ist nicht dargetan, welche „vergleichbaren Verfahren“ der Kläger im Blick hat und inwieweit solche überhaupt für das vorliegende Verfahren etwas hergeben könnten, als es gerade Fahrzeuge der streitgegenständlichen Art betrifft.
79Im Übrigen hat die Beklagte der klägerischen Behauptung detailliert widersprochen und ausgeführt, dass eine Abgasrückführung in sämtlichen EA288-Fahrzeugen in einem Temperaturbereich von -24ºC bis +70ºC in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur stattfinde. Lediglich außerhalb dieses weiten Temperaturbereiches sei eine Abschaltung der Abgasrückführung aus Gründen des Motorschutzes und des sicheren Betreibens des Fahrzeugs notwendig. Innerhalb des Fensters finde in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur eine kontinuierliche Abstufung, sogenannte Abrampung, statt. Dies bedeute nicht, dass die AGR entweder zu 100 % aktiv oder inaktiv sei. Im Ergebnis sei die Abgasrückführung in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur bei praktisch allen Fahrten aktiv. Sie werde nur in absoluten Extremtemperaturen vollständig außer Kraft gesetzt, d.h. sei gar nicht mehr aktiv. Um dieses breite Temperaturfenster erreichen zu können, habe sie das AGR-System gegenüber dem EA189-Vorgängermotor sowohl auf Hardware- als auch auf Software-Ebene weiterentwickelt. Softwareseitig habe sie die unteren Temperaturgrenzen an neue Entwicklungserkenntnisse angepasst. Hardwareseitig verfügten die Fahrzeuge mit EA 288-Aggregat (Abgasnorm EU 6) über eine ungekühlte Hochdruck-Abgasrückführung (HD-AGR) sowie über ein gekühltes Niederdruck-Abgasrückführungssystem (ND-AGR). Demgegenüber werde in den EA189-Fahrzeugen lediglich eine gekühlte Hochdruck-Abgasrückführung verwendet. Zwischen Hochdruck- und Niederdruck-Abgasrückführung bestehe ein entscheidender Unterschied. Während bei einem Hochdruck-Abgasrückführungssystem die Entnahme des Abgases vor dem Abgasturbolader und damit vor dem Abgasnachbehandlungssystem erfolge, leite das Niederdruck-Abgasrückführungssystem nach dem Dieselpartikelfilter entnommenes Abgas zurück in den Brennraum. Da das Abgas, wenn es erst nach dem Dieselpartikelfilter und damit auch nach dem Oxidationskatalysator entnommen werde, bereits von Ruß und unverbrannten Kohlenwasserstoffen gereinigt sei, sei das Niederdruck-Abgasrückführungssystem im Unterschied zum Hochdruck-Abgasrückführungssystem nicht von den sogenannten Verlackungs- und Versottungschäden betroffen und könne damit auch bei niedrigen Temperaturen ohne diese Verschmutzungsschäden betrieben werden. Darüber hinaus arbeite der EA288-Motor mit indirekter Ladeluftkühlung, die es ermögliche, die Temperatur des Frischgases, das der Verbrennung zugeführt werde, in weiten Bereichen unabhängig von der Umgebungstemperatur festzulegen. Damit könne auch bei sehr niedrigen Temperaturen noch eine Abgasrückführung stattfinden.
80Angesichts dieses konkreten Bestreitens der Beklagten und der Überprüfungen, die im Rahmen der „Untersuchungskommission A“ stattgefunden und nicht zur Feststellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geführt haben, ist auch dieser Vortrag des Klägers zu seinem Fahrzeug als ins Blaue hinein zu bewerten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 28. April 2021 – 5 U 129/20, juris Rn. 30; wohl auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2021 – 18 U 526/19, juris Rn.33).
81(9) Es kann dahinstehen, ob die jedenfalls vorhandene Abschaltung der Abgasreinigung in einem Bereich außerhalb von -24ºC bis + 70ºC eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Zulassungsvorschriften darstellt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – C-693/18, abrufbar unter http://curia.europa.eu). Auch wenn dies der Fall sein sollte, könnte von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten nicht ausgegangen werden. Die Verwendung eines solchen Thermofensters allein rechtfertigt den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit in der gebotenen Gesamtbetrachtung nämlich nicht (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 26 ff.). Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 19), die vorliegend jedoch nicht zugrunde zu legen sind.
82Für eine Bewertung als sittenwidrig reicht die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 25 ff.; vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 16). Der darin liegende Gesetzesverstoß ist selbst unter Berücksichtigung einer etwaigen damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 16). Eine Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die auf Seiten der Beklagten handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein tätig waren, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 25; vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 19). Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, juris Rn. 19).
83Anders als bei der ursprünglich vorhandenen Abschalteinrichtung bei Motoren des Typs EA 189 kann nicht aus der Funktionsweise eines „Thermofensters“ auf eine Billigung des Gesetzesverstoßes geschlossen werden (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 27). Die in Motoren des Typs EA 189 ursprünglich verwendete Software erkannte einen Prüfstandslauf, schaltete (nur) bei einem solchen die Abgasreinigung ein und war daher ersichtlich auf eine Verheimlichung angelegt. Angesichts der Funktionsweise des „Thermofensters“ spricht bei diesem jedoch nichts für eine planvolle Verheimlichung, welche eine Billigung des Gesetzesverstoßes belegen würde. Die temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 iVm Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.) entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, juris Rn. 27).
84Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die auf Seiten der Beklagten handelnden Personen nur von einer Unzulässigkeit ausgegangen sein können, denn die Zulässigkeit eines solchen „Thermofensters“ wird unterschiedlich beurteilt (siehe etwa die Nachweise bei OLG Frankfurt, Urteil vom 9. Dezember 2020 – 17 U 293/19, juris Rn. 61; siehe auch OLG Hamm, Beschluss vom 5. November 2020 – 18 U 86/20, juris Rn. 5; OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Oktober 2020 – 8 U 169/19, juris Rn. 23).
85(d) Soweit der Kläger geltend macht, dass die Beklagte das Thermofenster gegenüber dem KBA (bewusst) verschwiegen habe, dringt er mit diesem Vorbringen nicht durch. Auch diese Behauptung ist unbeachtlich, weil sie „ins Blaue hinein“ aufgestellt ist. Der Kläger macht im Kern geltend, aus der Unzulässigkeit eines Thermofensters sei auf das Bewusstsein des Gesetzesverstoßes und eine Verheimlichung des Thermofensters zu schließen. Das ist jedoch – wie ausgeführt – nicht der Fall.
86(10) Aus den genannten Gründen sind auch Maßnahmen beziehungsweise Unterlassungen der Beklagten im Zusammenhang mit etwaigen Verpflichtungen zur Fehlerkennung im Rahmen des Onboard-Diagnose-Systems (OBD) nicht geeignet, die Billigung des möglichen Gesetzesverstoßes zu belegen. Bleibt offen, ob die auf Seiten der Beklagten handelnden Mitarbeiter ihr Vorgehen für zulässig erachtet haben, kann es aus ihrer Sicht konsequent gewesen sein, im Rahmen der Programmierung des OBD das Thermofenster als zulässig zu erachten.
87(11) Nichts anderes ergibt sich aus den von den Prozessbevollmächtigen des Klägers für sich als mit einem positiven Ergebnis reklamierten obergerichtlichen Entscheidungen, mit denen er eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB zu begründen sucht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass in einem der genannten Verfahren das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Fahrzeug der hier streitgegenständlichen Art und das für eine Haftung der Beklagten erforderliche Bewusstsein positiv festgestellt worden wäre.
883. Aus den vorstehenden Gründen scheiden auch die weiter geltend gemachten Ansprüche aus.
894. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
905. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Beurteilung, ob der Beklagten vorliegend eine sittenwidrige Schädigung anzulasten ist, erfolgt auf der Grundlage der nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärten entscheidungserheblichen Rechtsfragen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.