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1. Zur Auslegung der Regelung in einem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, dass die Parteien zu einem festgelegten Zeitpunkt in Vertragsverhandlungen über einen zusätzlichen langfristigen Vergütungsbaustein für den Geschäftsführer eintreten werden.
2. Für die Auslegungsregel in § 612 Abs. 2 BGB ist kein Raum, wenn die Parteien eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung getroffen haben, die Bedeutung der Vereinbarung aber umstritten ist. Dieser Streit ist nach allgemeinen Auslegungsregeln zu klären.
3. Die vertragliche Regelung, die Parteien werden in Verhandlungen über einen Vergütungsbestandteil eintreten, begründet eine entsprechende Verpflichtung der Vertragsparteien. Daraus folgt aber keine Einigungspflicht, so dass aus dem Scheitern der Verhandlungen keine Pflichtverletzung des Dienstberechtigten abgeleitet werden kann. In dem Fall kann auch die Kausalität einer – unterstellten – Pflichtverletzung für den behaupteten Vergütungsschaden nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden.
Die Berufung des Klägers gegen das am 29.01.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der beiden Urteile jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger, der von 2011 bis 2017 Geschäftsführer der Beklagten war, begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Vergütung aus einem „zusätzlichen langfristigen Vergütungsbaustein (Long-Term Incentive Plan, LTIP)“, über den die Parteien laut Anstellungsvertrag „in Verhandlungen eintreten“ wollten, den sie aber nicht ausdrücklich vereinbart haben.
Der Kläger war aufgrund Geschäftsführeranstellungsvertrags vom 9.8.2011 (Anlage K2), ersetzt durch Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 29.2.2012 (Anlage K4), und Bestellungsbeschluss der Gesellschafterversammlung vom 16.9.2011 (Anlage K3) Geschäftsführer der Beklagten. In einem Vergleich zum Abschluss eines früheren, infolge der Beendigung des Vertrags geführten Rechtsstreits vereinbarten die Parteien u.a. Folgendes:
3„Erledigt sind ferner sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien untereinander, seien sie bekannt oder nicht, seien sie geltend gemacht oder nicht, seien sie in die Vorstellung der Parteien aufgenommen oder nicht. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus § 7 (6) des Anstellungsvertrages vom 29.02.2012 wegen Ansprüchen hinsichtlich des LTIP.“
4Die Regelung von § 7 des Anstellungsvertrags vom 29.2.2012 lautet auszugsweise:
5„(1) Der Geschäftsführer erhält ein festes Jahresgrundgehalt in Höhe von EUR 300.000 brutto (in Worten: dreihunderttausend), welches bargeldlos in zwölf gleichen Raten jeweils nachträglich zum 20. des Folgemonats gezahlt wird. Mit diesem Grundgehalt sind auch alle weiteren Tätigkeiten des Geschäftsführers für verbundene Unternehmen abgegolten. Ein Anspruch auf Vergütung von Über- oder Mehrarbeitsstunden sowie für Reisezeiten besteht nicht.
6(2) Neben seinem Jahresgrundgehalt erhält der Geschäftsführer einen weiteren, leistungsabhängigen Bonus in Höhe von maximal des Jahresgrundgehaltes. Die konkrete Höhe des Leistungsbonus ist abhängig von der Erreichung der zwischen den Parteien einvernehmlich im separaten MIP (management incentive plan) festgelegten Ziele. Der MIP wird jeweils zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres sowie unverzüglich nach Vertragsbeginn vereinbart.
7…
8(6) Zum Geschäftsjahr 2013 werden die Parteien in Verhandlungen über einen zusätzlichen langfristigen Vergütungsbaustein (Long-Term-Incentive-Plan, LTIP) eintreten.
9(7) Sowohl für den MIP als auch für den LTIP wird als Bezugsgröße jeweils ausschließlich auf die Gesellschaft, bspw auf Kennzahlen, Ergebnisse, Ereignisse etc. abgestellt werden.“
10Eine darüber hinausgehende Vereinbarung über den genannten langfristigen Vergütungsbaustein haben die Parteien – auch später – jedenfalls nicht ausdrücklich getroffen.
11Im Rahmen der Vertragsverhandlungen war der langfristige Vergütungsbaustein verschiedentlich im Gespräch. So schrieb das Aufsichtsratsmitglied der Beklagten T dem Kläger per E-Mail vom 25.7.2011 (Anlage K6) u.a.:
12„Wir wollen schon Ziele vereinbaren und die Struktur können Sie den angehängten MIT/LTIP Vorschlag entnehmen. Nach den 18 Monaten möchten wir den MIP von max. 100% Grundgehalt etwas reduzieren aber dies durch den LTIP überkompensieren.
13…
14Ich treffe mich morgen auch mit I , dann werden wir die noch fehlenden % und Summen für unser Angebot LTIP festlegen und dann melde ich mich wieder bei Ihnen.“
15Diese E-Mail enthielt in der Anlage ein allgemein gehaltenes, formularmäßiges Formulierungsbeispiel für eine entsprechende Vereinbarung.
16Der Vertrag vom 29.2.2012 entsprach ganz überwiegend dem früheren Vertrag vom 9.8.2011. Lediglich in § 7 haben die Parteien Absatz 7 neu eingefügt. Zu dieser Klausel hatte im Vorfeld der Personalmitarbeiter der Beklagten G dem Kläger per E-Mail v. 23.2.2012 (Anlage K7) erläutert:
17„In § 7 die Regelungen zu dem ‘incentive plan‘ (MIP und LTIP) eine abstrakte Klarstellung aufnehmen, dass Bezugsgröße der Pläne die U bzw. deren Geschäftstätigkeit ist.“
18In seiner Sitzung vom 29.5.2013 beschloss der Aufsichtsrat der Beklagten unter dem Tagesordnungspunkt „10. Zielerreichung“ u.a.:
19„Über die Ziele für 2013 und die Details für einen Long Term Incentive Plan entscheidet der Aufsichtsrat zeitnah.“ (Protokoll, Anlage K8)
20Mit Vertrag vom 12.5.2014 (Anlage K20) änderten die Parteien § 7 Abs. 1 des Anstellungsvertrags, der jetzt folgende Fassung erhielt:
21„Die Gesellschaft ist verpflichtet, das Jahresgrundgehalt alle zwei Jahre nach der Feststellung des Jahresabschlusses unter Beachtung der Entwicklung der relevanten Indices zu überprüfen."
22Im Oktober 2015 verhandelten der Kläger, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, und die Beklagte über eine Neufassung des Anstellungsvertrags. In diesem Rahmen sollten auch noch offene Ansprüche aus dem Vertrag geklärt werden, namentlich auch langfristige Vergütungselemente. Der Aufsichtsrat der Beklagten brach die Verhandlungen am 11.12.2015 ab.
23Unter dem Betreff „MD Targets“ schrieb der Kläger per E-Mail vom 3.6.2016 an den Leiter der Rechtsabteilung der Beklagten T 1 in Kopie u.a. an die Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten I 1 und T :
24„… ich gehe doch stark davon aus, dass die 2016er Ziele auch mit der GF besprochen/abgestimmt werden“.
25Herr T antwortet darauf per E-Mail vom selben Tag:
26„aus Sicht von Herrn I und mir haben wir die Diskussion zu den Zielen im Anschluss an die letzte AR Sitzung mit Ihnen beiden schon abschließend geführt, auch wenn wir nicht über die Tabelle im Detail gesprochen haben. Wir hatten das Prinzip auch schon vorher diskutiert.
27Ich denke, der AR wäre bereit, die Ziele noch vor einem Verkauf festzulegen. Wenn einer von Ihnen oder beide diese Ziele nicht akzeptieren wollen, dann können wir das dokumentieren und sie klären dass mit einem neuen Eigentümer.
28Wir sollten uns vornehmen, die Themen Protokoll, CTA und Ziele bis spätestens Di Mittag in einem Umlaufbeschluß oder Call abzuschließen.“
29In seiner Sitzung vom 19.12.2016 beschloss der Aufsichtsrat der Beklagten:
30„Der AR kommt bei der Überprüfung der Vergütung von Herrn C zu dem Ergebnis, dass eine Anpassung zum jetzigen Zeitpunkt nicht für erforderlich gehalten wird.
31Begründung:
32Die Überprüfung der Vergütung hat der Aufsichtsrat nach Bericht des Aufsichtsratsvorsitzenden bereits im Mai des Jahres erörtert mit dem Ergebnis, dass die bestehende Vergütung zum damaligen Zeitpunkt für angemessen gehalten wurde. Ein Antrag zur Beschlussfassung über eine Vergütungsanpassung wurde folglich nicht gestellt. Herr C wurde über die Auffassung des Aufsichtsrats seinerzeit mündlich informiert.
33Der Aufsichtsrat beschließt gleichzeitig, dass eine erneute Überprüfung im November 2017 erfolgen soll."
34In seiner Sitzung vom 19.1.2017 berief der Aufsichtsrat der Beklagten den Kläger als Geschäftsführer ab, die Beklagte kündigten den Anstellungsvertrag mit Schreiben vom 23.2.2017 ordentlich zum 28.2.2018.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er habe gegenüber dem Aufsichtsrat wiederholt die Festlegung von Kriterien für einen langfristigen Vergütungsbaustein angemahnt. Die Beklagte habe dies jedoch immer wieder verzögert.
36Er hat weiterhin behauptet, in Unternehmen die, wie die Beklagte, im „Versorgungsbereich“ tätig seien, sei üblich, drei Vergütungsbestandteile zu vereinbaren, eine Fixvergütung, eine kurzfristige variable Vergütung (sog. Management Incentive Plan, MIP) und ein langfristige Vergütung (Long-Term Incentive Plan, LTIP), und zwar in einem bestimmten Verhältnis.
37Er habe die für langfristige Vergütungsvereinbarungen üblichen Ziele in hohem Maße übererfüllt. Daraus errechne sich die Klageforderung, die seine Ansprüche für 6 Jahre erfasse.
38Ihm seien außergerichtliche Kosten in der geltend gemachten Höhe entstanden.
39Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt zu erkennen:
401. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.928.801,00 € brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
412. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Kosten i.H.v. 14.557,27 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
42Die Beklagte hat beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Eine langfristige Vergütung sei von den Parteien bewusst nicht vereinbart worden. Eine solche passe auch nicht zur „regulatorischen Systematik“ eines regulierten Transportnetzbetreibers wie der Beklagten gem. §§ 10 ff. EnWG. Die Beklagte habe die Vergütung des Klägers auch ohne eine langfristige Komponente für angemessen gehalten. Sie hat im Übrigen bestritten, dass der Kläger die Festlegung der entsprechenden Kriterien wiederholt angemahnt hat. Auch die Höhe der geltend gemachten Vergütung sei nicht schlüssig dargetan.
Das Landgericht Dortmund hat die Klage mit Urteil vom 29.1.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt. Ein Anspruch aus §§ 611, 612 BGB bestehe nicht, da die Parteien, wie die Auslegung des Anstellungsvertrags ergebe, schon nicht vereinbart hätten, dass der Kläger eine langfristige Vergütung erhalten soll. Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB scheitere, da der Beklagten keine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, der Kläger aber im Übrigen auch die Kausalität der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden nicht dargelegt habe.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt und vertieft seinen Tatsachenvortrag. Der Kläger ist der Ansicht, die Auslegung des Anstellungsvertrags durch das Landgericht sei fehlerhaft.
47Zu Unrecht habe es nicht berücksichtigt, dass die Beklagte (bzw. ihre Eigentümer, ein Aufsichtsratsmitglied sowie ein Mitarbeiter) im Vorfeld des Vertragsschlusses die Absicht ausgedrückt haben, auch eine langfristige Vergütungskomponente zu vereinbaren. Dieser Wille sei auch bei der Vertragsänderung vom 29.2.2012 weiterhin maßgebend gewesen, da die maßgeblichen Vereinbarungen bei dieser Gelegenheit nicht geändert wurden. Nach dem Wortlaut sei die Vereinbarung, in Verhandlungen einzutreten, nicht nur unverbindlich. Unschädlich sei insbesondere, dass die Parameter der langfristigen Leistungsvergütung nicht vereinbart waren. Entsprechendes habe auch für die kurzfristige Leistungsvergütung gegolten, die die Parteien „jeweils zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres sowie unverzüglich nach Vertragsbeginn“ zu vereinbaren hatten (vgl. § 7 Abs. 2 S. 3 Anstellungsvertrag). Die – einzige – Änderung des Anstellungsvertrags durch Ergänzung eines neuen Absatz 7 in § 7 spreche ebenfalls für eine Verbindlichkeit, da dort die Bezugsgröße auch für die langfristige Vergütungskomponente geregelt werde. Das wäre unnötig, wenn es eine solche nicht gäbe. Aus dem Beschluss des Aufsichtsrats vom 29.5.2013, zeitnah über die Details eines Long Term Incentive Plan zu entscheiden, habe das Landgericht die falschen Schlüsse gezogen. Richtig verstanden weise der Beschluss auf eine praktische Handhabung gem. § 7 Abs. 2 S. 3 Anstellungsvertrag hin und bestätige daher, dass auch die langfristige Vergütung nach dem Willen der Parteien bereits vereinbart gewesen sei. Aus dem Bonus i.H.v. 4,7 Mio. €, den der Kläger im Zusammenhang mit dem Verkauf der Beklagten erhalten habe, dürfe nicht geschlossen werden, er habe schon mehr als genug bekommen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte schließlich eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht intendierte, dürfe man nicht schließen, es hätte einen Grund für die Beklagte gegeben, ihm die langfristige Vergütungskomponente zu verweigern.
48Der Kläger beantragt zu erkennen:
49I. Unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 29. Januar 2020, Az.: 10 O 85/18, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 3.928.801,00 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
50II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von EUR 14.557,27 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
51Die Beklagte beantragt,
52die Berufung zurückzuweisen.
53Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.
54Die Erforschung des Parteiwillens müsse sich an den Wortlaut der Vereinbarung halten. Für die Willensbildung sei bei Vertragsschluss am 29.2.2012 nicht die Gesellschafterversammlung, sondern der Aufsichtsrat zuständig gewesen. Die Vereinbarung zu § 7 Abs. 6 Anstellungsvertrag sei nach ihrer Formulierung nur unverbindlich. Das bestätige auch die systematische Auslegung im Verhältnis zur kurzfristigen variablen Vergütung. Im Regulierungsumfeld der Beklagten hätte das vom Kläger begehrte langfristige Vergütungselement auch nicht wirksam vereinbart werden können; die Beklagte verweist insoweit auf § 10b Abs. 2 EnWG. Das Landgericht habe die dem Kläger gewährte Verkaufsbeteiligung weder übersehen noch falsch gewürdigt. Mangels Hauptanspruchs sei auch der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten unbegründet.
Die form- und fristgerecht eingereichte Berufung ist zulässig.
56Die Beklagte ist durch ihren Aufsichtsrat, dieser vertreten durch den Vorsitzenden, wirksam vertreten, § 52 GmbHG i.V.m. § 112 AktG.
57Die Berufungsbegründung ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deswegen unzureichend, weil der Kläger nicht sämtliche selbständig tragende Erwägungen des Landgerichts angegriffen hätte. Die Beklagte rügt insoweit, der Kläger habe die Ausführungen des Landgerichts zum (fehlenden) Schadensersatzanspruch nicht angegriffen.
58Richtig ist allerdings, das die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen muss, wenn das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat; BGH v. 21.6.2016 – IX ZB 88/15; BGH v. 3.3.2015 – VI ZB 6/14; BGH v. 27.1.2015 – VI ZB 40/14. Das ist hier jedoch nicht der Fall, die Begründungen des Landgerichts zum Erfüllungsanspruch und zum Schadensersatzanspruch sind erst zusammen und nicht je selbständig tragend; vgl. dazu Zöller/Heßler, § 520 ZPO Rn. 37 f. Denn die Klageabweisung ist erst dadurch begründet, dass das Landgericht darlegt, dass der Anspruch des Klägers weder als vertraglicher Erfüllungsanspruch noch als Schadensersatzanspruch begründet ist. Anders gesprochen, wäre der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch bereits begründet, wenn nur eine der möglichen materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen gegeben ist.
Bei der Auslegung von Verträgen ist der wirkliche Wille zu erforschen, § 133 BGB. Auszugehen ist dabei vom Wortlaut und der Systematik der Vereinbarung, BGH, NJW 1988, 2966; NJW 1994, 188, 189. Aufschluss können darüber aber auch die Vertragsverhandlungen und Begleitumstände des Vertragsschlusses (BGH, NJW-RR 2000, 1002, 1003) sowie, soweit daraus ein Rückschluss auf das Vereinbarte abzuleiten ist, die Vertragspraxis der Parteien geben (BGH, NJW 2007, 1581 Rn. 21), ebenso wie der von den Parteien verfolgte Zweck.
Dem Wortlaut von § 7 Abs. 6 Anstellungsvertrag ist ein Anspruch auf eine Vergütung in Form einer langfristigen Vergütungskomponente nicht zu entnehmen. Die – anwaltlich beratenen – Parteien haben dort lediglich vereinbart, in Verhandlungen eintreten zu wollen. Damit war eine langfristige Vergütungskomponente zwar als mögliche Ergänzung in Aussicht genommen, aber Nachverhandlungen überlassen und nicht schon vereinbart. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass nicht einmal eine bestimmte Vergütungskomponente zu verhandeln war, sondern über (irgend-) eine langfristige Vergütungskomponente. Wie der unbestimmte Artikel („eine“) und auch die Wortwahl „Vergütungskomponente“ ausweisen, waren die Parteien über das Ob der langfristigen Leistungsvergütung gerade noch nicht einig, denn in diesem Fall hätten sie von „der“ „Vergütung“ gesprochen und lediglich Verhandlungen über die für die Bemessung maßgeblichen Parameter vereinbart.
61Die Verhandlungen waren damit allerdings nicht vollständig offen gelassen. Sie waren indessen lediglich auf den Gegenstand „langfristige Vergütungskomponente“ beschränkt, in allem Übrigen aber offen. Insbesondere haben die Parteien lediglich eine Verhandlungspflicht begründet und keine Einigungspflicht.
62Diese Wortlautbedeutung wird auch dadurch gestützt, dass die Vereinbarung im Hinblick auf die übrigen Vergütungsbestandteile durchaus konkret gefasst ist. So ist in § 7 Abs. 1 des Vertrags ein „festes Jahresgrundgehalt in Höhe von EUR 300.000 brutto“ geregelt, in Absatz 2 ein „weiterer, leistungsabhängiger Bonus in Höhe von maximal des Jahresgrundgehalts“. Diese Vergütungsbestandteile sind auch in Einzelheiten geregelt, etwa im Hinblick auf die Ermittlung und die Fälligkeit.
63Allerdings hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung von § 7 Abs. 6 des Vertrags konkreter gefasst ist als etwa jene von § 9 Abs. 1 S. 3, wo es heißt: „Falls sich aus dem Wechsel nach Deutschland erhebliche Nachteile ergeben, so kann über einen Ausgleich gesprochen werden“. Auch darin dürfte eine Art Verhandlungspflicht vereinbart sein, die allerdings unter einer zusätzlichen Voraussetzung stand. Der Unterschied zu einer Vergütungsvereinbarung ergibt sich indessen aus einem Vergleich mit der Formulierung von § 7 Abs. 2 des Vertrags: „Neben seinem Jahresgrundgehalt erhält der Geschäftsführer einen weiteren, leistungsabhängigen Bonus in Höhe von maximal des Jahresgrundgehaltes.“ Gerade dass die kurzfristige Leistungsvergütung konkret und ausdrücklich vereinbart ist, macht deutlich, dass die Parteien über die langfristige Leistungsvergütung eine Einigkeit noch nicht erzielt hatten.
Die – im Änderungsvertrag vom 29.2.2011 eingefügte – Regelung von § 7 Abs. 7 Anstellungsvertrag ergibt nichts anderes. Allerdings ist darin eine Bezugsgröße nicht nur für die kurzfristige Leistungsvergütung vereinbart, sondern auch für eine langfristige Vergütungsvereinbarung. Das bedeutet indes nicht, dass eine solche Vergütungskomponente auch vereinbart wäre. Es ergibt durchaus einen guten Sinn, im Hinblick auf die – als Verhandlungsgegenstand ja unstreitig vorgesehene – langfristige Vergütungskomponente bereits eine Durchführungsbestimmung zu treffen, auch wenn diese selbst noch gar nicht vereinbart ist. Darin kann einerseits ein Entgegenkommen an den Kläger als Verhandlungspartner liegen, andererseits aber auch eine Beschränkung möglicher Verhandlungsgegenstände im Interesse der Beklagten. Daher ist es nicht möglich, von der Durchführungsregelung auf die Vereinbarung der langfristigen Vergütungskomponente zu schließen.
65Diese Erwägung wird bestätigt durch die E-Mail des Personalmitarbeiters G v. 23.2.2012 (Anlage K7). Darin bezeichnet dieser die Ergänzung als „eine abstrakte Klarstellung“. Ging es nach der – von der Beklagtenseite artikulierten und vom Kläger nicht widersprochenen – Zwecksetzung nur um eine Klarstellung, so kann man nicht annehmen, dass damit die (schon im Vertrag vom 9.8.2011 enthaltene) Verhandlungspflicht zu einer Vergütungspflicht konkretisiert werden sollte, denn das hätte den Vertrag substantiell verändert.
Aus der Entstehungsgeschichte der Vereinbarung ergibt sich nichts anderes. Allerdings weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass auch die Entstehungsgeschichte für die Auslegung zu berücksichtigen ist. Insbesondere können auch Äußerungen der Parteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen Aufschluss darüber geben, was die Parteien mit einer späteren Vereinbarung gemeint haben. Für die Auslegung können dabei u.U. auch Äußerungen von Personen berücksichtigt werden, die – wie hier etwa Vertreter von Gesellschaftern oder Mitarbeitern der Gesellschaft – die nicht selbst entscheidungsbefugt sind, sofern das entscheidende Gremium – hier der Aufsichtsrat der Beklagten – deren Willen übernimmt.
67Vorliegend kann dabei unterstellt werden, dass der Aufsichtsrat bei seiner Zustimmung zum Vertrag vom 29.2.2012 den Vertrag vom 9.8.2011 (mit nur punktuellen Änderungen) inhaltlich übernehmen wollte. Insoweit ergibt sich in der Tat aus der E-Mail des Aufsichtsratsmitglieds T vom 25.7.2011, dass die Parteien während der Verhandlungen des ersten Vertrags auch an eine langfristige Vergütungskomponente gedacht haben. Wenn sie dann aber in dem Vertrag selbst nur eine Verhandlungspflicht vereinbart haben, so haben die Parteien sich insoweit schlicht nicht einigen können. Das bestätigt gerade auch die E-Mail vom 25.7.2011, denn darin weist der Absender eigens darauf hin, dass man noch „% und Summen für unser Angebot LTIP festlegen“ müsse. Schon das Angebot (das definitionsgemäß den Vertragsinhalt enthält) sollte also von der Bestimmung der Einzelheiten abhängen. Diese Bestimmung hat, soweit erkennbar, aber nicht einmal die Beklagte für ihr „Angebot“ erzielt. Daher scheitert insoweit auch die Einigung, § 154 Abs. 1 S. 1 BGB. Es ist aber auch keineswegs ungewöhnlich, dass Gegenstände, die während der Verhandlungen erwogen werden, am Ende nicht vereinbart werden. Fehlt es an einer Einigung, kann diese aber auch nicht durch eine frühere Einigungsabsicht ersetzt werden.
Auch das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss kann für die Auslegung berücksichtigt werden, sofern es einen Rückschluss auf das bei Vertragsschluss Gewollte erlaubt.
69Aus dem Beschluss des Aufsichtsrats vom 29.5.2013 (Anlage K8) ergibt sich indessen für die Vertragsauslegung kein Anhaltspunkt. Der Beschluss, über die „Ziele für 2013 und die Details für einen Long Term Incentive Plan“ zeitnah zu entscheiden, kann nicht begründen, dass eine langfristige Vergütungskomponente bereits vereinbart wäre. Insofern überzeugt die Erwägung des Klägers nicht, man können nicht über Details entscheiden, wenn der Grundsatz gar nicht feststehe. Denn wenn der Aufsichtsrat mit unbestimmtem Artikel von „einem“ Long Term Incentive Plan spricht, weist das erneut darauf hin, dass dieser gerade noch nicht feststeht, also nicht vereinbart ist. Das entspricht genau der Formulierung von § 7 Abs. 6 Anstellungsvertrag, wo ebenfalls mit unbestimmtem Artikel von einer langfristigen Vergütungskomponente die Rede ist. Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung des Aufsichtsrats daher so zu verstehen, dass man sich über das Ob eines solchen „Long Term Incentive Plan“ verständigen wollte.
70Insofern unterscheidet sich der Beschluss des Aufsichtsrat daher – entgegen der Auffassung des Klägers – gerade von der Vereinbarung in § 7 Abs. 2 S. 2 Anstellungsvertrag, wonach der „MIP (…) jeweils zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres sowie unverzüglich nach Vertragsbeginn vereinbart (wird)“. Die (kurzfristige) Leistungsvergütung, deren Durchführung hier geregelt wird, ist gerade in Satz 1 der Regelung vereinbart. Die Unzweideutigkeit und Detailliertheit der vertraglichen Festlegung, die die Parteien im Hinblick auf die kurzfristige Leistungsvergütung getroffen haben, spricht daher umgekehrt dagegen, dass die langfristige Leistungsvergütung von den Vertragsparteien – also auch dem Kläger! – bereits grundsätzlich konsentiert, in der Ausgestaltung aber in das mehr oder weniger spontane Ermessen des Aufsichtsrats gestellt wurde.
Auch aus dem Zweck der Vereinbarung ergibt sich nicht, dass eine langfristige Vergütungskomponente bereits vereinbart gewesen sei. Insbesondere haben die Parteien die in § 7 Abs. 1 und 2 Anstellungsvertrag vereinbarte Vergütung auch nicht als unzureichend angesehen, so dass zur angemessenen Honorierung der Leistungen des Klägers der weitere „Baustein“ einer langfristigen Leistungsvergütung hinzukommen müsste. Im Gegenteil kommt in der E-Mail des Aufsichtsratsmitglieds T v. 25.7.2011 zum Ausdruck, dass die kurzfristige und die langfristige Leistungsvergütung in einem grundsätzlichen Alternativ- bzw. Ergänzungsverhältnis stehen. Denn die kurzfristige Leistungsvergütung sollte bei Vereinbarung einer langfristigen Komponente herabgesetzt werden (auch wenn die langfristige Komponente diese Herabsetzung letztlich „überkompensieren“ sollte). Dem hat der Kläger nicht widersprochen.
72Der Aufsichtsrat der Beklagten hat aber auch später, in seiner Sitzung vom 19.12.2016, ausdrücklich gesagt, dass er die Vergütung des Klägers für „angemessen“ halte, auch ohne langfristige Leistungsvergütung.
Da die Auslegung des Vertrags mithin ergibt, dass die Vertragspartner eine langfristige Leistungsvergütung nicht schon vereinbart haben, kann die zwischen den Parteien umstrittene Frage dahinstehen, ob eine solche Vereinbarung mit den Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes vereinbar wäre.
Aus § 612 BGB kann sich vorliegend nichts anderes ergeben. Die Auslegungsregel von Absatz 1 betrifft die Frage, ob überhaupt eine entgeltliche Dienstleistung vereinbart ist und nicht etwa ein unentgeltlicher Auftrag; Staudinger/Fischinger (2020), § 612 BGB Rn. 15. Das ist vorliegend aber nicht zweifelhaft.
75Die Auslegungsregel von Absatz 2 betrifft die Frage, in welcher Höhe eine vereinbarte Vergütung vereinbart wurde; Staudinger/Fischinger (2020), § 612 BGB Rn. 41. Dafür enthält der Anstellungsvertrag jedoch eine konkrete und individuell ausgehandelte Abrede, so dass für die Anwendung der Auslegungsregel kein Raum ist. Ist, wie hier, die Höhe „bestimmt“, aber die Bedeutung der Vereinbarung umstritten, so ist dieser Streit nach allgemeinen Auslegungsregeln zu klären (wie oben, 1.), aber nicht durch Anwendung der allgemein gehaltenen Bestimmung von § 612 Abs. 2 BGB, die mit der Maßgabe des „Üblichen“ dem Parteiwillen nicht in gleichem Maße gerecht werden könnte.
76Entgegen dem Vortrag des Klägers kann § 612 Abs. 2 BGB auch nicht für das isolierte Regelungsthema der langfristigen Leistungsvergütung angewendet werden. Dem steht entgegen, dass eine Auslegung des Anstellungsvertrags, besonders von § 7 Abs. 6, ergeben hat, dass die Parteien noch keine Einigkeit über das Ob dieses Vergütungsbestandteils erzielt haben; s. oben, 1.
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls nicht.
78Allerdings war die Beklagte nach § 7 Abs. 6 Anstellungsvertrag verpflichtet, „zum Geschäftsjahr 2013“ mit dem Kläger in Vertragsverhandlungen „über einen zusätzlichen langfristigen Vergütungsbaustein“ einzutreten. Auch wenn die Vereinbarung insoweit als bloße Feststellung formuliert ist („werden … die Parteien in Verhandlungen … eintreten“), ist ihr doch der Wille der Parteien zu entnehmen, eine entsprechende vertragliche Verpflichtung zu begründen.
79Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, dass die Beklagte diese Verpflichtung verletzt hätte. Der Kläger macht selbst geltend, er hätte die Verhandlung wiederholt angemahnt, und weist darauf hin, dass er von der Beklagten daraufhin auch – freilich in der Sache zurückweisende – Reaktionen erhalten hat. Insbesondere hat der Aufsichtsrat der Beklagten sich in seiner Sitzung am 29.5.2013 – offenkundig auf Veranlassung des Klägers – mit der Frage beschäftigt, wenn er sie auch letztlich vertagt hat. Zudem hat der Rechtsanwalt des Klägers im Oktober 2015 Verhandlungen mit dem Aufsichtsrat der Beklagten über die Neufassung des Anstellungsvertrags geführt, die u.a. auch noch offene Fragen einer langfristigen Vergütung aus dem Anstellungsvertrag vom 29.2.2012 betrafen. Diese Verhandlungen scheiterten zwar im Dezember des Jahres. Da § 7 Abs. 6 Anstellungsvertrag indessen lediglich eine Verhandlungspflicht begründet, keine Einigungspflicht, ergibt sich aus diesem Scheitern keine Pflichtverletzung. Und schließlich hat der Aufsichtsrat der Beklagten in seiner Sitzung vom 19.12.2016 noch einmal die Auffassung ausgedrückt, die Vergütung des Klägers sei angemessen. Nach alledem ist zu erkennen, dass sich die Beklagte mit dem Anliegen des Klägers, eine langfristige Vergütungskomponente zu vereinbaren, ernsthaft befasst hat, wenn sie diese auch letztlich abgelehnt hat. Dass sich der Kläger mit seinem Begehren nicht durchsetzen konnte, ist, wie gesagt, keine Pflichtverletzung und diskreditiert die Verhandlungen nicht als solche.
80Da eine Einigungspflicht nicht vereinbart war, wäre aber auch die Kausalität einer Pflichtverletzung für den vom Kläger behaupteten Schaden nicht dargetan. Da zu einer Vereinbarung zwei gehören und Verhandlungen auch scheitern konnten, kann, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, nicht angenommen werden, Verhandlungen hätten zu einem bestimmten, von einer Partei gewünschten Ergebnis geführt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die „zusätzliche langfristige Vergütungskomponente“ gerade keine „zusätzliche Vergütung“ sein sollte. Im Gegenteil hat die Beklagte im Rahmen der Vertragsverhandlungen den Willen bekundet, die kurzfristige und die langfristige Vergütungskomponente in ein Alternativ- bzw. Ergänzungsverhältnis zu stellen. Die langfristige Komponente sollte wesentlich auf Kosten der kurzfristigen Komponente vereinbart werden (auch wenn sie diese letztlich „überkompensieren“ sollte). Daher war gerade nicht zu erwarten, dass die langfristige Vergütungskomponente zu einer Erhöhung der Gesamtvergütung des Klägers im Ergebnis führen würde.
81Ob die Verletzung der vereinbarten Verhandlungspflicht, bei der es nicht lediglich um die Festlegung von Zielvorgaben geht, überhaupt den Ersatz eines Schadens in der Form des positiven Interesses zur Folge haben kann, muss deshalb nicht entschieden werden.
Besteht der vom Kläger geltend gemachte Hauptanspruch nicht, so kommt auch ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten wegen Verzugs (§§ 280 Abs. 1, 286 BGB) nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
84Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des §§ 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.