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Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Warstein vom 6. März 2020 wird zurückgewiesen.
Gerichtliche Kosten für die Beschwerdeinstanz werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Der Wert für die Beschwerdeinstanz wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Kindesvater wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Warstein vom 6.3.2020, durch den dieses der Kindesmutter antragsgemäß die Sorge für Gesundheit, schulische Angelegenheiten und Vermögen für das gemeinsame Kind A, geb. am #.#.2012, zur alleinigen Ausübung übertragen hat.
4Mit Beschluss vom 14.11.2016 im Verfahren 3a F 13/16 hatte das Amtsgericht der Kindesmutter bereits das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen.
5Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (Bl. 346 ff d.A.).
6Das Amtsgericht hat ein familienpsychologisches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Psych. B eingeholt, welches dieser unter dem Datum 8.5.2019 erstattet hat. Der Kindesvater hat den Sachverständigen am 31.5.2019 und am 20.8.2019 wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Diese Gesuche hat das Amtsgericht jeweils zurückgewiesen, die sofortigen Beschwerden des Kindesvaters hat der Senat mit Beschlüssen vom 24.7.2019 (7 WF 162/19) und vom 2.10.2019 (7 WF 195/19) zurückgewiesen. Zuletzt hat der Kindesvater den Sachverständigen erneut mit Schriftsatz vom 19.12.2019 abgelehnt; dieses Ablehnungsgesuch hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6.3.2020 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Kindesvaters hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen.
7Das Amtsgericht hat für A einen Verfahrensbeistand bestellt und den Jungen am 6.8.2018 und am 30.1.2020 persönlich angehört. Eine persönliche Anhörung der weiteren Beteiligten ist am 7.8.2018 und am 30.1.2020 erfolgt.
8Das Amtsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung zur elterlichen Sorge insbesondere ausgeführt: Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge im tenorierten Umfang und die Übertragung auf die Kindesmutter allein entsprächen dem Kindeswohl am besten. Es sei nicht zu erkennen, wie die Eltern gemeinsame Entscheidungen treffen könnten. Die Kommunikationsebene zwischen ihnen sei völlig zerstört. Der Kindesvater könne keine Entscheidungen aus eigener Anschauung treffen. Ebenso wenig sei ersichtlich, wie die Eltern mit Hilfe von Außenstehenden gemeinsame Entscheidungen treffen könnten. Angesichts der Belastungen für das Kind, welches therapeutischen Bedarf habe, sei es nicht zu vertreten, durch die Notwendigkeit gemeinsamer Entscheidungen neue Nebenkriegsschauplätze zwischen den Eltern zu eröffnen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen (Bl. 346 ff d.A.).
10Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er macht im Wesentlichen geltend, der vom Gericht hinzugezogene Sachverständige sei befangen und in seiner Beurteilung von einer negativen Bewertung des Antragsgegners im Internet beeinflusst gewesen. Dieser habe Angaben der Kindesmutter unzutreffend als wahr unterstellt, ihr, wie sich aus S. 84 des Gutachtens ergebe, Hinweise gegeben und offensichtlich bei den Befragungen Worte in den Mund gelegt. Wie aus dem Privatgutachten von Dipl.-Psych. C folge, werde das Gutachten den Mindestanforderungen an die Qualität eines Sachverständigengutachtens nicht gerecht. Zudem sei der Gutachter in einem Ergänzungsgutachten ohne Befragung des Kindesvaters zu dem wissenschaftlich nicht fundierten Ergebnis gelangt, dass dieser an einer psychischen Dekompensation leide. Der Kindesvater verweist insoweit auf eine Stellungnahme des ihn behandelnden Dipl.-Psych. D.
11Zwar habe es wie vom Amtsgericht ausgeführt eine Reihe von Gerichtsverfahren gegeben, doch seien diese jeweils von der Kindesmutter angestrengt worden. Der Antragsgegner habe lediglich den Versuch unternommen, sich zu verteidigen. Die Kindesmutter habe durch massive Anschuldigungen die Umgangsrechte des Antragsgegners beeinträchtigt. Nicht das Kind A lehne den Umgang ab, sondern die Kindesmutter verweigere A den Umgang mit dem Kindesvater. Aus welchen Gründen Kooperationen mit Dritten wie Jugendamt oder Kindergarten nicht funktionierten, werde nicht kritisch hinterfragt. Als er Ende Oktober 2018 den Leiter der Kindestagesstätte um eine Korrektur von Falschangaben gebeten habe, die ihm auch zugesichert worden sei, habe die damals im Beirat der Kindestagesstätte tätige Kindesmutter den Umgang fortan über Monate ausgesetzt. Der Kindesvater sei in E ortsfremd und nicht wie die Kindesmutter mit den Verfahrensbeteiligten zur Schule gegangen oder anderweitig bekannt. Von Mitarbeitern öffentlicher Institutionen würden Sachverhalte geschildert, die im vorliegenden Verfahren als Entscheidungsgrundlage dienen sollten, aber nicht der Wahrheit entsprächen. Dies sei nicht hinnehmbar. Versuche des Kindesvaters, seine Sichtweise zu schildern oder Sachverhalte richtig zu stellen, würden als Beschwerden dargestellt. Zuletzt habe die Kindesmutter versucht, ein Näherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken, was jedoch vor dem OLG Hamm keinen Bestand gehabt habe (Beschluss vom 10.2.2020, 7 UF 205/19). Trotz der Aufhebung des Näherungsverbots sei er seinerzeit von dem wichtigen Ereignis der Einschulung des Kindes ausgeschlossen gewesen.
12Die Kindesmutter sei diejenige, die dem Kindesvater seit Beginn der Trennung sämtliche Informationen verweigere und ihm in keiner Weise in die Belange des Kindes einbeziehe. Sie habe nicht auf ein Miteinander mit dem Kindesvater hingewirkt, sondern im Gegenteil versucht, eine Eskalation herbeizuführen. Erst durch Bekannte habe er von der Anmeldung des Kindes zur Grundschule erfahren. Auf eine Nachfrage habe die Kindesmutter ihm eine SMS mit dem Inhalt geschrieben: „Seit wann reden wir miteinander außerhalb des Gerichtssaals?“ Die Schule werde ihm mitteilen, wenn seine Unterschrift für die Anmeldung erforderlich sei.
13Der Gutachter habe die mangelnde Bindungstoleranz der Mutter verkannt. Sie habe keine Möglichkeit ausgelassen, den Umgang unter Vortäuschung falscher Tatsachen eigenmächtig auszusetzen. Nach der Empfehlung des Gutachters, das Sorgerecht zu übertragen, habe sie den Umgang erneut ausgesetzt.
14Dem Kindesvater sei immer daran gelegen gewesen, eine gemeinsame Basis zu schaffen, um für das Kind gemeinsame Entscheidungen herbeizuführen. Die Kindesmutter habe jedoch keine Möglichkeit ausgelassen, diese Bemühungen zu boykottieren.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Schriftsätze vom 25.3.2020 und vom 9.4.2020 Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Beschwerde des Kindesvaters ist nicht begründet.
18Das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend gemäß § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB die elterliche Sorge für A der Kindesmutter im tenorierten Umfang zur alleinigen Ausübung übertragen.
19Der nach § 1671 Abs. 1 BGB erforderliche Antrag der Kindesmutter liegt vor. Die Kindeseltern leben nicht nur vorübergehend getrennt, § 1671 Abs. 1 S. 1 BGB. Es ist auch zu erwarten, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge für Gesundheit, schulische Angelegenheiten und Vermögen sowie die Übertragung auf die antragstellende Kindesmutter dem Wohl von A am besten entspricht, § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB.
201. Der Bundesgerichtshof, dem der Senat folgt, hat entschieden, dass aus § 1671 BGB kein Regel-/Ausnahmeverhältnis zugunsten des Fortbestandes der gemeinsamen elterlichen Sorge hergeleitet werden kann. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist. Für die allgemein gehaltene Aussage, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern dem Kindeswohl prinzipiell förderlicher sei als die Alleinsorge eines Elternteils, besteht in der kinderpsychologischen und familiensoziologischen Forschung keine empirisch gesicherte Grundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2007 – XII ZB 158/05 –, juris Rn. 10).
21Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist. Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts. Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten. Fehlen die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen. Dem dient § 1671 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei haben die Gerichte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2009 – 1 BvR 1868/08 –, juris Rn.10).
22Vorzuziehen ist die Alleinsorge in Fällen, in denen die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht funktioniert, weil zwischen den Eltern keine Konsensmöglichkeit besteht. Allerdings sind getrenntlebende Eltern im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge grundsätzlich zur Konsensfindung verpflichtet, solange ihnen dies zum Wohle des Kindes zumutbar ist, wobei diese Verpflichtung allerdings nicht überspannt werden darf. Verweigert nur ein Elternteil die Kooperation, reicht dies für die Verdrängung des anderen Elternteils aus der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht ohne weiteres aus, es sei denn, die Kooperation ist auch unter Berücksichtigung der Kindesbelange unzumutbar, weil der Elternteil für das Versagen seiner Kooperationsbereitschaft nachvollziehbare Gründe hat (OLG Hamm, Beschluss vom 23.7.2013, 2 UF 39/13, juris Rn. 31).
23Maßstab für die Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist stets das Kindeswohl. Bei der Anwendung dieser Vorschrift haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist (BVerfG, Beschluss vom 27.6.2008 – 1 BvR 1265/08 –, juris Rn.18). Die danach vorzunehmende Kindeswohlentscheidung tritt erforderlichenfalls an die Stelle der Zustimmung des anderen Elternteils gemäß § 1671 Abs. 1 Nr.1 BGB.
24Bei der insoweit erforderlichen doppelten Kindeswohlprüfung bedarf es zunächst der Feststellung des Scheiterns der gemeinsamen Elternverantwortung sowie nachfolgend der Feststellung, dass die Übertragung der Alleinsorge auf den antragstellenden Elternteil erforderlich ist (Palandt/Götz, 79. Aufl. 2020, § 1671 BGB, Rn. 12).
25Bei der Entscheidung, welchem Elternteil die Alleinsorge zu übertragen ist (zweite Stufe), sind gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens. Die einzelnen Kriterien stehen aber nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH, Beschluss vom 16. März 2011 – XII ZB 407/10 –, juris Rn. 43).
262. Angewandt auf den vorliegenden Fall ergibt sich folgendes:
27a) Die gemeinsame Elternverantwortung der Kindeseltern für A ist gescheitert. Es fehlt an der für die Ausübung der gemeinsamen Sorge erforderlichen, tragfähigen sozialen Beziehung der Eltern. Eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen war in der Vergangenheit nicht in einer Art und Weise möglich, die auch bei einem Dissens der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleisten würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. 12.2003 – 1 BvR 1140/03 –, juris Rn. 10 ff). Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es den Kindeseltern zukünftig gelingen könnte, gemeinsame Entscheidungen ohne massive Konflikte und Gerichtsverfahren zu treffen.
28Hiervon ist der Senat aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände überzeugt:
29aa) Bereits die erstinstanzlich gestellten wechselseitigen Anträge auf Übertragung der Alleinsorge und die vorangegangenen Gerichtsverfahren deuten auf fehlende Kooperationsbereitschaft und Verständigungsmöglichkeit hin (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Döll in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 1671 BGB Rn. 17). In diesem Zusammenhang kommt es nicht entscheidend darauf an, welche Seite die Verfahren angestrengt hat, weil bereits die Verfahren als solche für eine fehlende tragfähige soziale Beziehung sprechen. Im Übrigen ist mit Blick auf das Beschwerdevorbringen darauf hinzuweisen, dass in erster Instanz nicht nur die Kindesmutter, sondern auch der Kindesvater die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge beantragt hat. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auch aus seiner Sicht eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge nicht mehr in Betracht gekommen ist.
30bb) Schon aus den insoweit übereinstimmenden und glaubhaften Schilderungen der Kindeseltern selbst ergibt sich, dass diese nicht in der Lage sind, über die Belange des gemeinsamen Sohnes A konstruktiv zu kommunizieren. Der Vortrag beider Kindeseltern im vorliegenden Verfahren belegt vielmehr das Ausmaß des wechselseitigen Misstrauens und der Unfähigkeit zu einer sachlichen Kommunikation.
31Die Kindesmutter wirft dem Kindesvater u.a. „falsche Anschuldigungen“, „mangelnde Stabilität“ und Kindeswohlgefährdung vor (Bl. 3 d.A.). Der Kindesvater hat der Kindesmutter erstinstanzlich u.a. vorgeworfen, bei dieser sei eine vernünftige Entwicklung des Kindes schlichtweg nicht möglich, sie sei „manipulativ“, eine Erziehungsfähigkeit sei nicht gegeben (Bl. 15 d.A.). Sie wolle jede Kontaktaufnahme zwischen Vater und Sohn „im Keim ersticken“.
32Auch bei den persönlichen Anhörungen der Kindeseltern durch das Familiengericht ist das Fehlen einer hinreichenden Kommunikationsbasis deutlich zu Tage getreten. Zwischen allen Verfahrensbeteiligten bestand nach den Feststellungen des Amtsgerichts eine „sehr angespannte Atmosphäre“. Darüber hinaus hat die Kindesmutter darauf verwiesen, dass bereits die Auswahl der Therapeutin für A ein erhebliches Konfliktpotential zwischen den Beteiligten erzeugt habe. Problematisch sei zudem, dass A über den Kindesvater versichert sei und diese Versicherung z.B. Folgeanträge für eine Behandlung durch die Therapeutin nicht erhalten habe. Es sei immer wieder schwierig, festzustellen, ob die Post beispielsweise beim Kindesvater gelandet sei.
33Des Weiteren belegten auch die Äußerungen der Kindeseltern gegenüber dem Sachverständigen, dass keine gemeinsame Kommunikationsebene besteht. Die Kindesmutter hat u.a. geäußert, sie habe „panische Angst“, dass der Kindesvater A traurig mache. Der Antragsgegner schreibe bei Facebook „kranke Sachen“. Eine Erziehungsberatung bei der Caritas sei gescheitert. Es gebe schon keine Basis für die Kindesübergabe beim Umgang. Sie wisse nicht, wie das funktionieren solle. Der Kindesvater stalke sie. Sie möge ihn nicht. Er wolle ihr schaden und A dafür als Werkzeug nutzen, versuche, ihre neue Beziehung zu zerstören, und sei krank. Sie hoffe, dass sich der Anteil des Vaters an A „verwachsen“ werde, habe aber Angst, dass A werden könne wie der Kindesvater. Der Kindesvater seinerseits hat u.a. angeführt, die Kindesmutter nehme immer, wenn ihr etwas nicht passe, den „großen Hammer“ und haue drauf. In der Elternberatung sei „durch das ganze Chaos“ nicht so viel gelaufen. Eine erste Mediation zwischen den Beteiligten habe die Kindesmutter als Plattform genutzt, um den Kindesvater zu ärgern und schlecht darzustellen. Eine zweite Beratung habe er wegen „Aufhetzens“ der Beraterin durch die Kindesmutter abgebrochen. Die dritte Beraterin habe von vornherein gesagt, dass eine Vermittlung keinen Sinn ergebe. A bekomme bei der Kindesmutter wenig Förderung, sondern stattdessen aggressives Verhalten vermittelt. Die Familie der Kindesmutter fühle sich als Könige. Die Kindesmutter habe „immer neue böse Sachen“ unternommen. Sie habe „auf Teufel komm raus Ärger machen“ wollen. Ihre Manipulationen begehe sie aus Hass auf den Kindesvater. Ihre Familie habe ihn „auf das Massivste“ bedroht. Er sehe keine Möglichkeit, eine Einigung mit der Kindesmutter zu erzielen, irgendwann fange es an, „total zu eskalieren“. Er habe keine Idee, wie Vertrauen zwischen den Kindeseltern aufgebaut werden könne.
34Noch mit seinem Beschwerdevorbringen macht der Kindesvater letztlich das Ausmaß der Zerrüttung der Beziehung zwischen den Kindeseltern deutlich. So verweist er etwa auf eine SMS der Kindesmutter, in der es heiße: „Seit wann reden wir miteinander außerhalb des Gerichtssaals?“ Auch trägt er vor, dass die Kindesmutter ihm jede Information verwehre und ihm in keinster Weise in die Belange des Kindes einbeziehe. Die Kindesmutter habe keine Möglichkeit ausgelassen, unter Vortäuschung falscher Tatsachen den Umgang eigenmächtig auszusetzen. Sie lasse keine Möglichkeit aus, Bemühungen um eine gemeinsame Sorge zu boykottieren.
35Insgesamt ergibt sich schon aus dem eigenen Vorbringen des Kindesvaters das Bild eines nachhaltigen und tiefgreifenden Elternkonflikts und des Fehlens der für eine weiterhin gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge notwendigen Grundlage für ein Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohls.
36cc) Die beiden persönlichen Anhörungen von A durch das Amtsgericht bestätigen dieses Bild und belegen zugleich, dass der Junge den tiefgreifenden Elternkonflikt deutlich wahrnimmt und durch ihn erheblich belastet wird. A hat er in seiner Anhörung am 6.8.2018 mitgeteilt, Mama und Papa würden streiten, es würde „eigentlich immer schlimmer“. In der Anhörung am 30.1.2020 hat er erklärt, man müsse den Eltern einfach mal sagen, dass sie das bleiben lassen sollen. Obwohl A zu diesem Zeitpunkt seinen Vater längere Zeit nicht gesehen hatte, wurde deutlich, dass ihn der Konflikt nach wie vor belastet. So wurde er „wortkarg“, als es um den (hier nicht streitgegenständlichen) Umgang mit dem Kindesvater ging.
37dd) Auch der sozialpädagogische Bericht der Familieneinrichtung "NestWerkstatt" aus Juli 2018, die A seit November 2014 besucht, belegt, dass der tiefgreifende Konflikt zwischen den Kindeseltern A in ganz erheblichem Maße beeinträchtigt. Darin heißt es u.a., A zeige deutliche negative Auffälligkeit insbesondere vor und nach Wochenenden beim Vater. Dies belegt aus Sicht des Senats, dass A den Streit seiner Eltern deutlich wahrnimmt und hierdurch in einen ausgeprägten Loyalitätskonflikt gebracht wird. Die negativen Auswirkungen dieses Konflikts auf die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes werden dadurch erkennbar, dass ausweislich des Berichts der Junge sich nach Einschätzung der Einrichtung in den drei Monaten, in denen kein Umgang und mithin auch kein Aufeinandertreffen der Eltern stattgefunden hat, positiv entwickelt hat: Seine Stimmungsschwankungen haben nachgelassen und er konnte soziale Beziehungen aufbauen.
38Das Vorbringen des Kindesvaters ist nicht geeignet, die Aussagekraft des Berichts in Frage zu stellen. Soweit der Kindesvater behauptet, der Bericht enthalte falsche Angaben, legt er nicht näher dar, in welchen Punkten, die für die vorliegend zu treffende Entscheidung von Relevanz sind, der Bericht nicht zutreffend sein soll. Dass der Stellungnahme der Bericht einer Schülerpraktikantin beigefügt war, ist gleichfalls nicht von Belang. Es ist nichts dafür erkennbar, dass sich die Stellungnahme der Einrichtung entscheidend auf diesen Bericht stützen würde. Vielmehr ist die Stellungnahme von der Gruppenleiterin und Bezugserzieherin von A, Frau F, sowie dem Einrichtungsleiter, Herrn G, verfasst und beruht ersichtlich auf deren eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen.
39ee) Die A behandelnde Therapeutin H hat in ihrem Bericht vom 22.10.2018 ausgeführt, beim Thema Eltern und Trennung sei A immer traurig gestimmt. Er werde durch den Loyalitätskonflikt „förmlich zerrissen“. Dies löse in ihm eine große Wut und Enttäuschung aus. Auch dies bestätigt die massiven elterlichen Konflikte, unter denen A stark leidet.
40ff) Das Jugendamt gelangt in seiner Stellungnahme vom 3.8.2018 gleichfalls zu der fachlichen Einschätzung, dass zwischen den Kindeseltern seit Jahren ein erbittert ausgetragener Konflikt herrscht, der bei A zu einem anhaltenden Loyalitätskonflikt geführt hat. In der Stellungnahme heißt es, es finde seit 2 ½ Jahren ein erbitterter Kampf um das Kind statt. Die Situation sei für das Kind schädlich. Es sei Opfer der Trennungsmisere und des Kampfes der Erwachsenen, befindet sich in einem anhaltenden Loyalitätskonflikt und einer schrecklichen Situation, die alles andere als normal sei. Die elterliche Sorge mit dem Bewusstsein, sich gemeinsam um das Kind zu kümmern, sei kaum bis gar nicht vorhanden. Es sei durchweg ein Gegeneinander, ein Vorwurfskonstrukt, seiner Erziehungsfähigkeit nicht gerecht zu werden.
41Diese Ausführungen des Jugendamtes stehen in Einklang mit den zuvor dargestellten Einschätzungen der beteiligten Fachkräfte und dem Akteninhalt. Inhaltlich ist der Kindesvater ihnen nicht entgegen getreten. Soweit er geltend macht, das Jugendamt sei voreingenommen, ist nicht erkennbar, dass in der Stellungnahme vom 3.8.2019 einseitig Partei zugunsten der Kindesmutter ergriffen würde. Soweit der Kindesvater aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in E pauschal eine Bekanntschaft zwischen der Kindesmutter und Mitarbeitern des Jugendamts in den Raum stellt, ist dies allein nicht geeignet, eine einseitige Parteinahme zugunsten der Kindesmutter als plausibel erscheinen zu lassen. Im Übrigen sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Kindesvater in anderem Zusammenhang gegenüber dem Sachverständigen angegeben hat, die Kindesmutter habe gesagt, niemand (in E) könne ihre Familie leiden.
42b) Mit der Beschwerde werden keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen, die es trotz des Verlaufs in der Vergangenheit als möglich erscheinen lassen würden, dass die Kindeseltern in Zukunft in der Lage sein könnten, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. Insbesondere konnte auch bisher schon durch die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter - in Form von Elternberatungsstellen und Kinderpsychotherapeutin - nicht erreicht werden, dass die Kindeseltern zu einer einigermaßen sachlichen Kommunikation über die Belange von A gelangt sind.
43c) Soweit der Kindesvater mit seiner Beschwerde vor allem auch geltend macht, das Verschulden für die Situation liege allein bei der Kindesmutter, so ist diese Sichtweise zum einen schon in der Sache nicht zutreffend.
44Aus dem gesamten Akteninhalt sowie den Stellungnahmen der beteiligten Fachkräfte wird deutlich, dass beide Kindeseltern einen erheblichen Anteil an dem tiefgreifenden und nachhaltigen Konflikt haben. Es trifft zwar zu, wenn der Kindesvater geltend macht, dass die Kindesmutter ihm gegenüber zahlreiche unberechtigte Vorwürfe in den Raum gestellt hat, die sich als nicht belastbar herausgestellt haben, etwa einen angeblichen Drogenkonsum des Kindesvaters. Gleichwohl trägt die Kindesmutter nicht die Alleinverantwortung für das Zerwürfnis. Vielmehr hat der Antragsgegner dieses durch sein Verhalten zumindest mit verursacht und intensiviert. So hat er die Kindesmutter im Internet nach deren unwidersprochenem Vortrag als „Schwerstkriminelle“ bezeichnet (Bl. 72 d.A.). Die A behandelnde Therapeutin, Frau H, berichtet in ihrer Stellungnahme vom 22.10.2018:
45„In dem einen Gespräch mit Frau J zusammen konnte Herr K sich nicht an die Absprachen halten, sachlich miteinander umzugehen und über A zu sprechen. Er beleidigte Frau J, konnte nicht ausreden lassen, wurde zunehmend aufbrausend und konnte sich auf keine Gesprächsregeln einlassen… In dem Blatt, das mir Herr K zur Verfügung stellt, ist zu erkennen, dass die positiven Sätze über Frau J herauskopiert/entfernt wurden...“ (Bl. 61 d.A.).
46Dem ist der Antragsgegner nicht inhaltlich entgegen getreten.
47Ebenso ist er dem Vortrag der Antragstellerin nicht entgegen getreten, er habe das zwischenzeitlich eingerichtete Umgangsbuch, in das beide Elternteile Vorkommnisse zur Information des jeweils anderen eingetragen hatten, nicht weiter geführt (Bl. 3 d.A.). Es liegt auf der Hand, dass solche Verhaltensweisen seitens des Kindesvaters nicht zur Schaffung einer tragfähigen sozialen Beziehung beitragen, sondern diese gefährden.
48Im Übrigen hat die Kindesmutter entgegen der pauschalen Behauptung des Antragsgegners nicht jegliche Kooperation im Bereich der elterlichen Sorge verweigert, sondern unstreitig beispielsweise das erwähnte gemeinsame Gespräch bei der Therapeutin H wahrgenommen und ein Umgangstagebuch mitgeführt.
49Unabhängig hiervon käme es jedoch für die Feststellung, dass es an einer für die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts hinreichenden tragfähigen sozialen Beziehung zwischen den Elternteilen fehlt, nicht entscheidend darauf an, ob Ursache hierfür vorrangig oder auch ausschließlich das Verhalten der Kindesmutter ist. Zwar ist schon aufgrund des „ethischen Vorrangs“, der dem Idealbild einer von beiden Elternteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten. Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indes eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität nicht verordnen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – XII ZB 158/05 –, juris Rn. 14). Die Entscheidung über die elterliche Sorge nach § 1671 Abs. 1 BGB dient nicht dazu, das pflichtwidrige Verhalten des nicht kooperierenden Elternteils mit einer ihm aufgezwungenen gemeinsamen elterlichen Sorge zu sanktionieren, um auf diese Weise den Elternrechten des anderen, kooperationsfähigen und –willigen Elternteils Geltung zu verschaffen. Die am Kindeswohl auszurichtende rechtliche Organisationsform der Elternsorge ist dafür grundsätzlich kein geeignetes Instrument. Dem steht schon die verfassungsrechtliche Wertung entgegen, dass sich die Elterninteressen in jedem Falle dem Kindeswohl unterzuordnen haben. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl aber nicht zuträglich. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen, und zwar unabhängig davon, welcher Elternteil die Verantwortung für die fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 – XII ZB 158/05 –, juris Rn. 15).
50d) Zu Recht ist das Amtsgericht des Weiteren zu der Einschätzung gelangt, dass es dem Wohl von A am besten entspricht, wenn die Kindesmutter die elterliche Sorge in den Bereichen Gesundheit, schulische Angelegenheiten und Vermögen allein ausübt.
51aa) Hierfür spricht zunächst, dass A seit der Trennung seiner Eltern kontinuierlich bei der Kindesmutter gelebt hat, welcher das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht. Da der Kindesvater mit seiner Beschwerde nicht mehr die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich, sondern nur noch die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge anstrebt, ist davon auszugehen, dass er den Lebensmittelpunkt von A bei seiner Mutter auch zukünftig nicht in Frage stellen will.
52Dass A seinen Lebensmittelpunkt bei seiner Mutter hat, führt indes naturgemäß dazu, dass diese mit den Belangen des Kindes besser vertraut ist als der Kindesvater. Bei einem Auseinanderfallen von Aufenthaltsbestimmungsrecht und Lebensmittelpunkt einerseits sowie Sorge für Gesundheit, schulische Angelegenheiten und Vermögen andererseits wäre zu erwarten, dass zusätzliche Konflikte zwischen den Kindeseltern entstehen, die den Loyalitätskonflikt, der das Kind belastet, verstärken.
53bb) Der Senat hat auch keine Zweifel, dass die Kindesmutter grundsätzlich über die notwendige Erziehungsfähigkeit verfügt, um eine dem Wohl von A entsprechende Versorgung, Betreuung und Erziehung zu gewährleisten. Soweit der Kindesvater die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter in erster Instanz vollständig in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten hat, das Wohl von A sei durch die Kindesmutter und deren Umfeld massiv gefährdet, hält er mit der Beschwerde an seinem Vorbringen in dieser Allgemeinheit ersichtlich nicht mehr fest. Vielmehr macht er allein noch geltend, der Kindesmutter fehle es an der notwendigen Bindungstoleranz.
54(1) Zu dem Ergebnis, dass auf Seiten der Kindesmutter eine Einschränkung der Bindungstoleranz festzustellen ist, kommt - was die Beschwerde offenbar übersieht - nicht nur der Sachverständige B in seinem Gutachten vom 8.5.2019 (dort S. 195). Auch der weitere Akteninhalt, etwa die vom Antragsgegner zitierte SMS, lässt diesbezügliche Defizite erkennbar werden.
55Jedoch rechtfertigen die Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit, die sich aus den Defiziten in der Bindungstoleranz auf Seiten der Kindesmutter ergeben, vorliegend keine abweichende Entscheidung über die elterliche Sorge. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Einschränkungen der Bindungstoleranz auf Seiten des Antragsgegners - so die Einschätzung des Sachverständigen B - möglicherweise noch ausgeprägter sind als diejenigen der Kindesmutter. Denn die Einschränkungen der Bindungstoleranz der Kindesmutter sind jedenfalls nicht so groß, dass sie alleine eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater oder gem. § 1671 Abs. 4 BGB auf einen Dritten rechtfertigen würden.
56Dabei ist z.B. in den Blick zu nehmen, dass die Kindesmutter sich bereits in der Antragsschrift vom 2.7.2018 veranlasst gesehen hat, die Angaben von A, der Vater kümmere sich nicht um ihn, zu korrigieren (Bl. 2 d.A.). Weiter hat sie eine zwischenzeitliche Kooperationsbereitschaft des Kindesvaters eingeräumt (Bl. 3 d.A.). Darüber hinaus hat sie sich den Umgangswünschen des Kindesvaters in der Vergangenheit nicht pauschal entzogen, auch wenn es zu nachhaltigen Beschränkungen des Umgangs bis hin zum derzeitigen vollständigen Erliegen gekommen ist. Vielmehr hat sie mitgeteilt, sie sei bereit, wegen ambivalenten Verhaltens von A in Bezug auf die Besuche beim Vater professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen (Bl. 72 d.A.), und wiederholt auf die Bedeutung des Umgangs des Kindesvaters für A verwiesen. Diese Umstände zeigen in Einklang mit dem übrigen Akteninhalt, dass die Bindungstoleranz der Kindesmutter gegenüber dem Antragsgegner trotz des Zerwürfnisses jedenfalls nicht so stark eingeschränkt ist, dass eine Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater oder einen Dritten statt auf die Kindesmutter geboten wäre. Nichts anderes folgt aus dem Sachverständigengutachten.
57cc) Der Senat hat weiter das Argument des Antragsgegners im Blick, die Kindesmutter könnte durch die Übertragung des Sorgerechts dazu ermutigt werden, den Umgang weiter zu beschneiden. Diese Befürchtung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn zum einen wäre ihr angesichts der oben genannten, für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Kindesmutter sprechenden Umstände bei einer Abwägung der Grundrechtpositionen der Beteiligten nicht im Sorge-, sondern ggf. im Umgangsrechtsverfahren Rechnung zu tragen. Zum anderen ist es wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Falles unwahrscheinlich, dass die Sorgerechtsentscheidung zu einer zusätzlichen Beschneidung des Umgangs des Kindesvaters führt (der momentan ohnehin nicht stattfindet). Denn die Kindesmutter ist wie ausgeführt vom Grundsatz her trotz des massiven Zerwürfnisses und der eingeschränkten Bindungstoleranz in der Lage, berechtigte Anliegen des Antragsgegners zu erkennen und vom Grundsatz her bereit, den Umgang zu unterstützen (s.o.). Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Klärung der Sorgerechtssituation aufgrund des auf diese Weise verringerten Konfliktpotentials einen künftigen Umgang des Kindesvaters mit A eher erleichtert als erschwert.
58dd) Schließlich ist für die zu treffende Entscheidung der Wille des inzwischen gut 7 Jahre alten A von erheblicher Bedeutung. Dieser spricht ebenfalls für eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter. Das Amtsgericht hat A wiederholt angehört, ein Verfahrensfehler ist insoweit nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. A hat in seiner Anhörung am 6.8.2018 mitgeteilt, der Kindesvater erzähle immer schlimme Sachen von der Kindesmutter, außerdem Dinge, die nicht stimmten. Er vertraue dem Kindesvater insoweit nicht, „weil er das schon immer so oft und solange“ mache. Es genüge auch nicht, wenn man dem Kindesvater entsprechendes einmal sage. Man müsse es „ganz ganz oft“ sagen, vielleicht höre er dann irgendwann darauf. Er wolle nicht zum Kindesvater, weil dieser dann schlecht über die Kindesmutter, deren Lebensgefährten und deren Eltern spreche. Er möge auch die Freundin des Kindesvaters nicht, weil diese genauso viele schlechte Sachen über die Kindesmutter sage. In der Anhörung am 30.1.2020 hat er nochmals bestätigt, dass ihm negative Aussagen des Kindesvaters über die Kindesmutter missfielen.
59Bei der Bewertung dieser Aussagen hat der Senat im Blick, dass aus den Anhörungen auch hervorgeht, dass A vom Grundsatz her Umgang mit dem Vater wünscht. Auch müssen die Angaben von A vor dem Hintergrund seiner Belastungen durch den tiefgreifenden und anhaltenden Elternkonflikt gesehen werden und dem sich hieraus ergebenden Loyalitätskonflikt des Kindes. Gleichwohl lassen die Äußerungen erkennen, dass derzeit die Bindung zur Kindesmutter ausgeprägter ist als diejenige zum Vater. Dies spricht dafür, die Sorge (auch) in den hier streitgegenständlichen Bereichen der Kindesmutter zu übertragen.
60ee) Bei dieser Sachlage kommt es für die hier allein zu entscheidende Frage, welchem der beiden Elternteile angesichts der Notwendigkeit, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben, die alleinige elterliche Sorge in den o.g. Teilbereichen zu übertragen ist, auf die vom Antragsgegner in Bezug auf das Sachverständigengutachten geäußerte Kritik, insbesondere was die Ausführungen zu einem "Krankheitswert" von Beeinträchtigungen des Kindesvaters oder einer etwaigen Dekompensation angeht – nicht entscheidend an. Denn auch wenn man unterstellt, dass die Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters keinen weitergehenden Beschränkungen unterliegt als diejenige der Kindesmutter, sprechen vorliegend jedenfalls der Gesichtspunkt der Kontinuität, der Kindeswille sowie der Umstand, dass der Kindesmutter bereits das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen ist, für eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge in den weiteren Teilbereichen auf die Kindesmutter.
61III.
62Der Senat hat gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von der Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung abgesehen. Denn das Amtsgericht – Familiengericht – Warstein hat am 6.8.2018 (Bl. 20 d.A.) und am 30.1.2020 (Bl. 335a d.A.) A sowie am 7.8.2019 (Bl. 40 ff. d.A.) die übrigen Beteiligten angehört. Sie haben sich umfassend geäußert; ihre Angaben sind protokolliert. Der Senat hat deshalb keine Veranlassung zu einer nochmaligen persönlichen Anhörung. Vielmehr könnte eine solche den Loyalitätskonflikt des Kindes nochmals verstärken. Eine Anhörung der übrigen Beteiligten ist ebenfalls entbehrlich, weil das Beschwerdevorbringen im Wesentlichen eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ist und nichts wesentlich Neues vorgetragen ist, wozu die übrigen Beteiligten zu befragen wären.
63IV.
64Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 84, 81 Abs. 1 FamFG. Trotz der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels ist abweichend von § 84 FamFG ausnahmsweise eine Nichterhebung der Gerichtskosten und die tenorierte Regelung zu den außergerichtlichen Kosten geboten (Zimmermann in Keidel, FamFG (19. Auflage (2017)), § 84 FamFG, Rn. 13). Denn es ist davon auszugehen, dass der eigentlich unterliegende Kindesvater die Beschwerde eingelegt hat, um die Kindeswohlinteressen möglichst wirksam zur Geltung zu bringen.
65Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 40 FamGKG.
66Rechtsbehelfsbelehrung:
67Diese Entscheidung ist unanfechtbar.