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Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Invaliditätsleistung in Höhe von 10.000,-€ aus der zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherung.
4Die Klägerin erlitt am 28.03.2016 einen Skiunfall in den österreichischen Alpen. Bei einer MRT-Untersuchung vor Ort am 29.03.2016 wurde unter anderem neben einer Knochenfraktur eine femurseitige vordere Kreuzbandruptur diagnostiziert.
5Die Klägerin meldete den Unfall unter dem 07.04.2016 der Beklagten (Bl. 112 d. eAkte 1. Instanz). Mit Schreiben vom 11.04.2016 wies die Beklagte u.a. auf die Voraussetzungen für eine Invaliditätsleistung hin und teilte mit, dass die Invalidität ärztlicherseits bis zum 28.03.2018 festgestellt werden müsse und dass die Klägerin den Anspruch auf Zahlung verliere, wenn die Frist nicht eingehalten werde (Bl. 17 f. d. eAkte 1. Instanz).
6Am 27.06.2016 wurde die Klägerin operiert; eine Kreuzbandplastik wurde eingesetzt.
7In der Folgezeit zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass sie weiterhin unter Beschwerden, insbesondere einer Instabilität sowie diffusen Schmerzen des Kniegelenks, leide.
8Unter dem 02.11.2017 forderte die Beklagte die Klägerin auf, weitere Unterlagen (Arztberichte) einzureichen. Die Beklagte wies erneut auf die Voraussetzungen des Nachweises der Invalidität sowie auf die Folgen der Fristversäumung hin (Bl. 24 f. d. eAkte 1. Instanz).
9In der Folgezeit übersandte die Klägerin der Beklagten eine „Fachärztliche Bescheinigung“ der Ärzte K u.a. vom 23.01.2018. Ausweislich der Bescheinigung bestanden „Schmerzen und Gefühl von Instabilität“. Die Frage nach dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wurde mit „zZ nicht absehbar“ beantwortet. Weiter war angegeben, dass die Behandlung noch nicht abgeschlossen, sondern „Ende März 18 erneute Vorstellung mit MRT“ erfolgen solle. (Bl. 26 d. eAkte 1. Instanz).
10Unter dem 17.05.2018 lehnte die Beklagte die Zahlung von Invaliditätsleistungen mit der Begründung ab, dass die Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität bereits am 28.03.2018 verstrichen war.
11Mit fachärztlicher Bescheinigung vom 21.11.2018 wurde eine dauernde gesundheitliche Beeinträchtigung der Klägerin bescheinigt. Ausweislich der Bescheinigung vom 21.11.2018 wurde die Feststellung erstmals ärztlich am 06.11.2018 getroffen (Bl. 29 d. eAkte 1. Instanz).
12Die Klägerin hat wegen des von ihr erlittenen Unfalls Invaliditätsleistungen geltend gemacht und u.a. die Ansicht vertreten, der Einwand des Fristablaufes greife nicht durch. Bereits die Mitteilung des Kreuzbandrisses bedinge das Vorhandensein einer Invalidität. Ein operiertes Knie mit einer Plastik sei zwangsläufig schwächer als ein unverletztes Knie. Darüber hinaus sei spätestens mit der ärztlichen Bescheinigung vom 23.01.2018 klar gewesen, dass die Klägerin noch unter erheblichen Beeinträchtigungen aus dem Unfall leide.
13Die Klägerin hat beantragt,
141.
15die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.01.2020 zu zahlen;
162.
17festzustellen, dass die Klägerin einen Grad der Invalidität von mindestens 25 % des Schadensereignisses vom 28.03.2016 aufweist.
183.
19die Beklagte zu verurteilen, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in Höhe von 1.266,16 € zu tragen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, allein der Umstand, dass die Klägerin bei dem Skiunfall einen Kreuzbandriss erlitten habe, führe nicht ohne weiteres zu der Annahme eines Dauerschadens und einer daraus resultierenden Invalidität. Die ärztliche Feststellung der Invalidität innerhalb von 24 Monaten nach dem Unfall sei nicht erfolgt. Sie sei nur dann nicht notwendig, wenn sich aus den Befunden zwingend eine dauernde Beeinträchtigung folgern lasse, wie beim Verlust von Gliedmaßen oder sonstigen Organen. Kreuzbandrisse könnten folgenlos ausheilen und damit nicht zu einer Invalidität führen. Auf die Frage, ob ein Kreuzbandriss ein Gebrechen sei, komme es nicht an.
23Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der von ihr eingelegten Berufung. Sie verfolgt die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter und ist der Ansicht, die Beklagte handele treuwidrig, indem sie sich auf das Fehlen einer Invaliditätsbescheinigung binnen 24 Monaten nach dem Unfall berufe. Es sei bei einem Kreuzbandriss, bei dem eine Kreuzbandplastik eingesetzt worden sei, offensichtlich, dass eine Invalidität verbleibe. Insoweit bietet die Klägerin Beweis durch Sachverständigengutachten an.
24Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
25Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen der getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
26II.
27Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordert und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist, § 522 Abs. 2 ZPO.
28Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung durch den Senat stand. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
29Die dagegen gerichteten Berufungsangriffe bleiben ohne Erfolg. Nach § 529 Abs. 1 ZPO hat der Senat die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsa-chen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen be-gründen. Dies ist hier nicht der Fall.
30Zutreffend und mit überzeugender Begründung, auf die vollumfänglich Bezug genommen wird, hat das Landgericht ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von 10.000,- € aus dem zwischen den Parteien geschlossenen privaten Unfallversicherungsvertrag nicht besteht, da die Leistungsvoraussetzungen der Ziff. 2.1.1.1 der AUB 2012 (AUB 2012, Bl. 84 ff. d. eAkte 1. Instanz) i.V.m. Ziff. 15 der Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung 2012 (Bl. 92/96 d. eAkte 1. Instanz) nicht vorliegen.
311.
32Ausweislich der Bedingungen ist Voraussetzung für den geltend gemachten Leistungsanspruch, dass die Invalidität innerhalb von 18 Monaten nach dem Unfall eingetreten ist und innerhalb von 24 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt worden ist.
33Allein die Möglichkeit oder auch Wahrscheinlichkeit einer dauernden Beeinträchtigung reichen nicht, ebenso wenig eine ärztliche Bescheinigung, aus der sich allenfalls die Möglichkeit eines Dauerschadens ergibt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.04.2016, 5 U 36/15, juris, Rn. 36 m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.02.2018 – 3 U 235/16 –, juris, m.w.N.).
34Das Landgericht hat zutreffend und mit durchgehend überzeugender Begründung festgestellt, dass eine fristgerechte ärztliche Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass die Klägerin aufgrund des Unfalls vom 28.03.2016 einen Dauerschaden erlitten hat, nicht vorliegt. Aus der ärztlichen Bescheinigung vom 28.01.2018 ergibt sich ausdrücklich, dass ein Dauerschaden zu diesem Zeitpunkt gerade noch nicht festgestellt werden konnte, sondern gerade noch nicht absehbar war. Erstmals mit der ärztlichen Bescheinigung vom 21.11.2018 ergab sich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Klägerin, die danach erstmals am 06.11.2018 festgestellt worden war. Die Klägerin greift im Ergebnis die Feststellung, dass keine ausreichende ärztliche Invalidtätsbescheinigung innerhalb von 24 Monaten vorlag, auch nicht an.
352.
36Die Beklagte war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht gem. § 242 BGB gehindert, sich auf das Fehlen einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung zu berufen. Das Berufen des Versicherers auf das Fehlen einer fristgerechten Invaliditätsbescheinigung ist erst dann treuwidrig, wenn sich aus den eingeholten Auskünften greifbare Anhaltspunkte für den vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Dauerschaden ergeben oder wenn der Versicherer von sich aus in umfassendes Gutachten zu den Dauerfolgen einholt (BGH, Urteil vom 30.11.2005, IV ZR 154/04, juris, Rn. 11). Greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Dauerschadens waren im vorliegenden Fall für die Beklagte weder aufgrund der von der Klägerin erlittenen Verletzung gegeben, noch aufgrund der vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen oder sonstigen Unterlagen.
37a)
38Das Landgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass sich bereits aus den von der Klägerin selbst vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, insbesondere aus der Bescheinigung vom 23.01.2018 (Bl. 26 d. eAkte 1. Instanz) ergibt, dass bei der vorliegenden Verletzung gerade nicht ohne weiteres von einem Dauerschaden auszugehen war. Denn ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom 23.01.2018 war nach Einschätzung des behandelnden Arztes im Januar 2018 noch nicht absehbar, ob aufgrund des Unfallereignisses dauernde gesundheitliche Beeinträchtigungen verbleiben würden. Aber auch die Bescheinigung vom 21.11.2018 spricht dafür, dass aufgrund der von der Klägerin erlittenen Verletzung nicht ohne weiteres innerhalb der vertraglichen Frist von 24 Monaten auf einen Dauerschaden geschlossen werden konnte. Denn ausweislich dieser Bescheinigung wurde die Feststellung eines Dauerschadens ärztlicherseits erstmals am 06.11.2018 und damit mehr als 2 1/2 Jahre nach dem Unfall getroffen. Es handelte sich bei dem von der Klägerin erlittenen und mit einer Kreuzbandplastik versorgten Kreuzbandriss schon nach der Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte nicht um eine Verletzung, bei der sich aus sich selbst heraus ergibt, dass eine unfallbedingte Invalidität besteht.
39b)
40Unabhängig davon handelt es sich bei einem Kreuzbandriss nicht um eine Verletzung, bei der, wie bei Gliedverlusten oder Querschnittslähmungen, von vornherein offensichtlich ist, dass ein Dauerschaden vorliegt. Einer Beweiserhebung hierzu durch Sachverständigengutachten bedarf es nicht. Für die Beklagte musste sich in keinem Fall aufdrängen, dass im vorliegenden Fall ein Dauerschaden eintreten würde, sie musste insbesondere keine weiteren Kenntnisse haben als die Ärzte der Klägerin.
41c)
42Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.07.2009, IV ZR 216/07, in der der Bundesgerichthof einen stattgehabten Kreuzbandriss als Gebrechen qualifiziert hat. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist ein Gebrechen nicht mit einer Invalidität gleichzusetzen. Unter einem Gebrechen ist ein dauernder außerhalb der medizinischen Norm liegender Körperzustand zu verstehen, dieser führt jedoch nicht zwingend zu dauerhaften Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit und damit nicht zwingend zur Invalidität.
43Ein treuwidriges Verhalten der Beklagten ist nicht ersichtlich.
44Aus den vorgenannten Gründen hat das Landgericht auch den Feststellungsantrag der Klägerin zu Recht abgewiesen.
45Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hinge-wiesen.
46Hamm, 10.12.2020
476. Zivilsenat
48Auf den Hinweisbeschluss vom 10.12.2020 wurde die Berufung zurückgenommen.