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Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen dazu Stellung zu nehmen.
Gründe:
2Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern ebenfalls keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung.
3I.
4Die Klägerin ist Verteilernetzbetreiberin und betreibt u.a. in A als Eigentümerin das Stromverteilernetz. Sie nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Beschädigung von zwei Mittelspannungskabeln am 16.09.2017 in Anspruch.
5Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks B-Straße 000 in A, das seit dem Jahr 1982 mit einer Doppelhaushälfte bebaut ist. Das Haus des Beklagten sowie die Häuser mit einer niedrigeren Hausnummer werden sämtlich von der Straßenseite aus mit erdverlegten Kabeln und Rohren versorgt. Die Grundstücke mit den Hausnummern 001 ff. werden sowohl von der Straßen- als auch von der Rückseite versorgt. Oberirdisch sind weder Trafohäuschen noch Stromkästen installiert.
6An der Rückseite des Grundstücks des Beklagten, also entlang der nord-nordwestlichen Grundstücksgrenze, verläuft ein nach Hochwasserschutzmaßnahmen nicht mehr wasserführender Graben parallel zum Grundstück. Dieser Bereich steht im Eigentum der Stadt A. Dahinter liegt eine landwirtschaftlich genutzte Fläche. Seit 1991 sind der Beklagte sowie acht weitere Nachbarn jeweils Pächter eines 15 m tiefen Areals der jeweils an ihr Grundstück angrenzenden Ackerfläche, die sie als Garten nutzen. Auf dem vom Beklagten gepachteten Teil der Ackerfläche ist im Grundbuch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit für die Klägerin zum Betrieb von Versorgungsleitungen eingetragen.
7Am 16.09.2017 gegen 15.00 Uhr wollte der Beklagte eine auf der als Garten von ihm genutzten Fläche befindliche ca. drei Meter hohe Thuja abstützen. Dazu schlug er zwei Eisenrohre mit einem Vorschlaghammer nördlich und südlich der Thuja in den Boden. Beim Eintreiben des zweiten Metallrohres beschädigte der Beklagte zwei Mittelspannungskabel der Klägerin, welche in einer Tiefe von ca. 90 cm im Erdreich im Bereich des als Garten genutzten Teils der Ackerfläche verlegt sind. Wegen der Lage der Mittelspannungskabel wird auf den Leitungsplan (Anlage K18) Bezug genommen.
8Zuvor hatte sich der Beklagte nicht über das Vorhandensein von unterirdischen Leitungen oder Kabeln im Bereich der gepachteten Fläche informiert. Auch zum Zeitpunkt der Begründung des Pachtvertrages im Jahr 1991 wurde nicht über das Vorhandensein von Leitungen gesprochen.
9Die Klägerin reparierte die betroffenen Mittelspannungskabel und stellte die Stromversorgung wieder her.
10Unter dem 12.10.2017 (Anlage K7) machte die Klägerin die Reparaturkosten in Höhe von 3.374,55 € geltend. Der hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherer lehnte die Regulierung mit Schreiben vom 02.11.2017 (Anlage K8) ab. Nach weiterer Korrespondenz zwischen der Klägerin und dem Haftpflichtversicherer wies der Haftpflichtversicherer den geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit Schreiben vom 03.01.2018 (Anlage K14) erneut zurück.
11Die Klägerin hat die Rechtsmeinung vertreten, der Beklagte habe eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem er ohne sich zuvor über die Existenz und den Verlauf von unterirdischen Versorgungsleitungen Kenntnis verschafft zu haben, zwei Eisenrohre jeweils einen Meter tief in den Erdboden eingeschlagen habe. Auch für Privatpersonen gelte eine allgemeine Erkundigungspflicht vor Durchführung von Erdarbeiten. Der Beklagte sei danach verpflichtet gewesen, Erkundigungen nach in dem Schadensbereich vorhandenen Leitungen bei der Klägerin einzuholen. Jedenfalls hätte er sich bei dem Eigentümer des Grundstücks erkundigen oder sich selbst durch Einblick in das Grundbuch Kenntnis über das Vorhandensein unterirdischer Kabel verschaffen müssen. Gerade bei Ackerflächen sei damit zu rechnen, dass diese für den Betrieb von Versorgungsleitungen genutzt würden.
12Die Klägerin hat behauptet, für die Wiederherstellung der Mittelspannungskabel sei ihr wie in der Rechnung vom 12.10.2017 ausgewiesen ein Sachschaden in Höhe von 3.374,55 € netto entstanden. Darüber hinaus sei ihr ein sog. Qualitätselementschaden in Höhe von 25.859,46 € für die Jahre 2019 bis 2020 entstanden, der ebenfalls von dem Beklagten zu ersetzen sei. Durch die Beschädigung der Mittelspannungsleitungen durch den Beklagten sei es auf insgesamt 18 Leitungsabschnitten ihres Netzes zu Versorgungsstörungen gekommen. Hierdurch habe sie einen um 25.859,46 € niedrigeren Erlös erzielt.
13Die Klägerin hat beantragt,
14den Beklagten zu verurteilen, an sie 29.234,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 3.374,55 € seit dem 27.10.2017 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 25.859,46 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15Der Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er hat die Rechtsmeinung vertreten, er habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass bei Tiefbau- und Erdarbeiten von Unternehmen auf privatem Grund nur dann eine besondere Erkundigungspflicht bestehe, wenn nach den örtlichen Gegebenheiten konkrete Anhaltspunkte für die Existenz von Leitungen im Erdreich vorhanden seien. Dies müsse erst recht für Privatpersonen gelten. Da entsprechende konkrete Anhaltspunkte nicht vorhanden gewesen seien, habe für ihn keine Erkundigungspflicht bestanden.
18Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie auf den weiteren Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Beklagten abgewiesen.
20Der Beklagte habe durch das Einschlagen der Eisenstangen keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die erhöhten Anforderungen hinsichtlich der Erkundigung bei Arbeiten auf öffentlichem Grund seien auf das hier betroffene Privatgrundstück nicht übertragbar. Denn anders als auf öffentlichem Grund sei auf privaten Grundstücken nicht ohne weiteres mit Versorgungsleitungen zu rechnen. Zudem habe hier eine Privatperson und kein Tiefbauunternehmer gehandelt, die zudem nur minimale Arbeiten durchgeführt habe.
21Auch nach allgemeinen Grundsätzen habe der Beklagte keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Nach objektiven Maßstäben habe keine naheliegende Möglichkeit bestanden, dass durch die vom Beklagten vorgenommenen Abstützungsarbeiten Rechtsgüter anderer, insbesondere Versorgungsleitungen, verletzt werden. Oberirdisch seien keine besonderen Anhaltspunkte für die Existenz von Stromleitungen vorhanden gewesen. Dies gelte auch für die Gestaltung der näheren Umgebung. Die Nachbargärten seien im Bereich der gepachteten Ackerflächen jeweils mit Bäumen bepflanzt und wiesen teilweise feste Fundamente auf. Die entsprechenden Arbeiten seien reibungslos durchgeführt worden. Auch unter Berücksichtigung der hohen Gefahren durch eine Beschädigung unterirdisch verlegter Leitungen sei dem Beklagten daher keine Pflichtverletzung vorzuwerfen.
22Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
23Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte positive Kenntnis von der Existenz der beiden streitgegenständlichen Mittelspannungskabel gehabt habe. Denn es müsse davon ausgegangen werden, dass der Eigentümer der Ackerfläche im Rahmen des Pachtvertrages über die Mittelspannungskabel und die eingeräumte Dienstbarkeit informiert habe. Es werde daher angeregt, die Vorlage des Pachtvertrages gem. § 142 Abs. 1 ZPO anzuordnen.
24Hilfsweise wiederholt und vertieft die Klägerin ihre erstinstanzliche Argumentation. Insbesondere sei die der Klägerin durch den Verpächter bewilligte Dienstbarkeit im Grundbuch für jedermann ersichtlich. Aufgrund dieser Dienstbarkeit würde der Verpächter, sofern dieser die Eisenstangen in den Boden geschlagen hätte, der Klägerin auf jeden Fall haften. Wertungsmäßig sei es widersprüchlich, den Pächter nicht haften zu lassen.
25Auch im Übrigen sei die angefochtene Entscheidung unrichtig. Es komme nicht darauf an, ob mit einem Bagger gearbeitet oder eine Eisenstange in das Erdreich getrieben werde. Zudem habe das Landgericht die Unterscheidung zwischen besonderer und allgemeiner Erkundigungspflicht bei Tiefbauarbeiten nicht hinreichend beachtet. Seine allgemeine Erkundigungspflicht habe der Beklagte zweifellos nicht erfüllt.
26Schließlich habe der Beklagte auch die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt, angesichts der Gefahren, die mit dem hier vorliegenden „blinden“ Einschlagen der Eisenstangen in das Erdreich verbunden seien.
27Die Klägerin beantragt, das am 05.03.2020 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Paderborn, Az. 4 O 409/19, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
28an sie 29.234,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 3.374,55 € seit dem 27.10.2017 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 25.859,46 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
29Der Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Der Beklagte verteidigt unter Vorlage der Vereinbarung vom 21.03.1991 (Bl. 376 GA) über die Nutzung der Ackerfläche die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen.
32Der Senat nimmt gem. § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug. Darüber hinaus hat der Senat aufgrund der vorgelegten Vereinbarung vom 21.03.1991 (Bl. 376 GA) festgestellt, dass der Beklagte aufgrund des schriftlichen Pachtvertrages über die Ackerfläche weder positive Kenntnis von der Existenz der Mittelspannungsleitungen hatte noch sich eine solche Kenntnis durch einen Blick in den Pachtvertrag hätte verschaffen können.
33II.
34Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Vielmehr hat das Landgericht die Klage zutreffend abgewiesen.
351.
36Das Landgericht hat hinsichtlich der Anforderungen an die Erkundigungspflicht zutreffend zwischen Arbeiten auf öffentlichem und Arbeiten auf privatem Grund und die hierbei den Tiefbauunternehmer treffenden Pflichten unterschieden.
37Es werden hohe Anforderungen an die Pflicht der Tiefbauunternehmen gestellt, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten auf dem öffentlichen Gebrauch gewidmeten Grundstücken nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Sie haben sich Gewissheit über die Verlegung von Versorgungsleitungen im Boden zu verschaffen, weil öffentliche Verkehrsflächen regelmäßig auch genutzt werden, um dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienende Leitungen dort zu verlegen. Um den unverhältnismäßig großen Gefahren, die durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen hervorgerufen werden können, zu begegnen, ist mit äußerster Vorsicht vor allem bei der Verwendung von Baggern und anderem schweren Arbeitsgerät vorzugehen. So muss sich der betreffende Tiefbauunternehmer dort, wo entsprechend zuverlässige Unterlagen vorhanden sind, über den Verlauf von Versorgungsleitungen erkundigen; im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung hat er sich die Kenntnisse zu verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt. Da die Versorgungsleitungen regelmäßig ohne Mitwirkung der kommunalen Bauämter verlegt und unterhalten werden, genügt nicht eine Erkundigung bei diesen; vielmehr besteht im Allgemeinen eine Erkundigungspflicht gegenüber den zuständigen Versorgungsunternehmen. Wenn dies nicht weiterhilft, hat sich der Tiefbauunternehmer die erforderliche Gewissheit durch andere geeignete Maßnahmen zu verschaffen, etwa durch Probebohrungen oder Ausschachtungen von Hand in dem Bereich, den er ausheben will.
38Ob es sich um öffentlichen oder privaten Grund handelt, ist dabei nach dessen Widmung zu beurteilen (vgl. beispielsweise § 2 FStrG). Ist das Grundstück dem öffentlichen Gebrauch gewidmet, mag es sich auch im Eigentum einer privaten Person befinden, muss damit gerechnet werden, dass dort dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienende Leitungen verlegt sind. Dies rechtfertigt den hohen Sorgfaltsmaßstab bei der Durchführung von Bauarbeiten auf einem solchen Grundstück.
39Diese strengen Anforderungen bei Arbeiten auf öffentlichem Grund gelten nicht allgemein für Arbeiten auf einem Privatgrundstück, sondern nur wenn besondere Anhaltspunkte für Versorgungsleitungen vorhanden sind. Da Voraussetzung der Widmung eines im privaten Eigentum stehenden Grundstücks regelmäßig ist, dass der Eigentümer oder ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt hat (vgl. § 2 II FStrG), ist bei privaten Grundstücken nicht ohne weitere Anhaltspunkte damit zu rechnen, dass dort unterirdische Versorgungsleitungen verlaufen. Dem Bauunternehmer vor jedweden Grabungsarbeiten auf einem dem Privatgebrauch dienenden Grundstück die Verpflichtung aufzuerlegen, Erkundigungen bei den örtlichen Energieversorgungsunternehmen einzuholen, überschritte daher die Grenze des Zumutbaren. Zwar ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates. Dabei kann jedoch nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Nach diesen Grundsätzen besteht eine Erkundigungspflicht eines Bauunternehmers nach dem Verlauf von Versorgungsleitungen bei den örtlichen Energieversorgungsträgern vor Grabungsarbeiten auf einem dem Privatgebrauch dienenden Grundstück nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte für unterirdisch verlegte Versorgungsleitungen auf dem betreffenden Grundstück gibt (BGH, Urteil vom 20.12.2005, Az. VI ZR 33/05, NJW-RR 2006, 674, Rn. 8 ff. m.w.N.).
40Danach bestand auch dann, wenn man diese für Bauunternehmen geltenden Grundsätze auf den Beklagten als Privatperson erstreckt, keine besondere Erkundigungspflicht vor Einschlagen der Eisenstangen in das Erdreich.
41Bei dem betroffenen Bereich handelt es sich unstreitig um privaten Grund. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Bereich dem öffentlichen Gebrauch gewidmet war, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Widmung für den öffentlichen Gebrauch kommt allenfalls hinsichtlich der in früheren Zeiten als Vorfluter genutzten und im Eigentum der Stadt A stehenden Fläche zwischen dem Grundstück des Klägers und der hinzugepachteten Ackerfläche in Betracht. In diesem Bereich sind die Leitungen jedoch gerade nicht verlegt.
42Konkrete Anhaltspunkte für die auf dem (privaten) Acker verlegten Leitungen bestanden nicht, so dass eine besondere Erkundigungspflicht nicht ausgelöst worden ist. Die Versorgung des Grundstücks des Klägers erfolgte unstreitig von der Straßenseite aus und nicht von der betroffenen Rückseite. Oberirdisch waren auch weder Trafohäuschen noch Stromkästen installiert.
432.
44Anders als die Klägerin erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens geltend gemacht hat, hatte der Beklagte auch weder aufgrund des Pachtvertrages über den betroffenen Grundstücksteil positive Kenntnis von dem Vorhandensein der Stromleitung noch hätte er sich eine solche Kenntnis durch Einsichtnahme in den Pachtvertrag verschaffen können.
45Hinsichtlich des Inhalts der bei Vertragsschluss geführten Gespräche ergibt sich bereits aus der Tatbestandswirkung des angefochtenen Urteils gem. § 314 ZPO, dass zum Zeitpunkt der Begründung des Pachtvertrages im Jahr 1991 nicht über ein Vorhandensein von Leitungen gesprochen worden ist.
46Darüber hinaus stellt der Senat auf Basis des im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgelegten schriftlichen Pachtvertrages vom 21.03.1991 (Bl. 376 GA) fest, dass hierin keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein irgendwelcher Leitungen und Kabel auf der gepachteten Grundstücksfläche vorhanden sind. Nach Vorlage des Pachtvertrages durch den Beklagten hat die Klägerin insoweit keine Einwendungen erhoben.
47Es steht danach fest, dass bei Abschluss des Pachtvertrages weder über das Vorhandensein unterirdisch verlegter Stromleitungen oder sonstiger Versorgungsleitungen gesprochen worden ist und dass sich Hinweise hierauf auch nicht in den schriftlichen Vertragsunterlagen befinden.
483.
49Die Berufung der Klägerin hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie einwendet, das Landgericht habe die Differenzierung zwischen der besonderen und der allgemeinen Erkundigungspflicht nicht hinreichend beachtet, der Beklagte sei im Rahmen der ihn treffenden allgemeinen Erkundigungspflicht gehalten gewesen, sich bei dem Verpächter als seinem Vertragspartner zu erkundigen. Auch eine allgemeine Erkundigungspflicht bei Tiefbauarbeiten auf privatem Grund besteht nicht generell, sondern nur dann, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die Existenz entsprechender Leitungen vorhanden sind (BGH, Urteil vom 21.11.1995, Az. VI ZR 31/95, NJW 1996, 387; vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2005, Az. VI ZR 33/05, NJW-RR 2006, 674, Rn. 14).
50Wie bereits ausgeführt waren derartige Anhaltspunkte hinsichtlich des Bereichs der Ackerfläche gerade nicht vorhanden. Aufgrund der Erschließung des Grundstücks des Beklagten von der Straßenseite aus sowie dem Umstand, dass keinerlei Trafohäuschen, Stromkästen oder ähnliche Einrichtungen auf das Vorhandensein des Kabelstranges hindeuteten, wurde eine Erkundigungspflicht des Beklagten gerade nicht ausgelöst.
514.
52Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Beklagte als Pächter des Grundstücks auch nicht dem Eigentümer und Verpächter gleichzustellen. Auch wenn der Eigentümer der verpachteten Fläche aufgrund der eingetragenen Dienstbarkeit Kenntnis davon hätte haben müssen, dass auf dem Grundstück Versorgungsleitungen verlegt wurden, ist, wie oben bereits dargelegt, unstreitig, dass der Beklagte von dem Verpächter weder mündlich noch schriftlich auf das Vorhandensein von Leitungen hingewiesen wurde.
53Dass der Beklagte das Grundstück als Pächter genutzt hat, führt nicht dazu, dass er sich das Wissen seines Verpächters in irgendeiner Weise zurechnen lassen muss, ober dass ihn erhöhte Erkundigungspflichten im Hinblick auf Versorgungsleitungen treffen, wenn es keine objektiven Anhaltspunkte dafür gibt, dass auf dem Grundstück Versorgungsleitungen verlegt sein könnten.
54Die Klägerin ist auch nicht schutzlos gestellt, wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte nicht verpflichtet war, sich von sich aus bei dem Verpächter zu informieren, ob es eventuell zu beachtenden Versorgungsleitungen geben könnte, obwohl keine Anhaltspunkt für das Vorhandensein solcher Versorgungsleitungen auf der angepachteten Ackerfläche vorhanden waren, da möglicherweise eine Informationspflicht des Verpächters bestanden hat.
55Den Beklagten traf entgegen der Ansicht der Klägerin eine allgemeine Erkundigungspflicht auch nicht deshalb, weil er, wie es die Klägerin formuliert, über Jahrzehnte weitreichende Bodenarbeiten auf dem Grundstück ausgeführt hat. Tatsächlich hat der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt, er und seine Nachbarn, die ebenfalls Land gepachtet hatten, hätten zu Beginn der Pachtzeit am Ende der gepachteten Fläche Zäune bauen sollen, damit die Kinder und Hunde nicht auf den Acker laufen konnten. Zudem seien zum Überwinden von Höhendifferenzen Brücken gebaut worden, wobei die Nachbarn teilwiese Betonfundamente, auch tiefe Fundamente, gesetzt hätten.
56Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass gerade aufgrund der Tatsache, dass sich bei all diesen Arbeiten keine Probleme mit Versorgungsleitungen ergeben hatten, der Beklagte im Jahr 2017, also ca. 26 Jahre nach der Anpachtung des Grundstücks, nicht davon ausgehen musste, dass auf dem Grundstück Versorgungsleitungen verlegt waren. Ob bei den ersten Arbeiten im Jahre 1991 eine Erkundigungspflicht bestanden hätte, wofür mangels Vorhandensein von Anhaltspunkten für verlegte Versorgungsleitungen bereits nichts spricht, kann letztlich dahinstehen, da bei diesen Arbeiten unstreitig keine Versorgungsleitungen beschädigt wurden.
57Anders als die Klägerin meint, führt weder die Entscheidung des BGH vom 02.10.1984, NJW 1985, 270, noch der Verweis der Klägerin auf die Haftungstatbestände der §§ 836, 837 BGB zu einer anderen Beurteilung.
58Die zitierte Entscheidung des BGH betrifft die Streupflicht des Pächters einer Gaststätte für deren Außentreppe und damit eine gänzlich andere Fallgruppe von Verkehrssicherungspflichten. In einem solchen Fall drängen sich – anders als im vorliegenden Fall – die Gefahren für die Rechte Dritter auf, für die im vorliegenden Fall keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte bestehen.
59Die §§ 836, 837 BGB regeln die Haftung für von Grundstücken und Gebäuden ausgehende Gefahren. Der Schaden der Klägerin ist jedoch nicht aufgrund der Gefahren des Grundstücks, sondern aufgrund der Handlung des Beklagten entstanden. Damit betreffen diese Regelungen strukturell andere Risiken, so dass auch vor diesem Hintergrund eine Gleichbehandlung des Beklagten als Pächter mit einem Grundstückseigentümer nicht geboten ist.
605.
61Schließlich hat der Beklagte auch keine allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt.
62Mangels entsprechender Anhaltspunkte für das Vorhandensein der Kabel auf dem von ihm seit Jahrzehnten genutzten Grundstück – Erschließung seines Grundstücks von der Straßenseite aus, keine vorhandenen oberirdischen Installationen wie Trafohäuschen oder Stromkästen – würde die Auferlegung von Erkundigungspflichten die Anforderungen überspannen.
63Denn es ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind.
64Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst begleichen. Er hat ein „Unglück“ erlitten und kann dem Schädiger kein „Unrecht“ vorhalten (exemplarisch BGH, Urteil vom 01.10.2013, Az. VI ZR 369/12, RdTW 2013, 484 Rn. 14 f. m.w.N.).
65Die Berufung der Klägerin bietet danach keine Aussicht auf Erfolg.
66III.
67Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.
68Hamm, 29.10.2020
69Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat
70Auf den Hinweisbeschluss vom 29.10.2020 wurde die Berufung zurückgenommen.