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1. Ist der Unterhalt für die Vergangenheit tituliert, begründet dies eine Vermutung dafür, dass der Unterhaltsschuldner zu diesem Zeitpunkt den Bedarf und die Bedürftigkeit der Unterhaltsgläubigerin und seine eigene vom Gericht bejahte Leistungsfähigkeit kannte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Anspruch aufgrund tatsächlicher Leistungsfähigkeit und nicht lediglich aufgrund fiktiven Einkommens festgestellt wurde.
2. Die Kenntnis des Unterhaltsschuldners wird durch von diesem erhobene Verwirkungseinwände nicht in Frage gestellt, wenn er nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Beschluss des Gerichts darauf hingewiesen wurde, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung (aktuell) nicht gegeben seien.
3. Für die Pflichtwidrigkeit bei dem Unterlassen der Unterhaltszahlung genügt das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht alleine nicht; vielmehr müssen zudem Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben sein.
4. § 302 Nr. 1 Alt. 2 InsO ist nicht als deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren, so dass für die Verjährung nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht einen anderen Streitgegenstand hat als der gesetzliche Unterhaltsanspruch (im Anschluss an KG, Beschluss vom 29.8.2019 - 13 UF 91/19 - BeckRS 2019, 27750 sowie FamRZ 2020, 275).
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lüdenscheid vom 19.7.2019 abgeändert und der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt der Antragsteller.
Gründe:
2I.
3Die am 15.6.1998 geschlossene Ehe der Beteiligten wurde nach Trennung im Januar 2009 am 25.4.2014 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind die Kinder A, geboren am 27.2.2000, und B, geboren am 25.1.2002, hervorgegangenen; A lebt im Haushalt des Antragstellers und B lebt im Haushalt der Antragsgegnerin.
4Die Antragsgegnerin nahm den Antragsteller in dem Verfahren 5 F 876/09 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Lüdenscheid im Wege des Stufenantrags auf die Zahlung von Kindes- und Ehegattenunterhalt in Anspruch. Die Beteiligten schlossen am 16.4.2010 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Lüdenscheid einen Teilvergleich, in dem sich der Antragsteller u.a. zur Zahlung des Mindestunterhalts für die Kinder an die Antragsgegnerin ab Mai 2010 verpflichtete. Der Antragsteller wurde im Wege des Teilanerkenntnisurteils vom 16.4.2010 verurteilt, der Antragsgegnerin Auskunft über die Höhe seines Einkommens zu erteilen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurden Sachverständigengutachten zu dem Einkommen beider Beteiligte eingeholt und eine Beweisaufnahme zu den vom Antragsteller erhobenen Verwirkungseinwänden durchgeführt. Der Antragsteller behauptete, die Antragsgegnerin habe im September 2008 trotz intakter Ehe eine intime Beziehung mit dem Zeugen C angefangen und unterhalte eine eheähnliche Beziehung zu dem Zeugen D, mit dem sie seit September 2009 zusammenwohne. Das Amtsgericht wies den Antragsteller mit Beschluss vom 11.2.2011 darauf hin, dass eine Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 7 BGB nicht bewiesen, und mit Beschluss vom 1.2.2013, dass eine Verwirkung gemäß § 1579 Nr. 2 BGB aktuell nicht anzunehmen sei. Das Verfahren dauerte 5 Jahre.
5Mit Beschluss vom 19.12.2014 des Amtsgericht – Familiengericht – Lüdenscheid wurde der Antragsgegner u.a. verpflichtet, an die Antragstellerin Kindesunterhalt für B in Höhe von 14.565,07 € für die Zeit vom 1.4.2009 bis 30.11.2014 sowie in Höhe von 160% des Mindestunterhaltes abzüglich hälftigem Kindergeld ab dem 1.12.2014 und Ehegattenunterhalt in Höhe von 56.261,35 € für die Zeit vom 1.4.2009 bis zum 30.6.2013 zu zahlen. Für die Zeit danach ging das Amtsgericht von einer Verwirkung des Trennungsunterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 2 BGB wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin aus.
6Auf den Kindesunterhalt wurden im Wege der Zwangsvollstreckung Zahlungen in Höhe von 6.023,41 € geleistet; Zahlungen auf den Trennungsunterhalt wurden nicht erbracht. Die Antragsgegnerin pfändete ab Herbst 2010 den Kindesunterhalt aus dem Teilvergleich vom 16.4.2010.
7Am 31.1.2017 wurde bei dem Amtsgericht Hagen über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet (Aktenzeichen: 100 IN 2/17). Am 6.2.2017 meldete die Antragsgegnerin zur Insolvenztabelle unter Nr. 2 Unterhaltsforderungen in Höhe von insgesamt 100.722,92 € an, die sich wie folgt zusammensetzten:Trennungsunterhalt 56.261,35 €Unterhalt für A 19.714,70 €Unterhalt für B 24.461,66 €Kosten 285,21 €
8Dabei gab die Antragsgegnerin an, dass die angemeldete Forderungen von der Restschuldbefreiung gemäß § 302 InsO ausgenommen sein sollen, da die Verbindlichkeiten des Schuldners aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt resultierten, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe. Bei der Eintragung der Forderung in Höhe von 100.437,71 € (Unterhalt ohne Kosten) in der Insolvenztabelle wurde vermerkt, dass die Forderung von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen ist.
9Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 4.4.2017 Widerspruch gegen die Eintragung wegen der Höhe und gegen den Grund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung ein. Die Antragsgegnerin korrigierte daraufhin die Anmeldung. Sie reichte für A eine neue Anmeldung ein und reduzierte die eigene Anmeldung auf 80.723,01 € zzgl. 285,21 € Kosten.
10Der Antragsteller war bis zu seiner Kündigung am 10.7.2015 bei der E AG als selbständiger Versicherungsmakler tätig. Er bezog in der Zeit vom 1.2.2016 bis zum 30.9.2016 Arbeitslosengeld II und erzielte ab dem 1.10.2016 Einkommen in Höhe von 1.400,- € brutto oder 1.054,47 € netto aus abhängiger Beschäftigung. Seit November 2019 bezieht er Arbeitslosengeld I. Daneben bezieht er – wie bereits zu Zeiten des Beschlusses vom 19.12.2014 – eine Unfallrente in Höhe von aktuell ca. 460,- € monatlich nach einem Unfall am 3.6.1983.
11Der Antragsteller war erstinstanzlich der Ansicht, die Unterhaltsforderung sei nicht nach § 302 Nr. 1 InsO privilegiert, da die Antragsgegnerin zu der Voraussetzung, dass die Forderung auf vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährtem Unterhalt beruhe, nicht ausreichend vorgetragen habe. Dazu hat er behauptet, er habe keine weiteren Zahlungen leisten können. Die Antragsgegnerin habe durch die dauerhaften Pfändungen seine selbständige Tätigkeit als Versicherungsmakler zerstört. Ein Verfahren wegen Unterhaltspflichtverletzung gemäß § 170 StGB sei nach § 153 StPO eingestellt worden.
12Erstinstanzlich hat der Antragsteller beantragt, seinen Widerspruch im Insolvenzverfahren hinsichtlich der durch den Beschluss des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19.12.2014 titulierte Forderung über 81.008,22 € für begründet zu erklären, dass diese nicht eine Forderung aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt gemäß § 302 InsO darstellt, den der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat. Hilfsweise hat er die Feststellung beantragt, dass die durch Beschluss des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19.12.2014 titulierte Forderung der Antragsgegnerin gegen ihn, angemeldet im Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Hagen, insgesamt 81.008,22 €, nicht aus einer Forderung aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt resultiere, den der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe.
13Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt, Haupt- und Hilfsantrag zurückzuweisen.
14Sie war erstinstanzlich der Auffassung, den Antragsteller treffe eine sekundäre Darlegungslast, die er nicht erfüllt habe. Seine Leistungsfähigkeit ergebe sich bereits aus dem Beschluss vom 19.12.2014. Die Antragsgegnerin hat behauptet, der Antragsteller sei bereits während des Verfahrens durch das Gericht darauf hingewiesen worden, dass er in Anbetracht der Verfahrensdauer verpflichtet sei, Rücklagen zur Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung zu bilden. Der Vorsatz des Antragstellers werde durch das vom Gericht festgestellte Einkommen indiziert.
15Das Familiengericht hat unter Antragszurückweisung im Übrigen festgestellt, dass der zur Insolvenztabelle angemeldete Ehegattenunterhaltsrückstand (56.261,35 €) keine Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt darstellt, den der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, und dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die Eintragung in die Insolvenztabelle insoweit begründet ist.
16Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Hauptantrag des Antragstellers unzulässig sei. Der Hilfsantrag hinsichtlich des Trennungsunterhalts sei begründet. Die Antragsgegnerin als Gläubigerin treffe die Darlegungs- und Beweislast für die Forderung nach Grund und Höhe. Die Antragsgegnerin habe jedenfalls den Vorsatz des Antragstellers nicht ausreichend dargelegt. Dieser habe sich während des Unterhaltsverfahrens auf Verwirkung berufen, was gegen ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und die Annahme eines bedingten Vorsatzes auf Seiten des Antragstellers bei der Nichtzahlung des Trennungsunterhalts spreche. Es fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Antragsteller es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe, dass der Trennungsunterhaltsanspruch entgegen seiner rechtlichen Überzeugung nicht verwirkt sei. Seine Argumentation sei nicht abwegig gewesen und Gegenstand einer sehr umfangreichen Beweisaufnahme. Eine darüber hinausgehende sekundäre Darlegungslast des Antragstellers für seine Leistungsfähigkeit bestehe nicht.
17Hinsichtlich des Kindesunterhalts sei der Hauptantrag jedoch unbegründet.
18Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde und begehrt abändernd Antragszurückweisung.
19Sie ist der Ansicht, Bedarf und Bedürftigkeit der Antragsgegnerin sowie die Leistungsfähigkeit des Antragstellers ergebe sich bereits aus dem Beschluss vom 19.12.2014. Aufgrund der objektiven Feststellung der Unterhaltspflicht sowie der Nichtzahlung bestehe regelmäßig bedingter Vorsatz. Für den fehlenden Vorsatz treffe den Antragsteller eine sekundäre Darlegungslast.
20Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
21Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weist er darauf hin, dass in dem Beschluss vom 19.12.2014 die Feststellung fehle, dass es sich um eine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO handele, so dass bereits aus diesem Grund die Beschwerde zurückzuweisen sei.
22Der Antragsteller erhebt den Einwand der Verwirkung.
23Der Senat hat die Beteiligten informatorisch angehört und zu Informationszwecken die Akten des Amtsgerichts – Familiengericht – Lüdenscheid mit dem Aktenzeichen 85 F 876/09 und des Amtsgerichts Hagen zum Aktenzeichen 100 IN 2/17 beigezogen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll und den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
24II.
251. Die Beschwerde ist zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde.
262. Die Beschwerde ist auch begründet, da der negative Feststellungsantrag des Antragstellers zurückzuweisen ist.
27a) Der Feststellungsantrag ist zulässig, da der Antragsteller ein aus § 302 Nr. 1 InsO folgendes rechtliches Interesse an der Feststellung hat. Ebenso wie der Gläubiger ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Feststellung hat, dass seine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, hat der Schuldner ein Interesse an der Feststellung, dass dies nicht der Fall ist. Dass diese Feststellung "alsbald", also bereits vor der Erteilung der Restschuldbefreiung getroffen wird, liegt typischerweise ebenso im Interesse des Schuldners wie des Gläubigers (BGH, Urteil vom 10.10.2013 – IX ZR 30/13 – FamRZ 2014, 32).
28Dem steht nicht entgegen, dass in dem Beschluss vom 19.12.2014 nicht aufgenommen wurde, dass es sich um eine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO handelt. Eine Bindungswirkung an einem bestehenden Titel kann bestehen, wenn die Parteien auch den Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in einem Vergleich außer Streit stellen wollten (vgl. BGH, Urteil vom 25.6.2009 – IX ZR 154/08 – MDR 2009, 1299). In dem Beschluss vom 19.12.2014 wurde jedoch gerade keine Aussage zur Wirkung des § 302 InsO in einem – erst am 31.1.2017 eingeleiteten - Insolvenzverfahren getroffen; dies war nicht Streitgegenstand des mit Beschluss vom 19.12.2014 abgeschlossenen Verfahrens. Für diese Frage ist gerade das vorliegende Verfahren vorgesehen.
29b) Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Voraussetzung für die Feststellung, dass eine streitgegenständliche Unterhaltsforderung von einer dem Insolvenzschuldner erteilten Restschuldbefreiung nicht berührt wird, ist in Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt worden sind, gemäß § 302 Abs. 1 InsO, dass es sich um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung handelt oder aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat.
30aa) Bei dem mit Beschluss des AG Lüdenscheid vom 19.12.2014 titulierten Trennungsunterhalt handelt es sich um rückständigen, gesetzlichen Unterhalt für die Zeit vom 1.4.2009 bis zum 30.6.2013.
31bb) Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers am 31.1.2017 eröffnet wurde, ist nach der Neuregelung des § 302 InsO unerheblich, ob der Unterhaltsberechtigte durch die Pflichtverletzung in seinem Lebensbedarf gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre. Ausreichend ist allein die Nichtzahlung. Der Antragsteller erfüllte die Forderung der Antragsgegnerin auf rückständigen Unterhalt in Höhe von 56.261,35 € nicht.
32cc) Der Antragsteller handelte bei der Nichtzahlung des Trennungsunterhalts zumindest mit bedingtem Vorsatz.
33Der Schuldner muss zum einen seine gesetzliche Unterhaltspflicht, den Bedarf sowie die Bedürftigkeit des Berechtigten und seine eigene Leistungsfähigkeit kennen. Zum anderen muss er die Verletzung der Unterhaltspflicht zumindest billigend in Kauf nehmen. Bei titulierten Ansprüchen steht Vorsatz nicht bindend fest; es kann aber jedenfalls im Titulierungszeitraum davon ausgegangen werden, dass der Schuldner in Höhe der titulierten Unterhaltsansprüche leistungsfähig und der Unterhaltsgläubiger bedürftig gewesen ist, sodass bei Nichterfüllung der Unterhaltsansprüche von Vorsatz ausgegangen werden kann. Dies gilt allerdings dann nicht zwingend, wenn der Unterhaltsanspruch unter Zugrundelegung fiktiver Einkünfte des Schuldners berechnet worden ist. Den Schuldner trifft in diesem Fall aber die Beweislast für den fehlenden Vorsatz (Wenzel in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 82. Lieferung 10.2019, § 302 InsO, Rn. 9). Ob der Schuldner mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, erfordert eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Damit ist eine allgemeine Regel nicht vereinbar, dass ein Schuldner stets Umstände darzulegen habe, die einen Vorsatz ausschließen, sobald objektiv festgestellt ist, dass der Schuldner einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht erfüllt hat. Vielmehr bedarf es regelmäßig zusätzlicher, vom Gläubiger zu beweisender Indizien, aus denen sich entnehmen lässt, dass sich der Schuldner seiner Unterhaltspflicht oder seinen Handlungspflichten bewusst war. So ist der Schluss auf bedingten Vorsatz regelmäßig möglich, wenn objektiv feststeht, dass der Schuldner seine Unterhaltspflicht verletzt hat, der Unterhaltsanspruch bereits tituliert war und dem Schuldner aufgrund der Titulierung des Unterhalts seine Zahlungsverpflichtung einschließlich seiner vom Gericht bejahten Leistungsfähigkeit bekannt war und er gleichwohl der Verpflichtung nicht nachgekommen ist (BGH, Beschluss vom 3.3.2016 – IX ZB 65/14 – FamRZ 2016, 1818). Eine vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht liegt nicht schon dann vor, wenn der Pflichtige das Bestehen einer Unterhaltspflicht für möglich hält. An einem bedingten Vorsatz fehlt es, wenn der Pflichtige bei Zweifeln über seine Unterhaltspflicht zunächst lediglich deshalb keinen Unterhalt leistet, weil er eine gerichtliche Entscheidung abwarten möchte. Nur wenn der anwaltlich beratene Pflichtige zu dem sicheren Schluss kommen musste, dass eine Unterhaltspflicht seinerseits in einer bestimmten Höhe unabweisbar sei, handelte er bei deren (weiterer) Nichterfüllung vorsätzlich. Durch die objektive Feststellung des Bestehens einer Unterhaltsverpflichtung wird der Vorsatz nicht indiziert; vielmehr bedarf es regelmäßig weiterer, vom Gläubiger zu beweisender Indizien (z.B. einer Titulierung des Unterhaltsanspruchs), aus denen sich entnehmen lässt, dass sich der Schuldner seiner Unterhaltspflicht bewusst war oder sein musste (OLG Hamburg, Beschluss vom 25.11.2016 – 2 UF 111/16 – FamRZ 2017, 1126).
34Der Trennungsunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin wurde mit Beschluss vom 19.12.2014 für die Vergangenheit tituliert und jedenfalls zu diesem Zeitpunkt kannte der Antragsteller den Bedarf sowie die Bedürftigkeit der Antragsgegnerin und seine eigene vom Gericht bejahte Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Titulierung stand die Unterhaltspflicht des Antragstellers für die Vergangenheit fest. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Antragsteller keine Zweifel mehr an seiner Verpflichtung hegen, sondern musste nach der rechtskräftigen Titulierung zu dem Schluss kommen, dass die Unterhaltspflicht unabweisbar ist. Auch wurden die Ansprüche aufgrund der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers und nicht lediglich aufgrund fiktiven Einkommens festgestellt.
35Die Vermutung für das Vorliegen des bedingten Vorsatzes aufgrund der objektiven Feststellung des Bestehens einer Unterhaltsverpflichtung und ihrer Titulierung vermochte der Antragsteller nicht zu erschüttern. Der Antragsteller behauptet lediglich pauschal, dass er zu weiteren Unterhaltszahlungen nicht in der Lage gewesen sei. Dabei trägt er noch nicht einmal vor, zu welchem Zeitpunkt – vor oder nach der Titulierung – er meint, nicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet oder nicht (mehr) leistungsfähig zu sein. Aufgrund der Feststellungen in dem Beschluss vom 19.12.2014 war er jedenfalls bis zum Ende seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin (30.6.2013) bei einem durchschnittlichen für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Jahreseinkommen in Höhe von 75.891,01 € leistungsfähig. Soweit der Antragsteller sich pauschal darauf beruft, die Antragsgegnerin habe seine Einkommensgrundlage aufgrund der Pfändungen zerstört, hat er diese Pfändungen selbst verursacht, indem er bereits ab Herbst 2010 nicht die im Vergleich vom 16.4.2010 übernommene Verpflichtung zur Zahlung von Mindestkindesunterhalt an die Antragsgegnerin (vollständig und pünktlich) erfüllte. Die Pfändungen erfolgten bereits vor Erlass des Beschlusses vom 19.12.2014 und eine dadurch eingetretene Leistungsunfähigkeit hätte der Antragsteller in dem Verfahren des Amtsgerichts Lüdenscheid mit dem Aktenzeichen 5 F 876/09 vortragen können und müssen; nun ist durch den Beschluss vom 19.12.2014 rechtskräftig festgestellt, dass er jedenfalls bis Juni 2013 leistungsfähig zur Zahlung des Trennungsunterhalts war.
36Eine Veränderung seiner Leistungsfähigkeit nach Erlass des Beschlusses vom 19.12.2014 trägt der Antragsteller nicht substantiiert und nachvollziehbar vor. Es fehlt jeder Vortrag, aus welchem Grund er nicht unmittelbar nach Erlass des Unterhaltstitels die Forderungen erfüllte. Der Antragsteller hat sein Einkommen für 2012 bis 2014 und auch in der Folgezeit nicht umfassend und substantiiert mitgeteilt.
37Dem Antragsteller war seine Pflicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt auch spätestens ab Februar 2013 bewusst.
38Nach Aufforderung zur Zahlung von Trennungsunterhalt im April 2009 kannte der Antragsteller grundsätzlich die gegen ihn geltend gemachten Forderungen. Trotz des von ihm zu diesem Zeitpunkt erhobenen Verwirkungseinwands gemäß § 1579 Nr. 7 BGB erklärte ihm sein damaliger Rechtsanwalt, dass die Höhe des Anspruchs zu klären sei. Damit musste dem Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt bewusst sein, dass der Trennungsunterhaltsanspruch nicht vollständig entfällt. Darüber hinaus wurde der Antragsteller nach durchgeführter Beweisaufnahme durch das erkennende Gericht mit Beschluss vom 11.2.2011 darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht bewiesen seien. Zu diesem Zeitpunkt musste der Antragsteller von seiner Unterhaltspflicht dem Grunde nach ausgehen.
39Hinsichtlich des von dem Antragsteller erhobenen Verwirkungseinwands gemäߠ § 1579 Nr. 2 BGB hat das Familiengericht mit Beschluss vom 1.2.2013 nach durchgeführter Beweisaufnahme darauf hingewiesen, dass dieser aktuell nicht gegeben sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste dem Antragsteller bewusst sein, dass seine Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin ernsthaft in Betracht kommt. Dabei ist noch unberücksichtigt geblieben, dass die Rechtsansicht des Antragstellers, das Zusammenleben mit einem neuen Partner führe unmittelbar zu einer Verwirkung des vollständigen Unterhaltsanspruchs, unhaltbar ist. Weiter ist unberücksichtigt geblieben, dass der Antragsteller seine Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft über sein Einkommen zur Berechnung von Kindes- und Trennungsunterhalt im April 2010 anerkannte und damit zu erkennen gegeben hat, dass auch nach seiner Auffassung ein Unterhaltsanspruch nicht vollständig und bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist, sondern ernsthaft in Betracht kommt.
40Spätestens Anfang 2013 hatte der Antragsteller Rücklagen für die auflaufenden Unterhaltsrückstände aus dem laufenden Einkommen zu bilden oder den ihm zugeflossenen Erlös aus dem Verkauf der gemeinsamen Immobilie in Höhe von 17.418,- € zu verwenden.
41dd) Neben Vorsatz des Schuldners ist Pflichtwidrigkeit bei dem Unterlassen der Unterhaltszahlung erforderlich. Darunter ist zu verstehen, dass das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht alleine nicht genügt. Vielmehr müssen zudem Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben sein. Besteht ein solcher Unterhaltsrückstand, steht gleichzeitig die Pflichtwidrigkeit der Nichterfüllung fest. Abhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen muss dazu festgestellt werden, ob dieser ohne Beeinträchtigung seines eigenen Bedarfs dazu in der Lage ist, den geforderten Unterhalt zu leisten und der Unterhaltsberechtigte im maßgeblichen Zeitraum außerstande war, seinen Bedarf durch eigene Einkünfte zu decken. An die Leistungsfähigkeit von Schuldnern, die wegen ihres wirtschaftlichen Scheiterns später ein Restschuldbefreiungsverfahren durchführen, dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden. § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO, die als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, lässt daher insbesondere solche Unterhaltsforderungen von der Restschuldbefreiung unberührt, die der Schuldner in vorwerfbarer Weise trotz wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht befriedigt hat, weil er aus eigennützigen Motiven seine Finanzmittel anderweitig verwendet hat (Wenzel in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 80. Lieferung 06.2019, § 302 InsO, Rn. 10).
42Nach dem Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lüdenscheid vom 19.12.2014 war die Antragsgegnerin für den titulierten Trennungsunterhalt bedürftig und der Antragsteller – neben dem titulierten Kindesunterhalt – leistungsfähig. Damit leistete er den Unterhalt pflichtwidrig nicht.
43ee) Der Anspruch der Antragsgegnerin auf Eintragung des Unterhaltsanspruchs als eine Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, der vorsätzlich und pflichtwidrig nicht gewährt wurde, ist nicht verjährt.
44Auch wenn der BGH (Beschluss vom 3.3.2016 – XI ZB 33/14 – FamRZ 2016, 972) festgestellt hat, dass es sich bei dem Unterhaltsanspruch und deliktischen Anspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht um zwei verschiedene Streitgegenstände, die unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen können, handelt, ist der Anspruch der Antragsgegnerin nicht verjährt. Denn die Entscheidung des BGH (a.a.O.) erging zu der Rechtslage vor Änderung des § 301 Nr. 1 InsO zum 1.7.2014 und ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach § 302 Nr. 1 InsO in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung war Voraussetzung der Eintragung nach § 302 Nr. 1 InsO ein Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung; dieser deliktische Anspruch unterlag der entsprechenden Verjährung. Nach der nun geltenden Fassung des § 302 Nr. 1 InsO kommt es hingegen darauf an, ob der Antragsgegnerin Ansprüche aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt zustehen, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat. Die Erfüllung eines Straftatbestandes ist nicht mehr Voraussetzung. § 302 Nr. 1, 2. Alt. InsO ist damit nicht als deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren. Wenn § 302 Nr. 1, 2. Alt. InsO aber nicht deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren ist, dann ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht einen anderen Streitgegenstand hat als ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch mit der Folge, dass jeder Anspruch möglicherweise unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegt, nicht einschlägig (KG, Beschluss vom 29.8.2919 – 13 UF 91/19 - BeckRS 2019, 27750).
45Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ist aufgrund der Titulierung mit Beschluss vom 19.12.2014 nicht verjährt.
46c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 FamFG, 91 ZPO.
47Rechtsbehelfsbelehrung:
48Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
49Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG); der Senat weicht nicht von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts ab.