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Sind deutsche Gerichte für ein Mahnverfahren international zuständig, dass gegen einen im Ausland wohnhaften Antragsgegner geführt werden soll, kann unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein Gerichtsstand für ein (gemeinsames) Mahnverfahren bestimmt werden, das sich auch gegen einen weiteren Antragsgegner mit inländischen Wohnsitz richten soll.
Zu dem für das Mahnverfahren zuständigen Gericht wird das Amtsgericht
Hagen bestimmt.
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in Q. Sie beabsichtigt, die Antragsgegner als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil diese nach ihrem Vortrag ein Fahrzeug der Antragstellerin am Flughafen Düsseldorf in der Absicht angemietet haben, dieses zu unterschlagen und es im Ausland zu verkaufen.
4Der Antragsgegner zu 1) ist wohnhaft in W, das im Bezirk des Amtsgerichts Dinslaken liegt, der Antragsgegner zu 2) wohnt in Ungarn.
5Die Antragstellerin beantragt, das zuständige Mahngericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu bestimmen.
6Das Amtsgericht Hagen (Mahnabteilung) hat das Verfahren mit Beschluss vom 28.01.2020 dem Senat gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
7II.
81.
9Die Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist eröffnet. Eine Gerichtsstandbestimmung ist auch für die Bestimmung des zuständigen Mahngerichts möglich. Denn § 36 Abs. 1 ZPO ist allgemein nicht nur auf gerichtliche Klageverfahren beschränkt, sondern auf jedes der ZPO unterliegende Verfahren und auch auf das Mahnverfahren anwendbar (Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 ZPO Rn. 2 m.w.N.). Es entspricht zudem den § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zugrundeliegenden Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, schon für das Mahnverfahren ein gemeinsames Gericht zu bestimmen (vgl. KG, Beschluss vom 05.01.2005, 28 AR 103/04, juris Rn. 3).
102.
11Die deutschen Gerichte sind – auch für das Mahnverfahren gegen den Antragsgegner zu 2) – gem. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO international zuständig.
12a)
13Auf das Mahnverfahren für den in Ungarn wohnhaften Antragsgegner zu 2) findet die EuGVVO Anwendung. Die Verordnung gilt nicht nur für Klagen, sondern auch für das Mahnverfahren (vgl. Art. 32 EuGVVO; Dörndorfer in: BeckOK ZPO, 35. Ed. 01.01.2020; ZPO § 703d Rn. 1; Zöller/Seibel, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 1). Der persönliche und räumliche Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet (vgl. Art. 1 EuGVVO).
14b)
15Es ist keine Spezialzuständigkeit nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO gegeben, weil es sich nach dem Vortrag der Antragstellerin um einen gewerblichen Mietvertrag handelt und daher die Sondervorschriften über Verbrauchersachen keine Anwendung finden.
16c)
17Die Voraussetzungen des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO liegen vor. Danach kann eine Person in dem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.
18Gegenstand des Rechtsstreits ist die Anmietung eines Fahrzeuges am Flughafen in Düsseldorf in der Absicht, dieses zu unterschlagen und zu verkaufen. Dabei handelt es sich nach dem Vortrag der Antragstellerin um eine unerlaubte Handlung. Der Ort an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist bzw. einzutreten drohte, ist Düsseldorf.
193.
20Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung für das Bestimmungsverfahren zuständig.
21Für das gegen den Antragsgegner zu 1) zu führende Mahnverfahren ist gem. § 689 Abs. 2 Satz 1 ZPO das Amtsgericht Coburg ausschließlich zuständig, weil es das für den allgemeinen Gerichtsstand die Antragstellerin zuständige Mahngericht ist. Für das gegen den Antragsgegner zu 2) zu führende Mahnverfahren wäre - diese ergibt sich aus den nachstehenden Ausführungen - gemäß § 703d Abs. 2 ZPO das Amtsgericht Düsseldorf zuständig. Mahnverfahren in dessen Bezirk sind nach § 2 Abs. 1 der gem. § 689 Abs. 3 ZPO anzuwendenden nordrhein-westfälischen Verordnung über die maschinelle Bearbeitung der Mahnverfahren und Zuweisung an die Amtsgerichte Euskirchen und Hagen vom 28.01.1999 dem Amtsgericht Hagen zugewiesen.
22Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht für die Amtsgerichte Coburg und Hagen ist der Bundesgerichtshof. Damit ist bei zweckentsprechender Auslegung der Vorschrift des § 36 Abs. 2 ZPO das Oberlandesgericht zu der Bestimmung berufen, in dessen Bezirk das zunächst mit der Sache befasste Gericht liegt. Zunächst mit der Sache befasst war das Amtsgericht Hagen; es liegt im Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts Hamm.
234.
24Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
25a)
26Die Antragsgegner sollen als Streitgenossen gem. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
27Dafür ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Klage auf einem im Wesentlichen einheitlichen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht. Die Identität eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses reicht dafür aus, insbesondere die Gläubiger- oder Schuldnerstellung aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis (Zöller/Althammer, a.a.O., § 60 Rn. 6).
28Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin die Voraussetzungen für eine Streitgenossenschaft hinreichend dargetan. Beide Antragsgegner haften aufgrund der gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung als Gesamtschuldner (§§ 830, 840 Abs. 1 BGB).
29b)
30Ein gemeinsamer Gerichtsstand steht nicht fest.
31aa)
32Wie bereits ausgeführt ist für das Mahnverfahren gegen den Antragsgegner zu 1) gem. § 689 Abs. 2 S. 1 ZPO ausschließlich das Amtsgericht Coburg zuständig. Anderes folgt im vorliegenden Fall auch nicht aus § 703d ZPO. Gegen mehrere Antragsgegner, von denen (nur) einer einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, kann im Gerichtsstand des § 703d Abs. 2 S. 1 ZPO kein gemeinsames Mahnverfahren durchgeführt werden. § 703d Abs. 2 S. 1 ZPO ist eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, die nicht auf den inländischen Antragsgegner erstreckt werden kann (BGH, Beschluss vom 12.09.1995, X ARZ 749/95, juris Rn. 5 f.; Zöller/Seibel, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 3).
33bb)
34Soweit sich das Mahnverfahren gegen den Antragsgegner zu 2) richtet, ist gem. § 703d Abs. 2 S. 1 ZPO allein das Amtsgericht Hagen zuständig.
35Hat der Antragsgegner seinen Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU, so bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach deren Regelungen der EuGVVO (Schüler in: MüKoZPO, 5. Aufl. 2016, § 703d ZPO Rn. 10). § 689 Abs. 2 S. 1 ZPO ist dagegen nicht anwendbar (Zöller/Seibel, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 1). Landesrechtliche Konzentrationen der Mahnsachen bei einem Gericht sind gem. § 703d Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 689 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigen (Zöller/Seibel, a.a.O., § 703d ZPO Rn. 4), wobei eine Zuständigkeitskonzentration die Auslandsmahnverfahren nach § 703d ZPO erfasst, wenn deren Ausschluss durch den Verordnungsgeber nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist (BGH, Beschluss vom 14.07.1993, X ARZ 461/93, NJW 1993, 2752).
36Nach den obigen Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit ist gem. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO grundsätzlich der Gerichtsstand bei dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten drohte, also das Amtsgericht Düsseldorf. Mahnverfahren in dessen Bezirk sind - wie bereits erwähnt - nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über die maschinelle Bearbeitung der Mahnverfahren und Zuweisung an die Amtsgerichte Euskirchen und Hagen vom 28.01.1999 dem Amtsgericht Hagen zugewiesen.
37Ein gemeinsamer Gerichtsstand ist damit nicht feststellbar.
38c)
39Es kann offen bleiben, ob eine Gerichtsstandbestimmung aufgrund der Sondervorschriften der Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EuMahnVO) ausgeschlossen wäre (so möglicherweise in letzter Konsequenz Zöller/Seibel, a.a.O., § 703d Rn. 2 aE). Denn der Anwendungsbereich der Verordnung ist nicht eröffnet. Die Verordnung ist gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d) EuMahnVO nicht anwendbar, weil die Antragstellerin nach ihrem Vortrag die Antragsgegner aus einem außervertraglichen, nämlich deliktischen Schuldverhältnis in Anspruch nimmt und die weiteren Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 2 lit. d) i) und ii) EuMahnVO nicht vorliegen.
405.
41Als gemeinsames Gericht hat der Senat nach den Erwägungen der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit und dem Hauptantrag entsprechend das Amtsgericht Hagen (Mahnabteilung) bestimmt. Der Rechtsstreit weist örtlich allein eine Beziehung nach Hagen in Nordrhein-Westfalen auf.
426.
43Einer Anhörung der Antragsgegner bedurfte es nicht, weil das Mahnverfahren regelmäßig am Gerichtsstand des Antragstellers stattfindet und Interessen der Antragsgegner durch die vorliegende abweichende Bestimmung nicht berührt werden.