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1. Eine Zurechnung der Arglist der Fahrzeugherstellerin gegenüber dem Fahrzeughändler findet in Fällen des sog. „VW-Abgasskandals“ nicht statt. Der Fahrzeughändler ist auch nicht Erfüllungsgehilfe der Herstellerin (im Anschluss an Senat, Urteil vom 08.01.2020 – 30 U 31/19 –).
2. Eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne der §§ 6, 27 EG-FGV wird nicht deshalb ungültig, weil sie inhaltlich unrichtig ist. Das ist eine Frage des Typengenehmigungsverfahrens; für die Bescheinigung gilt ein formeller Gültigkeitsbegriff (im Anschluss an Senat, Urteil vom 08.01.2020 – 30 U 31/19 –).
3. Auch ein Verstoß gegen § 27 EG-FGV würde nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 134 BGB führen (im Anschluss an Senat, Urteil vom 08.01.2020 – 30 U 31/19 –).
4. Die in Fällen des sog. „VW-Abgasskandals“ bei Motoren des Typs EA 189 installierte Abschalteinrichtung, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, ist gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässig und stellt einen Sachmangel des Fahrzeugs dar (im Anschluss an BGH, Urteil vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 –).
5. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist für den Käufer des Fahrzeugs gegenüber dem Fahrzeughändler gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB entbehrlich, da die ihm zustehende Art der Nacherfüllung (Nachbesserung) infolge des zerstörten Vertrauensverhältnisses zu der – laut Fahrzeughändler – einzig zur Nachbesserung fähigen Fahrzeugherstellerin unzumutbar ist (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2018 – 17 U 4/18 –).
6. Ein Mangel, der die dauerhafte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs in Frage stellt, kann nicht als unerheblich angesehen werden und ist für die meisten Kaufinteressenten ein Grund, Abstand von dem Erwerb des Fahrzeuges zu nehmen (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.12.2018 – 17 U 4/18 –).
7. Eine Feststellungsklage gegen den Fahrzeughersteller ist bereits vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage, ob sog. Thermofenster bei dem Motortyp EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen, zulässig. Zudem können bis zum Vollzug der Rückabwicklung des Fahrzeugs der Erhaltung oder Wiederherstellung dienende Aufwendungen erforderlich werden, für die die Fahrzeugherstellerin grundsätzlich schadensersatzpflichtig ist (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019 – 17 U 160/18 –).
In dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen (nicht offen gelegten) Abschalteinrichtung, aufgrund der die Entziehung der Betriebserlaubnis droht, liegt eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung sämtlicher potentieller Käufer gem. § 826 BGB (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.03.2019 – 13 U 142/18 –).
Es ist insbesondere mit Blick auf die Bedeutung der Entscheidung davon auszugehen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Fahrzeugherstellerin im Sinn des § 31 BGB Kenntnis von dem Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung hatte. Es obliegt der Fahrzeugherstellerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungs-last, diese Annahme zu widerlegen (im Anschluss an OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.03.2019 – 13 U 142/18 –).
Auf die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Einzelrichters der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund – 25 O 143/18 – vom 07.01.2019 wird dieses unter Zurückweisung der Berufung des Klägers und der Berufung der Beklagten zu 2 im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 5.867,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2017 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw W, FIN: ##.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs W, FIN ##, durch die Beklagte zu 2 resultieren.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1 im Verzug der Annahme des in Ziff. 1 bezeichneten Fahrzeugs befindet.
4. Die Beklagte zu 2 wird zur Freistellung des Klägers von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten dem Kläger entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 € verurteilt.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in I. Instanz tragen der Kläger zu 42 %, die Beklagte zu 1 zu 35 % und die Beklagte zu 2 zu 23 %. Der Kläger trägt 55 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 in I. Instanz. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten in I. Instanz selbst.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers in der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 50 %, die Beklagte zu 1 zu 27 % und die Beklagte zu 2 zu 23 %. Der Kläger trägt 65 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 in der Berufungsinstanz. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten in der Berufungsinstanz selbst.
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils anderen Parteien durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
8. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
2A.
3Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages hinsichtlich eines bei der Beklagten zu 1 erworbenen und von der Beklagten zu 2 hergestellten, von dem sog. „VW-Abgasskandal“ betroffenen Dieselfahrzeuges.
4Der Kläger erwarb bei der Beklagten zu 1 am 04.02.2013 einen gebrauchten PKW der Marke W zu einem Kaufpreis von 16.980 € (vgl. Anlage K 1, roter Anlagenband). Die Finanzierung eines Teils des Kaufpreises erfolgte über die W-Bank GmbH; das Finanzierungsdarlehen wurde in 2014 zurückgezahlt. Das Fahrzeug wurde am 13.02.2013 mit einem Kilometerstand von 13.100 km übergeben.
5Der Wagen ist mit einem Dieselmotor des Typs F # der Beklagten zu 2 ausgestattet, der als Schadstoffklasse Euro 5 verkauft wurde. Die Motorsteuerung ist mit einer Software programmiert, durch deren Verwendung im Testbetrieb (sog. Modus 1) geringere Abgasemissionen erreicht werden (vgl. Anlage K 3, roter Anlagenband). Im Testbetrieb ist die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen. Im normalen Fahrbetrieb (sog. Modus 0) sind dagegen die NOx-Emissionen erheblich höher.
6Das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) hat die technischen Maßnahmen (Software-Update) für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit Bestätigung von November 2016 freigegeben (vgl. Bl. 110 d.A.; Anlage H 3, Anlagenband). Die Freigabe beinhaltet Angaben zur Einhaltung der Grenzwerte und zur unveränderten Einhaltung der ursprünglichen Herstellerangaben.
7Die Beklagte zu 2 bot dem Kläger im Dezember 2016 oder Januar 2017 das von ihr entwickelte Software-Update an. Mit Schreiben vom 20.03.2017 erklärte der Kläger – ohne eine Nachfrist zur Nachbesserung zu setzen – anwaltlich vertreten gegenüber der Beklagten zu 1 die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und trat hilfsweise vom Kaufvertrag zurück. Zugleich setzte er eine Frist zur Rückabwicklung bis zum 03.04.2017 (vgl. Anlage K 2, roter Anlagenband).
8Der Kläger hat behauptet, er habe als Verbraucher ein umweltbewusstes Auto kaufen wollen. Er hätte den PKW nicht gekauft, wenn er von der Manipulationssoftware Kenntnis gehabt hätte. Hierüber sei er beim Kauf nicht informiert worden. Er hat weiter behauptet, dass eine folgenlose Nachbesserung technisch nicht möglich sei. Das von den Beklagten angebotene Update sei nicht geeignet, den Mangel zu beheben. Es bestehe ein höherer Kraftstoffverbrauch, zudem werde mehr Ruß produziert, was zu einer Verrußung des Partikelfilters führe. Ferner sei mit einer Minderleistung, einer Verkürzung der Lebenszeit des Partikelfilters, des Motors u.a. Teile sowie einem (merkantilen) Minderwert des Fahrzeugs zu rechnen. Jedenfalls sei von einem höheren Verschleiß auszugehen. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte zu 1 sich wegen ihrer engen Beziehungen zur Beklagten zu 2 deren Verhalten zurechnen lassen müsse. Das Fahrzeug sei weiterhin nicht zulassungsfähig. Er hat ferner die Auffassung vertreten, der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag sei gem. § 134 BGB nichtig. Dieser verstoße gegen ein gesetzliches Verbot. Denn gem. § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (im Folgenden: EG-FGV) dürften zur Verwendung im Straßenverkehr Fahrzeuge nur veräußert werden, wenn diese mit einer gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung versehen seien. Eine Fristsetzung sei schließlich wegen Unzumutbarkeit entbehrlich gewesen. Die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges mit 1,6 l Dieselmotor sei mit 400.000 km anzusetzen.
9Der Kläger hat zuletzt beantragt,
101. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn 16.980,-EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2017 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW W, FIN ## und Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1 noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW W, FIN ##,
112. festzustellen, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs W, FIN ##, durch die Beklagtenpartei resultieren,
123. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1 mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW in Annahmeverzug befindet,
134. die Beklagtenparteien jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.680,28 € freizustellen.
14Die Beklagten haben beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte zu 1 hat die Auffassung vertreten, eine Anfechtung des Kaufvertrags scheide aus, weil die Beklagte zu 1 den Kläger nicht arglistig getäuscht habe. Erklärungen der Beklagten zu 2 müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Das Fahrzeug sei auch nicht mangelhaft, so dass schon deswegen ein Rücktritt vom Kaufvertrag ausscheide. Jedenfalls sei ein Rücktritt ausgeschlossen wegen der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung. Der Rücktritt sei außerdem gem. § 323 Abs. 6 Alt. 1 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger durch die Verweigerung, das Software-Update aufzuspielen, seine Obliegenheit verletze, den Vertragszweck zu fördern. Jedenfalls fehle es an einer Nachfristsetzung, die unter keinem Gesichtspunkt entbehrlich oder unzumutbar sei. Zumindest sei der Kläger zum Nutzungsersatz verpflichtet; er müsse daher zur aktuellen Laufleistung vortragen. Bei der Gesamtlaufleistung seien nicht 400.000 km, sondern 200.000 – 250.000 km zugrunde zu legen (vgl. Bl. 726).
17Ein Schadensersatzanspruch scheide ebenfalls aus, da der Wagen weder mangelhaft noch eine Nacherfüllung unmöglich sei. Eine etwaige Pflichtverletzung habe nicht die Beklagte zu 1 zu vertreten. Ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB scheide aus denselben Gründen aus. Ein Anspruch gestützt auf die Grundsätze der cic scheide neben dem Mängelgewährleistungsrecht von vornherein aus. Die Grundsätze der Prospekthaftung seien nicht übertragbar, zumal der Kläger den erforderlichen Kausalitätsnachweis zwischen den – unterstellt – unrichtigen Angaben des Herstellers und dem Vertragsabschluss nicht zu führen vermöge. Ohnehin fehle es an einem Schaden. Hinsichtlich der Nebenforderungen suggeriere der Kläger, dass das Vorgehen gegen die Beklagten zu 1 und 2 zwei verschiedene Angelegenheiten darstelle, obwohl nur eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn nach der st. Rspr. des Bundesgerichtshofs vorliege (vgl. Bl. 215 f.). Auch sei eine 2.0 Gebühr übersetzt.
18Die Beklagte zu 2 bestreitet, den Kläger getäuscht zu haben; es sei zudem nicht ersichtlich, dass der Kläger bei Kenntnis der Stickoxidwerte im Normalbetrieb des Fahrzeugs oder ohne die Abschaltsoftware vom Kaufvertrag Abstand genommen hätte. Es fehle an einem Schaden des Klägers. Die Beklagte zu 2 habe zudem hinsichtlich der behaupteten Täuschung mitnichten vorsätzlich gehandelt.
19Das Gericht sei örtlich unzuständig (vgl. Bl. 254 ff.) und die Feststellungsklage unzulässig (vgl. Bl. 258 ff.). Sie sei auch unbegründet. Ein Anspruch aus Prospekthaftung scheide aus, da die Beklagte zu 2 weder besonderes Vertrauen in Anspruch genommen habe noch überhaupt ein Prospekt im Sinne der Prospekthaftung vorliege. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB scheitere an der fehlenden Täuschung, an einem dadurch bedingten Irrtum des Klägers, der zu einer Vermögensverfügung geführt haben müsse und schließlich auch am Schaden. Zudem sei der subjektive Tatbestand des § 263 StGB nicht erfüllt. Aus ähnlichen Gründen scheide ein Anspruch aus § 826 BGB oder weiteren deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen aus.
20Hinsichtlich des Vortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
21Im Termin vor dem Landgericht haben die Parteien unstreitig gestellt, dass am 18.11.2018 der Kilometerstand des Fahrzeugs 142.914 km betragen hat (vgl. Bl. 560R).
22Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen, ihr gegen die Beklagte zu 2 hingegen im Wesentlichen stattgegeben.
23Der Klageantrag zu 1 sei unbegründet. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB scheitere am vorhandenen Rechtsgrund. Der Kaufvertrag sei nicht gem. § 134 BGB nichtig, ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV liege nicht vor. Für eine Anfechtung fehle es an einem Anfechtungsgrund. Eine arglistige Täuschung der Beklagten zu 1 sei nicht festzustellen, eine etwaige Täuschung der Beklagten zu 2 ihr nicht zurechenbar.
24Auch bestehe kein Anspruch aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1, 434, 433 Abs. 1 S. 2, 440, 323 BGB gegen die Beklagte zu 1. Zwar sei das gekaufte Fahrzeug bei Gefahrübergang aufgrund der vorhandenen Abschaltvorrichtung mangelhaft i.S.v. § 434 BGB, der Rücktritt sei aber unwirksam gewesen, weil der Kläger der Beklagten zu 1 keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe. Eine solche Fristsetzung sei nicht entbehrlich gewesen. Die Beklagte zu 1 habe die Nachbesserung nicht endgültig und ernsthaft verweigert; unerheblich dabei sei, dass sie das Software-Update nicht selbst durchführen könne, solange sie es über einen Dritten, nämlich hier die Beklagte zu 2, anbiete.
25Es stehe nicht fest, dass eine Mängelbeseitigung unmöglich sei. Der Vortrag des Klägers zum Software-Update sei zu pauschal. Er sei gehalten, konkrete Angaben zum angeblich höheren Verbrauch und Verschleiß, der verringerten Motorleistung und den Emissionswerten vorzutragen. Dem substantiierten Vorbringen der Beklagten zu 1, die Euronorm 5 werde infolge des Updates eingehalten, sei der darlegungsbelastete Kläger nicht hinreichend entgegengetreten. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens habe daher keine Veranlassung bestanden.
26Eine Fristsetzung sei auch nicht gem. § 440 S. 1 Alt. 2 und 3 BGB entbehrlich gewesen. Ob das Aufspielen des Updates den Mangel behebe, sei zwischen den Parteien streitig. Die Behauptung eines Folgemangels reiche insoweit nicht aus. Es sei dem Kläger vielmehr zuzumuten, zunächst an seinem Fahrzeug das Software-Update vornehmen zu lassen und sodann dessen Erfolglosigkeit aufgrund von nachteiligen Folgen konkret zu rügen.
27Soweit der Kläger darauf abstelle, eine Nacherfüllung durch die Beklagte zu 2 sei ihm unzumutbar, da diese ihn beim Kauf des Fahrzeugs betrogen habe, müsse sich dies die Beklagte zu 1 nicht ohne Weiteres entgegenhalten lassen.
28Die Fristsetzung sei schließlich auch unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien nicht wegen besonderer Umstände gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen.
29Einen kaufvertraglichen Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB könne der Kläger ebenfalls nicht gegen die Beklagte zu 1 geltend machen, da es an einem Verschulden fehle. Auch scheide ein Anspruch aus vorvertraglicher Haftung aus. Schließlich habe die Beklagte zu 1 durch die Übergabe der EG-Übereinstimmungsbescheinigung in Erfüllung des Kaufvertrages keine Garantie übernommen.
30Die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2 sei hingegen zulässig und begründet. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich aus § 32 ZPO; der Erfolgsort habe im Gerichtsbezirk gelegen. Das erforderliche Feststellungsinteresse bestehe im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abschließend absehbare Schadensentwicklung. Dies gelte insbesondere, soweit der Kläger mit seinem Antrag gegenüber der Beklagten zu 1 auch im zweiten Rechtszug unterliegen sollte. In diesem Fall spreche eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger künftig etwa durch ein Fahrverbot oder Nachteile bei der Vornahme des Software-Updates derzeit noch nicht abschließend bestimmbare Schäden drohten, die insbesondere einen merkantilen Minderwert bei entsprechender Verkaufsabsicht begründen könnten.
31Die Beklagte zu 2 hafte für etwaige Schäden aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog. Sie habe gegenüber dem Kläger mit Schädigungsvorsatz in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gehandelt. Durch das gezielte und planmäßige Inverkehrbringen von Motoren, ohne über die dort verwendete Software aufzuklären, habe die Beklagte zu 2 die Aufsichtsbehörden und die Kaufinteressenten getäuscht. Der Kläger sei wie alle billig und gerecht Denkenden beim Erwerb des Fahrzeugs davon ausgegangen, dass im Prüfstandbetrieb allein eine Verfälschung der Messdaten durch unbeeinflussbare oder wechselnde äußere Faktoren vermieden werden sollte. Hier sollte die maßgebliche Software indes über die Motorsteuerung den Stickoxidausstoß verringern und somit niedrigere Abgaswerte vortäuschen. Dass eine entsprechende Motorsoftware für die Auswahlentscheidung eines potentiellen Käufers bedeutsam sei, liege bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände auf der Hand. Bei verständiger Würdigung der unstreitigen Umstände sei davon auszugehen, dass die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten zu 2 die Software allein deshalb verwendet hätten, um weitere Umsätze zu ermöglichen und die Marktstellung der Beklagten zu 2 und ihrer Tochterunternehmen zumindest zu erhalten. Die handelnden Mitarbeiter der Beklagten zu 2 hätten bei lebensnaher Betrachtung zumindest billigend in Kauf genommen, dass sie durch die Verwendung der Motorsoftware für eine nicht näher bestimmte Zahl von Käufern die Gefahr eines beträchtlichen, im Rahmen einer Feststellungsklage hinreichend wahrscheinlichen Schadens begründet hätten. Eine konkretere Vorstellung sei für den Schädigungsvorsatz nicht erforderlich. Dem Vorstand der Beklagten zu 2 sei jedenfalls das Wissen der verantwortlichen Mitarbeiter von der Verwendung der Motorsoftware entsprechend § 31 BGB zuzurechnen.
32Der Kläger könne damit auch die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 826, 249 BGB verlangen. Der Höhe nach sei dies aber auf die berechtigt anzusetzenden Anwaltskosten beschränkt, dies seien hier bei Annahme einer 1,3 Gebühr insgesamt 1.100,51 € (Streitwert von bis zu 19.000 €). Die Voraussetzungen für eine höhere als die Regelgebühr habe der Kläger nicht hinreichend dargetan.
33Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angegriffene Urteil (Bl. 965 ff. d.A.) Bezug genommen.
34Hiergegen richten sich die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zu 2, mit der sie jeweils ihre Klageziele vollumfänglich weiterverfolgen.
35Der Kläger trägt im Wesentlichen wie folgt vor:
36Das Landgericht habe die Klage gegen die Beklagte zu 1 zu Unrecht abgewiesen. Der Kaufvertrag sei nichtig gemäß § 134 BGB, da er gegen das gesetzliche Verbot des § 27 Abs. 1 EG-FGV verstoße (vgl. Bl. 1034 ff.). Auch habe der Kläger erfolgreich den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Beklagte zu 1 müsse sich das Wissen und das Verschulden der Beklagten zu 2 zurechnen lassen (vgl. Bl. 1043 ff.). Zudem bestehe ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus Kaufrecht. Neben dem Sachmangel liege auch ein unbehebbarer Rechtsmangel im Sinne von § 435 BGB vor. Dem Kläger habe bei Fahrzeugübergabe die Stilllegung des Fahrzeugs gedroht (vgl. Bl. 1052 ff.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei eine Fristsetzung zur Nachbesserung unter mehreren Gesichtspunkten nicht erforderlich gewesen (vgl. Bl. 1057 ff.). Der Mangel sei auch nicht unerheblich (vgl. Bl. 1081 ff.). Schließlich ergäben sich Ansprüche aus europarechtlichen Vorschriften mit drittschützender Wirkung (vgl. Bl. 1083 f.). Weiter rügt die Berufungsbegründung des Klägers Verfahrensfehler des Landgerichts (vgl. Bl. 1084 ff.). Im Verhältnis zur Beklagten zu 2 rügt der Kläger, entgegen der Auffassung des Landgerichts schulde diese seine Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in der vollen beantragten Höhe (vgl. Bl. 1086).
37Die Beklagte zu 2 sei im Übrigen zutreffend vom Landgericht in die Haftung genommen worden. Die Feststellungsklage sei insbesondere zulässig; neben Steuernachforderungen drohten dem Kläger weitere Schäden durch die Durchführung des Updates; bei Verweigerung desselben ggf. auch die Stilllegung des Fahrzeugs. Auch das KBA prüfe, ob es sich bei dem Software-Update um eine weitere unerlaubte Abschalteinrichtung handele. Das zeige auch die Veröffentlichung des Umweltbundesamtes vom 11.09.2019, nach der trotz Software-Update die Stickoxidemissionen nur um etwa 25 % reduziert würden und immer noch über dem Grenzwert lägen. Sofern der Kläger das Auto behalte, sei der Schaden nicht bezifferbar, da die Entwicklung des Minderwerts am Markt aus verschiedenen Gründen noch nicht abgeschlossen sei. Immer noch drohten zudem verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, mit denen die Typgenehmigung entzogen werde. Sofern sich der Kläger für die Rückabwicklung entscheide, könne er den Schaden ebenfalls nicht beziffern, da die Nutzungsentschädigung nach Auffassung des Klägers bezogen auf den geminderten Kaufpreis zu berechnen wäre. Zudem sei zu erwarten, dass die Beklagte zu 2 auch auf einen Feststellungstenor hin leisten werde. Täuschung und Kausalität derselben für den Irrtum des Klägers stünden außer Frage (vgl. Bl. 1298). Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass es sich hier um ein gebrauchtes Auto handele, denn die Beklagte zu 2 habe getäuscht, indem sie das Auto als zulassungsfähig in den Verkehr gebracht und auch die Weiterverkäufe des Fahrzeugs gebilligt habe. § 826 BGB stelle hinsichtlich des Schadens auf jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage ab, darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses. Hier sei der Schaden bereits mit Abschluss des Kaufvertrages eingetreten.
38Soweit der Senat die Feststellungsklage doch für unzulässig halten sollte, werde hilfsweise auf Leistung geklagt. Gegenüber der Beklagten zu 2 sei ein Abzug für Nutzungsentschädigung allerdings nicht geschuldet. Die Berechnung einer Nutzungsentschädigung auf der Grundlage des Kaufrechts führe zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers (vgl. Bl. 1378 ff.). Zusätzlich stünden dem Kläger Deliktszinsen auf den Kaufpreis gem. § 849 BGB zu (vgl. Bl. 1381).
39Der Kläger beantragt zuletzt,
401. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn 16.980, EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2017 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW W, FIN ## und Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1 noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW W, FIN ##,
412. festzustellen, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs W, FIN ##, durch die Beklagtenpartei resultieren,
423. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1 mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW in Annahmeverzug befindet,
434. die Beklagtenparteien jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.680,28 € freizustellen;
44hilfsweise
455. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an die Klagepartei 16.980, -EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs W, FIN ##,
465a. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus 16.980, EUR seit dem 14.02.2013 bis Rechtshängigkeit zu bezahlen,
475b. festzustellen, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs W, FIN ## durch die Beklagtenpartei resultieren.
48Die Beklagten beantragen,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Die Beklagte zu 2 beantragt weiter,
51das am 07.01.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund im Umfang der Beschwer der Beklagten zu 2 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
52Der Kläger beantragt,
53die Berufung der Beklagten zu 2 zurückzuweisen.
54Die Beklagte zu 2 trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen wie folgt vor:
55Der Feststellungsantrag sei unzulässig. Er sei zu unbestimmt und im Übrigen fehle es am Feststellungsinteresse. Verfahrensfehlerhaft unterstelle das Landgericht, dass das Fahrzeug einem Minderwert unterliege. Ein solcher ergebe sich weder softwarebedingt noch merkantil (vgl. Bl. 1106 f.). Im Übrigen liege generell kein Schaden vor (vgl. Bl. 1107 ff.). Rechtsfehlerhaft unterstelle das Landgericht zudem einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verschweigen der Abschaltvorrichtung beim Vertragsschluss und der Kaufentscheidung der Klagepartei (vgl. Bl. 1129 ff.). Der Kläger habe den erforderlichen Kausalitätsnachweis nicht geführt. Es fehle schon an einer Täuschungshandlung gegenüber dem Kläger, die Beklagte zu 2 sei am Kaufvertragsschluss unstreitig nicht beteiligt gewesen (vgl. Bl. 1135 f.). Auch die übrigen deliktischen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Insoweit verweist die Beklagte zu 2 im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag (vgl. Bl. 1144). Unabhängig davon sei die getroffene Nebenentscheidung zum Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten falsch. Die Rechtsverfolgungskosten seien nämlich im konkreten Fall nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen und daher unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB nicht ersatzfähig (vgl. Bl. 1145 f.). Die Rechtsauffassung der Beklagten zu 2 sei aufgrund der umfassenden Presseberichterstattung allgemein bekannt gewesen, so dass der Kläger nicht damit habe rechnen können, dass die Beklagte zu 2 durch einen vom Kläger eingeschalteten Rechtsanwalt zur freiwilligen Zahlung zu bewegen sein würde.
56Die Beklagte zu 1 verteidigt das ihr günstige angegriffene Urteil unter Inbezugnahme ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ein wirksamer Rücktritt scheitere an der fehlenden Fristsetzung. Die Nacherfüllung sei nicht wegen eines vermeintlichen Vertrauensverlustes unzumutbar. Ein solcher werde bestritten; zudem komme es nur auf das Verhältnis Käufer-Verkäufer an. Der Vertrauensverlust sei auch ausgeschlossen, weil das Software-Update bei seiner Entwicklung durch das KBA bzw. weiteren zuständigen Typgenehmigungsbehörden eng begleitet worden sei. Die pauschale Befürchtung von Folgemängeln begründe ebenso wenig eine Unzumutbarkeit; dazu hätte der Kläger vielmehr konkrete Anhaltspunkte vortragen müssen. Insbesondere komme weder vor noch nach dem Update ein unzulässiges Thermofenster zum Einsatz. Die Fristsetzung sei nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich gewesen, da die Beklagte zu 1 nicht beide Arten der Nacherfüllung verweigert habe. Die Fristsetzung sei auch nicht wegen Unmöglichkeit der Nachbesserung gem. § 326 Abs. 5 iVm § 275 BGB entbehrlich gewesen. Einen verbleibenden, gerade auf der Umschaltlogik beruhenden Minderwert trage der Kläger nicht substantiiert vor. Der Rücktritt sei zudem wegen Unerheblichkeit ausgeschlossen, da zum einen die Beseitigungskosten unter 1 % des Kaufpreises lägen, zum anderen auch bei umfassender Interessenabwägung die 5 %-Grenze, die der BGH in gefestigter Rspr. annehme, unterschritten werde. Weder der behauptete Vertrauensverlust noch die vage Befürchtung eines merkantilen Minderwerts führe insoweit zu einer anderen Bewertung. Eine Erheblichkeit ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger mit einem Erlöschen der Betriebserlaubnis rechnen müsse, wenn er das Software-Update nicht aufspielen lasse.
57Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
58Im Termin vor dem Senat haben die Parteien übereinstimmend unstreitig gestellt, dass am 23.01.2020 der Tachostand des Fahrzeugs auf 168.139 km lautete (vgl. Protokoll Bl. 1455R).
59B.
60Die Berufung des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg, die Berufung der Beklagten zu 2 war hingegen im Wesentlichen unbegründet.
61I. Berufung des Klägers
621.
63Zwar scheidet ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus, da der zugrunde liegende Kaufvertrag nicht nichtig ist, insbesondere nicht wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB in Gestalt des § 27 EG-FGV oder infolge einer Anfechtung wegen einer der Beklagten zu 1 zurechenbaren arglistigen Täuschung der Beklagten zu 2 (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 08.01.2020 – 30 U 31/19 – bislang nicht veröffentlicht).
64Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nach Auffassung des Senats mit einer gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne der §§ 6, 27 EG-FGV versehen. Es ist insoweit von einem formellen Gültigkeitsbegriff auszugehen, das heißt, es kommt allein darauf an, ob die Bescheinigung durch den Hersteller unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars ausgestellt wurde, sie fälschungssicher und vollständig ist. Daran besteht vorliegend kein Zweifel, eine fehlerhafte Ausstellung wird von Klägerseite auch nicht vorgetragen. Die inhaltliche Richtigkeit ist hingegen Frage des Typgenehmigungsverfahrens. Zudem geht der Senat davon aus, dass § 27 EG-FGV nicht als Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB anzusehen ist.
65Unabhängig davon schließt der Senat sich der Auffassung des 28. Zivilsenats des hiesigen Oberlandesgerichts an, wonach selbst ein Verstoß beim Verkauf des streitbefangenen Fahrzeugs an den Kläger gegen § 27 EG-FGV nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 134 BGB führen würde (vgl. – auch für die folgenden Ausführungen – OLG Hamm, Urt. v. 02.05.2019 - 28 U 101/18, juris Rn. 83 ff.). § 134 BGB beschränkt die Privatautonomie zum Schutz der allgemeinen gesetzlichen Werteordnung, indem Rechtsgeschäften, deren Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, die Wirksamkeit versagt wird, soweit dies nach Sinn und Zweck des jeweils konkret verletzten Verbotsgesetzes geboten ist. Richtet sich ein gesetzliches Verbot dabei an beide Parteien eines Rechtsgeschäfts, kann i.d.R. davon ausgegangen werden, dass das verbotswidrige Geschäft nichtig sein soll. Richtet sich das gesetzliche Verbot nur an eine Partei eines Rechtsgeschäfts, dann lässt ein Verstoß dagegen die Wirksamkeit des gleichwohl vorgenommenen Rechtsgeschäfts i.d.R. unberührt (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1999 – X ZR 34/98, juris Rn. 18) – es sei denn, dass es dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes zuwiderliefe, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGH, Urt. v. 14.12.1999 – X ZR 34/98, juris Rn. 18). § 27 Abs. 1 EG-FGV richtet sich in allen Handlungsalternativen (Feilbieten, Veräußern und lnverkehrbringen) einseitig an den Verkäufer eines Kraftfahrzeugs. Nach vorstehender Maßgabe ist deshalb grundsätzlich von der Wirksamkeit eines unter Verstoß gegen die Vorschrift zustande gekommenen Kaufvertrages auszugehen. Dem widerspricht auch nicht der Sinn und Zweck des § 27 EG-FGV. Die Sicherung der Übereinstimmung produzierter Fahrzeuge mit dem genehmigten Fahrzeugtyp wird durch die in § 25 EG-FGV vorgesehenen Maßnahmen – u.a. den Widerruf der erteilten Typgenehmigung – gewährleistet. Einer zusätzlichen zivilrechtlichen Sanktionswirkung in Form der Nichtigkeit von gegen § 27 EG-FGV verstoßenden Kaufverträgen bedarf es nicht (so auch OLG Hamburg, Urt. v. 21.12.2018 - 11 U 55/18, BeckRS 2018, 33592, Rn. 63). Diese Rechtsfolge ist auch nicht aus Gründen des Käuferschutzes geboten. Würde der unter Verstoß gegen § 27 EG-FGV geschlossene Kaufvertrag als nichtig angesehen, würden dem Käufer die vertraglichen Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB genommen, insbesondere das Recht auf Ersatzlieferung aus §§ 439, 437 Nr. 1 BGB ohne Abzug einer Nutzungswertentschädigung; er wäre allein auf die abstrakt weniger vorteilhaften bereicherungsrechtlichen Vorschriften zu verweisen. Der Fahrzeugverkäufer würde außerdem in Bezug auf die kaufvertraglichen Verjährungsvorschriften schlechter gestellt. Das gebietet der Schutzzweck des § 27 EG-FGV nicht (OLG Hamburg, aaO, Rn. 64).
66Diese zutreffenden Ausführungen des 28. Zivilsenats werden – jedenfalls im Ergebnis – von weiteren Obergerichten geteilt (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.08.2018 – 12 U 179/17, juris Rn. 7 ff; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.07.2019 – 17 U 204/18, juris Rn. 38 ff.; wohl auch OLG München, Beschl. v. 11.09.2019 – 17 U 3109/19, BeckRS 2019, 26530, Rn. 22 ff.).
67Der Kläger stützt seine Gegenauffassung lediglich auf ein in der Sache nicht überzeugendes erstinstanzliches Urteil des LG Augsburg (Urt. v. 29.01.2018, Az. 082 O 4497/16 – juris), das vor der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung ergangen ist. Das für Augsburg zuständige Obergericht, das OLG München, hat sich dieser Auffassung offenbar nicht angeschlossen (vgl. OLG München, aaO, Rn. 22 ff.).
68Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte zu 1 scheidet ebenfalls aus. Auch wenn die Abgassteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellt – auf die nachfolgenden Ausführungen unter B I 2a) wird verwiesen -, ist nicht feststellbar, dass die Beklagte zu 1 dem Kläger diesen Mangel arglistig verschwiegen hätte. Der Kläger trägt insoweit auch nicht vor, dass die Beklagte zu 1 selbst bzw. ihre Organe Kenntnis von der Manipulation des Fahrzeugs gehabt bzw. diese für möglich gehalten hätten.
69Eine Zurechnung des bei der Beklagten zu 2 vorhandenen (arglistigen) Wissens gem. § 166 Abs. 1 BGB scheidet aus. Die für juristische Personen entwickelten Grundsätze führen hier nicht zu einer Wissenszurechnung; diese Rechtsprechung betrifft die Zurechnung des Wissens von Organvertretern im Verhältnis zu juristischen Personen. Letztere müssen sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organe weiter zurechnen lassen, selbst wenn das „wissende" Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt bzw. nichts davon gewusst hat (BGH, Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, juris Rn. 15 mwN). Die Herstellerin des Fahrzeugs, die Beklagte zu 2, und die Beklagte zu 1 stehen sich jedoch als juristisch selbstständige Personen gegenüber. Die Beklagte zu 1 ist auch nicht als Handelsvertreterin der Beklagten zu 2 anzusehen (OLG München, Beschl. v. 11.09.2019 – 17 U 3109/1, aaO Rn. 28; OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.01.2017 – 2 U 39/16, BeckRS 2016 126343 Rn. 14).
70Auch kann eine Wissenszurechnung nicht über eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB begründet werden. Die Beklagte zu 1 hat den Kaufvertrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen. Sie hatte keine „vertreterähnliche“ Position und war auch nicht „Verhandlungsbevollmächtigte“ der Beklagten zu 2; eine Situation, die mit einer Stellvertretung vergleichbar wäre, lag nicht vor. Soweit vorgetragen worden ist, dass sich nach dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 BGB der Vertretene nicht hinter der Unkenntnis seines Vertreters verstecken dürfe und dass sich dementsprechend auch die Beklagte zu 2 nicht hinter ihrer Vertragshändlerin, der Beklagten zu 1, verstecken dürfe, geht dies fehl. Denn der Kläger nimmt hier die gutgläubige Beklagte zu 1 in Anspruch. Eine Eigenhaftung des gutgläubigen Vertreters sieht § 166 Abs. 2 BGB aber gerade nicht vor (OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2017 – 2 U 39/17, juris Rn. 6; OLG München, Beschl. v. 11.09.2019 – 17 U 3109/19, aaO Rn. 28).
71Der Vorlieferant des Verkäufers ist auch nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer i.S.v. § 278 BGB; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seinen Kunden verkauft hat (vgl. BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/03, juris Rn. 31; OLG Hamm, Urt. v. 02.05.2019 – 28 U 101/18, juris Rn. 69; OLG München, Beschl. v. 11.09.2019 – 17 U 3109/19, aaO Rn. 28; OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.01.2017 – 2 U 39/16, BeckRS 2016, 126343 Rn. 14; OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.08.2018 – 12 U 179/17, juris Rn. 9; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2017, Rn. 1247). Dementsprechend muss sich auch im Rahmen des § 123 BGB ein Automobilvertragshändler nicht das Wissen des Herstellers zurechnen lassen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016, – 7 W 26/16, BeckRS 2016 13999, Rn. 8; OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2017 – 2 U 39/17, juris Rn. 4 mwN).
72Die in der Berufungsbegründung des Klägers angeführten Entscheidungen sind solche von Eingangsgerichten und Mindermeinung geblieben (so auch OLG München, Urt. v. 03.07.2019 – 3 U 4029/18, juris Rn. 38). Soweit in dem unveröffentlichten zitierten Hinweisbeschluss des LG Köln, Az. 32 O 219/16, die Auffassung vertreten wird, die Gestaltung der Außendarstellung des Vertragshändlers führe dazu, „dass der unbefangene Kunde sie leicht für eine Niederlassung des Herstellers halten könnte“, letztlich sei „das gesamte äußere Erscheinungsbild eines Vertragshändlers durch die „Corporate Identity“ des Herstellers vorgegeben“, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Unabhängig davon ist dies vorliegend nicht der Fall. Die verbindliche Bestellung vom 04.02.2013 (Anlage K 1, roter Anlagenband) weist deutlich als Verkäuferin die Beklagte zu 1 und gerade nicht die Beklagte zu 2 aus.
73Soweit die Berufungsbegründung darüber hinaus ein unveröffentlichtes Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 24.01.2018 (Az.: 33 O 1571/16) zitiert, wird schon nicht vorgetragen, ob dieses Urteil rechtskräftig geworden ist. Das für Berufungen gegen Urteile des LG Ingolstadt zuständige OLG München vertritt zudem die gegenteilige – hiesige – Rechtsauffassung.
74Schließlich werden von Klägerseite – wenig aussagekräftig – Protokolle mündlicher Verhandlungen zitiert: Dies betrifft zum einen das LG Dortmund (Protokoll vom 04.04.2017, Az.: 12 O 228/16), das in der dortigen mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass es dazu neige, eine Zurechnung im Rahmen des § 123 BGB anzunehmen. Allerdings stützte es sich in seinem anschließenden Urteil auf diese Auffassung nicht, wie sich aus dem veröffentlichten, aber von Klägerseite nicht zitierten Urteil ergibt (juris Rn. 20). Ähnliches gilt für ein Protokoll des Landgerichts Stuttgart vom 22.09.2017 (Az.: 29 O 74/17), in dem lediglich darauf hingewiesen wird, dass man an eine Zurechnung denken könne. Auch hier fehlt es an Vortrag dazu, wie das Verfahren ausgegangen ist. Aus dem außerdem vorgelegten Protokoll des LG Offenburg vom 03.02.2017 (Az.: 6 O 119/16) ergibt sich für die hiesige Rechtsfrage nichts. Dort war ein Autohändler gar nicht beteiligt. Die von Klägerseite angeführten wenigen Entscheidungen bzw. Auffassungen von Eingangsgerichten stehen damit einer verbreiteten und auch inhaltlich zutreffenden obergerichtlichen Rechtsprechung entgegen. Der Sachverhalt liegt hier nicht anders. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB ist vom Landgericht mithin zutreffend abgelehnt worden.
752. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Rückgewähr des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs besteht indes aus §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 433, 323, 346 BGB.
76a) Sachmangel
77Das streitgegenständliche Fahrzeug ist vorliegend unstreitig mit einem Dieselmotor der Baureihe F # der Beklagten zu 2 ausgerüstet. Dieser weist eine sog. Abschaltvorrichtung auf und ist damit mangelhaft (vgl. auch für die folgenden Ausführungen BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 4 ff.). Gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache (nur dann) frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Diese Anforderungen erfüllte das Fahrzeug des Klägers im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs bei Auslieferung Mitte Februar 2013 nicht. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteile v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15 – juris Rn. 40; v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, juris Rn. 15, v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, juris Rn. 29 jew. mwN). Unstreitig war es zu diesem Zeitpunkt werkseitig mit einer Software ausgestattet, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrbetrieb reduziert. Danach ist das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, aufgrund derer die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Zulassungsbehörde besteht. Bei der im Fahrzeug des Klägers vorhandenen Einrichtung, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, handelt es sich um eine nach Art. 5 II 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007 L 171; nachfolgend: VO [EG] Nr. 715/2007) unzulässige Abschalteinrichtung.
78Die VO (EG) Nr. 715/2007, in deren Anwendungsbereich auch das Fahrzeug des Klägers fällt (Art. 2 I, 10 VO [EG] Nr. 715/2007), legt gemeinsame technische Vorschriften der Mitgliedstaaten für die EG-Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Schadstoffemissionen fest (Art. 1 I VO [EG] Nr. 715/2007). Dabei regelt sie unter anderem auch die Anforderungen, die die Hersteller von Neufahrzeugen zu erfüllen haben, um eine EG-Typgenehmigung zu erhalten (Art. 5 VO [EG] Nr. 715/2007). Die genannte Verordnung wird unter anderem ergänzt durch die VO (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18.7.2008 zur Durchführung und Änderung der VO (EG) Nr. 715/2007 (ABl. 2008 L 199). Diese „Durchführungsverordnung“ regelt in Art. 3 I, dass der Hersteller für die Erlangung der EG-Typgenehmigung die Übereinstimmung mit den in den Anhängen im Einzelnen konkretisierten Prüfbedingungen nachzuweisen hat, und verlangt in Art. 3 IX Unterabs. 3 bei Dieselfahrzeugen zusätzlich weitere Nachweise im Hinblick auf Stickoxid-Emissionen, unter anderem auch „zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems“.
79Was unter einer EG-Typgenehmigung zu verstehen ist, bestimmen die genannten Verordnungen nicht; dies ergibt sich vielmehr aus der Legaldefinition in Art. 3 Nr. 5 der RL 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.9.2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (ABl. 2007 L 263 – Rahmenrichtlinie). Danach ist eine EG-Typgenehmigung das Verfahren, nach dem ein Mitgliedstaat der Europäischen Union einem Hersteller gegenüber bescheinigt, dass ein Typ eines Fahrzeugs, eines Systems oder eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen der Rahmenrichtlinie und der in ihrem Anhang IV oder XI aufgeführten Rechtsakte entspricht. Diese Begriffsbestimmung hat der deutsche Normgeber auch in § 2 Nr. 4 Buchst. a FZV übernommen.
80Die Verwendung der betreffenden Software im Fahrzeug des Klägers ist nach Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässig.
81Nach Art. 5 I VO (EG) Nr. 715/2007 hat der Hersteller von ihm gefertigte Neufahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO [EG] Nr. 715/2007) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 6 der VO [EG] Nr. 715/2007) erreicht wird.
82Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 II 1 VO [EG] Nr. 715/2007), sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 II 2 VO [EG] Nr. 715/2007) greifen (vgl. auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 7 – 3000 – 031/16, 12 ff.). Dabei ist eine „Abschalteinrichtung“ gem. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 definiert als jedes Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
83Ausgehend von diesen weitgefassten Bestimmungen handelt es sich auch bei der im Fahrzeug des Klägers installierten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2018, 1141; OLG Koblenz, NJW-RR 2018, 376 Rn. 20; OVG Münster, NZV 2018, 484; Führ, NVwZ 2017, 265 [266]; Legner, VuR 2018, 251 [253]; Harriehausen, NJW 2018, 3137 [3140]). Denn eine solche Software erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet, und schaltet in diesem Fall in einen Modus, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an Stickoxiden (NOxWerte) verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert eine solche Software einen anderen Modus, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet; sie ermittelt also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeugs – Prüfstandlauf oder Echtbetrieb – und aktiviert oder deaktiviert dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt.
84Soweit Art. 5 II 2 VO (EG) Nr. 715/2007 in bestimmten Fällen die Verwendung von Abschalteinrichtungen gestattet, liegen die hierfür erforderlichen (engen) Voraussetzungen vorliegend nicht vor. Die vorgesehenen Ausnahmen kommen – nicht zuletzt aufgrund des in Art. 5 I VO (EG) Nr. 715/2007 ausdrücklich benannten Regelungszwecks dieser Vorschrift – von vornherein nicht in Betracht, wenn die betreffende Abschalteinrichtung gerade dazu dient, bei erkanntem Prüfbetrieb ein vom Echtbetrieb abweichendes Emissionsverhalten des Fahrzeugs herbeizuführen, um auf diese Weise die Einhaltung der (andernfalls nicht erreichten) Emissionsgrenzwerte sicherzustellen. Aufgrund der beschriebenen Wirkungsweise der Software handelt es sich weder um eine Abschalteinrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (Art. 5 II 2 Buchst. a VO [EG] Nr. 715/2007), noch um eine Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich ist (Art. 5 II 2 Buchst. b VO [EG] Nr. 715/2007).
85Es ist auch nicht erkennbar, dass „die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten“ sind (Art. 5 II 2 Buchst. c VO [EG] Nr. 715/2007). Denn wie ein Blick in eine frühere Fassung des Verordnungsentwurfs zeigt, ist diese – ausgehend vom Wortlaut zunächst schwer verständliche – Ausnahme nur dann einschlägig, wenn die Bedingungen, „unter denen die Einrichtung arbeitet“, im Emissionsprüfverfahren im Wesentlichen „berücksichtigt“ sind (vgl. dazu den Kommissionsentwurf vom 21.12.2005, KOM [2005] 683 endg., 18). Die in Art. 5 II 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 715/2007 vorgesehene Privilegierung ist daher nur dann einschlägig, wenn die Abschalteinrichtung deshalb greift, weil dies durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung im Wesentlichen vorgegeben wird (s. auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 7 – 3000 – 031/16, 18). Dass durch die demgegenüber geänderte Formulierung in der verabschiedeten Fassung der VO (EG) Nr. 715/2007 ein anderer Aussagegehalt beabsichtigt war, ist nicht ersichtlich (idS deutlicher nunmehr auch Art. 19 S. 2 Buchst. c [Verbot von Abschalteinrichtungen] der zum 1.1.2016 in Kraft getretenen VO [EU] Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.1.2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen; ABl. 2013 L 60, 52).
86Mithin ist vorliegend auch die Ausnahmevorschrift des Art. 5 II 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 715/2007 nicht einschlägig, da nichts dafür spricht, dass die im Fahrzeug des Klägers vorhandene Abschalteinrichtung durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung vorgegeben war, sondern vielmehr dazu dient, unerkannt auf das Emissionsprüfverfahren einzuwirken.
87Infolge der nach Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässigerweise im Fahrzeug des Klägers installierten Abschalteinrichtung war der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr bei Gefahrübergang nicht gewährleistet und eignete sich das Fahrzeug somit nicht zur gewöhnlichen Verwendung iSv § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Ein Pkw, der aufgrund seiner Ausrüstung mit einer Software, die einen speziellen Modus für den Prüfstandlauf sowie einen hiervon abweichenden Modus für den Alltagsbetrieb vorsieht und hierdurch im Prüfzyklus verbesserte Stickoxidwerte generiert, weist bereits deshalb einen Sachmangel auf (vgl. hierzu auch OLG München, Beschl. v. 23.3.2017 – 3 U 4316/16, BeckRS 2017, 105163; OLG Köln, Beschl. v. 27.3.2018 – 18 U 134/17, BeckRS 2018, 4574 mwN; OLG Nürnberg, NZV 2018, 315 Rn. 38; ferner OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2019, 114; Witt, NJW 2017, 3681 [3682]; Harriehausen, NJW 2018, 3137 [3138]).
88Denn nach § 5 I FZV kann die zuständige Zulassungsbehörde in Fällen, in denen sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung erweist, dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
89Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sind Fahrzeuge, die mit einer nach Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sind, auch dann „nicht vorschriftsmäßig“ iSv § 5 I FZV, wenn der Halter einer Aufforderung zur Entfernung der Abschalteinrichtung mittels eines von der zuständigen Typgenehmigungsbehörde zugelassenen Software-Updates nicht Folge leistet, da ein solches Fahrzeug entgegen den in § 3 I 2 FZV normierten Zulassungsvoraussetzungen keinem genehmigten Typ (mehr) entspricht (vgl. etwa OVG Münster, NZV 2018, 484; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.1.2018 – 6 K 12341/17, BeckRS 2018, 1408; VG Karlsruhe, Beschl. v. 26.2.2018 – 12 K 16702/17, BeckRS 2018, 2283; VG Sigmaringen, Beschl. v. 4.4.2018 – 5 K 1476/18, BeckRS 2018, 6337; VG Stuttgart, NZV 2018, 487; VG Köln, BeckRS 2018, 10409; VG Magdeburg, Beschl. v. 2.7.2018 – 1 B 268/18, BeckRS 2018, 16022).
90Da somit bei Kraftfahrzeugen, die entgegen zwingender unionsrechtlicher Vorschriften installierte Abschalteinrichtungen aufweisen, zur Herstellung ihrer Vorschriftsmäßigkeit eine entsprechende Nachrüstung erforderlich ist, sieht sich der Halter eines solchen Fahrzeugs, so lange eine ordnungsgemäße Nachrüstung (noch) nicht durchgeführt worden ist, einer drohenden Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 I FZV ausgesetzt. Diese Gefahr besteht nicht erst bei einer – hier aber durch Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14.10.2015 an den Fahrzeughersteller bereits erteilten – Umrüstungsanordnung der zuständigen Typgenehmigungsbehörde, sondern auch schon dann, wenn diese Behörde eine entsprechende Maßnahme gegenüber dem Hersteller noch nicht gefordert hat. Denn auch dann liegt im Ansatz bereits ein Sachverhalt („Mangelanlage“/Grundmangel) vor, der – gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren Umständen (vor allem einer Entscheidung beziehungsweise Äußerung der zuständigen Typgenehmigungsbehörde) – dazu führen kann, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung nach § 5 I FZV vornimmt, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 I 2 FZV) entspricht.
91Die im Fall einer (noch) nicht erfolgten Nachrüstung – zumindest latent – bestehende Gefahr einer Betriebsuntersagung oder -beschränkung durch die Zulassungsbehörde hätte demnach aus kaufrechtlicher Sicht zur Folge, dass bei den betroffenen Fahrzeugen die Eignung für die gewöhnliche Verwendung iSv § 434 I 2 Nr. 2 BGB fehlt. Eine entsprechende Eignung ist einer Kaufsache nicht erst dann abzusprechen, wenn ihre Tauglichkeit ganz aufgehoben, sondern bereits dann, wenn ihre Eignung herabgesetzt ist (vgl. BGH, NJW 2017, 2817 Rn. 18 mwN; NJW 2017, 153 Rn. 15 f.).
92Von einer solch verminderten Eignung ist bei Fahrzeugen, die mit (noch) nicht nachgerüsteten Motoren des Typs F # ausgestattet sind, auszugehen. Denn der Käufer eines solchen Fahrzeugs muss jederzeit damit rechnen, es aufgrund behördlicher Anordnung – unter Umständen sogar unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. etwa OVG Münster, NZV 2018, 484) – nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr nutzen zu dürfen. Dies gilt unabhängig davon, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde bereits eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 I FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist. Die den Käufer an der gewöhnlichen Verwendung hindernde Beschaffenheit läge nämlich nicht erst in der behördlich verfügten Untersagung des Betriebs, sondern bereits in der durch die unzulässige Abschalteinrichtung hervorgerufenen Möglichkeit eines entsprechenden behördlichen Eingreifens (vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2017 - VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 21 f., 28; vom 11. Dezember 1992 - V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396 unter II 2 [jeweils zum Rechtsmangel]).
93Da sich das Fahrzeug des Klägers somit bei Gefahrübergang Mitte Februar 2013 und zum Zeitpunkt des hilfsweise erklärten Rücktritts im März 2017 wegen (latent) drohender Betriebsuntersagung nicht für die gewöhnliche Verwendung geeignet hat, wäre es unabhängig davon mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, ob es die Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten konnte. Denn die in der genannten Vorschrift genannten Merkmale der Sache (Verwendungseignung und übliche Beschaffenheit) müssen kumulativ vorliegen, damit die Sache frei von Sachmängeln ist (BGH, Urt. v. 30. November 2012 - V ZR 25/12, NJW 2013, 1671 Rn. 13 mwN).
94b) Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nachbesserung
95Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger von dem Vertrag zurückgetreten ist, ohne eine Frist zur Nacherfüllung gem. § 323 Abs. 1 BGB gesetzt zu haben. Diese war jedoch hier entbehrlich gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB. Gem. § 440 S. 1 Var. 3 BGB bedarf es einer Fristsetzung dann nicht, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung ihm unzumutbar ist. So liegt der Fall hier, da die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung (Nachbesserung) infolge des zerstörten Vertrauensverhältnisses des Klägers zu dem laut Beklagter zu 1 einzig zur Nachbesserung fähigen Hersteller des Motors – der Beklagten zu 2 – unzumutbar ist.
96Zwar ist die Fristsetzung gem. § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderlich. Hier führt aber die Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls dazu, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist und der Kläger sich daher für die Nachbesserung nicht an die Beklagte zu 2 verweisen lassen muss.
97Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG Karlsruhe in der Entscheidung vom 06.12.2018 (Az. 17 U 4/18, juris Rn. 33 ff.) an. Im Rahmen des § 440 Satz 1 Var. 3 BGB kommt es letztlich ausschlaggebend darauf an, ob aufgrund der aufgetretenen Mängel das Vertrauen des Klägers in eine insgesamt ordnungsgemäße Herstellung des Fahrzeugs ernsthaft erschüttert ist. Ein solcher Vertrauensverlust setzt voraus, dass die bislang aufgetretenen Mängel aus Sicht eines verständigen Käufers eine ausreichende Grundlage für die Befürchtung bieten, das Fahrzeug sei insgesamt mit Qualitätsmängeln behaftet und werde daher auch in Zukunft nicht längere Zeit frei von herstellungsbedingten Mängeln sein. Bei dieser Beurteilung spielen Art, Ausmaß und Bedeutung der aufgetretenen Mängel eine entscheidende Rolle. So kann es sich insbesondere verhalten, wenn der Verkäufer bei Abschluss des Vertrags eine Täuschungshandlung begangen hat. Eine solche Handlung ist grundsätzlich geeignet, das Vertrauen des Käufers in die Ordnungsmäßigkeit der Nacherfüllung zu zerstören, und lässt aus diesem Grund das Verlangen der Nacherfüllung für den Käufer in der Regel unzumutbar sein. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist eine Nachfristsetzung ausnahmsweise entbehrlich. Hat der Verkäufer beim Abschluss eines Kaufvertrags eine Täuschungshandlung begangen, so ist in der Regel davon auszugehen, dass die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage beschädigt ist. Dies gilt insbesondere – aber nicht nur dann –, wenn die Nacherfüllung durch den Verkäufer selbst oder unter dessen Anleitung im Wege der Mängelbeseitigung erfolgen soll. In solchen Fällen hat der Käufer ein berechtigtes Interesse daran, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen. Damit kann sich der täuschende Verkäufer auch nicht darauf berufen, die Mangelbeseitigung einem seriösen Dritten zu überlassen, da sich der Käufer hierauf nicht einlassen muss. Der Senat verkennt nicht, dass im Streitfall die Beklagte zu 1 als Verkäuferin im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses im Februar 2013 von der erst im September 2015 öffentlich bekannt gewordenen Manipulation der Steuerungssoftware durch Verantwortliche der Beklagten zu 2 (noch) keine Kenntnis hatte und damit den Kläger hierüber auch nicht arglistig getäuscht hat. Ihm ist ferner bewusst, dass der Hersteller der Kaufsache nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist, der die Sache an seine Kunden verkauft. Hier geht es indes weder um eine für die Begründung einer Haftung nötige Zurechnung fremden Verhaltens im Sinne von § 278 BGB noch um die im Rahmen der Anfechtung des Kaufvertrags (§ 123 Abs. 2 BGB) entscheidende Frage, ob die Beklagte zu 2 „Dritter“ im Sinne der Vorschrift ist, sondern um eine für die Zumutbarkeit der Art der Nacherfüllung und demgemäß die Erforderlichkeit einer Nachfristsetzung nötige umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des § 440 BGB.
98Diese fällt hier zum Nachteil der Beklagten zu 1 aus: Der nicht arglistig täuschenden Beklagten zu 1 steht nach der gesetzgeberischen Konzeption des Kaufrechts zwar grundsätzlich das Recht zur zweiten Andienung zu, also die Eröffnung der Möglichkeit, einen Sachmangel entweder selbst oder durch einen von ihr beauftragten Dritten zu beseitigen, ohne dass der Käufer die Art und Weise der Behebung oder die Person des beauftragten Dritten beeinflussen könnte. In die Abwägung zugunsten der Beklagten zu 1 einzustellen ist ferner der Umstand, dass das klägerische Fahrzeug trotz der aufgespielten Manipulationssoftware grundsätzlich sicher, gebrauchstauglich und technisch im Übrigen einwandfrei ist. Andererseits ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass sowohl die Vertragshändler und freien Händler, so auch die Beklagte zu 1, als auch die Beklagte zu 2 in allen beim Senat anhängigen, gleich gelagerten Verfahren und auch öffentlich bis heute den Standpunkt vertreten, es liege überhaupt kein Sachmangel vor bzw. dieser sei unerheblich. Die Fälle der vorliegenden Art sind, und darauf kommt es an, weiter entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte zu 1 selbst nicht nur geltend macht, wegen der Komplexität der zu entwickelnden technischen Lösung für eine Vielzahl von Motorvarianten zur eigenen Nachbesserung gar nicht in der Lage zu sein, sondern zudem ausführt, dass hierfür niemand anderes als die Beklagte zu 2 als Herstellerin des verbauten Motors in Frage komme.
99Die Beklagte zu 2 zeichnet jedoch für die Entwicklung, den Einsatz und die Herbeiführung der behördlichen Genehmigung mit der ursprünglichen Abschaltautomatik (zwei unterschiedliche Betriebsmodi für Prüfstand und Straße) verantwortlich. Die hier in Streit stehende Software wurde durch deren Mitarbeiter bzw. in deren Auftrag ersonnen, konstruiert und so in der Motorsteuerungssoftware der einzelnen Aggregate versteckt, dass sie jedenfalls der für die Prüfung der Erteilung der Typgenehmigung zuständigen Spezialbehörde dem offensichtlich vorgefassten Plan entsprechend nicht aufgefallen ist. Dabei kommt es an dieser Stelle nicht darauf an, ob im Rahmen des § 826 BGB oder des § 31 BGB einer konkreten Person als verfassungsmäßig berufenem Vertreter der Beklagten zu 2 die positive Kenntnis und eine in Arglist erfolgte Täuschungshandlung gegenüber dem KBA oder den einzelnen Autokäufern nachgewiesen werden kann. Denn es geht bei § 440 BGB allein um die Frage, ob sich der Käufer von seinem gutgläubigen Vertragspartner darauf verweisen lassen muss, dass die Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung und die Sicherstellung, dass dies ohne Folgeschäden für den Motor geschieht, allein von dem Unternehmen entwickelt, koordiniert und im Ergebnis auch durchgeführt wird, das für die ursprüngliche Pflichtverletzung verantwortlich ist.
100Diese Frage verneint der Senat. Denn dass der Kläger zu dem Unternehmen, das den erheblichen Sachmangel erst willentlich verursacht hat, kein Vertrauen mehr aufbringt, ist für den Senat nachvollziehbar. Daran ändert sich nichts dadurch, dass auch das Update von einer Freigabe durch das KBA abhängt und damit in gewissem Maße im Rahmen der Fehlerbeseitigung eine behördliche Beaufsichtigung erfolgt. Denn das KBA hat schon die Implementierung der ersten Abschaltautomatik nicht entdeckt und die Typgenehmigung erteilt, obwohl es nunmehr in seinem Bescheid vom 15. Oktober 2015 wegen eben jener Software bei Nichtbefolgung der angeordneten Maßnahmen mit deren Entzug droht. Das Vertrauen in dessen Fachkompetenz ist daher unabhängig davon als erschüttert anzusehen, ob im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bereits eine Freigabe des Software-Updates für das streitgegenständliche Kfz existierte und ob diese als Verwaltungsakt anzusehen ist. Das gilt erst recht, wenn man die Argumentation der Beklagten zu 2 zugrunde legt, dass sich der (weiterhin in Abrede gestellte) Sachmangel in einer halben Arbeitsstunde und selbst bei Einrechnung der hohen Entwicklungskosten bei einem Aufwand von ca. 100 EUR pro Fahrzeug so beheben lasse, dass nunmehr die Emissionsgrenzwerte ohne unzulässige Abschalteinrichtungen eingehalten würden und trotzdem sichergestellt sei, dass weder Leistung und Drehmoment verschlechtert noch Kraftstoffverbrauch oder Geräuschemissionen erhöht würden. Wenn dem wirklich so wäre, stellt sich die bisher weder vom Hersteller noch den Vertragshändlern zufriedenstellend beantwortete Frage, warum dann die Motosteuerungssoftware nicht von Anfang an gesetzmäßig kalibriert und die dafür nötigen und im Vergleich zum Kaufpreis marginalen Mehrkosten nicht schlichtweg in die Modellpolitik eingepreist wurden.
101c) Keine Unerheblichkeit des Mangels
102Der Rücktritt ist vorliegend nicht gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist.
103Ob eine Pflichtverletzung als unerheblich einzustufen, der Mangel also als geringfügig anzusehen ist, beurteilt sich im Wege einer umfassenden Interessenabwägung (BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, juris Rn. 27). Maßgeblich für die Beurteilung ist dabei der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. Auch wenn dem für die Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwand bei der Interessenabwägung eine besondere Bedeutung zukommt (BGH, Urt. v. 28.05.2014 VIII ZR 94/13, juris, Rn. 38), sind daneben sonstige Aspekte, wie zum Beispiel die Schwere des Verschuldens des Schuldners, zu berücksichtigen. Die Erheblichkeit wird in der Regel indiziert durch einen Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung, die Sicherheitsrelevanz des Mangels oder wenn der Mangel einen für den Kläger wesentlichen Qualitätsaspekt betrifft (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 323 Rn. 32. Ein erheblicher Mangel liegt auch dann vor, wenn dieser für viele, wenn nicht gar für die meisten Interessenten ein Grund ist, vom Kauf Abstand zu nehmen (so BGH, Urt. v. 05.11.2008 - VIII ZR 166/07, juris Rn. 19).
104Auch wenn die Kosten des Software-Updates vorliegend nur einen Bruchteil des Kaufpreises ausmachen, kann es darauf nicht ankommen. Vielmehr ist ein wesentlicher Qualitätsaspekt des streitgegenständlichen Kaufgegenstandes betroffen, der immerhin dazu führte, dass den betroffenen Käufern der Entzug der Betriebserlaubnis ihres Fahrzeugs droht. Ein Mangel, der die dauerhafte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs in Frage stellt, kann nicht als unerheblich angesehen werden und ist für die meisten Kaufinteressenten ein Grund, Abstand von diesem zu nehmen (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 24.04.2018 – 6 U 409/17, juris Rn. 44 ff; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.11.2018 – 17 U 4/18, juris Rn. 20 ff; OLG Köln, Beschl. v. 12.03.2018 – I-27 U 13/17, juris Rn. 53 ff.). Gegen die Geringfügigkeit des Mangels spricht i.Ü., dass es schon nach dem Vortrag der Beklagten zu 2 selbst umfangreicher und zeit- sowie kostenaufwändiger Entwicklungsarbeiten bedurfte, um mit dem Software-Update die vom KBA gesetzten Bedingungen zu erfüllen.
Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 20.03.2017 wirksam (hilfsweise) den Rücktritt gem. § 349 BGB erklärt.
106e) Rechtsfolgen
107aa) Gemäß § 346 Abs. 1 BGB sind die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Der Kläger verlangt daher zu Recht die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung (vgl. BGH, Urt. v. 25.04.2017 – XI ZR 108/16, juris Rn. 20) Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs.
108Der Kläger muss dabei nach § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz für die gezogenen Nutzungen leisten. Der Wert der Nutzung des Pkw ist anhand des Bruttokaufpreises, der Fahrstrecke und der zu erwartenden Laufleistung zur Zeit des Erwerbs auf der Grundlage linearer Wertminderung zu errechnen.
109Das Gericht kann die zu erwartende Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gem. § 287 ZPO schätzen. Die Gesamtlaufleistung von durch 1,6 Litern Dieselmotoren angetriebenen Fahrzeugen wird allgemein auf 250.000 bis 300.000 km geschätzt (vgl. LG Kiel, Urt. v. 18.01.2019 – 12 O 272/18, juris Rn. 72; LG Osnabrück, Urt. v. 28.06.2017 – 5 O 2341/16, juris Rn. 65; LG Bremen, Urt. v. 12.12.2018 – 1 O 1632/17, juris Rn. 71; LG Baden-Baden, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 387/16, juris Rn. 61; LG Münster, Urt. v. 12.06.2017 – 2 O 341/16, juris Rn. 44; LG Aachen, Urt. v. 19.01.2018 – 7 O 233/17, juris Rn. 43; KG, Urt. v. 26.09.2019 – 4 U 51/19, juris Rn. 135). Der Senat legt bei einem W mit 1,6 l Dieselmotor eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zugrunde (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 92). Die vom Kläger zu zahlende Nutzungsentschädigung beträgt danach für die von ihm zurückgelegten 155.039 km insgesamt 11.112,55 €, so dass noch ein Betrag von 5.867,45 € verbleibt.
110bb) Der Anspruch auf Verzinsung des zurück zu gewährenden Kaufpreises ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Kläger hat der Beklagten zu 1 eine Frist zur Rückabwicklung bis zum 03.04.2017 gesetzt (vgl. Anlage K 2, roter Anlagenband).
111cc) Da der Kläger wirksam zurückgetreten ist und der Beklagten zu 1 das Fahrzeug ordnungsgemäß angeboten, diese jedoch die Rückabwicklung abgelehnt hat, befindet sich die Beklagte zu 1 im Verzug mit der Annahme des Fahrzeuges.
112dd) Hinsichtlich des Anspruchs auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Berufung des Klägers indes unbegründet. Gegen die Beklagte zu 1 steht dem Kläger kein solcher Anspruch zu. Rechtsgrundlage könnte allein §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB sein. Dass die Beklagte zu 1 sich zum Zeitpunkt des anwaltlichen Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten des Klägers – Rücktrittsschreiben vom 20.03.2017 – bereits im Verzug befunden hat, hat die Beklagte zu 1 bestritten, ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten wäre. Auch aus dem vorgelegten vorprozessualen Schreiben vom 20.03.2017 ergibt sich nicht, dass die Beklagte zu 1 schon vorher in verzugsbegründender Weise in Anspruch genommen worden wäre. Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers erstinstanzlich gegenteilig vertretene Auffassung (vgl. Schriftsatz vom 20.09.2018, S. 220 f.; Bl. 545 f.) überzeugt nicht. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 280 BGB, weil es an einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 fehlt; allein die Lieferung einer mangelhaften Sache führt nicht zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs. Wie oben ausgeführt,hat die Beklagte zu 1 den Mangel des Fahrzeugs nicht zu vertreten. Da der Kläger keine Nacherfüllung begehrt hat (vgl. Schreiben vom 20.03.2017, Anlage K 2, roter Anlagenband), scheidet ein Anspruch gestützt auf § 439 Abs. 2 BGB von vornherein aus.
113Soweit der Kläger seine Klageansprüche auch aus europarechtlichen Vorschriften mit drittschützender Wirkung (vgl. Bl. 1083 f.) herleiten will, kann dies dahinstehen. Denn jedenfalls ergäbe sich daraus genauso wenig ein Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen Anwaltskosten.
114II. Berufung der Beklagten zu 2
115Die Berufung ist im Wesentlichen unbegründet.
116Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2 ein Anspruch aus § 826, § 31 BGB analog auf Feststellung der Ersatzpflicht für Schäden wegen der Manipulation des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch Einbau der sog. Abschaltvorrichtung zu. Der Senat schließt sich der sowohl vom hiesigen OLG als auch bundesweit von zahlreichen Berufungsgerichten vertretenen Auffassung an, dass der Beklagten zu 2 im Hinblick auf die Ausstattung des Motortyps F # mit einer sog. Abschaltvorrichtung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen ist (vgl. OLG Köln, Urt. v. 17.07.2019 – 16 U 199/18, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 28.08.2019 – 5 U 1218/18, juris; OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris; OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.09.2019 – 17 U 45/19, juris; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 12/19, juris; OLG München, Urt. v. 15.11.2019 – 13 U 4071/18, juris; OLG Celle, Urt. v. 20.11.2019 – 7 U 24/18, juris; OLG Schleswig, Urt. v. 22.11.2019 – 17 U 44/19, juris).
1171. Zulässigkeit der Feststellungsklage
118Die Feststellungsklage ist zulässig.
119Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2 ist der Antrag hinreichend bestimmt, da dem Vortrag des Klägers jedenfalls im Wege der Auslegung zu entnehmen ist, dass das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis in dem Einbau der vom Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 15.10.2015 als unzulässig beanstandeten Abschalteinrichtung liegen soll.
120Insbesondere liegt auch das erforderliche Feststellungsinteresse vor (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 12/19, juris Rn. 12 ff.). Der Kläger muss sich nicht auf eine Leistungsklage verweisen lassen. Denn er hat hinreichend substantiiert vorgetragen, dass weitere Schäden hinreichend wahrscheinlich sind. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts muss der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen substantiiert dartun (vgl. BGH, Beschl. v. 04.03.2015 - IV ZR 36/14, juris Rn. 15; BGH, Urt. v. 07.05.2019 - II ZR 278/16, juris Rn. 30 ff.). Allerdings ist die Frage, ob der Kläger die Wahrscheinlichkeit künftiger Schäden hinreichend dargelegt hat, mit Rücksicht auf die drohende Verjährung großzügiger zu bewerten, wenn bereits eine erste Vermögensbuße eingetreten ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.07.2018 - I ZR 274/16, juris Rn. 26).
121Der Kläger hat u.a. behauptet, dass auch wenn er das Update durchführen ließe, weiterhin die Stilllegung des Fahrzeugs drohe. Dies ist vor dem Hintergrund der gerichtsbekannt noch ausstehenden Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu der Frage, ob sog. Thermofenster bei dem Motortyp F # eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen, hinreichend plausibel, um das notwendige Feststellungsinteresse zu bejahen. Zudem stand im Zeitpunkt der Klageerhebung nach allgemeiner Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger bis zum Vollzug der Rückabwicklung der Erhaltung oder Wiederherstellung des streitgegenständlichen Fahrzeugs dienende Aufwendungen tätigt (wie z. B. Aufwendungen für durchzuführende Inspektionen oder für erforderliche Reparaturen), die er ohne die behauptete schädigende Handlung der Beklagten zu 2 - mangels Erwerbs des Fahrzeugs - nicht getätigt hätte (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.07.2019 - 17 U 160/18, juris Rn. 79 f.; so auch OLG Koblenz, Urt. v. 16.09.2019 - 12 U 61/19, juris Rn. 94). Diese Aufwendungen könnte der Kläger nach § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich von der Beklagten zu 2 ersetzt verlangen. Dies genügt für die Annahme eines Feststellungsinteresses (OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.07.2019 - 17 U 160/18, juris Rn. 80), da nicht ausgeschlossen ist, dass dem Kläger abzüglich im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigender, ersparter Aufwendungen ein erstattungsfähiger Schaden verbliebe.
1222. Begründetheit der Feststellungsklage
123Dadurch, dass die Beklagte zu 2 ein Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat, dessen Betriebserlaubnis im Hinblick auf die im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegte streitgegenständliche Umschaltlogik infrage steht, hat sie die potentiellen Käufer konkludent getäuscht (a) und dadurch einen Schaden verursacht, der im Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen ist (b). Die Täuschung war auch kausal für den Kaufvertragsabschluss (c). Die Beklagte zu 2 handelte dabei sittenwidrig (d). Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB, nämlich insbesondere Schädigungsvorsatz und Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände, liegen vor. Die Kenntnisse des Vorstands sind der Beklagten zu 2 analog § 31 BGB zuzurechnen (e).
124Als Schadensersatz kann der Kläger verlangen, von den Folgen des aufgrund der unerlaubten Handlung der Beklagten zu 2 eingegangenen Kaufvertrags befreit zu werden. Dieser Anspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger durch Aufspielen des von der Beklagtenseite angebotenen Software-Updates die Stilllegung des Fahrzeugs vermeiden könnte (e).
125Im Einzelnen:
126a) Die Beklagte zu 2 hat den Kläger durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik konkludent getäuscht. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG Karlsruhe für einen vergleichbar gelagerten Fall vollumfänglich an (vgl. – auch für die weiteren Ausführungen – OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 12/19, juris Rn. 26 ff.). Denn mit dem Inverkehrbringen gibt ein Hersteller konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist. Hier drohte indes der Widerruf der Typgenehmigung, weil die verwendete Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist.
127Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, das nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamts erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Auch dies bestätigt der Hersteller zumindest konkludent mit der Inverkehrgabe.
128Denn bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt als zuständiger Behörde (§ 2 EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das Kraftfahrtbundesamt nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge zum einen gemäߠ§ 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäߠ§ 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäߠ§ 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
129Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe des Fahrzeugs der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung vorlagen.
130Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügte entgegen dem konkludenten Erklärungswert der Inverkehrgabe vorliegend gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik enthielt, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren. Auf die obigen Ausführungen zum Sachmangel wird Bezug genommen (vgl. auch BGH, Hinweisbeschl. v. 08.01.2019, VIII ZR 225/17, juris Rn. 5 ff.).
131b) Durch die Täuschung ist dem Kläger auch ein Schaden entstanden, der bereits im Abschluss des Kaufvertrags zu sehen ist.
132Schaden iSd § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004 - II ZR 402/02, juris Rn. 41; Urt. v. 28.10.2014 - VI ZR 15/14, juris Rn. 19).
133Nach diesen Grundsätzen kommt es nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs im Hinblick auf die unzulässige Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte. Der Schaden des irre geführten Käufers liegt in der Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Allein maßgebend ist, dass der abgeschlossene Vertrag, nämlich die Eigenschaften des Kaufgegenstands, nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten entsprach und überdies die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2014 - VI ZR 15/14, juris Rn. 16 ff.). Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil eines Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit der Gegenleistung einen Vermögensschaden erleiden, wenn er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urt. v. 28.10.2014, aaO.).
134Beide Voraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses im Februar 2013 gegeben, weil wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs drohte. Wegen des zur Rechtswidrigkeit der EG-Typgenehmigung führenden und damit die Zulassung des Fahrzeugs gefährdenden Mangels ist gerade der intendierte Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor der tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung. Werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig, das heißt, im Auslieferungszustand droht ebenfalls die Stilllegung.
135Für die Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, ist allein der Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses maßgeblich, so dass es auf die Frage, ob das Software-Update den Mangel beseitigen könnte, nicht ankommt.
136c) Die Täuschung war kausal für den Kaufvertragsabschluss.
137Vorliegend geht es um eine konkludente Täuschung mit dem Erklärungsgehalt, das in Verkehr gebrachte Fahrzeug verfüge über eine ungefährdete EG-Typgenehmigung und erfülle die materiellen Anforderungen für deren Erlangung. Es geht daher um eine konkludente Täuschung über Eigenschaften des Kaufgegenstands. Für den vergleichbaren Fall des Eingehungsbetrugs durch konkludente Täuschung gemäߠ§ 263 StGB ist anerkannt, dass es für den Kausalzusammenhang ausreicht, wenn der Verfügende durch das Erklärungsverhalten des Schädigers zur Verfügung veranlasst wird, weil er das Vorliegen der konkludent miterklärten, tatsächlich aber nicht bestehenden Tatsachen als selbstverständlich voraussetzt, ohne darüber zu reflektieren (sogenanntes „sachgedankliches Mitbewusstsein“). Erforderlich ist insoweit nur, dass der Getäuschte keine Kenntnis von dem Nichtvorliegen der betreffenden Tatsachen hat und die Verfügung auf der Unkenntnis beruht (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 12/19, juris Rn. 39 mwN).
138Diese zu § 263 StGB entwickelte Rechtsprechung lässt sich auf die Frage der Kausalität der Täuschung im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB übertragen: Auch hier ist für einen mit der konkludenten Täuschung korrespondierenden Irrtum des Käufers ausreichend, dass er die miterklärte Tatsache als selbstverständlich voraussetzte.
139Für die Annahme des darüber hinaus zu fordernden Kausalzusammenhangs zwischen Irrtum und Abgabe der Willenserklärung genügt es nach der höchstrichterlichen zivilgerichtlichen Rechtsprechung für den Fall der sittenwidrigen Vertragserschleichung, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.1995 - V ZR 34/94, juris Rn. 17).
140Es liegt auf der Hand, dass Kraftfahrzeugkäufer - wie es der Kläger auch für sich behauptet - vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wäre ihnen bekannt, dass Maßnahmen bis hin zur Stilllegung des Fahrzeugs drohen wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
141Damit von vornherein nicht vergleichbar sind die strengeren Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an den Kausalitätszusammenhang zwischen sittenwidriger Handlung und dem Eintritt eines Schadens im Rahmen von Kapitalanlagefällen gestellt hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 04.06.2007 - II ZR 173/05 (ComROAD V), juris Rn. 16). Vorliegend geht es aber um eine infolge der Täuschung drohende Einschränkung des Primärzwecks eines Kraftfahrzeugkaufs, nämlich der Fortbewegungsmöglichkeit. Im Hinblick auf diesen klaren Bezug zur Kaufentscheidung droht hier keine dem Zweck der Haftungsnorm widersprechende, uferlose Ausweitung der Haftung nach § 826 BGB.
142Dass der Kläger das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten zu 2 erworben hat, stellt den Kausalzusammenhang zwischen konkludenter Täuschung und Fahrzeugerwerb nicht in Frage. Denn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs hat die Beklagte zu 2 den Kausalverlauf bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt. Die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung seitens des Herstellers über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung wirkt auch fort, weil hinsichtlich derartiger Angaben der Fahrzeughändler lediglich das durch den Hersteller vermittelte Wissen weitergibt und der Käufer insoweit auf die Herstellerangaben sowie - im vorliegenden Fall der konkludenten Täuschung - auf die Seriosität des Herstellers vertraut. Diese Täuschung wirkt im Übrigen – wie hier – bei allen weiteren Verkäufen in der Käuferkette vor Aufdeckung der Abschalteinrichtung fort.
143d) Diese Täuschungshandlung ist sittenwidrig iSd § 826 BGB.
144Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (st. Rspr., BGH, Urt. v. 28.06.2016 - VI ZR 536/15, juris Rn. 16 f).
145Nach diesem Maßstab ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten zu 2 auszugehen.
146Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zum einen erscheint es lebensfremd, dass die Beklagte zu 2 das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (so OLG Köln, Beschl. v. 16.07.2018 - 27 U 10/18, juris Rn. 20), zum anderen trägt die Beklagte zu 2 selbst keinen anderen Grund vor.
147Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel ist das Handeln hier aber verwerflich: Bereits das Ausmaß der Täuschung rechtfertigt das besondere Unwerturteil. Wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren und zwischenzeitlich auch allgemein bekannt ist, wurde die unzulässige Abschalteinrichtung in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer. Allein am Musterfeststellungsklageverfahren vor dem OLG Braunschweig haben sich über 400.000 potentiell Geschädigte beteiligt. Überdies ist auch die Art und Weise der Täuschung verwerflich: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte zu 2 bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht.
148Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen: Hier droht zum einen den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs. Das von der Beklagten zu 2 angebotene Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar, beseitigt aber nicht das ursprüngliche Verwerflichkeitsurteil. Auch eine Parallelwertung mit dem Kaufrecht verbietet nicht, den Mangel als sittenwidrig anzusehen, weil es sich – so die Beklagte zu 2 – um einen unerheblichen Mangel im Sinn des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB handele. Denn der Mangel ist als erheblich zu qualifizieren. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Begründetheit der Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 1 Bezug genommen. Überdies hat die Beklagte zu 2 durch die Ausstattung einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen.
149Zusammenfassend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des allein vom Profitinteresse geleiteten Handelns aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Kunden, unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das Kraftfahrt-Bundesamt, und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt. Überdies liegt hier eine vorsätzliche Täuschung vor mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand rechtfertigt es schon, Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2016 - VI ZR 536/15, juris Rn. 17).
150e) Bei der Beklagten zu 2 lagen schließlich die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung gemäß §§ 826, 31 BGB analog vor.
151Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt zunächst voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den Tatbestand verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 28.06.2016 - VI ZR 536/15, juris Rn. 13, 23, 25 f.). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ dabei über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus weit auszulegen: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr. BGH, Urt. v. 05.03.1998 - III ZR 183/96, juris Rn. 18; Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, juris Rn. 11; Urt. v. 28.06.2016 - VI ZR 536/15, juris Rn. 13).
152In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, voraus (BGH, Urt. v. 13.09.2004 - II ZR 276/02, juris Rn. 36). Der erforderliche Schädigungsvorsatz enthält ein Wissens- und Wollenselement: Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Dabei genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei dieser nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Schaden im Sinn des § 826 BGB nicht nur in der Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter liegt, sondern vielmehr jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage genügt, einschließlich der sittenwidrigen Belastung fremden Vermögens mit einem Verlustrisiko (st. Rspr., BGH, Urt. v. 13.09.2004 - II ZR 276/02, juris Rn. 38; Urt. v. 19.07.2004 - II ZR 402/02, juris Rn. 47). Im Rahmen des § 826 BGB kann sich im Einzelfall aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Dies kann insbesondere dann naheliegen, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des Rechtsguts durchgeführt hat und es dem Zufall überlässt, ob sich die erkannte Gefahr verwirklicht. Stets ist aber eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände erforderlich (BGH, Urt. v. 20.11.2012 - VI ZR 268/11, juris Rn. 33; Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 309/10, juris Rn. 11).
153Bei der Beklagten zu 2 lagen die dargestellten Voraussetzungen für eine Haftung nach § 826 BGB vor. Die Beklagte zu 2 handelte mit Schädigungsvorsatz und kannte die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände; beides fällt einem als „verfassungsmäßig berufenem Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB anzusehenden Repräsentanten zur Last.
154Vorliegend ist nämlich davon auszugehen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter umfassende Kenntnis von dem Einsatz der manipulierten Software hatte und die Erstellung und das Inverkehrbringen der mangelhaften Motoren in der Vorstellung veranlasste, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis an Kunden weiterveräußert werden würden. Denn es hätte der Beklagten zu 2 im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen, näher dazu vorzutragen, inwieweit ein nicht als "verfassungsmäßig berufener Vertreter" im Sinne des § 31 BGB tätiger Mitarbeiter für die Installation der Software verantwortlich gewesen sein soll. Dem ist sie jedoch nicht nachgekommen.
155Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 70 f. mwN).
156Das ist hier der Fall: Steht der Anspruchsteller – wie der Kläger – vollständig außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablaufs, dann reicht die allgemeine Behauptung des Anspruchstellers aus und kann auf eine weitere Substantiierung verzichtet werden. So liegt es jedenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für diese Behauptung bestehen. Bei dieser Sachlage genügt die Behauptung des Klägers, dem Vorstand bzw. einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten zu 2 seien die in Millionen Fällen erfolgten Manipulationen an den Motoren bekannt gewesen. Dies gilt insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass verfassungsmäßig bestellte Vertreter auch Personen sind, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Wie oben bereits ausgeführt, kommt es dabei nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters" in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 72 mwN).
157Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, die für eine Diesel-Motorengeneration konzipiert war, die flächendeckend konzernweit in Millionen Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es im Übrigen mehr als fernliegend, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands oder eines verfassungsmäßig bestellten Vertreters erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte. Dies gilt erst Recht, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen – sich jetzt eindrucksvoll verwirklichenden – Risiken für den gesamten Konzern und massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen handelte, wobei einem untergeordneten Konstrukteur in Anbetracht der arbeitsrechtlichen und strafrechtlichen Risiken kein annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenüber gestanden hätte.
158Mit überzeugender Begründung hat das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 05.03.2019 - 13 U 142/18, juris Rn. 56) darauf hingewiesen, dass derjenige, der die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz einer Software in der Motorensteuerung für Millionen von Neufahrzeugen erteilt, eine gewichtige Funktion in einem Unternehmen haben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein muss. Soweit es sich dabei nicht um einen Vorstand gehandelt haben sollte, spricht alles dafür, dass es sich um einen Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB handelte.
159Folge der sekundären Darlegungslast ist zum einen, dass der Anspruchsgegner sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen kann, sondern den Behauptungen des Gegners in zumutbarem Umfang durch substantiierten Vortrag entgegentreten muss. Genügt er dem nicht, gilt der Vortrag des Klägers als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO. Zum anderen beziehen sich die Anforderungen an die Substantiierung der primären Darlegung des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der maßgebenden Tatbestandsmerkmale. Würde man nämlich darauf bestehen, dass der Anspruchsteller die handelnden Personen präzise benennen muss, würden die Grundsätze der sekundären Darlegungslast regelmäßig leerlaufen (OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 75 mwN).
160Der nach diesem Maßstab reduzierten primären Darlegungslast genügt das Vorbringen des Klägers. Denn dieser hat vorgetragen, dass wenigstens eine leitende Person aus dem Vorstand, zumindest jedoch ein Repräsentant, die Entscheidung zum Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen hat oder diese zumindest Kenntnis von der Entscheidung hatte und diese nicht unterbunden hat. Auch habe auf Seiten dieser Person das Bewusstsein bestanden, dass die Fahrzeuge nicht zulassungsfähig waren, die Beklagte zu 2 diese Fahrzeuge jedoch gleichwohl mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf den Markt gebracht hat, ohne ihre Kunden hierüber aufzuklären. Bei diesem Vortrag handelt es sich auch nicht um eine Behauptung ins Blaue hinein.
161Danach wäre es Sache der Beklagten zu 2 gewesen, durch konkreten Tatsachenvortrag Umstände darzulegen, aufgrund derer eine Kenntnis des Vorstands oder sonstiger Repräsentanten ausscheidet. Dies hätte vorliegend konkret die Benennung derjenigen Personen im Unternehmen notwendig gemacht, die die Entwicklung der streitgegenständlichen Softwarefunktion beauftragt bzw. welche diese bei einem Zulieferer bestellt haben sowie die Darstellung der üblichen Abläufe bei einer solchen Beauftragung und der Organisation von Entscheidungen solcher Tragweite. Sofern die Beklagte zu 2 sich dann auf einen Handlungsexzess eines untergeordneten Mitarbeiters hätte berufen wollen, hätte sie Umstände vortragen müssen, die geeignet gewesen wären, einen solchen Ablauf ohne Kenntnis weiterer insbesondere leitender Mitarbeiter hinreichend wahrscheinlich erscheinen zu lassen.
162Diesen Anforderungen genügen das Bestreiten und der Gegenvortrag der Beklagten zu 2 nicht. Im Wesentlichen lässt diese vortragen (vgl. nur Klageerwiderung S. 33, Bl. 251 d.A.; Duplik v. 02.11.2018, S. 2 ff. und 95 ff., Bl. 766 ff. und 857 ff.; Berufungsbegründung v. 09.08.2019, S. 47, Bl. 1144; Berufungsreplik v. 17.01.2020, S. 12, Bl. 1437), dass nach dem derzeitigen Ermittlungsstand keine Erkenntnisse dafür vorlägen, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien. Es werde daher bestritten, dass einzelne Vorstandsmitglieder die Entwicklung oder Verwendung der streitgegenständlichen Software in Auftrag gegeben hätten, an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder im Zeitpunkt der Entwicklung von der Software gewusst und deren Einsatz gebilligt hätten. Die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu entwickeln und zu verwenden, sei unterhalb der Vorstandsebene getroffen worden. Es werde bestritten, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2 oder andere Vorstände im aktienrechtlichen Sinne im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses von der Verwendung der Software im streitgegenständlichen Fahrzeug Kenntnis gehabt hätten.
163Dieser Vortrag ist unsubstantiiert. Das einfache Bestreiten der maßgeblichen Umstände und die bloße Behauptung fehlender Erkenntnisse aus den internen Ermittlungen sind nicht geeignet, die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Es fehlt konkreter Vortrag zu den Ergebnissen der internen Ermittlungen.
164Die Kenntnis einer entweder der Unternehmensleitung angehörenden Person oder eines sonstigen Repräsentanten von der serienmäßigen rechtswidrigen Verwendung der Software schließt zwangsläufig die Billigung der Schädigung sämtlicher Erst- und Folgeerwerber der damit ausgestatteten Fahrzeuge ein. Auch die maßgeblichen Umstände für die Bewertung dieses Vorgehens als sittenwidrig sind bei dieser Sachlage der entscheidenden Person bekannt (OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris, Rn. 79).
165f) Als Rechtsfolge war festzustellen, dass die Beklagte zu 2 gemäß §§ 826, 249 ff. BGB dem Kläger sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen hat.
166g) Der Anspruch auf Freistellung von vorprozessualen Anwaltskosten steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 2 dem Grunde nach zu, indes nur in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe von 1,3 Gebühren und aus einem Streitwert von bis zu 9.000 €.
167Die Beklagte zu 2 bestreitet die vorprozessuale Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung durch den Kläger nicht als solche, sondern hält diese nur nicht für zweckentsprechend, weil ihre Rechtsauffassung bekannt und nicht zu erwarten gewesen sei, dass sie auf anwaltliche Aufforderung hin leisten werde (vgl. Berufungsbegründung S. 48, Bl. 1145). Die Beauftragung von Anwälten war hier indes unter den Umständen des Falles erforderlich. Der Kläger war befugt, durch Einschaltung von Anwälten „Waffengleichheit“ im Verhältnis zur Beklagten zu 2 herzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 10.01.2016 – VI ZR 43/05, juris Rn. 6).
168Es besteht aber kein Anlass, von der Regelgebührenhöhe abzuweichen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019 – 5 U 1318/18, juris Rn. 119; OLG Celle, Urt. v. 20.11.2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 43). Selbst wenn – wie die Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend machen – ein erhöhter Rechercheaufwand notwendig gewesen sein sollte, verteilt sich dieser angesichts des vorliegenden Massenverfahrens, in dem senatsbekannt weitgehend gleichlautende Schriftsätze verwendet werden, auf eine enorme Vielzahl von Verfahren, die nach einmalig geleisteter Vorarbeit umso zeitsparender und unaufwändiger bearbeitet werden können.
169Der Gegenstandswert für die vorprozessuale Tätigkeit gegenüber der Beklagten zu 2 richtet sich dabei – wovon auch der Kläger ausgeht (vgl. Replik v. 20.09.2018, S. 220, Bl. 545 d.A.) – zunächst nach dem Kaufpreis des Fahrzeugs. Abzuziehen ist jedoch zusätzlich die im Zeitpunkt der vorprozessualen Tätigkeit angefallene Nutzungsentschädigung (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, juris Rn. 23; OLG Bamberg, Beschl. v. 03.07.2019 – 4 W 46/19, juris Rn. 10 f.). Der Senat schätzt gem. § 287 ZPO unter Berücksichtigung der mitgeteilten und von den Parteien unstreitig gestellten Kilometerstände den Kilometerstand im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 vor Prozessbeginn auf 129.000 km, von denen der Kläger unter Abzug des Kilometerstands bei Übergabe 115.900 km zurückgelegt hat. Die dafür in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung beträgt nach der obigen Formel 8.307,23 €. Die Anwaltsgebühr, die der Kläger zu diesem Streitwert ersetzt verlangen kann, beläuft sich damit unter Berücksichtigung von 20 € Pauschale und Umsatzsteuer auf 808,13 €.
170III. Nebenentscheidungen
171Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat zugunsten des Klägers im Hinblick auf den teilweise von einer Schätzung des Gerichts abhängigen Abzug wegen der Nutzungsentschädigung eine entsprechende Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erwogen. Es fehlt jedoch schon an der Angabe der Parameter, unter denen eine Berechnung des unbezifferten Antrags bezogen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung möglich gewesen wäre. Dabei übersieht der Kläger auch, dass den zurücktretenden Käufer, der das Fahrzeug noch hat, eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast trifft, den korrekten Kilometerstand anzugeben. Zudem vertritt der Kläger die Auffassung, die Nutzungsentschädigung sei auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 400.000 km zu berechnen (vgl. Replik v. 20.09.2018, S. 121 f., Bl. 446 f.) und weicht damit von der vom Senat angewandten Berechnungsweise deutlich ab. Der Kläger hätte zur Vermeidung der Kostenlast daher bei Klageerhebung den Zug um Zug-Antrag beziffern und ggf. bei weiterer Nutzung des Fahrzeugs die Klageforderung fortlaufend für erledigt erklären müssen. Im Ergebnis kann sich der unbezifferte Zug um Zug-Antrag daher hier nicht zugunsten des Klägers auswirken, so dass der für die Nutzungsentschädigung vorzunehmende Abzug dem Kläger kostenmäßig voll zur Last fällt (vgl. dazu OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019 – 12 U 142/19, juris Rn. 74). Die unterschiedlichen Quoten für die 1. und 2. Instanz beruhen auf dem unterschiedlichen Abzug für die Nutzungsentschädigung (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 30.01.2020 – 2 U 306/19, juris Rn. 66).
172Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).