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Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.04.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen (2 O 407/19) wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Beklagten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wird abgelehnt.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 24.949,22 EUR festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin beantragte unter dem 06.08.2019 gegen die Beklagte beim Amtsgericht Hagen den Erlass eines Mahnbescheides und in der Folge am 05.10.2019 den Erlass eines Vollstreckungsbescheids wegen Warenlieferungen in Höhe von insgesamt 24.949,22 €. Das Amtsgericht Hagen erließ am 08.10.2019 den entsprechenden Vollstreckungsbescheid. Mit Telefax vom 13.12.2019 legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Einspruch ein und beantragte, die Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Nachdem die Klägerin den Anspruch mit Schriftsatz vom 11.02.2020 begründet und das Landgericht Essen mit Verfügung vom 14.02.2020 die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass der Einspruch gemäß §§ 339, 700 ZPO verfristet und damit unzulässig sei, wies das Landgericht mit Beschluss vom 09.03.2020 den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurück. Unter demselben Datum wies es mit Verfügung vom 09.03.2020 die Beklagte darauf hin, dass es beabsichtigt, den zwischenzeitlich gestellten Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zurückzuweisen. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 15.04.2020 den erkennenden Einzelrichter daraufhin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte, erließ das Landgericht Essen am 23.04.2020 im schriftlichen Verfahren ein Urteil, mit dem der Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid als unzulässig verworfen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Versäumung der Einspruchsfrist zurückgewiesen wurde. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten vom 22.05.2020 wies das Landgericht mit Beschluss vom 15.06.2020 zurück.
4Zur Begründung des Urteils vom 23.04.2020 hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Zustellung des Vollstreckungsbescheides vom 10.10.2019 an die Beklagte sei gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wirksam gewesen. Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet. Die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Beklagten sei nicht geeignet, ein fehlendes Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist glaubhaft zu machen. Auch der weitere Vortrag der Beklagten führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Ein Verschulden des Geschäftsführers werde der Beklagten zugerechnet.
5Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 11.05.2020 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 08.06.2020 fristgerecht eingelegten Berufung. Mit Schriftsatz vom 14.07.2020, eingegangen am gleichen Tag, bat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.08.2020 wegen Urlaubs und beantragte gleichzeitig, der Beklagten gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, nach Berufungseinlegung habe er beim Oberlandesgericht Hamm mehrfach unter anderem mit Telefax vom 23.06.2020 und 10.07.2020 um Mitteilung des Aktenzeichens gebeten. Das Aktenzeichen sei jedoch erst mit Schreiben vom 03.07.2020 mitgeteilt worden, sei aber vom Oberlandesgericht versehentlich mit Eingang 08.07.2020 an Rechtsanwälte aus Z geleitet worden, die diese Post an ihn, den Beklagtenvertreter, weitergeleitet hätten. Diese Post sei bei ihm erst am 14.07.2020 eingegangen. Es werde anwaltlich versichert, dass bis zu seinem Urlaubsantritt am 13.07.2020 noch kein Aktenzeichen mitgeteilt worden sei. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 20.07.2020 die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückzuweisen, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abzulehnen und die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen, trug der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.07.2020 ergänzend vor, er habe mit der Versendung des Schreibens vom 10.07.2020, mit dem er das Oberlandesgericht Hamm nochmals um Mitteilung des Aktenzeichens gebeten habe, und des Schreibens ebenfalls vom 10.07.2020, mit dem er um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.08.2020 gebeten habe, die äußerst zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte A betraut. Versehentlich habe diese allerdings nur das Schreiben mit dem Gesuch um Übermittlung des Aktenzeichens an das Oberlandesgericht gefaxt, nicht auch die Beantragung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Dies bestätigt die Mitarbeiterin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 27.07.2020.
6II.
7Die Berufung der Beklagten ist unzulässig. Die Beklagte hat die Berufung nicht innerhalb der zweimonatigen Frist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO begründet. Das mit der Berufung der Beklagten angegriffene Urteil des Landgerichts Essen vom 23.04.2020 ist dem Beklagtenvertreter ausweislich dessen Empfangsbekenntnisses am 11.05.2020 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der Berufung gem. § 520 Abs. 2 ZPO lief gem. §§ 188, 193 BGB am Montag, den 13.07.2020 ab. Die Beklagte hätte mithin die Berufung bis einschließlich 13.07.2020 begründen müssen. Die mit Telefax vom 27.07.2020 übersandte Berufungsbegründung ist außerhalb der Berufungsbegründungsfrist des §§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO und damit verspätet eingegangen.
8Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist und der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist waren zurückzuweisen.
9Der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung ist beim OLG Hamm per Telefax am 14.07.2020 und damit zu einem Zeitpunkt eingegangen, in dem die Frist zur Begründung der Berufung bereits abgelaufen war. Der Verlängerungsantrag muss jedoch vor Fristablauf gestellt werden (Heßler in Zöller, § 520 ZPO, Rn. 16a). Damit besteht kein Raum für die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Eine rechtzeitige Berufungsbegründung liegt nicht vor.
10Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gem. § 233 ZPO zu gewähren, wenn die Partei ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Vorliegend fehlt es an dieser Voraussetzung. Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist vorliegend nämlich nicht schuldlos, sondern schuldhaft, wobei der Partei anwaltliches Verschulden gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
11Das Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 14.07.2020, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei ein Aktenzeichen beim OLG Hamm nicht bekannt gewesen, ist unerheblich. Die fehlende Kenntnis des Aktenzeichens hinderte die Beklagte bzw. den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht, die Berufungsbegründung fristgerecht gegenüber dem OLG Hamm einzureichen. Hierzu war die Angabe eines Aktenzeichens des OLG Hamm nicht erforderlich. Die hinreichende Bestimmtheit und Zuordenbarkeit eines Schriftsatzes, der die Berufungsbegründung enthält, wäre beim OLG durch die Angabe des erstinstanzlichen Aktenzeichens gewahrt gewesen (BGH (Senat für Anwaltssachen), Beschluss vom 10.03.2020, BeckRS 2020, 9042 m. w. N.; BFH, Beschluss vom 13.01.2005 – IX B 138/04, BeckRS 2005, 25007523 m. w. N.).
12Abgesehen davon ist der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten insoweit nicht glaubhaft. Er macht geltend, er sei gehindert gewesen, die rechtzeitige Berufungsbegründung einzureichen, da ihm das Aktenzeichen des Oberlandesgerichts Hamm nicht bekannt gewesen sei. Andererseits hat er sich nach eigenem Vortrag in der Lage gesehen, rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu stellen, und zwar ebenfalls ohne Angabe des Aktenzeichens des Oberlandesgerichts Hamm. Das als Anlage BK5 vorgelegte Schreiben vom 10.07.2020 enthält weder das erstinstanzliche noch das zweitinstanzliche Aktenzeichen. Dies zeigt, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht gehindert war, Schriftsätze in diesem Verfahren an das Oberlandesgericht Hamm zu richten. Warum der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wegen des unbekannten Aktenzeichens gehindert gewesen sein will, die Berufung zu begründen, aber gleichzeitig in der Lage war, eine Fristverlängerung zu beantragen, erschließt sich nicht. Nicht nachvollziehbar ist vor diesem Hintergrund, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 10.07.2020 ohne Angabe eines Aktenzeichens und einer Begründung die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt haben will, mit Schriftsatz vom 14.07.2020 dann jedoch seinen Wiedereinsetzungsantrag ausschließlich mit dem Umstand begründet, ihm sei das Aktenzeichen nicht bekannt gewesen.
13Das Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 27.07.2020 rechtfertigt ebenfalls keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten noch ausreichend dargelegt und auch glaubhaft gemacht, dass er die gut geschulte, zuverlässige und entsprechend überwachte Kanzleimitarbeiterin mit der Übersendung des Schreibens vom 10.07.2020 betraut hat.
14Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Berufungsbegründungsfrist ist gleichwohl unbegründet.
15Zu einem begründeten Wiedereinsetzungsantrag hätte auch gehört, darzulegen, dass die versäumte Handlung für die Beklagte den gewünschten und beantragten Erfolg gehabt hätte. Im konkreten Fall wäre erforderlich, dass auf das Schreiben vom 10.07.2020 die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß verlängert worden wäre. An dieser Voraussetzung fehlt es. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aus dem Schriftsatz vom 10.07.2020 enthält nämlich keinerlei Begründung. Gemäß § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO kann die Berufungsbegründungsfrist ohne Einwilligung des Gegners um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Letztere Voraussetzung liegt nicht vor, da der Schriftsatz vom 10.07.2020 keine Begründung enthält. Dass die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wegen Urlaubs des Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragt worden ist, ergibt sich aus diesem Schriftsatz nicht, sondern erst aus dem Schriftsatz vom 14.07.2020, welcher außerhalb der Frist eingegangen ist. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hätte den Rechtsstreit auch um mindestens einen Monat verzögert. Zwar ist eine restriktive Handhabung der Verlängerungsvorschriften regelmäßig nicht zu erwarten und rechtfertigt beim Verlängerungsantrag gemäß § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO, dem ohne Einwilligung des Gegners stattgegeben werden kann, die Wiedereinsetzung (Heßler in Zöller, § 520 ZPO, Rn. 19). Da der Schriftsatz vom 10.07.2020 jedoch keine Begründung enthält, durfte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht darauf vertrauen, dass der Vorsitzende keine Verzögerung des Rechtsstreits annehmen werde (Heßler in Zöller, § 520 ZPO, Rn. 19; BGH NJW 1992, 2426; BGH NJW 2008, 3304).
16Ergänzend bemerkt der Senat, dass auch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 10.07.2020, mit dem er um Mitteilung des Aktenzeichens gebeten haben will, ausweislich der dem Senat vorliegenden Akte nicht beim Oberlandesgericht Hamm eingegangen ist, obgleich die Kanzleimitarbeiterin an Eides statt versichert hat, dieses Schreiben gefaxt zu haben. Des Weiteren merkt der Senat an, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, obwohl er nach eigenem Vortrag am Freitag, 10.07.2020, mittags das Büro verlassen und vom 13. bis 27.07.2020 im Urlaub geweilt haben will, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ausweislich des Schriftsatzes vom 10.07.2020 gleichwohl nur „vorsorglich“ beantragt hat.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.