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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Münster (216 O 52/18) vom 18.09.2019 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 410.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
2Der Beschluss ergeht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.
3Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 30.04.2020 Bezug genommen.
4Die hierzu erfolgte Stellungnahme der Klägerin rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht, sondern gibt lediglich zu folgender ergänzenden Begründung Anlass:
5I.
6Der Senat teilt auch nach nochmaliger Überprüfung und unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerseite mit Schriftsatz vom 29.06.2020 nicht die Ansicht der Klägerin, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung bzw. die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigten eine andere Entscheidung.
71.
8Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht hätte das Landgericht zur Überzeugung des Senats nicht allein deswegen, weil es zuvor das persönliche Erscheinen der Klägerin zum Zwecke der Erklärung über den Zugang einer Rechnung angeordnet hatte, im Anschluss an die Verhandlung, zu der die Klägerin nicht erschienen war, keine die Instanz abschließende Entscheidung treffen dürfen sondern einen Hinweis erteilen müssen, dass es an der durch diese Vorgehensweise geäußerten Rechtsauffassung nicht mehr festhalte und es auf den Zugang der Rechnung bzw. einen Zahlungsverzug nicht mehr ankomme.
9Gemäß § 273 Abs. 1 ZPO hat das Gericht die zur Vorbereitung eines Termins erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen rechtzeitig zu veranlassen. Hierzu gehört es gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, dass das Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen kann. Dies hat das Landgericht mit seiner Terminsverfügung vom 21.03.2019 getan, indem es das persönliche Erscheinen der Klägerin und der Beklagten angeordnet hat, und zwar ausdrücklich „zum Zwecke eines Güteversuchs und zur Aufklärung des Sachverhalts“; in den später wegen Terminverlegungsanträgen notwendig werdenden weiteren Terminsverfügungen hat es diese Anordnungen nicht geändert. Dass die Kammer das persönliche Erscheinen der Klägerin gerade deswegen angeordnet hätte, weil sie zum Zeitpunkt der Anberaumung des Termins eigene Angaben der Klägerin im Hinblick auf den Zugang der Rechnung der Beklagten vom 05.10.2017 für entscheidungserheblich gehalten hätte, ergibt sich aus diesen Verfügungen schon nicht.
10Auch konnte die stets anwaltlich vertretene Klägerin aus der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens nicht den Schluss ziehen, dass die Kammer jedenfalls zum Zeitpunkt der Terminsverfügung aufgrund einer bereits stattgehabten Beratung übereinstimmend oder jedenfalls mehrheitlich davon überzeugt gewesen sei, dass der Rechtsstreit nur dann entschieden werden könnte, nachdem die Klägerin angehört worden wäre. Denn es ist grundsätzlich Aufgabe des voll besetzten Gerichts, nach mündlicher Verhandlung darüber zu beraten, welche Behauptungen für die Entscheidung erheblich und beweisbedürftig sind (MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, § 273 Rn. 9). Dementsprechend lässt sich aus den in einer Terminsverfügung vorgenommenen vorbereitenden Anordnungen eines einzelnen Kammermitglieds erkennbar nicht der Rückschluss ziehen, dass eine die Instanz abschließende Entscheidung erst ergehen werde, wenn all die getroffenen Anordnungen „abgearbeitet“ seien.
11Die Situation, in der das Landgericht vorliegend ein Endurteil gesprochen hat, ohne die Klägerin persönlich anzuhören, deren persönliches Erscheinen angeordnet war, die aber nicht erschienen war, ist aus diesen Gründen entgegen der im Schriftsatz vom 19.06.2020 vertretenen Ansicht auch nicht mit der Konstellation vergleichbar, die dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegen hat (BGH, Urteil vom 27.09.2006, VIII ZR 19/04, in: NJW 2007, 2414), in der eine Klage ohne vorherigen Hinweis wegen Fehlens der Aktivlegitimation abgewiesen worden war, nachdem das Gericht durch eine zuvor – in anderer Besetzung - durchgeführte Beweisaufnahme zu erkennen gegeben hatte, dass es die Klage für schlüssig halte.
12Denn die Kammer hatte aus den genannten Gründen durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin in keiner Weise eine Rechtsauffassung dargetan oder zu erkennen gegeben, dass ein Endurteil ohne ihre Anhörung nicht ergehen könne, und ist daher auch nicht von einer derartigen Äußerung später abgerückt, ohne auf die Änderung seiner Rechtsauffassung hinzuweisen.
13Soweit die Klägerin schließlich meint, auch der Senat habe in seinem Hinweis vom 30.04.2020 eine „zuvor bestehende Annahme des Landgerichts, ein weiterer Verhandlungstermin sei erforderlich“ bejaht bzw. angenommen, die Rechtsauffassung des Landgerichts habe sich zwischen dem ersten Beschluss und dem Schluss der mündlichen Verhandlung offensichtlich geändert, enthält der Senatsbeschluss eine derartige Erklärung gerade nicht.
14Die Klägerseite gibt den Inhalt des Beschlusses verkürzt wieder, da in diesem bewusst formuliert worden ist, dass die im Termin erfolgte rechtliche Diskussion eine „etwa zuvor bestehende“ Annahme des Landgerichts, ein weiterer Verhandlungstermin sei erforderlich, ändern könnte. Da der Senat, wie sich ohne weiteres erschließen dürfte, nicht wissen kann, welche Meinungen bzw. Rechtsansichten die Mitglieder der 16. Zivilkammer des Landgerichts sich im Hinblick auf das vorliegende Verfahren vor der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2019 gebildet hatten, erwähnt der Beschluss vom 30.04.2020 eine „etwa zuvor bestehende Annahme“, um deutlich zu machen, dass von deren Bestehen seitens des Senats gerade nicht ausgegangen wird.
15Auch dass die Klägerin im Rahmen des Schriftsatzes vom 19.06.2020 erstmals vorgetragen hat, das Landgericht habe den Beschluss über die Anberaumung eines neuen Termins damit begründet, dass es auf den Zahlungsverzug und die Zustellung der Rechnung ankomme, dies jedoch leider nicht protokolliert habe, führt zur Überzeugung des Senats selbst dann nicht zu einer Verletzung einer Hinweispflicht durch das Gericht, wenn man von der Richtigkeit dieses Vortrages ausginge.
16Zwar hat das Landgericht, wie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2019 zeigt, zunächst beschlossen, einen neuen Termin anzuberaumen, zu dem die Klägerin persönlich erscheinen müsse, nachdem diese zu dem Termin nicht erschienen war und dies dem Landgericht erst mit Schriftsatz vom Terminstag mitgeteilt worden war, obwohl das vorgelegte Attest bereits vom 16.08.2019 stammte. An diesen Beschluss schloss sich jedoch eine weitere – überobligatorisch sogar protokollierte - rechtliche Diskussion insbesondere über die klägerseits erklärte Abnahmeverweigerung, die Frage der Notwendigkeit einer Fristsetzung vor einem mit einer Abnahmeverweigerung begründeten Rücktritt und die Frage der Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme an. Erst im Anschluss hieran hat das Landgericht einen von der zuvor angekündigten Terminsanberaumung abweichenden Beschluss verkündet, wonach eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergehen würde. Am Schluss der Sitzung hat es dann einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt.
17Dass und aus welchen Gründen die Klägerin sich vor diesem Hintergrund nicht darauf verlassen durfte, dass das Landgericht in dem Termin zur Verkündung einer Entscheidung einen weiteren Termin anberaumen würde, hat der Senat in seinem Hinweis vom 30.04.2020 bereits umfassend erläutert. Selbst wenn es zum Zeitpunkt des ersten Beschlusses über die Anberaumung eines neuen Termins diesen damit begründet haben sollte, dass es auf den Zahlungsverzug und die Zustellung der Rechnung ankomme, musste die anwaltlich vertretene Klägerin damit rechnen, dass sich dies geändert haben könnte, nachdem die beiden Prozessbevollmächtigten der Parteien über diese Frage ein Rechtsgespräch mit der Kammer geführt hatten und die Kammer daraufhin von der Anberaumung eines neuen Termins Abstand genommen und einen Verkündungstermin anberaumt hatte. Dass das Landgericht im Rahmen des protokollierten Rechtsgesprächs an der angeblich zuvor geäußerten Rechtsauffassung, es komme weiterhin auf den Zahlungsverzug und die Zustellung der Rechnung an, ausdrücklich festgehalten hätte, behauptet auch die Klägerin nicht.
182.
19Dass und aus welchen Gründen die Verwendung des Inhalts des Schriftsatzes der Beklagtenseite vom 19.08.2019 in der Art, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, nicht zu beanstanden ist, hat der Senat bereits umfassend erläutert.
203.
21Ohne Erfolg macht die Klägerin schließlich erstmals mit Schriftsatz vom 19.06.2020 geltend, es habe keine Abnahmeverweigerung der Klägerin, die einen Rücktritt der Beklagten rechtfertigen könnte, vorgelegen, denn es habe bereits kein einredefreier Anspruch der Beklagten auf Abnahme des Sonder- oder Gemeinschaftseigentums bestanden, da das Gemeinschaftseigentum schon bei der erstmaligen Begehung am 19.06.2017 und durchgehend bis heute mit einer Vielzahl von Mängeln behaftet sei, die seine Abnahmefähigkeit ausschlössen.
22Denn die Klägerin hat bis zu dieser Einlassung mit Schriftsatz vom 19.06.2020 im vorliegenden Verfahren keinen Mangel benannt, der einer Abnahmefähigkeit des Sonder- oder des Gemeinschaftseigentums entgegenstehen könnte. Sie hat im Gegenteil bereits mit der Replik vom 10.04.2019 unstreitig gestellt, dass der einzige Mangel, den sie vorliegend erwähnt hat, nämlich eine nicht ordnungsgemäß installierte Entwässerungsanlage, tatsächlich niemals vorgelegen habe.
23Da die Beklagte bereits erstinstanzlich stets behauptet hat, die Klägerin habe die Abnahme des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums an Kellerraum und Stellplatz unberechtigt verweigert, da ein Mangel, der sie zur Verweigerung der Abnahme hätte berechtigen können, nicht vorgelegen habe, ist dieser Vortrag streitig. Er ist daher gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.
24Hieran ändert sich auch nicht etwa deswegen etwas, weil das Landgericht, wie die Klägerin meint, seine aus § 139 ZPO resultierende Pflicht verletzt hätte, sie darauf hinzuweisen, dass es den Zugang der Rechnung der Beklagten vom 05.10.2017 nicht (mehr) für entscheidungserheblich halte, sondern lediglich die Frage einer berechtigten Abnahmeverweigerung der Klägerin.
25Denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre – was der Senat hiermit nicht bejaht – und daher ein Fall des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO vorläge, wäre der diesbezügliche Vortrag der Klägerin nicht mehr zu berücksichtigen. Denn der Berufungskläger, der die Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 ZPO beanstandet, muss die Entscheidungserheblichkeit des gerügten Verfahrensfehlers darlegen, d.h. er muss vortragen, was er im Falle eines Hinweises vorgetragen hätte (BeckOK ZPO/Wulf, 34. Ed. 1.9.2019, ZPO § 520 Rn. 24). Dies muss gemäß § 529 Abs. 2 S.1 1 i.V.m. § 520 Abs. 3 ZPO bereits in der Berufungsbegründungsschrift und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO erfolgen. Das gesamte neue Vorbringen einschließlich der Tatsachen, auf Grund derer es nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen sein soll, muss gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO ebenfalls bereits in der Berufungsbegründungsschrift vorgetragen werden.
26Hieran fehlt es vorliegend, da die Berufungsbegründungsfrist am 23.12.2019 endete, Berufungsbegründungsschrift vom 19.12.2019 datiert und das genannte neue Vorbringen erst mit Schriftsatz vom 19.06.2020 erfolgte.
274.
28Soweit die Klägerin meint, das Landgericht bejahe zu Unrecht eine ernsthafte und endgültige Abnahmeverweigerung durch sie, die die Beklagte zum Rücktritt berechtigt hätte, trifft dieser Vorwurf aus den bereits ausführlich in dem Hinweis des Senats vom 30.04.2020 dargestellten Gründen nicht zu.
29a.
30Der Senat hat in diesem Hinweis auch nicht etwa, wie die Klägerin meint, zu Unrecht auf die Formulierung eines Schreibens der Klägerin vom 06.12.2017 abgestellt, obwohl es richtigerweise allein auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Beklagten mehr als acht Monate später ankomme.
31Der Hinweisbeschluss führt vielmehr aus, dass die Klägerin in einer ununterbrochenen Kette von Schreiben, die vom 01.11.2017 über den 05.11.2017, den 06.12.2017 bis zum 13.06.2018 und 04.08.2018 reicht, die Abnahme jedenfalls des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums an Keller und Stellplatz meist vehement, jedenfalls aber eindeutig abgelehnt hat. Anders als eine erneute Abnahmeverweigerung jedenfalls bezüglich dieser Teile des Kaufgegenstandes lässt sich zur Überzeugung des Senats das Schreiben vom 04.08.2018 auch unter Berücksichtigung der jüngsten Ausführungen der Klägerseite nicht deuten. Dies insbesondere unter dem bereits in dem Hinweisbeschluss des Senats angeführten Aspekt, dass sich die Klägerin auch mit diesem Schreiben noch auf den bereits seit Herbst 2017 gerügten Mangel im Bereich des Gemeinschaftseigentums berufen hat, der unstreitig weder damals, noch zuvor oder später vorgelegen hat. Denn wenn ein Vertragspartner – wie vorliegend die Klägerin – sich über einen Zeitraum von neun Monaten hinweg auf einen unstreitig nicht vorhandenen Mangel beruft, mit diesem nicht existenten Mangel sogar einen mehrfach erklärten eigenen Rücktritt begründet und später unter Berufung auf diesen Mangel wiederholt mit deutlichen Worten die Abnahme verweigert, muss der andere Teil nicht davon ausgehen, dass sich durch eine Fristsetzung an diesem Verhalten etwas ändern könnte bzw. dass sich bei ansonsten identisch gebliebener Sachlage an der fehlenden Bereitschaft der Klägerin zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums etwas geändert hätte, bloß weil sie zuletzt nur noch formuliert hat, die Abnahme komme „zur Zeit“ bzw. „nach jetzigem Kenntnisstand“ nicht in Betracht.
32b.
33Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.06.2020 weiter zu einem Telefonat vom 10.08.2018 zwischen ihr und dem Mitarbeiter A der Beklagten vorgetragen hat, in dem sie erklärt habe, die „Wohnung“ abnehmen zu wollen, sei auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 30.04.2020 verwiesen, in dem ausführlich erläutert ist, warum nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht diesen von der Klägerin benannten Zeugen nicht vernommen hat.
34Hieran ändert sich auch durch die jüngsten Ausführungen der Klägerseite dazu, wie ihres Erachtens ihr Schriftsatz vom 10.04.2019 auszulegen sei, nichts. Dies gilt unabhängig von dem Umstand, dass anwaltliche Schriftsätze samt Beweisantritten so klar formuliert sein sollten, dass eine Auslegung nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck, wie sie klägerseits nunmehr eingefordert wird, nicht erforderlich ist. Insbesondere findet sich in dem Unterabschnitt 3.2.2 dieses Schriftsatzes nicht die klägerseits behauptete klare systematische Gliederung, aufgrund derer zwingend zu schließen wäre, dass der Begriff „Abnahme“ im dritten Absatz auf Seite 5 eine solche sowohl des Sonder- als auch des Gemeinschaftseigentums gemeint hätte. Dass in diesem Abschnitt des Schriftsatzes zunächst dargelegt wird, weshalb die Wohnung am 22.08.2018 noch nicht abnahmefähig gewesen sei, dann, weshalb das Schreiben vom 13.06.2018 keine Abnahmeverweigerung dargestellt habe, und sodann kurz auf die Regelung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums in § 7 abs. 4 des Bauträgervertrages verwiesen wird, zwingt gerade nicht zu der Annahme, der sodann erfolgte Beweisantritt für die Behauptung, die Klägerin habe Herrn A „bereits vor dem 22.08.2018“ eine „Abnahme“ in Aussicht gestellt, beziehe sich auf eine Abnahme sowohl des Sondereigentums an der Wohnung, als auch an dem Gemeinschaftseigentum und dem Sondereigentum an Tiefgaragenstellplatz und Kellerraum. Auch eine Auslegung des genannten Beweisantritts nach Sinn und Zweck führt nicht zu dem klägerseits angestrebten Ergebnis. Insoweit sei erneut darauf verwiesen, dass die Klägerin bereits weit vor Einleitung des vorliegenden Verfahrens und durchgängig seitdem anwaltlich vertreten war und bereits in vorprozessualer Zeit in ihren Schreiben regelmäßig trennscharf zwischen der Abnahme des Gemeinschaftseigentums – die sie stets abgelehnt hat - und derjenigen des Sondereigentums an der Wohnung – die sie zuletzt angeboten hat - unterschieden hat. Das Landgericht musste daher nicht damit rechnen, dass die Klägerseite mit dem unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag in ihrem Schriftsatz vom 10.04.2019 abweichend hiervon nunmehr behaupten wollte, dass sie irgendwann „vor dem 22.08.2018“ eine Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums dem Mitarbeiter A der Beklagten gegenüber angeboten habe.
35Der weitere – neue - Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19.06.2020 über ein Schreiben ihrerseits an den Notar vom 17.08.2018, in dem sie diesen über ihre Bereitschaft, die Wohnung abzunehmen, informiert habe, führt ebenfalls nicht zu einem Erfolg ihrer Berufung. Dies gilt unabhängig von der Tatsache, dass sie hier nur von der „Wohnung“ spricht, ohne dass erkennbar würde, dass sie hiermit auch das Gemeinschaftseigentum und das Sondereigentum an Tiefgaragenstellplatz und Kellerraum meint. Denn eine derartige Erklärung dem Notar gegenüber ist erkennbar nicht mit einer Erklärung einer umfassenden Abnahmebereitschaft der Beklagten gegenüber gleichbedeutend, zumal weder etwas dafür vorgetragen, noch sonst erkennbar ist, dass der Notar als Empfangsvertreter oder –bote der Beklagten fungiert hätte.
36c.
37An dem Ergebnis, wonach die Klägerin bis zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Beklagten vom 22.08.2018 jedenfalls die Abnahme des Gemeinschaftseigentums stets verweigert hat, ändert sich auch nichts aufgrund der jüngsten Ausführungen der Klägerseite zu der Interpretation ihrer Email vom 22.08.2018, in der sie die Abnahme der „Wohnung A1“ angeboten hat.
38Soweit die Klägerseite mit Schriftsatz vom 19.06.2020 darauf verweist, dass auch die Teilungserklärung die Gesamtheit von Sondereigentum an der Wohnung, Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum an Tiefgaragenstellplatz und Kellerraum als „Wohnung A1“ bezeichne, mag dies der Fall sein. Der Bauträgervertrag selbst jedoch bezeichnet – worauf bereits in dem Hinweis des Senats vom 30.04.2020 verwiesen wurde - mit „A1“ nur die Wohnung selbst, während der Pkw-Stellplatz mit „S11“ bezeichnet ist und der Tiefgaragenstellplatz mit „ST 17“. Vor diesem Hintergrund war die Erklärung der Klägerin mit Schreiben vom 22.08.2018, die „Wohnung A1“ abnehmen zu wollen, für die Beklagte – einmal unterstellt, sie hätte das Schreiben erhalten – nicht dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin abweichend von ihren sämtlichen vorangegangenen Äußerungen nunmehr die gesamte Kaufsache abnehmen wolle.
39II.
40Der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO steht entgegen der Ansicht der Klägerseite auch nicht etwa entgegen, dass eine mündliche Verhandlung aus dem Grunde geboten wäre, weil es sich für die Klägerin um eine schwerwiegende Vermögensstreitigkeit handeln würde.
41Zwar kann eine mündliche Verhandlung dann geboten sein, wenn es sich für den Berufungsführer um ein Verfahren von „existenzieller Bedeutung“ handelt. Hierunter sind jedenfalls die in der Gesetzesbegründung angeführten Arzthaftungssachen zu fassen (vgl. BeckOK ZPO/Wulf, 34. Ed. 1.9.2019, ZPO § 522 Rn. 19). Ob hierzu auch „schwerwiegende Persönlichkeits- und Vermögensstreitigkeiten“ zu fassen sind (so MüKoZPO/ Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, ZPO § 522 Rn. 24), ist bislang offen (vgl. BeckOK ZPO/Wulf, 34. Ed. 1.9.2019, ZPO § 522 Rn. 19). Unter Geltung von § 522 ZPO a.F., der Ziffer 4 des ersten Satzes des zweiten Absatzes noch nicht enthielt, hat etwa das Oberlandesgericht München eine rein wirtschaftliche Bedeutung nicht als Grund angesehen, von einer Beschlussentscheidung abzusehen (OLG München OLGR 2004, 455).
42Dabei kann der Senat vorliegend offen lassen, welcher Ansicht er zuneigt. Denn jedenfalls hat die Klägerseite nicht nachvollziehbar dargelegt, dass es sich für sie um ein Verfahren von existentieller Bedeutung handele. Zwar hat sie dargelegt, dass sie bei einem Erfolg der Gegenseite die für sie eingetragene Vormerkung verliere und eine Schadensersatzpflicht ihrerseits festgestellt würde, die „voraussichtlich einen existenzgefährdenden Umfang erreiche“. Zudem hat sie darauf verwiesen, dass sie derzeit nicht berufstätig sei. Es ist jedoch schon nicht nachvollziehbar, weshalb der Verlust der Vormerkung für die Klägerin derart schwerwiegend wäre, nachdem sie selbst über viele Monate versucht hat, sich von dem streitgegenständlichen Vertrag zu lösen. Weshalb die Schadensersatzpflicht, deren Feststellung die Beklagte widerklagend begehrt, von existenzgefährdendem Umfang sein sollte, ist ebenfalls nicht verständlich, nachdem die Klägerin erstinstanzlich noch gerügt hatte, die Beklagte habe zur Begründung dieses Antrages noch nicht einmal einen Schaden behauptet, der zumindest teilweise feststehe. Dass die Klägerin, die ausweislich ihres erstinstanzlichen Vortrags mit ihrem Ehemann, der in Deutschland berufstätig ist, in der Schweiz lebt, derzeit selbst nicht berufstätig ist, ist für die Annahme einer existentiellen Bedeutung des vorliegenden Verfahrens für sie nicht ausreichend.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO