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Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 02.07.2020 (I - 4 O 429/19) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 113.625,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 114.702,33 € vom 22.1.2020 bis zum 3.2.2020
aus 114.600,00 € vom 4.2.2020 bis zum 3.3.2020
aus 114.491,67 € vom 4.3.2020 bis zum 2.4.2020
aus 114.323,33 € vom 3.4.2020 bis zum 3.5.2020
aus 114.275,00 € vom 4.5.2020 bis zum 3.6.2020
aus 114.166,67 € vom 4.6.2020 bis zum 2.7.2020
aus 114.052,33 € vom 3.7.2020 bis zum 3.2.2020
aus 113.950,00 € vom 4.2.2020 bis zum 2.9.2020
aus 113.241,67 € vom 3.9.2020 bis zum 4.10.2020
aus 113.733,33 € vom 5.10.2020 bis zum 3.11.2020
und aus 113.625,00 € seit dem 4.11.2020
zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückauflassung und Rückgabe des im Grundbuch des Amtsgerichtes Arnsberg, Wohnungsgrundbuch für C, G1, Flurstück Nr. # eingetragenen Miteigentumsanteils von 30,73/100stel, Gebäude- und Freifläche, B-Straße 1, zu 239 qm, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 des Aufteilungsplanes.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Rücknahme der Eigentumswohnung (Miteigentumsanteil 30,73/100stel am Grundstück Gemarkung C, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Arnsberg, Wohnungsgrundbuch für C, G1, Flurstück #, Gebäude- und Freifläche, B-Straße 1, zu 239 qm verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 des Aufteilungsplanes) in Verzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben zu 1/9 die Klägerin und zu 2/9 der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin und ihr im Jahre 2012 verstorbener, von ihr beerbter Ehemann erwarben aufgrund des am 22.11.2011 durch den streitverkündeten Notar X beurkundeten Kaufvertrags – wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift verwiesen – unter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel einen 30,73/100 Miteigentumsanteil an dem Grundstück in C, Wohnungsgrundbuch G1, Flurstück Nr. #, Gebäude- und Freifläche, B-Straße 1, zu 239 qm, sowie das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 des Aufteilungsplans. Die Wohnung war noch nicht völlig fertiggestellt. Die Bezugsfähigkeit sollte zum 1.3.2012 hergestellt sein.
4Die fragliche Eigentumswohnung war ein Neubau. Sie ist in eine Lücke zwischen die Bestandsbebauung auf den Grundstücken B-Straße 1 und 2 errichtet worden. Der Beklagte, seinerzeit Eigentümer beider Grundstücke, teilte die Bestandsbebauung auf beiden Grundstücken ebenfalls – für jedes der betroffenen Grundstücke separat ‑ in Eigentumswohnungen auf. Die fragliche Eigentumswohnung lag und liegt überwiegend auf dem Grundstück Flurstück # und wurde Teil der Wohnungseigentumsgemeinschaft B-Straße 1. Ein Teil des Gebäudes, nämlich derjenige, in dem sich die Küche und die Diele mit dem Wohnungszugang befinden, ragt aber über die Grundstücksgrenze des Flurstücks # hinaus und befindet sich auf dem früheren Flurstück * (B-Straße 3), aus welchem später durch Neuvermessung die Flurstücke + und ++ entstanden. Um von der Wohnungseingangstür öffentlichen Verkehrsraum zu erreichen, muss das Nachbargrundstück B-Straße 3 überschritten werden. Das Flurstück ++ ist dasjenige, auf dem der Grenzüberbau der Eigentumswohnung Nr. 2 steht.
5Die Klägerin und ihr Ehemann bezogen die Wohnung wie vorgesehen zum 1.3.2012. Spätestens ab dem Jahr 2016 wurde der Überbau durch die beiden Wohnungseigentümergemeinschaften, vornehmlich die Nachbarn H, problematisiert, und wurde zum Gegenstand einer Korrespondenz zwischen den Parteien. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin setzten dem Beklagten schließlich eine Frist bis zum 15.10.2019 zur Mangelbeseitigung und erklärten mit Schreiben vom 22.12.2019 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
6Mit der vorliegenden – seit dem 30.12.2019 anhängigen und am 21.1.2020 zugestellten – Klage hat die Klägerin die Rückabwicklung des Kaufvertrags begehrt sowie die Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme der Eigentumswohnung in Annahmeverzug befinde, dass er verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren ihr aus oder in Zusammenhang mit dem Kaufvertrag entstandenen Schäden zu ersetzen und den Ersatz vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten beansprucht.
7Das Landgericht hat den Beklagten nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit dem angefochtenen Urteil, auf welches wegen des vollständigen Tatbestands, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Einzelheiten der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, wie folgt verurteilt:
81. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 125.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 22.01.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückauflassung und Rückgabe des im Grundbuch des Amtsgerichtes Arnsberg, Wohnungsgrundbuch für C, G1, Flurstück Nr. #, eingetragenen Miteigentumsanteils von 30,73/100stel, Gebäude- und Freifläche, B-Straße 1, zu 239 qm, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 des Aufteilungsplanes.
92. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Rücknahme der Eigentumswohnung (Miteigentumsanteil 30,73/100stel am Grundstück Gemarkung C, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Arnsberg, Wohnungsgrundbuch für C, G1, Flurstück #, Gebäude- und Freifläche, B-Straße 1, zu 239 qm verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 des Aufteilungsplanes) in Verzug befindet.
103. Es wird festgestellt ,dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr aus dem Immobilienkaufvertrag vom 22.11.2011 (UR-Nr. 745/11 des Notars X) und der erforderlichen Rückabwicklung dessen entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden.
114. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 2.420,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2020 zu zahlen.
12Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin hätten aus dem Grundstückskaufvertrag vom 22.11.2011 noch weitere, wenn auch nicht ausdrücklich beurkundete Ansprüche als auf Übertragung der eigentlichen Eigentumswohnung zugestanden. Die Auslegung des am 22.11.2011 beurkundeten Kaufvertrag ergebe, dass die Parteien nicht nur Einigkeit über den Kauf der Eigentumswohnung, sondern auch darüber erzielt hätten, dass das Eigentum an der Grundstücksfläche, auf welcher der Überbau mit einem Teil der Eigentumswohnung stehe (heute Flurstück ++), zu übertragen sei. Dieser Resterfüllungsanspruch unterfalle ohne die Verweisung des Gewährleistungsrechts unmittelbar dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht und damit den §§ 323, 346 BGB und den §§ 220, 221, 224 BGB. Die daraus folgenden Ansprüche könnten als kleiner Schadensersatz auch neben dem Rücktritt geltend gemacht werden. Weil der Beklagte die Übertragung auch des Flurstücks ++ nicht fristgerecht bewerkstelligt habe, habe sich die Klägerin zurecht durch Rücktritt vom Kaufvertrag lösen dürfen, weshalb dieser rückabzuwickeln sei. Die Klägerin habe wegen ihrer im Ergebnis zwecklosen Aufwendungen einen Schadensersatzanspruch, der lediglich noch nicht vollständig bezifferbar sei. Deshalb sei der entsprechende Anspruch festzustellen. Festzustellen sei auch Annahmeverzug des Beklagten mit der Rücknahme der Eigentumswohnung. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten könne sie verlangen, weil diese durch das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten verursacht worden seien.
13Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Landgericht habe sich über den Sachvortrag der Klägerin hinweggesetzt und etwas zuerkannt, was sie nicht begehrt habe. Sie habe vorgetragen, erstmals im Jahr 2016 von der Überbausituation erfahren zu haben. Träfe das zu, widerspreche die Annahme, die Parteien hätten sich stillschweigend bereits im Jahr 2011 über den Eigentumsübergang auch der Grundfläche unter dem Überbau geeinigt, gegen Denkgesetze. Denn wenn der Klägerin der Überbau nicht bekannt gewesen sei, liege die Annahme einer Einigung darüber schon deshalb fern, weil sie diesen nicht in ihre Kauferwägungen habe einbeziehen können.
14Allerdings entspreche es dem Beklagtenvorbringen, bestätigt auch durch den Zeugen X, dass die Klägerin und ihr Ehemann von Anfang an über die Überbausituation informiert gewesen seien. Die Übertragung der Parzelle ++ sei auch beiderseits beabsichtigt gewesen. Der Notar habe ihn dazu gedrängt, eine Neuvermessung und Abteilung der Grundfläche unter dem Überbau vom Flurstück * vornehmen zu lassen, damit diese später dem Grundstück B-Straße 1 zugeschlagen werden könne. Er habe eine solche Vermessung auch durchführen lassen und den Notar darum gebeten, das weitere zu veranlassen. Warum die Übertragung schließlich gescheitert sei, wisse er auch nicht. Er habe wiederholt beim Notar nachgefragt und zur Antwort erhalten, der Nachbar H habe immer wieder Beurkundungstermine abgesagt, sich aber nie klar gegen die Übertragung ausgesprochen, allerdings auch nicht dafür. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten jedenfalls von dem Überbau gewusst, auch von der deshalb drohenden Überbaurente. Das habe ihm der Notar erklärt, und er habe die Klägerin und ihren Ehemann deshalb anlässlich der Besichtigung der Örtlichkeiten darüber und über die Grundstücksituation als solche aufgeklärt.
15Erstmals in der Berufungsinstanz trägt er vor, die Klägerin und ihr Ehemann hätten den Umstand, dass ein Überbau vorliege, dazu genutzt, den Kaufpreis herunterzuhandeln. Für die bestrittene Kenntnis von Überbau und Grundstückssituation spreche indiziell, dass der Ehemann der Klägerin als Verwalter der WEG B-Straße 1 tätig gewesen sei. Die Wohnung sei nach langjähriger Nutzung jetzt abgewohnt und wegen eines Renovierungstaus weniger wert als der damalige Kaufpreis.
16Er rügt, dass das Landgericht die Nutzungen der Klägerin in der Zeit seit ihren Einzug am 1.3.2012 nicht berücksichtigt habe. Diese beständen wenigstens in Höhe des linear berechneten Wertverlusts, den er mit 1.300 € pro Jahr beziffert. Seiner Ansicht nach sei aber der objektive Mietwert anzusetzen, weil die Klägerin Schadensersatz beanspruche, worunter der weiten Fassung ihres Antrags nach auch Finanzierungskosten fielen. Den objektiven Mietwert der Wohnung beziffert er mit mtl. 675 €. Mit diesen Beträgen erklärt er vorsorglich die Aufrechnung.
17Weiterhin nur vorsorglich beruft er sich auf Verjährung und – erstmals in der Berufungsinstanz – auf Verwirkung. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten jahrelang ungeachtet ihrer Kenntnis aller Umstände nichts unternommen und die Situation hingenommen, wie sie war. Hätte er gewusst, dass die Klägerin an ihrer Kaufentscheidung nicht festhalten wolle, hätte er davon abgesehen, sein nahe gelegenes, selbst genutztes Wohnhaus behindertengerecht umzubauen, und wäre dann selbst in die behindertengerechte und ebenerdig gelegene streitige Eigentumswohnung eingezogen.
18Der Beklagte beantragt,
19das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
20Die Klägerin beantragt,
21die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Gegenstand des Feststellungsantrags zu 3. nur Vertragskosten, Eintragungskosten und Umzugskosten seien.
22Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hält daran fest, dass sie erst im Jahre 2016 Kenntnis von der Überbausituation erhalten habe, als ihr Nachbar H sie mit wiederholten Äußerungen, sie sitze in seiner Küche, verunsichert habe. Sie macht sich aber das Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz hilfsweise zueigen.
23Die Höhe des aufrechnungsweise geltend gemachten linearen Wertverlusts bestreitet sie nicht, wohl aber die Höhe des objektiven Mietwerts.
24Dass der Beklagte in das selbst genutzte Wohnhaus deshalb investiert habe, weil er von einem Fortbestand des fraglichen Kaufvertrags ausgegangen sei, bestreitet sie ebenso wie eine Kenntnis des Ehemanns der Klägerin bei Vertragsbeurkundung aufgrund einer Tätigkeit als Verwalter der WEG B-Straße 1. Es treffe auch nicht zu, dass deshalb der Kaufpreis heruntergehandelt worden sei. Es hätten immer nur die schließlich beurkundeten 125.000 € Kaufpreis im Raume gestanden. Die nutzungsbedingte Wertminderung der Eigentumswohnung bestreitet sie. Dass der Beklagte im Vertrauen auf den Bestand des Kaufvertrags in sein Wohnhaus investiert und dieses behindertengerecht umgebaut habe, bestreitet sie mit Nichtwissen. Der neue Vortrag in der Berufungsinstanz erfolge auch verspätet.
25Der Senat hat die Parteien im Senatstermin vom 26.11.2020 noch einmal persönlich angehört.
26Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags in der Berufungsinstanz und des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Berichterstattervermerk und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 26.11.2020 verwiesen.
27II.
28Die Berufung des Beklagten hat zum Teil Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht erkannt, dass der Vertrag aufgrund des von der Klägerin erklärten Rücktritts rückabzuwickeln ist und sich der Beklagte deshalb in Annahmeverzug befindet; Erfolg hat die Berufung indessen, soweit der Beklagte die Berücksichtigung der Nutzungen beansprucht. Erfolg hat das Rechtsmittel des Beklagten auch, soweit er sich gegen die Feststellung seiner Verpflichtung zu Schadensersatz und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten wendet. Insoweit ist die Klage unbegründet.
29Im Einzelnen:
301.
31Verfahrensfehlerhaft hat das Landgericht seinen Ausspruch auf einen Sachverhalt gestützt, den die Klägerin weder vorgetragen noch sich erstinstanzlich wenigstens hilfsweise zueigen gemacht hat.
32Denn das Landgericht hat sich über die Behauptung der Klägerin hinweggesetzt, dass ihr die Grenzsituation und die Tatsache, dass das Gebäude, in welchem sich ihre Eigentumswohnung befindet, über die Grenze gebaut worden war und mit ihrer Küche und Diele auf das Nachbargrundstück B-Straße 3 hineinragte, erstmals im Jahre 2016 bekannt geworden sei. Die Kenntnis dieser Situation ist aber eine unverzichtbare Voraussetzung für die Annahme, dass Gegenstand der Einigung im Sinne einer sog. falsa demonstratio über den Wortlaut der beurkundeten Vereinbarung hinaus ein weiterer als der dort bezeichnete Kaufgegenstand geworden ist. Ohne diese Kenntnis ist kein Raum für die Annahme, dass dieser unbekannte Umstand Gegenstand der Einigung werden sollte.
33Dass der Überbau von Anfang an bekannt gewesen sei, hat erstinstanzlich der Beklagte vorgetragen. Auch der als Zeuge vernommene Streitverkündete berichtete, dass er die Klägerin und ihren Ehemann über den Überbau – nicht auch über die deshalb drohende Überbaurente – unterrichtet, dies aber nicht vertieft habe, weil es sich dabei nur um einen vorübergehenden Zustand habe handeln sollen. Dies hat sich die Klägerin erstinstanzlich aber nicht wenigstens hilfsweise zueigen gemacht. Vor dem Hintergrund, dass dies ihrem Vortrag und dem auf das Vorliegen eines Rechtsmangels gestützten Begehren auch entgegenlief, war nicht von Amts wegen "im Zweifel" anzunehmen, dass sie dies tue.
34In der Berufungsinstanz verteidigt die Klägerin das erstinstanzliche Urteil. Sie hat sich – erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat – auch das Ergebnis der Beweisaufnahme hilfsweise zueigen gemacht. In erster Linie verfolgt sie aber weiterhin auf der Grundlage ihres Primärvorbringens einen auf Gewährleistungsrecht gestützten Rücktritt und Schadensersatzanspruch, weshalb es rechtlich geboten ist, dies vorrangig zu prüfen.
352.
36Das Gewährleistungsrecht trägt die geltend gemachten Ansprüche allerdings nicht. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 125.000 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung aus §§ 434 Abs. 1 S. 2, 435, 437 Nr. 2, 440, 323, 346f BGB zu. Soweit Gewährleistungsansprüche entstanden sind, sind diese verjährt:
37a)
38Im Grundsatz neigt der Senat allerdings der Anwendung von Kaufrecht zu. Denn zwar ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Tendenz zu entnehmen, der Anwendung von Werkvertragsrecht den Vorzug zu geben, wenn dem Rechtsstreit der Erwerb einer neu errichteten Wohnung zugrunde liegt, auch dann, wenn die Bauleistungen bei Vertragsschluss bereits abgeschlossen sind (BGH in ständiger Rechtsprechung, U. v. 29.6.1921 – VII ZR 259/20, BauR 1921, 571, 572; U. v. 6.5.1922 – VII ZR 74/21, BauR 1922, 493, 494 = ZfBR 1922, 152; U. v. 21.2.1925 – VII ZR 72/24, BauR 1925, 314, 315 = ZfBR 1925, 132). Das gilt auch für die Veräußerung eines sanierten Altbaus.
39Sowohl in dem einen wie in dem anderen Fall ist aber allein entscheidend, ob sich aus Inhalt, Zweck und wirtschaftlicher Bedeutung des Vertrages sowie aus der Interessenlage der Parteien die Verpflichtung des Veräußerers zur mangelfreien Erstellung des Bauwerks ergibt. Ist dies zu bejahen, knüpft daran die Sachmängelhaftung nach Werkvertragsrecht an (BGH, U. v. 16.12.2004 – VII ZR 257/03 –, Rn. 24 bei juris, NJW 2005, 1115-1112; vergl. auch Palandt/Sprau, 79. Aufl. 2020, Rn 3 zu § 634 BGB).
40Nach diesem Kriterium ist im vorliegenden Fall Kaufrecht anzuwenden. Denn die Klägerin rügt nicht eine Verletzung der Verpflichtung zur mangelfreien Erstellung des Bauwerks, sondern die von ihr gerügten Umstände – Überbau: ein Teil des Gebäudes ragt auf das Nachbargrundstück, und mangelnde Erschließung – betreffen das Grundstück als solches, hinsichtlich dessen der kaufrechtliche Aspekt überwiegt. Ein Überbau stellt zudem keinen Sachmangel dar, sondern begründet die Annahme eines Rechtsmangels (Senat, Urteil vom 17. August 2000 – 22 U 199/99 –, Rn. 6, juris; OLG Koblenz, Urteil vom 14. Juni 2007 – 5 U 37/07 –, Rn. 2, juris). Auch die Rüge, dass die Zuwegung zum Eingang der streitbefangenen Wohnung im überbauenden Gebäudeteil liegt und über ein fremdes Grundstück führt, legt die Anwendung von Kaufrecht nahe. Denn auch diese Rüge betrifft eher den Zuschnitt und die Lage des Grundstücks selbst als eine den allgemein anerkannten Regeln der Technik widersprechenden Errichtung des aufstehenden Gebäudes.
41b)
42Das Grundstück war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrenübergangs mangelbehaftet.
43aa)
44Der Überbau auf dem Nachbargrundstück, obwohl zum Zeitpunkt der Errichtung der streitgegenständlichen Wohnung als Eigengrenzüberbau nicht unzulässig, begründet für den Erwerber der überbauenden Eigentumswohnung einen Rechtsmangel. Zwar steht das Eigentum am solchermaßen überbauenden Gebäude dem Eigentümer des überbauenden Grundstücks zu (BGH, Urteil vom 17. Januar 2014 – V ZR 292/12 –, Rn. 23, juris). Doch weil die Regelungen des § 912 BGB für den Fall, dass sich bei einem originären Eigengrenzüberbau die Eigentumslage nachträglich verändert, entsprechend gelten (BGH, Urteil vom 15. November 2013 – V ZR 24/13 –, Rn. 14, juris), droht dem Eigentümer des Überbaus die Belastung mit einer dem Eigentümer des überbauten Grundstücks zustehenden Überbaurente. Das begründet einen Rechtsmangel (Senat a.a.O., OLG Koblenz a.a.O.).
45bb)
46In engem Zusammenhang dazu steht die Zugangssituation zur streitigen Eigentumswohnung, weil der Zugang über die reguläre Wohnungseingangstür nur über den überbauenden Gebäudeteil und die dort angelegte Diele zu bewerkstelligen ist und ein fremdes Grundstücks – B-Straße 3 – zu überschreiten ist, um zum öffentlichen Verkehrsraum zu gelangen. Soweit deshalb der/die Eigentümer des Grundstücks Apostelstraße, auch im Lichte von § 917 BGB, nicht entschädigungslos das Überschreiten ihres Grundstücks hinzunehmen hätten, wäre das ein weitere Facette des beschriebenen Rechtsmangels.
47Gleichermaßen plausibel ist indessen die Annahme eines darin begründeten Sachmangels der streitigen Immobilie, konkret mangels ausreichender Erschließung. Eine Eigentumswohnung, die nicht unter Verletzung oder Inanspruchnahme fremder Eigentümerrechte erreicht werden kann, befindet sich in einer Insellage und ist ohne öffentlich-rechtliche (Baulast) oder ohne privatrechtliche (Dienstbarkeit) Lösung nicht ordnungsgemäß an den öffentlichen Verkehrsraum angeschlossen, mithin nicht i.S. der § 123 ff BauGB (zum Zugang zu öffentlichen Verkehrsflächen z.B. Battis/Krautzberger-Reidt, 13. Aufl. 2016, Rn 5 vor § 123 BauGB) erschlossen und deshalb in seiner Nutzbarkeit eingeschränkt. Ein rechtlich gesicherter Zugang gehört zu den Eigenschaften einer Kaufsache, die ohne weiteres zu erwarten sind, wenn diese entsprechend der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung Wohnzwecken dienen soll, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Daran fehlte es hier.
48Einer abschließenden Entscheidung bedarf es indessen nicht, weil jegliche Annahme zum selben Ergebnis führen würde:
49c)
50Der Kaufvertrag sieht keinen Gewährleistungsausschluss für Rechtsmängel vor, wohl einen solchen für Sachmängel. Auf den Gewährleistungsausschluss für Sachmangel kann sich der Beklagte nur dann nicht berufen, wenn die Klägerin – wobei ihr gewisse Beweiserleichterungen zuteil werden – beweisen kann (dazu i.E. BGH, Urteil vom 12. November 2010 – V ZR 121/09 –, BGHZ 122, 43-50, Rn. 12; Urteil vom 27. Juni 2014 – V ZR 55/13 –, Rn. 14, juris), dass der Beklagte die ungesicherte Zugangsmöglichkeit arglistig verschwiegen hat, zumal eine Garantie hier nicht im Raum steht, § 444 BGB.
51Diesen Beweis hat sie – soweit ein Sachmangel angenommen werden kann – nicht erbracht. Der Beklagte hat im Rahmen der ihn treffenden (BGH a.a.O.) sekundären Darlegungslast nach Zeit, Ort und Gelegenheit sowie inhaltlich hinreichend substantiiert dargelegt, dass er den Ehemann der Klägerin, dessen bei Vertragsverhandlungen erlangte Kenntnisse sie sich als die eines Verhandlungsgehilfen analog § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müsste, im Vorfeld des Kaufvertrags und bei den Besichtigungen über die Zugangssituation informiert habe. Anlässlich einer Besichtigung hätten sie vor dem Eingang gestanden und die Fenstersituation besprochen. Dabei habe er den Ehemann der Beklagten darauf hingewiesen, dass ein Überbau vorliege und der Eingang auf das Nachbargrundstück führe. Das sei dem Ehemann der Beklagten aber völlig gleichgültig gewesen, weil er sich ohnehin als berechtigt angesehen habe, das Nachbargrundstück zu betreten, weil er dort einen Kellerraum unterhalten habe. Dies vermochte die Klägerin nicht zu widerlegen.
52Soweit in der mangelnden Erschließung also ein Sachmangel liegt, kann sich der Beklagte auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen.
53d)
54Anders ist es gelagert, soweit die über das Nachbargrundstück führende Zuwegung und der Überbau ausschließlich als Rechtsmängel anzusehen sind. Denn weil dazu kein Gewährleistungsausschluss vereinbart worden ist, haftet der Beklagte dafür nur dann nicht nach Gewährleistungsrecht, wenn er mindestens grobfahrlässige Unkenntnis der Beklagten oder ihres Ehemanns von diesen Umständen bei Vertragsbeurkundung nachweisen kann, § 442 Abs. 1 BGB.
55Zwar hat der Beklagte auch insoweit substantiiert eine entsprechende Aufklärung des Ehemanns der Klägerin behauptet. Er habe sogar sein durch den Notar erlangtes Wissen um die drohende Überbaurente weitergegeben.
56Die Klägerin stellt eine solchermaßen erlangte Kenntnis aber in Abrede, und zwar sich selbst betreffend konkret dahin, dass sie erstmals im Jahre 2016 durch den Nachbarn H darauf angesprochen worden sei, und ihren Ehemann betreffend, mit dem sie über die im vorliegenden Rechtsstreit behauptete Aufklärung nicht geredet habe, zulässigerweise durch Bestreiten mit Nichtwissen.
57Die Beweislast für Kenntnis oder die Umstände, die eine grobfahrlässige Unkenntnis begründen, trägt der Verkäufer, hier der Beklagte.
58Soweit er sich auf die Aussage des Notars X beruft, ist diese Aussage letztlich unergiebig. Denn zwar bestätigt der Notar darin, über die Tatsache des Überbaus aufgeklärt zu haben; daraus resultierte dann als denknotwendig auch die Kenntnis, dass die im Überbau gelegene Wohnungseingangstür auf das Nachbargrundstück und nicht auf eine öffentliche Verkehrsfläche hinausführt. Dass er aber auch über die drohende Überbaurente aufgeklärt habe, hat der Notar gerade nicht bestätigt. In Einzelheiten habe er sich nicht verlieren wollen, zumal ohnehin vorgesehen gewesen sei, die Überbauproblematik durch die Übertragung der überbauten Grundfläche aus der Welt zu schaffen.
59Umstände, die eine grobfahrlässige Unkenntnis der Klägerin oder ihres Ehemanns betreffend die drohende Überbaurente oder einer Notwegsrente begründet könnten, sind ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich, und zwar auch dann nicht, wenn mit den Angaben des Notars von einer Aufklärung über den Überbau als solches auszugehen wäre. Denn in erster Linie wird die Sorge des Erwerbers diejenige um das Eigentum am Kaufgegenstand sein, welche nach den Angaben des Notars hier genommen werden konnte. Dass in solchen Fällen – sei es vorübergehend bis zum Gleichlauf zwischen Eigentum am Grundstück und Eigentum am Gebäude oder bis zu einer rechtlich abgesicherten Nutzung der Zuwegung – die Inanspruchnahme auf Zahlung einer Geldrente drohte, ist zur Überzeugung des Senats nicht im Bewusstsein eines juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsbürgers – wie der Klägerin und ihres Ehemanns – angelegt, dass es einem bewussten Sichverschließen im Sinne einer groben Fahrlässigkeit entspräche.
60Eine vollständige Aufklärung der Klägerin oder ihres Ehemanns über den Rechtsmangel und die ihm bekannten Konsequenzen lässt sich deshalb ebenso wenig feststellen wie eine grobfahrlässige Unkenntnis.
61Nach alledem hat der Beklagte für die beschriebenen Rechtsmängel einzustehen.
62d)
63Die dem Beklagten gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung ist fruchtlos verstrichen, §§ 323 Abs. 2, 440 BGB. Nach alledem stand der Klägerin ein Rücktrittsgrund zur Seite. Auch die Rücktrittserklärung ist mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.12.2019 erfolgt.
64Allerdings waren Gewährleistungsansprüche, die den Rücktritt mit Schreiben vom 22.12.2019 tragen konnten, zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt.
65aa)
66Dies gilt zunächst für die reguläre Gewährleistungsfrist gem. § 432 Abs. 1 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob hier die fünfjährige Verjährungsfrist bei einem mangelhaften Bauwerk gem. § 432 Abs. 1 Nr. 2a BGB zugrundezulegen ist oder die zweijährige Verjährungsfrist bei einem mangelhaften Grundstück gem. § 432 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (§§ 432 Abs. 4 S. 1, 212 Abs. 1 S. 1 BGB) von Samstag, den 22.12.2019 – unter Zugrundelegung regelmäßiger Postlaufzeiten zugegangen spätestens am Dienstag, den 31.12.2019 – waren seit dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs gem. § 432 Abs. 3 BGB am 15.5.2012 – an diesem Tag erfolgte die Eigentumsumschreibung – bereits mehr als 7 Jahre vergangen, ohne dass der Lauf der Verjährung gehemmt worden wäre.
67bb)
68Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass hier abweichend vom Regelfall ausnahmsweise die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Jahresende nach Kenntniserlangung (§§ 432 Abs. 3, 195, 199 Abs. 1 BGB) zugrundezulegen ist. Zwar wäre dann ausgehend von der Kenntniserlangung der Klägerin vom Rücktrittsgrund erst im Jahr 2016 die Rücktrittserklärung noch im Jahre 2019 rechtzeitig erfolgt.
69Eine Verjährung nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen kommt gem. § 432 Abs. 3 BGB aber nur dann in Betracht, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt nach allgemeinen Regeln der Käufer (Staudinger / Matuschke-Beckmann, Rn 119 zu § 432 BGB). Die Klägerin hat die Behauptung des Beklagten, den Ehemann der Klägerin im Vorfeld der Kaufvertragsverhandlungen auf die Problematik der Zuwegung, des Überbaus und der deswegen drohenden Überbaurente informiert zu haben, nicht widerlegt. Zwar hatte der Beklagte diese Aufklärung, soweit er beweisbelastet war, nicht beweisen können. Hier aber, bei der Frage, ob ausnahmsweise eine für die Klägerin günstigere Verjährungsfrist eingreift, geht die Ungewissheit, ob eine Aufklärung erfolgt ist, zu ihren Lasten.
70Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin rechtzeitig aufgrund von Gewährleistungsansprüchen vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Auf ihr Hauptvorbringen kann sie ihre Forderung nach alledem nicht stützen.
713.
72Abweichend von den Ausführungen des Landgerichts, die die Klägerin zwar als zutreffend verteidigt und sich dafür das Ergebnis der Beweisaufnahme hilfsweise zueigen macht, stehen der Klägerin auch keine Ansprüche aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht zur Seite, namentlich nicht aus §§ 323, 346 BGB.
73a)
74Zwar sieht es der Senat als zulässig an, dass die Klägerin sich das ihrem Hauptvorbringen deutlich entgegenstehende Ergebnis der Beweisaufnahme hilfsweise zueigen macht. Denn mit ihrem Hauptvorbringen bestreitet sie jegliche Kenntniserlangung von der Überbauproblematik vor dem Jahre 2016, während die Beweisaufnahme genau diese Kenntnis bereits bei Vertragsbeurkundung ergeben hat. Allerdings kann der Senat nicht ausschließen, dass sich die Erinnerung der Klägerin an die Vertragsbeurkundung gerade auch deshalb, weil sie selbst mit den vorangegangenen Vertragsverhandlungen und Erörterungen nicht befasst war, im Laufe der Zeit getrübt hat und sie schlicht vergessen hat, dass dort über den Überbau gesprochen wurde.
75b)
76Dennoch vermag der Senat den Ausführungen des Landgerichts nicht darin zu folgen, die Kaufvertragsparteien hätten eine Einigung dahin erzielt, dass auch das unter dem Überbau liegende Nachbargrundstück Inhalt des am 22.11.2011 beurkundeten Grundstückskaufvertrag gewesen sei, der lediglich nicht beurkundet worden sei. Denn das lässt sich weder dem Vortrag des Beklagten noch der Aussage des Notars entnehmen.
77Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Kaufvertragsparteien, wenn sie das Grundstück nach dem Grundbuch bezeichnen, dieses mit dem sich aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Zuschnitt und Umfang übereignen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2002 - V ZR 174/06, NJW 2002, 1652). Hier bezeichnet der Kaufvertrag lediglich die Eigentumswohnung und den Miteigentumsanteil an der Parzelle Flurstücks #. Die Parzelle ++ oder die Parzelle *, aus welcher die Parzelle ++ entstanden ist, werden nicht einmal andeutungsweise erwähnt.
78Anders wäre die Sachlage allerdings, wenn die Vertragsparteien das Grundstück so hätten veräußern wollen, wie es sich ihnen nach seiner Umgrenzung in der Natur darstellt, etwa wenn auf Grund der tatsächlichen Situation einem Erwerbsinteressenten klar vor Augen geführt wird, welche Flächen (vermeintlich) zu dem Grundstück gehören und welche (vermeintlich) Teil des Nachbargrundstücks sind (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 127/11 - NJW-RR 2013, 729; ebenso OLG Hamm, Urteil vom 13. Juni 1991 - 5 U 60/91 - NJW-RR 1992, 152). Die Bezugnahme in dem Vertrag auf die Bezeichnungen im Grundbuch stellt sich in diesen Fällen als eine versehentliche Falschbezeichnung dar, mit der Folge, dass nach § 133 BGB auch bei einem formbedürftigen Vertrag das wirklich Gewollte gilt ("falsa demonstratio non nocet", vgl. auch BGH, Urteile vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01 - NJW 2002, 1032 und vom 12. Januar 2002 - V ZR 174/06 - NJW 2002, 1652; Senat, Urteil vom 25. Juni 2015 – I-22 U 166/14 –, Rn. 45, juris).
79Eine solche Situation ist nach dem Hilfsvorbringen der Klägerin nicht gegeben. Denn danach ist die Überbausituation dahin offengelegt worden, dass das überbaute Grundstück nicht wegen seiner Lage unterhalb der Wohnimmobilie als dieser zugehörig anzusehen ist. Der Notar machte deutlich, dass die Übertragung des überbauten Grundstücks Gegenstand eines späteren Übertragungsaktes werden sollte. Die Aussage des Notars stimmt im Übrigen mit den Angaben des Beklagten überein.
80Hinzu kommt, dass weder auf Veräußerer- noch auf Erwerberseite diejenigen zugegen waren, die ein solches Rechtsgeschäft – die Herbeiführung einer Einigung nicht nur über die Übertragung der Eigentumswohnung, sondern auch über die Parzelle ++ – betroffen hätte. Denn der Beklagte war nicht mehr Alleineigentümer, sondern auf dem Grundstück B-Straße 3 war bereits eine Eigentümergemeinschaft entstanden, nachdem der Beklagte eine der Wohnungen an den Nachbarn H veräußert hatte. Dieser musste also mitwirken, sollte die Übertragung Aussicht auf Erfolg haben. Um den erstrebten Status zu erreichen, hätte die Parzelle ++ im Anschluss daran auch nicht nur an die Klägerin und ihren Ehemann übertragen werden müssen, sondern anteilig an die Miteigentümer des Grundstücks B-Straße 1.
81Nach alledem ist für die Annahme, diese Einigung sei bindend bereits bei der Beurkundung des Kaufvertrags am 22.11.2011 getroffen worden, kein Raum. Auf Ansprüche aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht kann sich die Klägerin deshalb ebenfalls nicht mit Erfolg stützen.
82Diese Erwägungen gelten entsprechend, soweit zu prüfen war, ob die Parteien beim Beurkundungstermin wenigstens einen Vorvertrag geschlossen haben, aus dem sich Folgen für den Bestand des Grundstückskaufertrages hätten ergeben können.
834.
84Die Annahme des Landgerichts, die Klägerin sei zum Rücktritt berechtigt, ist aber aus einem anderen Grund richtig.
85Gem. § 313 Abs. 1 BGB kann eine Partei, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und anzunehmen ist, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, eine Anpassung des Vertrags verlangen, soweit ihr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Ist eine Anpassung nicht möglich oder der Partei unzumutbar, kann sie vom Vertrag zurücktreten, § 313 Abs. 3 BGB.
86Das ist hier der Fall.
87a)
88Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urteil vom 15. November 2000 – VIII ZR 324/99 –, Rn. 21, juris).
89Ausgehend davon, dass die Klägerin sich das Ergebnis der Beweisaufnahme hilfsweise zueigen macht, ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt der Vertragsbeurkundung die gemeinsame Vorstellung der Kaufvertragsparteien war, dass die Parzelle ++ mit dem Überbau vom Grundstück B-Straße 1 bis zur vorgesehenen Besitzübergabe am 1.3.2012 noch auf die Wohnungseigentümergemeinschaft B-Straße 1 übertragen werden sollte, um einen Gleichlauf von überirdischem Eigentum und Eigentum an der darunterliegenden Grundfläche zu erreichen. Erst und nur nach Übertragung der Parzelle ++ wäre der Zustand erreicht worden, den sich die Parteien bei Vertragsbeurkundung übereinstimmend vorstellten. Vertragsinhalt ist diese gemeinsame Vorstellung, wie im Vorstehenden dargelegt wurde, allerdings nicht geworden. Deshalb ist die in absehbarer Zeit anstehende Übertragung auch der Parzelle ++ als gemeinsame Geschäftsgrundlage der Parteien zum Zeitpunkt der Vertragsbeurkundung am 22.11.2011 anzusehen.
90Eine Risikozuweisung an den Käufer für den Fall, dass dieses in der Zukunft liegende Ereignis nicht einträte, ist von keiner Partei gewollt gewesen.
91b)
92Diese gemeinsame Geschäftsgrundlage ist nach Vertragsschluss erheblich gestört worden. Zwar ist die fragliche Parzelle noch aus dem Nachbargrundstück B-Straße 3 ausgemessen worden, wobei aus dem alten Flurstück * die neuen Flurstücke + und ++ entstanden. Zu einer Übertragung auf die Miteigentümer des Grundstücks B-Straße 1 ist es aber nicht gekommen. Wie der Beklagte unbestritten dargelegt hat, scheiterte dies an der im Ergebnis nicht vorhandenen Mitwirkungsbereitschaft des Miteigentümers H, der sich zwar nie abschließend ablehnend geäußert, aber auch nie zugestimmt und ihm angebotene Beurkundungstermine abgesagt hat.
93c)
94Eine gegenüber dem Rücktritt vorrangige Vertragsanpassung kam hier nicht in Betracht. Das gemeinsam angestrebte Ziel, im Bereich des Überbaus hinsichtlich des Eigentums an der Immobilie und des Eigentums an Grund und Boden bis zur Fertigstellung einen Gleichlauf herbeizuführen, war nicht mehr zu erreichen. Auch eine Verlängerung der Frist, dies zu erzielen, führt nicht weiter, weil die Grundeigentümer sich einer solchen Lösung verweigern. Ohne Übertragung auch des Grundeigentums ist der gegebene Zustand für die Klägerin aber nicht hinnehmbar. Andere Anpassungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Damit stellt sich eine interessengerechte Vertragsanpassung als unmöglich dar, so dass nur ein Rücktritt in Betracht kam.
95Nach alledem stand der Klägerin damit ein Rücktrittsgrund zur Seite.
96d)
97Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung war auch noch keine Verjährung eingetreten. Dabei bedarf es keiner näheren Darlegung, dass die nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 BGB in regelmäßig drei Jahren verjährenden (Palandt/Ellenberger, Rn 7 zu § 212 BGB) Ansprüche aus dem Rücktritt vom 29.12.2019 bei Klageerhebung am 21.1.2020 noch nicht verjährt sein konnten.
98Näher zu untersuchen war lediglich, ob am 29.12.2019 das Recht auf den Rücktritt verjährt gewesen sein konnte. Das war zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.
99aa)
100§ 212 BGB, der für die Rechtzeitigkeit des Rücktritts auf die Verjährung von vertraglichen Erfüllungsansprüchen abstellt, ist unmittelbar nicht anwendbar, weil die Geschäftsgrundlage definitiv außerhalb der vertraglichen Ansprüche angelegt ist. Es ist in § 313 BGB auch keine Verweisung erfolgt, wie sie für den Rücktritt nach § 437 Nr. 2 BGB aufgrund der Gewährleistungsansprüche z.B. in § 432 Abs. 4 S. 1 BGB erfolgt ist.
101bb)
102Allerdings spricht viel für die analoge Anwendung von § 212 BGB für das Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 3 BGB (so auch OLG München, Beschluss vom 13. November 2012 – 2 U 1051/12 –, Rn. 44 ff, juris), weil es an einer gesetzlichen Regelung fehlt, obwohl dafür Bedarf besteht, da in § 212 BGB ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt – wie u.a. die Verweisung in §§ 432 und 634a BGB belegt – und weil es sich um eine vergleichbare Situation handelt (so i.E. auch BeckOGK-Martens, 1.7.2020, Rn 153 zu § 313 BGB). Der Senat schließt sich dem an.
103Deshalb war der Rücktritt am 29.12.2019 nur dann rechtzeitig, wenn zu diesem Zeitpunkt das Rücktrittsrecht noch nicht verjährt war.
104Das ist zur Überzeugung des Senats anzunehmen, weil insoweit nicht die allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 BGB zur Anwendung kommen, sondern §§ 196 BGB, 200 BGB (OLG München, Beschluss vom 13. November 2012 – 2 U 1051/12 –, Rn. 51, juris, mit zust. Anm Pöschl, BB 2019, 1425, und Singbartl/Weber, ZfIR 2019, 240-242; so auch BeckOGK/Martens, § 313 BGB, Rn. 151). Denn § 196 BGB stellt allein auf den Anspruchsinhalt, nicht aber auf den Anspruchsgrund ab und ist damit auch auf einen Rückübertragungsanspruch im Rahmen von § 313 BGB anwendbar. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Rückübertragung auf einen Anpassungsanspruch oder einen Rücktritt vom Vertrag zurückgeht (OLG München, a.a.O., Rn. 51, juris)
105Ausgehend von der Verjährung auch des Rücktrittsrechts als solchem nach Maßgabe von § 196 BGB hätte hier Verjährung nicht vor dem Ablauf des 22.11.2021 eintreten können. Dieser Zeitpunkt war bei Zugang des Anwaltsschreibens vom 22.12.2019 noch nicht erreicht, die Verjährung des Rücktrittsrechts analog § 212 BGB also nicht vollendet.
106f)
107Der Rücktritt war bei Zugang der Rücktrittserklärung vom 22.12.2019 auch nicht verwirkt.
108Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – XI ZR 292/17 –, Rn. 9, juris). Zu dem Zeitablauf müssen besondere; auf das Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 – V ZR 42/09 –, Rn. 19, juris, m.w.N.). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles, ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2012 – XI ZR 292/17 –, Rn. 9, juris)
109Zwar kann hier unterstellt werden, dass das Zeitmoment gewahrt ist. Dafür kann bereits die Nichtbetreibung der eigenen Ansprüche für einen Zeitraum von einem Jahr genügen, wenn auch vertreten wird, dass eine Verkürzung der Verjährungsfrist unterhalb der Dauer der Regelverjährung von drei Jahren fern liegt (BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 – VII ZR 177/13 –, Rn. 13, juris).
110Allerdings fehlt es am Nachweis des Umstandsmoments, also der Umstände, aufgrund welcher der Beklagte bei objektiver Betrachtung die begründete Erwartung stützen konnte, dass die Klägerin ihre Rechte nicht mehr wahrnehmen wolle und welche Investitionen er im Vertrauen darauf vorgenommen hat.
111Praktisch hat sich der Beklagte – erstmals in der Berufungsinstanz – nur darauf gestützt, dass er in seine aktuell genutzte Wohnung investiert habe, was er nicht getan hätte, wenn er damit gerechnet hätte, die fragliche Wohnung zurücknehmen zu müssen. Mit diesen neuen Vortrag kann der Beklagte indessen in der Berufungsinstanz nicht gehört werden, weil er gegen das Novenverbot des § 531 Abs. 2 ZPO verstößt, ohne dass eine der dort aufgeführten Ausnahmetatbestände vorläge. Dem Beklagten wäre dieser Vortrag auch bereits erstinstanzlich möglich gewesen.
112Sein neues Vorbringen ist auch nicht unstreitig und deshalb beachtlich geworden.
113Nur der Vollständigkeit halber ist deshalb auszuführen, dass der neue Vortrag für die Feststellung einer Verwirkung nicht ausreichte. Denn seine Angaben verhalten sich nicht dazu, welchen Vertrauenstatbestand die Klägerin gesetzt hat, dass sie ihn wegen der nicht erfolgten Übertragung des Eigentums an der Parzelle ++ nicht mehr in Anspruch nehmen werde. Der bloße Zeitablauf reicht dafür, wie dargelegt, nicht aus, weil dieser in den Verjährungsregelungen eine besondere gesetzliche Regelung gefunden hat.
114g)
115Nach alledem ist die Klägerin wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, weshalb sie gem. § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 125.000 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Eigentumswohnung im aktuellen, unbelasteten Zustand hat, wobei sich die Klägerin die nunmehr gem. § 342 BGB einredeweise geltend gemachten und zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche des Beklagten auf Ersatz ihrer Nutzungen anrechnen lassen muss.
116Die Höhe dieser Nutzungen beläuft sich in Fällen, wo der Rücktrittsberechtigte sich darauf beschränkt, den Leistungsaustausch rückgängig zu machen, auf die abnutzungsbedingte, zeitanteilig linear zu berechnende, Wertminderung der selbstgenutzten Immobilie (BGH, Urteil vom 30. Juni 2017 – V ZR 134/16 –, BGHZ 215, 157-170, Rn 26 ff m.w.N.), nicht auf den objektiven Wohnwert.
117Streitentscheidend ist das hier allerdings nicht, weil der Beklagte lediglich den linearen Wertverlust aufrechnungsweise geltend machen kann. Diesen hat er mit jährlich 1.300,00 € = monatlich 102,̅3̅3̅ € beziffert, und die Klägerin hat diesen Betrag unstreitig gestellt. Deshalb kann dahinstehen, ob die Berechnungsweise des Klägers nachvollziehbar und zutreffend ist.
118Den objektiven Mietwert kann er schon deshalb nicht beanspruchen, weil sich die Klägerin auf die Rückgängigmachung des Leistungsaustauschs beschränkt. Außerdem kann er mit dem Vortrag, der objektive Mietwert der Eigentumswohnung belaufe sich auf monatlich 675 €, nicht gehört werden. Denn auch dieser Sachvortrag ist in der Berufungsinstanz neu und unbeachtlich, weil weder einer der Ausnahmetatbestände des § 531 Abs. 2 ZPO vorgetragen oder ersichtlich ist noch dieser Vortrag unstreitig geworden ist.
119Die Abrechnung der wechselseitig bestehenden und zur Aufrechnung gestellten Forderungen folgt nachfolgenden Erwägungen:
120Hinsichtlich der Fälligkeit der Nutzungsentschädigung wendet der Senat § 556b Abs. 1 BGB analog an mit der Folge, dass die Ansprüche des Beklagten auf Nutzungsentschädigung jeweils am 3. Werktag eines jeden Monats seit der Besitzübergabe Anfang März 2012 fällig geworden sind.
121Soweit sich die Frage stellt, in welcher Reihenfolge die Gegenforderungen des Beklagten auf die qualitativ unterschiedlichen Ansprüche der Klägerin (Hauptforderung und Zinsen) zur Aufrechnung gestellt sind, sieht der Senat in der Aufrechnungserklärung eine gegenüber der Regelung in § 367 BGB vorrangige Tilgungsbestimmung (vgl. § 366 Abs. 1 BGB) dahingehend, dass die Gegenansprüche zuvörderst gegen die Hauptforderung zur Aufrechnung gestellt worden sind.
122Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.11.2020 sind dem Beklagten somit Gegenansprüche in Höhe von 11.375,00 € (105 Monate zu je 102,̅3̅3̅ €) entstanden, weshalb durch Aufrechnung die Forderung der Klägerin auf Erstattung des Kaufpreises bis auf restliche 113.625,00 € untergegangen ist.
123Seit dem 22.1.2020 stehen der Klägerin die beantragten Rechtshängigkeitszinsen gem. § 291 BGB zu. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die Gegenforderung des Beklagten wegen bis dahin fällig gewordener Ansprüche auf eine Nutzungsentschädigung für insgesamt 95 Monate (3/2012 bis 1/2020 jeweils einschließlich), also in Höhe von 10.291,66 €, so dass durch die Aufrechnung bei Zinsbeginn die Hauptforderung noch in Höhe von 114.702,33 € bestand. Seither mindert sich monatlich die Hauptforderung um jeweils 102,̅3̅3̅ € zum jeweiligen Fälligkeitstag der Nutzungsentschädigung.
124Dem trägt die Urteilsformel Rechnung.
1255.
126Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass sich der Beklagte hinsichtlich der Rücknahme der Immobilie in Annahmeverzug (§§ 293 ff BGB) befindet, nachdem es im Ergebnis zu Recht von einem wirksamen Rücktritt vom Vertrag ausgegangen ist. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
1276.
128Erfolg hat die Berufung des Beklagten, soweit er sich gegen die Feststellung wendet, der Klägerin zum Ersatz von Zukunftsschaden verpflichtet zu sein. Denn ein Schadensersatzanspruch steht der Klägerin nicht zur Seite. Einen solchen könnte sie nur geltend machen, wenn der Rücktritt im allgemeinen Leistungsstörungsrecht unmittelbar aus § 323 BGB oder über die Verweisung darauf aus dem Gewährleistungsrecht begründet wäre, weil in aller Regel dann auch die identischen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs statt Erfüllung gem. §§ 220, 221 BGB gegeben wären. Besteht demgegenüber der Rücktrittsgrund wegen der Störung der Geschäftsgrundlage, begründet dies nicht schon einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, weil die Geschäftsgrundlage eben außerhalb der vertraglichen Bindung zu verorten ist.
129Zwar begründet bereits die Aufnahme von Vertragsverhandlungen wechselseitige Rücksichtnahmepflichten, deren Verletzung unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 220 BGB einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Ein dafür erforderliches schuldhaftes Verhalten des Beklagten lässt sich indessen nicht feststellen, denn die bei Vertragsbeurkundung von beiden Vertragsparteien angenommene zeitnahe Übertragung der Parzelle ++ scheiterte nicht infolge eines schuldhaften Fehlverhaltens des Beklagten, sondern am fehlenden Mitwirkungswillen eines mitwirkungsbedürftigen Dritten. Dass der Beklagte davon bei Vertragsbeurkundung schon gewusst hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
1307.
131Erfolg hat die Berufung schließlich, soweit die Klägerin Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten beansprucht. Denn zum einen fehlt es der Klägerin an der erforderlichen Aktivlegitimation. Sie unterhält eine Rechtsschutzversicherung. Der Rechtsschutzversicherer hat kostendeckenden Rechtsschutz gewährt und die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten auch bereits beglichen. Gem. § 26 VVG ist die Forderung – so sie besteht – deshalb auf den Versicherer übergegangen. Eine Ermächtigung, diese Kosten im eigenen Namen in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen, hat die Klägerin nicht.
132Auch dem Grunde nach ist die Forderung nicht gegeben. Denn in Ermangelung eines Schadensersatzanspruchs (s.o.) könnte die Klägerin die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung nur unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gem. § 226 BGB beanspruchen. Die Rechtsanwaltskosten sind indessen nicht verzugsbedingt entstanden, etwa, weil der Beklagte auf eine Zahlungsaufforderung der Klägerin nicht reagiert hätte, sondern die Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren bereits zuvor tätig und haben die Fälligkeit der Forderung aus dem Rücktritt selbst herbeigeführt, so dass es sich nicht um verzugsbedingte Kosten handelt.
1338.
134Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 97, 702 Nr. 10, 711 ZPO.