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Es ist anerkannt, dass der Widerspruch oder Widerruf (§§ 5a, 8 VVG a.F.) durch den Versicherungsnehmer wegen widersprüchlichen Verhaltens unwirksam sein kann (§ 242 BGB). Das gilt – ebenso wie bei einer zeitnah mit dem Abschluss der Lebensversicherung erfolgten Abtretung – auch bei einer Verpfändung der Ansprüche gegen den Versicherer.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
G r ü n d e
2I.
3Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
4Das Landgericht hat die auf die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages – nach einem von der Klägerin erklärten Widerruf – gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin in der Berufungsbegründung vom 17.01.2020 (Bl. 5 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz) greifen nicht durch.
51.
6Der Klägerin steht der in der Hauptsache geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu.
7Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
8Die Klägerin erbrachte die Prämienzahlungen mit rechtlichem Grund, da der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag nicht aufgrund des von der Klägerin erklärten Widerrufs unwirksam geworden ist. Der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 VVG a.F. steht, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Einwand widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegen.
9a)
10Im Einzelfall kann die Ausübung des Widerrufs und die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles gemäß § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, Rn. 16, BGH, Beschluss vom 27.09.2017 – IV ZR 506/15, juris; BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – IV ZR 117/15, juris Rn. 17 f.).
11Allgemein gültige Maßstäbe dazu, wann die Grundsätze von Treu und Glauben der Ausübung des Widerrufsrechts entgegenstehen, können nicht aufgestellt werden. Ihre Anwendung im Einzelfall obliegt dem Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – IV ZR 117/15, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 11.05.2016 – IV ZR 334/15, r+s 2016, 339, juris Rn. 16).
12Voraussetzung ist das Vorliegen besonders gravierender Umstände, die dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – IV ZR 161/15, juris Rn. 12). Nicht erforderlich sind unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers. Durch das Verhalten des Versicherungsnehmers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065, juris Rn. 37).
13b)
14Gemessen daran wertet auch der Senat, ebenso wie das Landgericht, die Erklärung des Widerrufs durch die Klägerin als gemäß § 242 BGB unzulässiges widersprüchliches Verhalten.
15Dies ergibt sich aus der Nutzung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Kreditsicherungsmittel.
16aa)
17Unstreitig verpfändete die Klägerin die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Sicherheit für ein ihr gewährtes Darlehen (Bl. 147 der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz, im Folgenden: eGA-I). Diese Verpfändung setzte, um den Sicherungszweck erfüllen zu können und damit die Gewährung des Darlehens nicht zu gefährden, zwingend ihre Wirksamkeit voraus (vgl. für die Sicherungsabtretung BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16).
18bb)
19Zwar kann, worauf die Berufung zu Recht hinweist, nicht automatisch vom Vorliegen gravierender Umstände ausgegangen werden, wenn die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Kreditsicherungsmittel eingesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2016 – IV ZR 482/14, VersR 2017, 275). Derartige gravierende Umstände kommen aber – und zwar unabhängig von der Frage, ob die Belehrung ordnungsgemäß erfolgte oder nicht – in Betracht, wenn ein solcher Einsatz als Kreditsicherheit im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages erfolgt und der Versicherer hiervon Kenntnis erhält (vgl. wiederum für den Fall der Sicherungsabtretung BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, Rn. 16; vgl. ferner Senat, Urteil vom 13.01.2017 – 20 U 159/16, VersR 2017, 806). Dabei ist es für die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens nicht erforderlich, dass die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen mehrfach zur Kreditsicherung eingesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 482/14, VersR 2017, 275).
20Auch vorliegend sieht der Senat in der Nutzung der Ansprüche als Kreditsicherungsmittel gravierende Umstände, die einem Widerruf gemäß § 242 BGB entgegenstehen. Denn unstreitig erfolgte die Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag im Darlehensvertrag aus Februar 1994, nachdem der Antrag auf Abschluss des Lebensversicherungsvertrages kurz zuvor, nämlich im Januar 1994, gestellt worden war. Es kommt hinzu, dass der Lebensversicherungsvertrag hier sogar gezielt zu dem Zweck abgeschlossen wurde, als Kreditsicherheit zu dienen, denn im Versicherungsantrag ist auf die Frage, ob der Lebensversicherungsvertrag auch dann abgeschlossen werden soll, wenn es nicht zur Gewährung des Darlehens kommt, die Antwort „nein“ angekreuzt (eGA-I 144).
21Dass der Einsatz als Kreditsicherungsmittel nicht in Form der Sicherungsabtretung, sondern im Wege der Verpfändung erfolgte, ändert nichts an der Beurteilung des Verhaltens der Klägerin als treuwidrig. Schon § 1274 BGB, wonach die Bestellung eines Pfandrechts an einem Recht nach den für die Übertragung dieses Rechts geltenden Vorschriften erfolgt, belegt die Verwandtschaft zwischen einer Sicherungsabtretung und einer Pfandrechtsbestellung. In beiden Fällen kann die Kreditsicherheit nur wirksam bestellt werden, wenn das abzutretende oder zu verpfändende Recht tatsächlich besteht. Die Rechtsprechung, wonach sich aus einer Sicherungsabtretung im engen zeitlichen Zusammenhang zum Abschluss des Versicherungsvertrages eine Treuwidrigkeit ergeben kann, ist deshalb auf die Pfandrechtsbestellung zur Gewährung einer Kreditsicherheit übertragbar.
22cc)
23Darauf, ob die Verpfändung vor oder nach Übersendung des Versicherungsscheins erfolgte, kommt es nicht an (vgl. Senat, Urteil vom 13.01. 2017 – 20 U 159/16, VersR 2017, 806, juris Rn. 21).
24c)
25Der Annahme, der Ausübung des Gestaltungsrechts durch die Klägerin sei als treuwidriges Verhalten zu werten und daher unzulässig, stehen schließlich auch europarechtliche Erwägungen nicht entgegen (vgl. m. w. N.: BGH, Beschluss vom 22.03.2016 – IV ZR 130/15, r+s 2016, 231, Rn. 2f.; BGH, Beschluss vom 12.10.2015 – IV ZR 63/13, juris, Rn. 3 f.; BGH, Beschluss vom 13.01.2016 – IV ZR 117/15, juris, Rn. 3 f.; BGH, Beschluss vom 22.03.2016 – IV ZR 161/15, juris, Rn. 3 f.).
262.
27Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache kann die Klägerin schließlich auch nicht den Ersatz ihr vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten verlangen.
28II.
29Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.