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1. Eine Bewährungsauflage, innerhalb von 3 Monaten nach Entlassung aus der Strafhaft 50 Sozialstunden abzuleisten, ist hinreichend bestimmt. Insoweit ist ausreichend, dass das Gericht neben der Gesamtzahl der abzuleistenden Stunden die Frist zur Auflagenerfüllung bestimmt. Darüber hinaus gehende notwendige Konkretisierungen, wie zum Ort und zur Institution der Arbeitsleistung dürfen dem Bewährungshelfer oder der Gerichtshilfe überlassen werden. (BVerfG, Beschluss vom 02. September 2015 - 2 BvR 2343/14 -, juris).
2. Ein Bewährungswiderruf kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn dem Verurteilten zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, was genau von ihm erwartet wird und wann er einen Widerruf der Strafaussetzung zu erwarten hat. Damit setzt ein Bewährungswiderruf wegen eines Verstoßes gegen eine im Bewährungsbeschluss noch nicht im Einzelnen konkretisierte Auflage voraus, dass das bewährungsüberwachende Gericht oder der Bewährungshelfer diese Auflage zuvor konkretisiert hat.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Düren verurteilte den Betroffenen mit Urteil vom 21. Februar 2017 wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung.
4Nach Widerruf der Strafaussetzung u.a. wegen Nichterfüllung der ihm erteilten Arbeitsauflage und Teilverbüßung wurde die Vollstreckung des Strafrestes aus dem Urteil des Amtsgerichts Düren durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen vom 06. November 2018 (rechtskräftig seit dem 23. November 2018) zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt und dem Verurteilten wurde aufgegeben, während der gesamten Bewährungszeit engen Kontakt zu seinem - noch zu benennenden - Bewährungshelfer zu halten und nach näherer Weisung der Bewährungshilfe innerhalb von 3 Monaten nach Entlassung aus der Strafhaft 50 Sozialstunden abzuleisten.
5Der Verurteilte wurde am 28. Januar 2019 aus der Strafhaft entlassen. Mit Beschluss vom 29. Januar 2019 erfolgte die namentliche Bestellung der Bewährungshelferin C.
6Nachdem nach einem Erstgespräch mit seiner Bewährungshelferin am 27. Februar 2019 weitere Termine seitens des Verurteilten nicht eingehalten wurden, erfolgte unter dem 12. April 2019 eine erste gerichtliche Mahnung dahingehend, bis zum 25. April 2019 Kontakt mit der Bewährungshelferin herzustellen.
7Unter dem 12. Juni 2019 teilte die Bewährungshelferin mit, dass das Kontaktverhalten nunmehr besser, der Verurteilte jedoch mit der Ableistung der Sozialstunden stark in Verzug geraten sei. Laut Aussage des Verurteilten habe dieser diverse Anfragen bei Einsatzstellen gestellt, aber nur negative Bescheide erhalten. Er könne die Sozialstunden nunmehr im Familienzentrum G in F ableisten. Der Anregung der Bewährungshelferin, die Frist zur Ableistung der Stunden bis zum 30. Juni 2019 zu verlängern, wurde entsprochen.
8Nachdem die Bewährungshelferin mit Schreiben vom 08. Juli 2019 mitgeteilt hatte, dass der Verurteilte in der Einsatzstelle Familienzentrum G in F nur 32 Stunden abgeleistet habe und seit dem 28. Juni 2019 dort nicht mehr erschienen sei, wurde er mit - ihm am 12. Juli 2019 zugestellten - gerichtlichem Schreiben vom 09. Juli 2019 aufgefordert, binnen drei Wochen ab Zugang des Schreibens die ordnungsgemäße Erfüllung der Auflage nachzuweisen beziehungsweise darzulegen, weshalb er die Auflage nicht erfüllt habe.
9Nachdem der Verurteilte in der Folgezeit weder Kontakt zu seiner Bewährungshelferin aufnahm, noch angebotene Gesprächstermine wahrnahm und auch keinen Nachweis bezüglich der Arbeitsauflage erbrachte, wurde er mit Schreiben der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen vom 27. Dezember 2019 erneut unter Hinweis auf einen möglichen Widerruf der Strafaussetzung aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zugang des Schreibens die ordnungsgemäße Erfüllung der Auflage nachzuweisen beziehungsweise darzulegen, weshalb er die Auflage nicht erfüllt habe. Die Zustellung dieses Schreibens erfolgte am 06. Januar 2020. Ein Erfüllungsnachweis blieb weiter aus.
10Die Staatsanwaltschaft Aachen beantragte daraufhin am 30. Januar 2020 den Widerruf der Strafaussetzung. Die Strafvollstreckungskammer beraumte für den 06. März 2020 einen Anhörungstermin an, zu dem der Verurteilte nicht erschienen ist.
11Zuvor hatte der Verurteilte mit Fax vom 04. März 2020 darauf hingewiesen, dass er keine Möglichkeit habe, nach Siegen zu fahren, und die noch offenen 18 Stunden nächste Woche so schnell als möglich ableisten werde.
12Mit dem angefochtenen Beschluss vom 06. März 2020 widerrief die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen die Strafaussetzung aus dem Bewährungsbeschluss vom 06. November 2018.
13Zur Begründung führte die Strafvollstreckungskammer aus, dass der Verurteilte beharrlich gegen die Arbeitsauflage verstoßen habe, da er bislang nur 32 Stunden abgeleistet habe. Zudem seien Termine bei der Bewährungshilfe zahlreich nicht wahrgenommen worden.
14Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 11. März 2020 zugestellt.
15Mit Schreiben vom 16. März 2020 teilte die Bewährungshelferin mit, dass der der Verurteilte in Kenntnis des Widerrufsbeschlusses bei ihr um einen Termin gebeten und in diesem Termin gewünscht habe, in eine Einrichtung gemeinnütziger Arbeit vermittelt zu werden.
16Der Verurteilte legte mit bei dem Landgericht Siegen am 16. März 2020 eingegangenem Schreiben vom selben Tag sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss ein. Mit seiner Beschwerde bringt der Verurteilte u.a. vor, dass es ihm nicht mehr möglich gewesen sei, die restlichen Stunden in der ersten Einrichtung zu absolvieren. In der Folgezeit habe er erfolglos Altenheime, Schulen und Kindergärten angerufen, um eine neue Einsatzstelle zu finden. Er sei nicht in der Lage gewesen, mit dem Bus oder dem Taxi in andere Städte zu fahren, deshalb habe er versucht, etwas in der Umgebung zu finden. Da nach einiger Zeit Post mit der Aufforderung, die restlichen Stunden abzuleisten, gekommen sei, habe er angefangen, in C und näherer Umgebung etwas zu finden, was ihm jedoch nicht gelungen sei.
17Mit Schreiben vom 29. April 2010 teilte die Bewährungshelferin mit, dass der Verurteilte in der Zeit vom 02. bis 11. April 2020 die restlichen 18 Arbeitsstunden abgeleistet und die Arbeitsauflage damit vollständig erfüllt habe.
18Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
19II.
20Die gemäß § 453 Abs. 2 S. 3 StPO i. V. m. § 56 f StGB statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
21Obgleich der Verurteilte während der Bewährungszeit der Arbeitsauflage zunächst nur unzureichend nachgekommen ist, liegen die materiellen Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB trotz seines an sich nicht hinnehmbaren Verhaltens nicht vor.
22Die Bewährungsauflage, innerhalb von 3 Monaten nach Entlassung aus der Strafhaft 50 Sozialstunden abzuleisten, ist zwar hinreichend bestimmt. Insoweit ist ausreichend, dass das Gericht neben der Gesamtzahl der abzuleistenden Stunden die Frist zur Auflagenerfüllung bestimmt. Darüber hinaus gehende notwendige Konkretisierungen, wie zum Ort und zur Institution der Arbeitsleistung dürfen dem Bewährungshelfer oder der Gerichtshilfe überlassen werden. (BVerfG, Beschluss vom 02. September 2015 - 2 BvR 2343/14 -, juris).
23Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Bewährungswiderruf nur dann in Betracht kommt, wenn dem Verurteilten zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, was genau von ihm erwartet wird und wann er einen Widerruf der Strafaussetzung zu erwarten hat. Damit setzt ein Bewährungswiderruf wegen eines Verstoßes gegen eine im Bewährungsbeschluss noch nicht im Einzelnen konkretisierte Auflage voraus, dass das bewährungsüberwachende Gericht oder der Bewährungshelfer diese Auflage zuvor konkretisiert hat (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 2 Ws 61/13 -, juris, Rn. 19).
24Diese erforderliche - nachträgliche - Konkretisierung der Institution durch die Bewährungshelferin vermag der Senat nicht festzustellen.
25Ob die erste Einsatzstelle in dem Familienzentrum G in F durch seine Bewährungshelferin vermittelt worden ist, ist nicht bekannt. Diese Tätigkeit scheint jedenfalls mit ihrer Billigung erfolgt zu sein. Selbst wenn insoweit eine hinreichende Konkretisierung der Einsatzstelle zunächst vorlag, so fehlte es in der Folgezeit nach Abbruch der Tätigkeit in dieser Institution an der gebotenen hinreichenden Bestimmung einer neuen anderen Einsatzstelle. Für den Verurteilten blieb danach jedenfalls offen, in welcher konkreten Institution er die restlichen Arbeitsstunden zu erbringen hatte.
26Dass der Verurteilte im Rahmen seiner Beschwerde vorbringt, er habe nach dem Abbruch der Arbeit in der ersten Einsatzstelle versucht, weitere Stellen in der näheren Umgebung zu finden sowie der Umstand, dass er nach Kenntnis des Widerrufsbeschlusses bei der Bewährungshelferin um einen Termin gebeten hat und in diesem Termin gewünscht hat, in eine Einrichtung gemeinnütziger Arbeit vermittelt zu werden, belegt, dass der Einsatzort für den Verurteilten durch die Bewährungshelferin nicht ausreichend konkretisiert war. Letztlich hat der Verurteilte nunmehr die Arbeitsauflage vollständig erfüllt.
27III.
28Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.