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1. Es ist jedem Staat selbst überlassen, ob und wie er die Frage der Verjährung in seinen Gesetzen regelt und insbesondere, welchen Verjährungsfristen er einzelne Ansprüche unterwirft.
2. Mit dem deutschen materiellen ordre public ist ein Gesetz nicht schon deshalb unvereinbar, wenn der deutsche Richter, hätte er den Prozess entschieden, aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
3. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint.
Die Prozesskostenhilfegesuche der Kläger werden zurückgewiesen.
Gründe:
2I.
3Die Kläger nehmen die Beklagte auf Ersatz immateriellen, hilfsweise materiellen Schadens aufgrund eines schweren Brandunglücks in Anspruch, das sich am 11.09.2012 in der Textilfabrik B in L, Pakistan, ereignete und für das sie die Beklagte verantwortlich machen.
4Bei dem Brand in der Textilfabrik kamen 259 Menschen ums Leben, darunter auch die bei B beschäftigten Söhne der Kläger zu 1), 2) und 4). Der ebenfalls dort beschäftigte Kläger zu 3) erlitt schwere Verletzungen. Die Beklagte unterhielt zum Brandzeitpunkt eine seit 2007 bestehende Geschäftsbeziehung zu B und ließ dort Jeans unter dem Label „p“ fertigen. Grundlage der Geschäftsbeziehung war u. a. ein von der Beklagten im Jahr 2006 auf der Grundlage internationaler Abkommen sowie einschlägiger Regelungen der Vereinten Nationen entwickelter Verhaltenskodex (Code of Conduct), in welchem zur Wahrung von Grundrechten und internationalen Standards Mindestvorgaben für die Produzenten der Beklagten insbesondere im Hinblick auf die von diesen in ihren Produktionsstätten zu gewährleisteten Arbeitsbedingungen, die Arbeitssicherheit sowie die an die Beschäftigten zu zahlende Vergütung festgeschrieben wurden.
5Die Kläger, die jeweils ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,00 € von der Beklagten verlangen, vertreten die Auffassung, dass die Beklagte, die die Kapazitäten von B zu mindestens 75 % ausgelastet haben soll, aufgrund ihrer beherrschenden Stellung und ihres Verhaltenskodex verpflichtet und in der Lage gewesen wäre, dafür Sorge zu tragen, dass die Textilfabrik den Anforderungen an ordnungsgemäßen Brandschutz entsprochen hätte, was tatsächlich nicht der Fall gewesen sei und was so viele Menschen das Leben gekostet habe. Die Verhältnisse vor Ort seien ihren Mitarbeitern bekannt gewesen.
6Das Landgericht hat die Einholung eines Gutachtens über die maßgebliche Rechtslage nach pakistanischem Recht angeordnet und den Gutachter angewiesen, zunächst zur Frage der Verjährung der Ansprüche nach pakistanischem Recht Stellung zu nehmen. Sodann hat es mit der angefochtenen Entscheidung die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, sämtliche Ansprüche der Kläger seien verjährt, da die Verjährungsfrist nach pakistanischem Recht ein, maximal zwei Jahre betrage und mit dem Brandereignis am 11.09.2012 zu laufen begonnen habe.
7Die Kläger möchten gegen diese Entscheidung Berufung einlegen und beantragen zu diesem Zwecke die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
8Sie führen aus, das Landgericht habe zu Unrecht die Verjährung ihrer Ansprüche angenommen. Sie vertreten die Auffassung, dass eine durch Verhandlungen und Vereinbarungen nicht verlängerbare Verjährungsfrist von nur einem Jahr gegen den ordre public verstoße und daher vom deutschen Gericht nicht anzuwenden sei. Die Dauer der Verjährungsfrist sowie auch ihr kenntnisunabhängiger Beginn weiche erheblich vom deutschen Recht ab. Es sei auch zu beachten, dass wesentliche anspruchsbegründende Umstände, wie die Kausalität, insbesondere bei Großschäden, erst sehr spät geklärt werden könnten. Im vorliegenden Fall habe erst das erstinstanzlich eingereichte Gutachten von G vom 15.01.2018 den Nachweis erbracht, inwiefern die Architektur des Gebäudes, Managemententscheidungen und fehlende Sicherheitsvorkehrungen mit der hohen Opferzahl zusammenhingen und dass im Falle der Einhaltung vorgeschriebener Standards deutlich weniger Menschen zu Schaden gekommen wären.
9Die pakistanischen Verjährungsregelungen wären nach deutschem Recht verfassungswidrig, weil sie den Zugang zum Gericht und damit den objektiven Rechtsschutz i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG in unzulässiger Weise beschnitten. Im vorliegenden Fall sei daher zur Gewährleistung eines effektiven Rechts auf Zugang zum Gericht den ungewöhnlichen Umständen und der Überforderung der Antragsteller durch die Komplexität der Sache Rechnung zu tragen. Die Kläger hätten aufgrund der finanziellen Auswirkungen des Verlustes der Angehörigen bzw. der eigenen Schwerbehinderung, der unmittelbaren psychischen Auswirkungen des Unglücks sowie der Komplexität des interkontinentalen Rechtsstreits ihre Rechte keinesfalls innerhalb der Verjährungsfrist wahrnehmen können. Ohne den grenzübergreifenden Aufbau von Kontakten zu Menschenrechtsorganisationen und ihrem Prozessbevollmächtigten wären sie nicht in die Lage versetzt worden, den Weg der Klage zu beschreiten. Auch sei die Klageerhebung für die Beklagte nicht aus heiterem Himmel gekommen, vielmehr habe sie noch nach Ablauf von 12 bzw. 24 Monaten nach dem Fabrikun-glück am 11.09.2012 mit einer Klage gerechnet, wie sie selbst in ihrer Verjährungsverzichtserklärung vom 24.11.2014 verdeutlicht habe.
10Unabhängig hiervon seien die Ansprüche auch deshalb nicht verjährt, weil für die Frage der Verjährung die Parteien wirksam die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hätten. Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II VO sehe ausdrücklich vor, dass die Rechtswahl auch konkludent erfolgen könne, wenn sich dies mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergebe. Derartige Umstände bestünden vorliegend darin, dass zwei deutsche Anwälte, die beide über keine Ausbildung im ansonsten anwendbaren pakistanischen Recht verfügten, auf Deutsch in Deutschland einen Verjährungsverzicht unter Verwendung der im deutschen Rechtsverkehr üblichen Formulierungen vereinbart hätten. Es erscheine auch ausgeschlossen, dass die beteiligten deutschen Anwälte eine andere Rechtsordnung als die ihnen allein bekannte deutsche Rechtsordnung gewählt hätten, da anderenfalls die Vereinbarung der vorherigen Einholung entsprechender Gutachten zum pakistanischen Recht bedurft hätte. Zudem folge die Anwendung deutschen Rechts auch aus der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II VO. Nach dieser Vorschrift sei nicht das Recht des Schadensortes anzuwenden, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweise. Dies könne sich auch aus einem Vertrag ergeben, wie er hier in Gestalt der Verjährungsvereinbarung vorliege. Die Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die akzessorische Anknüpfung unangemessen sei.
11II.
12Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens, weil die beabsichtigten Berufungen gegen das am 10.01.2019 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. d. § 114 ZPO bieten.
13Das Landgericht hat zu Recht die Verjährung sämtlicher in diesem Verfahren geltend gemachter Ansprüche nach pakistanischem Recht festgestellt und daher die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Kläger gehen fehl. Zunächst schließt sich der Senat den in allen Punkten zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung an.
14Die Kläger ziehen zu Recht nicht in Zweifel, dass sich ihre Schadensersatzansprüche gem. Art. 4 Abs. 1 der Rom II VO nach pakistanischem Recht richten. Dies gilt entgegen der Auffassung der Kläger auch für die Frage der Verjährung, wie Art. 15 Ziff. h der Rom II VO ausdrücklich anordnet.
151.
16Soweit sich die Kläger darauf berufen, deutsches Recht sei anwendbar, weil die Prozessbevollmächtigten der Parteien durch eine Verjährungsverzichtsvereinbarung eine konkludente Rechtswahl i. S. d. Art. 14 Abs. 1 Ziff. a Rom II VO getroffen hätten, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
17Es ist schon zweifelhaft, ob der Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Kläger, aus rechtlicher Sicht bedürfe es der Klärung, dass der Lauf der Verjährung für die Dauer des Ermittlungsprozesses unterbrochen sei, und die Entgegnung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, auf die Einrede der Verjährung zunächst bis Ende 2016 verzichten zu wollen (Anlage K 24), überhaupt als Vereinbarung anzusehen sind und nicht nur als einseitiges Entgegenkommen der Beklagten.
18Dies kann letztlich dahinstehen.
19Wie die Kläger zutreffend ausführen, kann eine Rechtswahl auch konkludent erfolgen, muss sich dann jedoch mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben. Eine konkludente Willenserklärung setzt, wie alle Willenserklärungen, ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein der jeweils Beteiligten voraus, das im vorliegenden Fall im Mindesten die Frage der Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung einschließen muss.
20Den Unterlagen lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass die Frage des einschlägigen Rechts überhaupt Gegenstand der Erörterungen war.
21Damit korrespondiert, dass sich keiner der beiden Anwälte auf pakistanische oder deutsche Verjährungs- oder sonstige Regeln bezogen hat, so dass sich überhaupt nicht feststellen lässt, von welchem Recht und von welchen Verjährungsfristen die beteiligten Anwälte hier ausgegangen sind. Auch lässt die Verwendung einschlägiger deutscher Rechtstermini allein einen entsprechenden Rückschluss auf die übereinstimmende Anwendung deutschen Rechtes nicht zu, solche Termini wurden im Übrigen nicht verwendet.
22Die Problematik der konkreten Rechtsanwendung in Bezug auf die Verjährung ist erst, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, im laufenden Rechtsstreit aufgrund des von der Beklagten vorgelegten Rechtsgutachtens des Dr. C virulent geworden.
23Dass die von den Klägern weiterhin angeführten Indizien, nämlich die Beteiligung zweier deutscher Rechtsanwälte an den in deutscher Sprache geführten Verhandlungen offensichtlich nicht geeignet sind, die Wahl deutschen Rechts zu stützen, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
242.
25Die Kläger zeigen auch keine Umstände auf, die eine engere Verbindung der unerlaubten Handlung mit dem deutschen als dem pakistanischen Staat nahelegen, so dass nach Art. 4 Abs. 3 Rom II VO deutsches Recht anwendbar sein könnte. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus der temporären Verjährungsverzichtserklärung der Beklagten.
263.
27Aufgrund des vom Landgericht eingeholten Rechtsgutachtens des Sachverständigen Prof. P vom 22. Mai 2018 steht fest, dass sämtliche Forderungen der Kläger, die sie mit Haupt- und Hilfsantrag geltend machen, nach pakistanischem Recht verjährt sind, was, ebenso wie im deutschen Recht, zur Folge hat, dass die Ansprüche nicht mehr durchgesetzt werden können. Die Kläger haben dieses Gutachten bereits in erster Instanz nicht inhaltlich angegriffen, sondern lediglich die Auffassung vertreten, die Anwendung pakistanischen Rechts verstoße im konkreten Fall gegen den deutschen ordre public. Dieser ist in der Tat sowohl nach Art. 26 Rom II VO als auch nach Art. 6 EGBGB bei der Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte zu beachten. Zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen der deutschen öffentlichen Ordnung zählt schon nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts auch das Rechtsinstitut der Verjährung (s. Reichsgericht, Urteil vom 20. März 1936, Az. III 184/35 und Reichsgericht, Urteil vom 19. Dezember 1922, Az. III 137/22), zumal der Wert eines jeden Rechts mit seiner Durchsetzbarkeit korrespondiert. Die Ansprüche der Kläger stützen sich auf den sogenannten Fatal Accidents Act von 1855 und verjähren nach dem Limitation Act von 1908 im Falle des Todes oder der Verletzung einer Person binnen eines Jahres ab dem Tod bzw. der Verletzungshandlung sowie in Fällen,“in denen Verletzungshandlungen vertragsunabhängig erfolgen oder in dem Vertrag nicht vorgesehen“ waren in zwei Jahren, Ziff. 21, 22 u. 36 des Limitation Act. Nach dem Rechtsgutachten des Sachverständigen Prof. P unterliegen danach die Ansprüche der Kläger zu 1), 2) und 4) der einjährigen Verjährung, während im Falle des Klägers zu 3) möglicherweise auch die zweijährige Verjährungsfrist anwendbar sein könnte. Alle Verjährungsfristen waren jedoch zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen.
28Der Senat sieht in der Anwendung der Vorschriften des pakistanischen Limitation Act auf die vorliegenden Fälle keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public. Es ist den Klägern zuzugeben, dass es sich bei einer einjährigen Verjährungsfrist, insbesondere im Todesfalle, um eine sehr kurze und im europäischen Rechtsraum, soweit ersichtlich, nicht bekannte Verjährungsfrist handelt, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die im deutschen Recht geltende regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren im europäischen Vergleich ebenfalls als recht kurz anzusehen ist.
29Andererseits handelt es sich bei dem Limitation Act um ein auf dem britischen Common Law basierendes und in vielen auf dem Common Law fußenden Rechtsordnungen angewendetes Recht, das außer in Pakistan etwa in Bangladesh, Indien, Nepal, Sri Lanka etc. praktiziert wird.
30Dabei ist die im britischen Limitation Act von 1980 geregelte Verjährungsfrist für Ansprüche aus Körperverletzung zwar mit drei Jahren länger als die hier in Rede stehende Frist, jedoch deutlich kürzer als etwa die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Verträgen, die immerhin sechs, in manchen Fällen auch zwölf Jahre beträgt. Im Falle von Ansprüchen wegen Körperverletzung und Todes gegen Schiffseigner beträgt die Verjährungsfrist sogar nur zwei Jahre. Schon dies verdeutlicht, dass es eine große Bandbreite gesetzgeberischer Wertungen und Gewichtungen bei der Regelung der Verjährung gibt.
31Es ist zunächst jedem Staat selbst überlassen, ob und wie er die Frage der Verjährung in seinen Gesetzen regelt und insbesondere, welchen Verjährungsfristen er einzelne Ansprüche unterwirft. Dies ist grundsätzlich zu respektieren. Mit dem deutschen materiellen ordre public ist ein Gesetz nicht schon deshalb unvereinbar, wenn der deutsche Richter, hätte er den Prozess entschieden, aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint (BGH, Beschluss vom 16.09.1993, Az. VIIII ZB 82/90, Rz.24; BGH, Urteil vom 04.06.1992, Az. VIII ZR 149/91, Rz. 56).
32Grundsätzlich haben Verjährungsregeln den Sinn, den Schuldner zu schützen und Rechtsfrieden zu stiften. Der durch die Verjährung eintretende Rechtsverlust ist in der Regel auch deshalb gerechtfertigt, weil der Gläubiger ihn durch rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs hätte verhindern können. Diese Möglichkeit ist aber keine notwendige Voraussetzung der Verjährung. Sie kann auch eintreten, wenn der Gläubiger von der Existenz des Anspruchs nichts wusste und auch nichts wissen konnte (BGH, NJW-RR, 2006, 384). Verjährungsfristen sollen aber, wie die Regelverjährung, so bemessen sein, dass der Gläubiger typischerweise die faire Chance hat, einen Anspruch durchzusetzen (Ellenberger in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, vor § 194, Rdnr. 10).
33Unter Berücksichtigung dieser im deutschen Recht maßgeblichen Erwägungen ergeben sich nach Auffassung des Senats allein aus der durch den Limitation Act im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen angeordneten kurzen Verjährung noch keine Bedenken, könnten solche wohl aber aus ihrer Kombination mit dem Fehlen jeglicher subjektiven Komponente folgen. Denn in der Tat kann es zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn die Ansprüche eines Opfers unabhängig von seiner Kenntnis von Tat und Täter nach Jahresfrist nicht mehr durchsetzbar wären. Allerdings hat das inländische Gericht nicht die Billigkeit des ausländischen Gesetzes oder seine allgemeine Vereinbarkeit mit inländischem Recht zu überprüfen, sondern lediglich das Ergebnis der konkreten Rechtsanwendung im zu bescheidenen Falle. Das Ergebnis der Rechtsanwendung muss im Hinblick auf den inländischen ordre public im konkreten Falle unerträglich und nicht hinnehmbar sein (von Heyn in Münch-Komm., BGB, internationales Privatrecht I, 6. Aufl. München 2015, Art. 6 EGBGB, Rdnr. 13).
34Aus der Funktion der Vorbehaltsklausel und dem vom Gesetzgeber hervorge-hobenen Grundsatz der Schonung des fremden Rechts folgt zunächst, dass die Nichtanwendung des fremden Rechts nur so weit geht, wie dies zur Beseitigung des ordre public-widrigen Ergebnisses erforderlich ist. Da Art. 6 EGBGB nicht zu einer Korrektur der Verweisung, sondern des konkreten Anwendungsergebnisses führt, bleiben die übrigen Rechtsnormen der lex causae weiterhin anwendbar (Staudinger/Voltz, BGB, 2013, Art. 6 EGBGB, Rz. 205 m.w.N.).
35Das Landgericht hat zu Recht unter Zugrundelegung dieser Grundsätze geprüft, inwieweit die kurze Verjährungsfrist des Limitation Act im konkreten Fall dazu geführt hat, dass das Ergebnis der Rechtsanwendung mit dem deutschen ordre public nicht vereinbar ist und diese Frage im Ergebnis verneint.
36Auch der Senat ist der Auffassung, dass sich die Kombination der kurzen Verjährungsfrist mit deren kenntnisunabhängigen Beginn im vorliegenden Fall nicht derart ausgewirkt hat, dass die Kläger von vornherein außerstande waren, ihre Rechte binnen der Frist geltend zu machen und somit mehr oder weniger rechtlos gestellt oder doch in einer solchen Weise an der Wahrnehmung der Rechte gehindert worden sind, dass es mit deutschen Rechtsvorstellungen schlechthin unvereinbar und das Ergebnis als unerträglich anzusehen ist.
37Die von den Klägern angeführten finanziellen, rechtlichen, verfahrensmäßigen und persönlichen Schwierigkeiten, die sich aus einem schwerwiegenden und weitreichenden Unglücksfall wie dem vorliegenden ergeben, können in der Tat, dies verkennt der Senat keineswegs, die Rechtswahrnehmung derart erschweren, dass sie innerhalb eines Jahres nicht zu bewerkstelligen ist.
38Ein solcher Fall lag hier jedoch letztendlich nicht vor. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, hatten die Kläger frühzeitig Kenntnis von allen Tatsachen, die zur Begründung ihrer Ansprüche vor Gericht darzulegen sind. Wie sie selbst vorgetragen haben, waren die brandschutzrechtlichen Mängel des Gebäudes der Textilfabrik nicht erst seit dem Brand, sondern schon lange vor dem fraglichen Vorfall allgemein und wohl auch ihnen bekannt, jedenfalls hätten sie sie spätestens nach dem Brand zur Kenntnis nehmen können. Ebenso war ihnen bekannt, dass die Beklagte als eventuelle Verantwortliche für die aus dem Brand entstandenen Schäden in Betracht kam, zumal die Opferorganisation Q bereits kurze Zeit nach dem Unglück mit der Beklagten in Verhandlungen stand und es schon am 21.12.2012 zu einer Vereinbarung zwischen der Organisation und der Beklagten sowie der Zahlung einer Soforthilfe von 1. Million US‑Dollar kam. Der Schaden in Form des Schmerzensgeldes konnte ohne Weiteres mit einer für angemessen gehaltenen Summe beziffert werden und bedurfte keiner weiteren Ermittlungen. Auch der Verdienstausfallschaden aller Brandopfer ließ sich ohne Weiteres beziffern.
39Soweit die Kläger vortragen, dass es erst aufgrund des Berichtes der G möglich gewesen sei, eine Kausalität zwischen den mangelnden Brandschutzvorkehrungen und dem Schaden darzulegen, dürfte dies unzutreffend sein, zumal bereits mit der Klageschrift der Bericht der H vom 3.Oktober 2012 vorgelegt worden ist, aus dem sich diese Mängel ergeben. Das Gleiche gilt für den als Anlage K 2 überreichten U. Letztlich konnten die Kläger ihre Behauptungen auch durch Zeugen unter Beweis stellen und wäre das angerufene Gericht gehalten gewesen, über die Frage der Kausalität gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten, dieses wiederum gegebenenfalls auf der Basis der vorliegenden Unterlagen, erstellen zu lassen.
40Dass die Kläger sich in einer sehr schwierigen, vor allem auch psychisch extremen, der Kläger zu 3) zusätzlich in einer gesundheitlich problematischen Situation befanden, unterliegt keinem Zweifel. Es ist jedoch nicht genügend dargelegt, inwieweit sie hierdurch gehindert wurden, ihre Rechte wahrzunehmen, zumal gerade in der Organisation Q die Interessen der Opfers des Brandunglücks gebündelt und sachgerecht vertreten wurden.
41Weitere Menschenrechtsorganisationen nahmen sich der Rechte der Opfer an, so dass der Nachteil, der sich aus dem Ausmaß und der Auslandsberührung des Vorfalls ergeben, in gewissem Umfang hierdurch ausgeglichen wurde. Gerade weil das Unglück solch schlimme Ausmaße annahm, haben sowohl der Staat Pakistan als auch die genannten Opfer- bzw. Menschenrechtsorganisationen und gewerkschaftlichen Organisationen ihrerseits sich der Betroffenen angenommen. Auch wurde ihnen durch den Staat als auch durch die Beklagte frühzeitig finanzielle Hilfe zuteil. Nach alledem vermag auch der Senat nicht festzustellen, dass es für die Kläger, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich war, ihre Rechte, auch vor einem deutschen Gericht, innerhalb Jahresfrist, effektiv wahrzunehmen. Dass dies nicht geschah, lag offenbar nicht in den von den Klägern ins Feld geführten widrigen Umständen und Erschwernissen begründet, sondern darin, dass keine der beteiligten Organisationen die Frage der Verjährung geprüft hat oder aber einer der Kläger selbst dieser Frage, etwa durch Konsultation eines Anwalts, nachgegangen ist.
42Selbst wenn der Senat zu dem Verdikt käme, dass die einjährige Verjährungsfrist des Limitation Act im Falle des Todes oder der Verletzung einer Person in ihrer konkreten Anwendung mit deutschen Rechtsgedanken nicht vereinbar und das Ergebnis unerträglich wäre, würde dies nach den obigen Ausführungen nicht dazu führen, dass deutsches Verjährungsrecht anzuwenden wäre. Vielmehr müsste der Senat unter größtmöglicher Respektierung des ausländischen Rechts und Wahrung von dessen grundlegenden Entscheidungen die Lösung des Falls unter Anwendung anderer Vorschriften des Limitation Act suchen, was vorliegend dazu führen würde, Ziffer 36 des Limitation Act anzuwenden, der sich seinerseits ebenfalls mit Schadensersatzansprüchen aufgrund rechtswidriger Handlungen befasst und somit am Ehesten auf den vorliegenden Fall anwendbar erscheint. Aber auch diese zweijährige Verjährungsfrist wäre bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen gewesen.
43Gegen die Anwendung einer zweijährigen Verjährungsfrist, die nicht aufgrund von Unkenntnis anspruchsbegründender Tatsachen nicht eingehalten werden konnte, sondern aufgrund von Unkenntnis der einschlägigen Verjährungsvorschriften, hat der Senat allerdings keinerlei Bedenken unter dem Gesichtspunkt des deutschen ordre public.
44Auch der Umstand, dass nach den unangefochtenen Feststellungen des Rechtsgutachtens von Prof. P die Verjährung weder durch Verhandlungen der Parteien gehemmt werden kann noch ein rechtswirksamer Verzicht auf die Berücksichtigung der Verjährung nach pakistanischem Recht möglich ist, begründen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anwendung des Limitation Act, zumal dieser dafür andere Unterbrechungs- bzw. Hemmungstatbestände wie etwa das Anerkenntnis des in Anspruch Genommenen oder sein arglistiges Verhalten vorsieht. Die Kläger nehmen die Ausführungen des Landgerichts zu dem Fehlen eines Anerkenntnisses oder eines arglistigen Verhaltens der Beklagten zu Recht hin und greifen diese mit der Berufung nicht an. Der Senat hätte insoweit den zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung auch nichts hinzuzufügen.
45Es kann der Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, dass sie in Unkenntnis der pakistanischen Rechtslage einen unwirksamen Verzicht auf den Einwand der Verjährung erklärt hat. Letztlich wäre sie auch nach Ablauf des Jahres 2016 selbst nach deutschem Recht nicht mehr daran gehindert gewesen, die Verjährungseinrede zu erheben, zumal die Verjährung bereits vor Beginn des Prozesses eingetreten war und somit durch die Klage nicht mehr unterbrochen werden konnte.
46Soweit die Kläger eine Verletzung ihres Rechtes auf effektiven Zugang zu den Gerichten, Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG rügen, handelt es insoweit nur um einen Reflex der Verjährung ihrer Ansprüche und begründet keine selbständige Beschwer. Im Übrigen waren die Kläger nicht gehindert, die Frage der Verjährung vor Gericht prüfen zu lassen.