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Die Berufung des Klägers gegen das am 07.12.2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn (2 O 270/18) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2I.
3Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
4Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er vollständig seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Der Kläger macht unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags vor allem geltend, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses i.S. von § 17 Abs. 3 StVG verneint habe. Seine Tochter habe nicht gegen § 2 Abs. 2 StVO verstoßen, da es sachgerecht gewesen sei, im Anschluss an die Vorbeifahrt an dem ersten rechtsseitig parkenden PKW nicht wieder rechts einzuscheren. Seine Tochter habe auf die Achtung ihres Vorfahrtsrechts durch den Beklagten zu 1) vertrauen dürfen. Zudem schütze das Rechtsfahrgebot nicht den Quer- oder Abbiegeverkehr. Die höhere Masse des klägerischen Fahrzeugs führe nicht zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr, da sie sich im konkreten Fall nicht ausgewirkt habe. Gleiches gelte für die zulässig von seiner Tochter gefahrene höhere Geschwindigkeit im Verhältnis zu dem vom Beklagten zu 1 gesteuerten Mofa. Des weiteren sei das Landgericht rechtsfehlerhaft von einer Kostenpauschale in Höhe von lediglich 25,00 € ausgegangen. Dies werde den aktuellen Kostenverhältnissen nicht mehr gerecht.
5Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 17.12.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Paderborn, Az. 2 O 270/18
61. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 5.343,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2018 zu zahlen, abzüglich am 14.08.2018 gezahlter 3.343,49 €;
72. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm jeden weiteren zukünftigen Schaden im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfallereignis vom 00.04.2018 in M, zu erstatten;
83. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von ihm entstandenen anrechnungsfreien vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten, der O Rechtsanwälte PartG mbH, M, in Höhe von 103,30 € freizustellen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Berufung zurückzuweisen
11Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
12Die Akte 18 Js 532/18 StA Paderborn lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
13II.
14Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend eine Mithaftung des Klägers von 25 % angenommen und auf dieser Basis den Verkehrsunfall zutreffend abgerechnet.
151.
16Die Klage ist wirksam erhoben worden, auch wenn die ursprüngliche Klageschrift dem damals 15-jährigen Beklagten zu 1) und nicht seiner gesetzlichen Vertreterin zugestellt worden ist. Der Beklagte zu 1) war zum Zustellungszeitpunkt minderjährig, §§ 2, 106 BGB. Der zu diesem Zeitpunkt folglich beschränkt geschäftsfähige Beklagte zu 1) (§ 107 BGB) war damit prozessunfähig, §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 ZPO. Die Zustellung konnte nur wirksam an die gesetzliche Vertreterin erfolgen, § 170 ZPO. Da die gesetzliche Vertreterin des Beklagten zu 1) die Klageschrift aber erhalten hat, ist der ursprüngliche Zustellungsmangel gem. § 189 ZPO geheilt worden.
172.
18Der Kläger hat nur einen Anspruch auf Ersatz von 75 % des bei ihm entstandenen Schadens gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner gem. §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1, 17 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 und 4 VVG und nicht i.H. von 100 %.
19a.
20Sowohl die Beklagten als auch der Kläger haften grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens. Die Unfallschäden sind jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden. Sie sind auch nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen und der Unfall stellte sich für keinen der beteiligten Fahrer als ein unabwendbares Ereignis i.S. von § 17 Abs. 3 StVG da.
21Ein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG liegt vor, wenn das schadensstiftende Ereignis auch bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGH, Urteil v. 17.03.1992, VI ZR 62/91 – BGHZ 117, 332). Der Fahrer muss sich wie ein Idealfahrer verhalten haben. Dazu muss zum einen das Verhalten des Fahrers in der Gefahrensituation selbst sachgemäß, geistesgegenwärtig und erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinausgehend gewesen sein. Zum anderen muss der Idealfahrer sein Fahrverhalten von vornherein darauf eingestellt haben, das Entstehen solcher Gefahrensituationen nach Möglichkeit bereits im Vorfeld zu vermeiden. Der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr – nunmehr zu spät – „ideal“ verhält (BGH, a.a.O.).
22Die Beklagten machen eine Unabwendbarkeit für den nicht vorfahrtsberechtigten Beklagten zu 1) schon zu Recht nicht geltend.
23Ein Idealfahrer an Stelle der Tochter des Klägers wäre nicht in die konkrete Gefahrensituation geraten. Ein Idealfahrer hätte bei Beachtung der äußersten Sorgfalt die Gegenfahrbahn in Annäherung an eine Straßeneinmündung, bei der für den einbiegenden Verkehr eine erhebliche Sichtbehinderung besteht, nicht in nahezu voller Breite genutzt. Er hätte sich nach dem Vorbeifahren an dem ersten geparkten PKW zumindest so weit nach rechts orientiert, dass ein Zweiradfahrer genügend Platz zum Einbiegen gehabt hätte. Es ist mithin nicht bewiesen, dass sich die Kollision bei der möglichen und von einem Idealfahrer vorgenommenen Orientierung nach rechts auch ereignet hätte. Aus der beigezogen Strafakte ergibt sich demgegenüber, dass die Tochter des Klägers so weit links gefahren ist, dass der Zusammenstoß mit dem vom Beklagten zu 1) gefahrenen Mofa nur in ca. 50 cm Abstand zum aus Sicht der Tochter des Klägers linken Fahrbahnrand erfolgte (vgl. Bl. 5 BA).
24b.
25Da beide Parteien hier den Unabwendbarkeitsbeweis gem. § 17 Abs. 3 StVG nicht führen können, hängt gem. § 17 Abs. 2, 1 StVG der Umfang der Haftung von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist dabei insbesondere, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei einem Verkehrsunfall zwischen zwei KFZ verschmelzen die Verantwortungsbeiträge von Halter und Führer auf der einen sowie auf der anderen Seite zu einem einheitlichen Verantwortungsbeitrag (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2005, VI ZR 68/04 – juris).
26Die Abwägung ist dabei aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder gem. § 286 ZPO bewiesenen, Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, soweit diese sich nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2016, VI ZR 32/16 - NJW 2017, 1177 Rn. 8 m.w.N.; Senat, Beschluss v. 21.12.2017, I-7 U 39/17 – NJW-RR 2018, 474).
27aa.
28Neben der Betriebsgefahr des von dem Beklagten zu 1) gesteuerten Mofas ist ein Vorfahrtsverstoß des Beklagten zu 1) gem. § 8 Abs. 1 StVO zu berücksichtigen. Da sich die Kollision zwar auf der Vorfahrtsstraße, aber im Zuge des Abbiegens ereignete, handelte es sich nicht um einen Unfall im Begegnungsverkehr.
29Die Zeugin N, die für den Beklagten zu 1) von rechts kam, war ihm gegenüber vorfahrtsberechtigt. Da keine der Straßen als Vorfahrtsstraße gekennzeichnet war, galt die Regel „rechts vor links“ (§ 8 Abs. 1 S. 1 StVO). Das Vorfahrtsrecht des klägerischen Fahrzeugs erstreckte sich dabei auf die gesamte Breite der Fahrbahn, und die Zeugin N verlor es nicht dadurch, dass sie auf der linken Fahrbahnseite fuhr (vgl. BGH, Urteil v. 19.09.1974, III ZR 73/72 – VersR 1975, 37; KG, Urteil vom 15.01.2996, 12 U 304/95 – juris; OLG Köln, Urteil v. 13.08.1997, 27 U 30/97 – VersR 1998, 1044; LG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.1993, 20 S 38/93 – DAR 1994, 159; LG Essen, Urteil vom 28.02.2013, 10 S 358/12 – Schaden-Praxis 2013, 285; BHHJ/Heß, Straßenverkehrsrecht, § 8 StVO Rn. 4).
30Ein Wartepflichtiger, der nach rechts in eine Vorfahrtsstraße einbiegen will, darf grundsätzlich nur dann davon ausgehen, er werde keinen der vorfahrtsberechtigten Fahrer in der Weiterfahrt behindern, wenn beim Beginn des Einbiegens sich nicht nur von links keine Fahrzeuge nähern, sondern auch die für ihn rechte Straßenseite frei ist und keine Anzeichen dafür sprechen, dass eines der sich auf der bevorrechtigten Straße von rechts nähernden Fahrzeuge die Fahrbahnseite wechseln werde (vgl. BGH, Urteil vom 15.06.1982, VI ZR 119/81 – VersR 1982, 903; BGH Urteil vom 26.09.1995, VI ZR 151/94 – VersR 1995, 1460) .
31Der Beklagte zu 1) hat nach eigenen Angaben nicht aus seiner Sicht nach rechts geschaut, sondern ausschließlich nach links. Er ist mithin quasi „blind“ nach rechts abgebogen, ohne das Vorfahrtsrecht der Zeugin N zu beachten. Er konnte die Fahrbahn nach rechts wegen der Heckenbepflanzung auch nicht problemlos einsehen. Er hätte daher anhalten und sich zur Sichtlinie vortasten müssen. Im Hinblick auf die Enge der von der Zeugin N befahrenen Vorfahrtsstraße, die keine Mitteillinie enthält, durfte der Beklagte zu 1) nicht darauf vertrauen, dass die Fahrspur der bevorrechtigten Straße, auf die er einfahren wollte, frei war und auch frei bleiben werde. Auch als Mofafahrer durfte er nicht darauf vertrauen, dass er, ohne den Gegenverkehr zu behindern oder zu gefährden, in die vorfahrtsberechtigte Straße werde einfahren können.
32Dieser Vorfahrtsverstoß des Beklagten zu 1) ist deswegen erheblich, weil der Beklagte zu 1) nach eigenen Angaben überhaupt nicht nach rechts geschaut hat, sondern sich ausschließlich nach links orientiert hat.
33Den gebotenen Sorgfaltsanforderungen ist der Beklagte zu 1), der im Unfallzeitpunkt das 15. Lebensjahr vollendet hatte und dessen Einsichtsfähigkeit gem. § 828 Abs. 3 BGB zu vermuten ist, schuldhaft nicht gerecht geworden.
34Insoweit gelten im Straßenverkehr für einen minderjährigen Mofa-Fahrer nicht etwa geringere Sorgfaltsanforderungen. Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf zwar gem. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FeV keiner Fahrerlaubnis, wenn es sich – wie hier – um einspurige Fahrräder mit Hilfsmotor handelt, deren Bauart Gewähr dafür bietet, dass die Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn nicht mehr als 25 km/h beträgt, sog. Mofas. Der Führer eines Mofas muss aber in einer Prüfung nachgewiesen haben, dass er ausreichende Kenntnisse der für das Führen eines Kraftfahrzeugs maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FEV) und mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FEV). Da der Beklagte zu 1) ausweislich der Verkehrsunfallanzeige Inhaber einer entsprechenden Prüfbescheinigung war (Bl. 2 BA), ist davon auszugehen, dass er vor dem Verkehrsunfall die theoretische Ausbildung mit dem Ziel, verkehrsgerechtes und rücksichtsvolles Verhalten im Straßenverkehr zu erreichen und das Entstehen verkehrsgefährdender Verhaltensweisen zu verhindern, durchlaufen hat (ebenso OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.08.2017, 4 U 156/16 – NJW 2018, 315)
35bb.
36In die Abwägung ist nur eine erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen PKW einzustellen, nicht aber ein schuldhaftes Verhalten der Tochter des Klägers.
37(I)
38Die von der Tochter des Klägers gefahrene im Verhältnis zum vom Beklagten zu 1) gefahrenen Mofa höhere Geschwindigkeit führt nicht zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr. Denn diese Geschwindigkeit hat sich nicht unfallursächlich ausgewirkt. Dass die Tochter des Klägers schneller als die zulässigen 30 km/h gefahren wäre und somit § 3 Abs.1 S. 1 StVO verletzt hätte, haben die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten schon nicht vorgetragen.
39Auch die im Verhältnis zum Mofa höhere Masse des klägerischen PKW führt nicht zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr, da auch insoweit eine Kausalität für das Unfallgeschehen nicht ersichtlich ist.
40(II)
41Auf Seiten des Klägers ist auch kein Verstoß der Zeugin N gegen § 2 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen.
42Die Tochter des Klägers hat zwar die linke Fahrbahnhälfte benutzt, obwohl die Benutzung der rechten Fahrbahnhälfte möglich gewesen wäre. Das Rechtsfahrgebot fordert aber nicht, parkende Fahrzeuge in Schlangenlinien zu überholen (BHHJ/Heß, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVO Rn. 32, 34; Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, § 2 Rn. 35).
43Entscheidend ist, dass § 2 Abs. 2 StVO nach ganz h.M. nur den erlaubten Gegen- und Überholverkehr, nicht aber Abbieger- und Kreuzungsverkehr schützt (vgl. nur BGH, Urteil v. 25.09.1990, VI ZR 19/90 – VersR 1990, 1366 Rn. 7 m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 18.06.1997, 13 U 10/97 – VersR 1998, 1260; OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.03.2018, 4 U56/17 – RuS 2018, 492; OLG Köln, Urteil v. 11.10.2002, 3 U 26/02 – VersR 2003, 219; LG Saarbrücken, Urteil vom 29.04.2016, 13 S 3/16 – juris; BHHJ/Heß, Straßenverkehrsrecht, § 2 StVO Rn. 30; m.w.N).
44(III)
45Die Tochter des Klägers hat auch nicht gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Auch als Vorfahrtsberechtigte hatte sie die Grundregel des § 1 StVO zur gegenseitigen Rücksichtnahme zu beachten. Insoweit ist anerkannt, dass auch einen Vorfahrtsberechtigten ein Mitverschulden an einem Unfall trifft, der dadurch herbeigeführt wird, dass ein aus einer Einmündung kommender Wartepflichtiger sein Vorfahrtsrecht missachtet, wenn sich der Wartepflichtige wegen schlechter Einsichtsmöglichkeiten in die Vorfahrtsstraße so verhält, dass für einen aufmerksamen Verkehrsteilnehmer mit einer Missachtung der Vorfahrt zu rechnen ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.02.1997, 19 U 113/96 – juris). Dies entspricht der Rechtsprechung zum sog. Vertrauensgrundsatz. Hiernach darf sich ein Vorfahrtsberechtigter grundsätzlich auf die Wahrung seines Vorfahrtsrechts verlassen. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass die besondere örtliche Verkehrslage Anhaltspunkte dafür gibt, an der Beachtung der Vorfahrt durch Andere zu zweifeln (BGH, Urteil v. 21.05.1985, VI ZR 201/83 - juris).
46Vorliegend gab es für die Tochter des Klägers – bis auf die unübersichtliche Einmündung – aber keinen Anlass dafür, dass ihr Vorfahrtsrecht von einem Einfahrenden nicht gewahrt werden würde. Sie musste zwar damit rechnen, dass sich ein Fahrer eines aus der Gstraße 0-00 kommenden Fahrzeuges vorsichtig in die Kreuzung hineintastet (vgl. § 8 Abs. 3 S. 3 StVO). Dass sie auf ein solches vorsichtiges Hineintasten nicht hätte reagieren können, ist aber nicht ersichtlich. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach der die Sicht beeinträchtigenden Heckenbepflanzung noch ein (schmaler) Bürgersteig folgt, sodass eine Sicht des Beklagten zu 1) bei dem gebotenen Hineintasten möglich gewesen wäre und ein solches sich in die Einmündung hineintastendes Fahrzeug für die Tochter des Klägers auch wahrnehmbar gewesen wäre.
47(IV)
48Die Betriebsgefahr des klägerischen PKW war aber durch die – erlaubte – Fahrweise der Zeugin N erhöht.
49Auch wenn das Rechtsfahrgebot grundsätzlich nur dem Schutz des gleichgerichteten Verkehrs dient, schließt das nicht aus, dass sich durch die Benutzung der linken Fahrbahnseite die Betriebsgefahr eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges erhöht und allein dadurch zur Mithaftung führt. Denn erlaubtes Tun kann eine erhöhte Betriebsgefahr gegenüber der normalen Gefahr des Betriebes des Kraftfahrzeuges nicht ausschließen. Die Erhöhung der Betriebsgefahr muss nicht durch unerlaubtes Verhalten des Fahrzeugführers verursacht sein. Denn das Verschulden ist nur ein Faktor im Rahmen der Abwägung.
50Die die normale Gefahr erhöhenden Umstände sind solche, in denen sich das Gefahrenpotential des Kraftfahrzeuges aktualisiert, wobei alle Gefahrenmomente des Betriebes zu berücksichtigen sind, die die Unfallfolgen nähergerückt haben, nicht nur diejenigen, die den Unfall ausgelöst haben. Da die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges in der Gesamtheit der Umstände besteht, welche - durch die Eigenart des Kraftfahrzeuges und seines Betriebes begründet - Gefahr in den Verkehr tragen, hat die Zeugin N durch das Nichteinhalten des rechten Bereiches der Fahrbahnseite die bereits latent gegebene Betriebsgefahr des von ihr geführten Kraftfahrzeuges in der konkreten Fahrsituation erhöht.
51Dass schon das Befahren der linken Fahrbahnhälfte - auch wenn sich das Vorrecht auf die gesamte Fahrbahnbreite erstreckt - die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges erhöht und im Falle der Unfallursächlichkeit dieses Umstandes zur Mithaftung führt, entspricht ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. KG, Beschluss v. 28.12.2006, 12 U 47/06 – juris Rn. 28 m.w.N.; OLG Köln, Urteil v. 19.06.1991, 2 U 1/91 – VersR 1992, 719; OLG Köln Urteil v. 13.08.1997, 27 U 30/97 – VerS 1998, 1044; OLG Oldenburg, Urteil v. 04.03.2002, 15 U 63/01 - juris).
52cc.
53Bei der Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge ist das Landgericht im Ergebnis zutreffend von einer Mithaftung des Klägers i.H. von 25 % ausgegangen. In Rechtsprechung und Literatur ist es anerkannt, dass eine erhöhte Betriebsgefahr nicht hinter einem Vorfahrtsverstoß zurücktritt (vgl. KG, Beschluss v. 28.12.2006, 12 U 47/06 – juris Rn. 28 m.w.N.; OLG Köln, Urteil v. 19.06.1991, 2 U 1/91 – VersR 1992, 719; OLG Köln Urteil v. 13.08.1997, 27 U 30/97 – VersR 1998, 1044; OLG Oldenburg, Urteil v. 04.03.2002, 15 U 63/01 - juris).
544.
55Die Abrechnung des Schadens durch das Landgericht auf der Basis einer Mithaftung i.H. von 25 % erfolgte nicht zu Lasten des Klägers. Das Landgericht ist nur bei der Kostenpauschale von der Berechnung des Klägers abgewichen. Die vom Landgericht angesetzte Kostenpauschale i.H. von 25 € entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung.
565.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.