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Ein Ablehnungsgesuch gegen den amtierenden Richter ist wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig, wenn durch die Ablehnung das Verfahren offensichtlich nur verschleppt werden soll oder mit ihr nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen. Dies ist dann der Fall, wenn mit der Ablehnung eine Terminsaufhebung oder -verlegung erreicht werden soll, welche der Richter im Hinblick auf das für Kindschaftssachen geltende Vorrang- und Beschleunigungsgebot zu Recht abgelehnt hat.
Im Falle eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsantrages darf der amtierende Richter ausnahmsweise selbst über den Antrag entscheiden; auch die sonst einzuhaltende Wartezeit gilt in diesem Falle nicht.
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Kindeseltern auferlegt.
Der Verfahrenswert für die sofortige Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Durch das Jugendamt ist mit Schreiben an das Familiengericht vom 20.12.2018 eine Gefährdungsmitteilung zu den betroffenen Kindern gemäß § 8a SGB VIII erfolgt, was zur Einleitung des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens wegen möglicher Kindeswohlgefährdung geführt hat. Mit gerichtlicher Verfügung des Familiengerichts vom 27.12.2018 ist Termin zur Erörterung für den 14.01.2019, 10.30 Uhr beim Amtsgericht Siegen anberaumt worden.
4Mit Schriftsatz vom 30.12.2018 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Kindeseltern u. a. die Verlegung des Termins vom 14.01.2019 mit der Begründung beantragt, dass beim Amtsgericht Kerpen bereits ein (einen anderen Mandanten betreffenden) schon seit längerer Zeit anberaumter Termin am 14.1.2019 um 10.20 Uhr stattfinde. Um welche Art von Verfahren es sich hierbei handelt, ist von ihm zunächst nicht mitgeteilt worden. Hierauf hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 07.01.2019 den Hinweis erteilt, dass gemäß § 155 Abs. 1 FamFG das Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen gelte. Eine Verlegung eines Termins sei nur aus zwingenden Gründen möglich, wobei eine Terminskollision des Anwalts kein solcher sei. Der Anwalt müsse dann in dem terminlich kollidierenden anderen Verfahren eine Terminsverlegung beantragen, dem das andere Gericht nachzukommen verpflichtet sei, außer es handele sich ebenfalls um ein Verfahren, das den Beschleunigungsvoraussetzungen des § 155 Abs. 1 FamFG unterliege. Dies sei glaubhaft zu machen. Daher sei dem Verlegungsgesuch nicht stattzugeben.
5Mit Schriftsatz vom 09.01.2019 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Kindeseltern mitgeteilt, einen entsprechenden Hinweis habe er früher schon einmal in einer anderen Sache durch denselben Richter des Amtsgerichts Kerpen erhalten, so dass davon auszugehen sei, dass dort einem nunmehr gestellten Terminsverlegungsgesuch ebenfalls nicht entsprochen werde. Das Verfahren beim Amtsgericht Kerpen betreffe Kindesunterhalt. Im Übrigen solle der Termin im vorliegenden Verfahren auch bis zu einer Entscheidung über das gestellte Verfahrenskostenhilfegesuch verschoben werden.
6Durch Beschluss vom 10.01.2019, der am selben Tag noch durch die Serviceeinheit an die Kanzlei gefaxt worden ist, ist den Kindeseltern unter Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei K antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden.
7Mit Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 12.01.2019 ist die zuständige Richterin am Amtsgericht H-B wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Amtsgericht vorliegend den Verlegungsantrag trotz der mitgeteilten Terminskollision zurückgewiesen habe. Damit seien die Rechte der Kindeseltern verkürzt worden, da sie keinen Einfluss auf die Terminsvergabe des Amtsgerichts Kerpen hätten und zudem davon hätten ausgehen können, dass einem Verlegungsantrag mindestens einmal stattgegeben werde.
8Zu dem anberaumten Anhörungstermin vom 14.1.2019 sind zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts und der Verfahrensbeistand erschienen, nicht aber die Kindeseltern und ihr Verfahrensbevollmächtigter. Es ist zunächst der angefochtene Beschluss vom gleichen Tage bekanntgegeben worden, durch den die amtierende Richterin das Ablehnungsgesuch als unzulässig zurückgewiesen hat. Sodann ist mit den Anwesenden die Sache erörtert worden; am Ende der Sitzung ist der Beschluss ergangen, dass eine weitere Beschlussfassung von Amts wegen erfolge.
9In dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht zur Begründung ausgeführt, dass eine Partei einen Richter gemäß §§ 6 Abs. 1 FamFG, 43 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen könne, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt habe. Darüber hinaus sei der vorliegende Ablehnungsantrag rechtsmissbräuchlich. Rechtsmissbräuchlich sei das Ablehnungsgesuch dann, wenn durch die Ablehnung das Verfahren offensichtlich nur verzögert oder mit ihm verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollten. Das Amtsgericht habe die beantragte Terminsverlegung unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot und im Hinblick darauf, dass zwingende Gründe bislang nicht glaubhaft gemacht worden seien, nicht vorgenommen. Es sei davon auszugehen, dass durch das Befangenheitsgesuch die Aufhebung des Termins vom 14.01.2019 habe erzwungen werden sollen, statt eine Verlegung des Termins beim Amtsgericht Kerpen zu bewirken, die Terminsverlegungsgründe glaubhaft zu machen oder den Kindeseltern nahezulegen, sich einen anderen Verfahrensbevollmächtigten zu suchen. In aller Regel könne der wegen Befangenheit abgelehnte Richter zwar nicht selbst die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch treffen; eine Ausnahme sei jedoch dann zu machen, wenn das Ablehnungsgesuch unzulässig und/oder rechtsmissbräuchlich sei. Vorliegend sei auch zu beachten, dass bei einer Entscheidung über den Befangenheitsantrag durch einen anderen Richter das Ziel, eine Verlegung des Termins zu erwirken, gerade erreicht worden wäre. Nur ergänzend sei zu erwähnen, dass abgesehen von fehlender Glaubhaftmachung sowohl des Terminsverlegungsgesuchs als auch des Bestehens zwingender Terminsverlegungsgründe auch das Befangenheitsgesuch nicht glaubhaft gemacht worden und darüber hinaus nicht durch die Kindeseltern selbst gestellt worden sei. Das Ablehnungsgesuch habe jedoch gemäß §§ 6 Abs. 1 FamFG, 43 ZPO durch die Partei zu erfolgen.
10Gegen diesen Beschluss ist durch den Verfahrensbevollmächtigten der Kindeseltern mit Schriftsatz vom 17.1.2019 – am gleichen Tag beim Amtsgericht eingegangen – sofortige Beschwerde erhoben worden mit der Begründung, dass das Amtsgericht sofort davon unterrichtet worden sei, dass der Verfahrensbevollmächtigte einen kollidierenden Termin beim Amtsgericht Kerpen in einer Familiensache habe, weshalb um Terminsverschiebung gebeten worden sei. Die Zurückweisung dieses Antrags sei völlig unverständlich. Es werde um Aufklärung gebeten, wie die Verhandlung vom 14.1.2019 durchgeführt worden sei.
11Mit Beschluss vom 18./21.1.2018 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit der Begründung, dass der Befangenheitsantrag bereits unzulässig gewesen sei.
12II.
13Die sofortige Beschwerde ist §§ 6 Abs. 2 FamFG, 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
141.
15Allerdings ist das Ablehnungsgesuch des Verfahrensbevollmächtigten dahin auszulegen, dass dieses nicht für den Verfahrensbevollmächtigten selbst, sondern für die von ihm gem. § 10 Abs. 2 FamFG wirksam vertretenen Kindeseltern gestellt wird, zumal der Verfahrensbevollmächtigte kein selbstständiges Antragsrecht aus eigener Person hat (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 42 Rn. 2).
162.
17Jedoch ist dem Amtsgericht darin zu folgen, dass das Ablehnungsgesuch wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist. Dies ist in entsprechender Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO dann der Fall, wenn durch die Ablehnung das Verfahren offensichtlich nur verschleppt oder mit ihr nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 42 Rn. 6; BVerfG NJW 2007, 3771, 3772 f.; KG FamRZ 1986, 1022 f.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend zu bejahen:
18a)
19Die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags durch die amtierende Richterin war in keiner Weise geeignet, gem. § 42 Abs. 2 ZPO Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen und damit eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, sondern stellte sich im Gegenteil als allein zutreffende Entscheidung dar. In einer Kindschaftssache der in § 155 Abs. 1 FamFG bezeichneten Art, um die es sich hier handelt, ist in diesem Zusammenhang das in der fraglichen Vorschrift geregelte Vorrang- und Beschleunigungsgebot zu beachten, welches in § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG seine Ausprägung darin findet, dass der Termin spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll und eine Verlegung gem. S. 4 der Vorschrift – insoweit über § 32 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO, wonach ein erheblicher Grund erforderlich ist, hinausgehend – nur aus zwingenden Gründen zulässig ist, die nach S. 5 der Vorschrift mit dem Verlegungsgesuch glaubhaft zu machen sind. Kein zwingender Grund ist das Vorliegen einer Terminskollision für den Verfahrensbevollmächtigten, sofern es sich nicht ebenfalls um eine der in § 155 Abs. 1 FamFG aufgeführten Angelegenheiten handelt; vielmehr hat der Verfahrensbevollmächtigte dann in der anderen Sache einen Verlegungsantrag zu stellen, dem das andere Gericht wegen des Vorrangs der Kindschaftssache stattzugeben hat (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 19. Aufl., § 155 Rn. 10 m.w.N.). Vorliegend ist vor dem Amtsgericht Kerpen ein Verfahren betr. Kindesunterhalt, also eine Familienstreitsache und keine Kindschaftssache anhängig, so dass der Verfahrensbevollmächtigte dort und nicht im vorliegenden Verfahren einen Verlegungsantrag hätte stellen müssen.
20b)
21Vor diesem Hintergrund ist nach den gesamten Umständen entsprechend der Wertung des Amtsgerichts davon auszugehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Kindeseltern den Ablehnungsantrag gegen die amtierende Richterin nicht aus sachlichen Gründen gestellt hat – wegen tatsächlicher Besorgnis der Befangenheit -, sondern weil er auf diesem Wege eine Aufhebung oder Verlegung des ihm nicht passenden Termins vom 14.1.2019 durchsetzen wollte; er rechnete ersichtlich damit – wie sich auch aus seiner Beschwerde vom 17.1.2019 ergibt -, dass die Richterin den Verhandlungstermin dann nicht würde durchführen können. Hieraus folgt, dass der Befangenheitsantrag zur Verfolgung verfahrensfremder Zwecke und damit rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist.
22c)
23Im Falle eines rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsantrages durfte die amtierende Richterin – abweichend von § 6 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 45 Abs. 2 S. 1 ZPO – ausnahmsweise selbst über den Antrag entscheiden, so dass hierin kein weiterer Ablehnungsgrund zu sehen ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 45 Rn. 4 m.w.N. und § 47 Rn. 2; KG FamRZ 1986, 1022 f.;). Auch die Wartezeit gem. § 47 ZPO gilt nicht (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl., § 6 Rn. 59; OLG Köln NJW-RR 2000, 591 Rz. 5); anderenfalls hätte der zur Verfolgung verfahrensfremder Zwecke gestellte Ablehnungsantrag in vielen Fällen letztlich doch wieder die eigentlich vom Antragsteller gewünschte Wirkung.
243.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
26Rechtsbehelfsbelehrung:
27Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung findet nicht statt.