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Zur Zuständigkeit des Mahngerichts für die Kostenfestsetzung in Bezug auf ein Beschwerdeverfahren, das gegen einen im Mahnverfahren erlassenen Berichtigungsbeschluss geführt wurde. Verweist das Mahngericht das Kostenfestsetzungsverfahren an das Prozessgericht, das für die Durchführung der Streitverfahren zuständig gewesen wäre, kann die Verweisung unverbindlich sein, wenn das Mahngericht die eigene Zuständigkeit für die Kostenfestsetzung grundsätzlich verkannt hat.
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Hagen.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Zahlung rückständiger Mitgliedsbeiträge aus einem Fitnessstudiovertrag in Höhe von 496,57 € in Anspruch.
41.
5Die Antragstellerin hat den Nachnamen des Antragsgegners im Mahnantrag fälschlicherweise mit „U“ statt mit „V“ bezeichnet. Unter dieser Bezeichnung sind ihm Mahn- und Vollstreckungsbescheid zugestellt worden. Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid hat er nicht eingelegt. Eine Abgabe an das im Mahnantrag bezeichnete Prozessgericht, das Amtsgericht Lingen, ist nicht erfolgt.
62.
7Mit Schriftsatz vom 24.02.2015 hat die Antragstellerin eine Berichtigung der Namensbezeichnung des Antragsgegners beantragt (Bl. 12 d.A.). Dem ist das Amtsgericht Hagen mit Beschluss vom 21.10.2015 gefolgt (Bl. 28, 28R d.A.).
8Dagegen hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 09.11.2015 sofortige Beschwerde erhoben (Bl. 35 f. d.A.). Diese ist vom Landgericht Hagen mit Beschluss vom 06.05.2016 zurückgewiesen worden (Bl. 67 ff. d.A.). Bei der Bezeichnung des Antragsgegners im Mahnantrag handle es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO. Nach dem Akteninhalt stehe zweifelsfrei fest, dass es sich beim Schuldner der geltend gemachten Forderung um den Antragsgegner handle.
93.
10Auf Antrag des Antragstellerin hat das Landgericht Hagen den Streitwert des Beschwerdeverfahrens mit Beschluss vom 07.06.2016 auf bis zu 500,- € festgesetzt (Bl. 80 f. d.A.). Die Antragstellerin hat daraufhin die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale in Höhe von27,- € beantragt (Bl. 86 d.A.).
11Mit Verfügung vom 19.08.2019 hat das Amtsgericht Hagen die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass für die Kostenfestsetzung das fiktive Prozessgericht zuständig sei, also das Amtsgericht Lingen (Bl. 96 d.A.).
12Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 04.09.2016 um Abgabe an das Amtsgericht Lingen gebeten (Bl. 97 d.A.).
134.
14Mit Beschluss vom 14.10.2019 hat sich das Amtsgericht Hagen für örtlich unzuständig erklärt und die Sache zur Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag an das Amtsgericht Lingen verwiesen (Bl. 103, 103 R d.A.).
15Das Amtsgericht Lingen hat sich daraufhin seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren mit Beschluss vom 24.10.2019 an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen (Bl. 105, 105R d.A.). Es gehe nicht um Kosten des Mahnverfahrens, sondern solche des Beschwerdeverfahrens, die der Antragsgegner gegen die Rubrumsberichtigung gem. § 319 Abs. 1 ZPO angestrengt habe. Dabei handle es sich um ein eigenständiges Verfahren, das mit dem Mahnverfahren unmittelbar nichts zu tun habe. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Lingen ergebe sich auch nicht aus dem Verweisungsbeschluss, da das Amtsgericht Hagen seine Zuständigkeit schon vor Mitteilung des Kostenfestsetzungsantrags an den Antragsgegner verneint habe. In diesem Verfahrensstadium sei keine Verweisung, sondern nur eine Abgabe möglich, die nicht bindend sei.
16Das Amtsgericht Hagen die Akte daraufhin dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO vorgelegt (Bl. 107 d.A.).
17Mit Verfügung vom 26.11.2019 hat der Senat die Parteien zu den aus ihrer Sicht maßgeblichen Frage für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO angehört (Bl. 109 d.A.).
18Binnen der ihnen dafür gesetzten Frist sind keine Stellungnahmen eingegangen.
19II.
20Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
211.
22Die Amtsgerichte Hagen und Lingen haben sich jeweils im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht Hagen hat sich mit Beschluss vom 14.10.2018, über dessen Inhalt die Antragstellerin benachrichtigt worden ist, für unzuständig erklärt und hat die Akte anschließend an das Amtsgericht Lingen übersandt. Dieses hat seinerseits am 24.10.2019 einen Beschluss gefasst, in dem es sich für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen hat. Auch dieser Beschluss ist den Parteien im weiteren Verlauf des Verfahrens bekanntgegeben worden. Bei dieser Sachlage besteht aus ihrer Sicht kein Zweifel, dass sich keines der beiden Amtsgerichte mit dem Kostenfestsetzungsantrag der Antragstellerin vom 04.09.2019 inhaltlich befassen will, so dass Raum ist für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.
232.
24Da die beiden Amtsgerichte in unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken liegen und das Amtsgericht Hagen zuerst mit der Sache befasst war, ist das ihm übergeordnete Oberlandesgericht Hamm zu der Gerichtsstandbestimmung berufen (§ 36 Abs. 2 ZPO).
253.
26Das Amtsgericht Hagen ist als Mahngericht für die Kostenfestsetzung zuständig.
27a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ist das Mahngericht auch für die nachträgliche Titulierung der für die Durchführung des Mahnverfahrens und den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids angefallenen Rechtsanwaltskosten zuständig (Beschl. v. 25.02.2009 – Xa ARZ 197/08 – juris, Rn. 11 f). Nach § 699 Abs. 3 S. 1 ZPO sind die bisher entstandenen Kosten des Verfahrens in den Vollstreckungsbescheid aufzunehmen. Hierzu zählen alle im gesamten Mahnverfahren angefallenen Kosten. Sinn und Zweck der Regelung sprechen ebenfalls für eine umfassende Zuständigkeit des Mahngerichts zur Titulierung von Verfahrenskosten. Mit dem Mahnverfahren soll dem Gläubiger einer Geldforderung ein vereinfachtes Verfahren zur schnellen Erlangung eines Vollstreckungstitels nicht nur über seine Forderung, sondern auch über die ihm erwachsenen Kosten und Auslagen zur Verfügung gestellt werden, um eine gesonderte Geltendmachung überflüssig zu machen. Diesem Zweck des Mahnverfahrens würde es nicht gerecht, wenn der Antragsteller zur nachträglichen Geltendmachung von Kosten auf das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO vor dem Prozessgericht verwiesen würde oder gar gezwungen wäre, Klage zu erheben oder ein neues Mahnverfahren zu betreiben. Für die Zuständigkeit des Mahngerichts sprechen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zudem Gründe der Zweckmäßigkeit und der Verfahrensökonomie, da das Mahngericht, wenn ein Widerspruch oder Einspruch nicht eingelegt worden ist, das einzige mit der Sache befasste Gericht ist und nur bei diesem Gericht, bei dem sich die Akten befinden, ohne größeren Aufwand geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für die Titulierung der nachträglich angemeldeten Kosten vorliegen (a.a.O., Rn. 12).
28b) Gemessen an diesen Maßstäben hätte das Amtsgericht Hagen als Mahngericht die Kostenfestsetzung betreiben müssen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grund für die Entstehung der Kosten, um die es im vorliegenden Fall geht. Denn zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gehören auch diejenigen, die durch Entscheidungen über Anträge nach §§ 317 bis 319 ZPO entstanden sind, und zwar bezogen auf alle Rechtszüge, also auch im Beschwerdeverfahren nach §§ 319 Abs. 3, 567 ff. ZPO (vgl. nur Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 91 Rn. 6 m.w.N.). Demnach vermag der Senat keinen Grund zu erkennen, warum die geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG zzgl. einer Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG für ein gegen einen Berichtigungsbeschluss geführtes Beschwerdeverfahren anders zu behandeln sein sollen als die Rechtsanwaltskosten, die für die Durchführung des Mahnverfahrens und den Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids entstanden sind, über die der Bundesgerichtshof in dem vorstehend unter a) zitierten Beschluss zu entscheiden hatte (siehe dort, unter Rn. 1).
294.
30Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Lingen ergibt sich dagegen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, auch nicht auf Grund des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Hagen vom 14.10.2019.
31a) Zwar findet § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO über die Verweisungsnorm in § 495 ZPO im Mahnverfahren entsprechende Anwendung, und zwar auch im Verfahren vor dem Mahngericht, wenn es nach Erlass eines Mahn- und Vollstreckungsbescheids nicht zur Abgabe an das Streitgericht kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 07.10.1977 – I ARZ 494/77 – RPfl 1978, 321; Prütting, in: Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 1, 5. Aufl. 2016, § 281 Rn. 9, 53 m.w.N.). Wie in einem „normalen“ Erkenntnisverfahren ist auch im Mahnverfahren unter dem Aspekt der Rechtssicherheit und Justizgewährleistung eine eindeutige Verfahrenszuordnung zu einem bestimmten Gericht geboten, auf die sich die Parteien vorbehaltlich einer Aufhebung oder Abänderung des Beschlusses verlassen können. Dies muss unabhängig davon gelten, in welchem Stadium sich das Verfahren befindet, insbesondere ob es zur Überleitung in das streitige Verfahren durch Abgabe nach § 696 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 ZPO oder § 701 Abs. 1 S. 1 ZPO gekommen ist oder nachträglich noch kommt.
32b) Im Sinne von § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindende Wirkung entfaltet der Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 14.10.2019 aber gleichwohl nicht.
33aa) Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt zwar nur ausnahmsweise dann, wenn der Verweisungsbeschluss nicht als im Rahmen des § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 15.05.2011 - X AZR 109/11 - NJW-RR 2011, 1364, 1365, Rn. 9; Beschl. v. 19.02.2013 - X ARZ 507/12 - NJW-RR 2013, 764, 765, Rn. 7; Beschl. v. 09.06.2015 - X ARZ 115/15 - NJW-RR 2015, 1016, Rn. 9; stRspr).
34bb) Gemessen an diesen Grundsätzen kann dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hagen vom 14.10.2019 keine bindende Wirkung zuerkannt werden.
35(1) Zunächst ermangelt es ihm in verfahrensrechtlicher Hinsicht an der Gewährung rechtlichen Gehörs zur Bitte um Abgabe an das Amtsgericht Lingen, den die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 04.09.2019 geäußert hat. Weder dieser noch das vorausgegangene Schreiben des Mahngerichts vom 19.08.2019, in dem der Rechtspfleger mitgeteilt hat, dass für die Kostenfestsetzung das Amtsgericht Lingen als Prozessgericht zuständig sei, und mit Blick darauf die Rücknahme des beim Amtsgericht Hagen gestellten Kostenfestsetzungsantrag angeregt hat, sind dem Antragsgegner vorab zugeleitet worden. Soweit aus der Akte ersichtlich, hatte der Antragsgegner bis heute keine Gelegenheit, sich zur Frage der Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Lingen zu äußern, sondern hat erst im Anhörungsverfahren vor dem Senat vom Fortgang des Verfahrens erfahren.
36(2) Zudem lassen weder die Beschlussgründe noch die vorangegangene Verfahrensverlauf erkennen, dass sich das Mahngericht mit den dafür relevanten rechtlichen Gesichtspunkten befasst hat. Insbesondere fehlt es an einer Begründung für den im vorstehend unter (1) genannten Schreiben eingenommen Standpunkt, dass für die Kostenfestsetzung stets oder jedenfalls grundsätzlich das fiktive Prozessgericht zuständig sei. Die unter Ziffer 3. Buchstabe a) zitierte Rechtsprechung geht vom gegenteiligen Regel-Ausnahmeverhältnis aus, nämlich dass es grundsätzlich bei der Zuständigkeit des Mahngerichts auch für die Frage der Kostenfestsetzung sein Bewenden hat, wenn die Sache nicht an das Prozessgericht abgegeben wird (a.a.O., Rn. 10 a.E.). Dass das Mahngericht sich mit dieser herrschenden Auffassung befasst hat, die auch im Schrifttum – soweit ersichtlich – weitgehend Anklang gefunden hat, lässt der Verweisungsbeschluss nicht erkennen.
37(3) Jedenfalls in der Gesamtschau dieser formellen und inhaltlichen Mängel ist aus Sicht des Senats die Annahme objektiver Willkür im vorliegenden Fall gerechtfertigt mit der Folge, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hagen für das Amtsgericht Lingen nicht gemäß §§ 281 Abs. 2 S. 4, 495 ZPO bindend ist und es also bei der ursprünglichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Hagen bleibt.
38III.
39Das Verfahren ist daher nach dorthin zurückzugeben, indem das Amtsgericht Hagen für örtlich zuständig zu erklären ist.
40Anhaltspunkte dafür, die Sache dem Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 S. 1 ZPO vorzulegen, sieht der Senat nicht. Die für die Entscheidung tragenden Gesichtspunkte, insbesondere die für die Beurteilung der Zuständigkeit des Mahngerichts für die Kostenfestsetzung von im Mahnverfahren entstandenen Gebühren und die für die Beurteilung der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses maßgeblichen Rechtsfragen sind in Rechtsprechung und Schrifttum unstrittig und konnten vom Senat weiteres auf den vorliegenden Fall angewendet werden.