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Werden Gesellschafter einer Baufirma aus Gewährleistung auf Schadensersatz und ihr privater Haftpflichtversicherer aus einem konstitutiven, zu dem Schadensfall abgegebenen Schuldanerkenntnis in Anspruch genommen, kommt eine Gerichtsstandbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht, weil kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand vorliegt. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) am Ort des Bauvorhabens gilt nicht für den mit dem Schuldanerkenntnis begründeten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer.
Das Landgericht Bonn wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Erstattung von Leistungen in Anspruch, die sie als Haftpflichtversicherung eines Bauunternehmens erbracht hat.
41.
5Ihre Versicherungsnehmerin, die X-Bau GmbH & Co. KG mit Sitz in B im Bezirk des Landgerichts Bonn, erhielt von der Generalunternehmerin, der Y Haus Wohnbau GmbH mit Sitz in M (ebenfalls Landgerichtsbezirk Bonn), den Auftrag, an einem privaten Bauvorhaben in St. B – gleichfalls gelegen im Bezirk des Landgerichts Bonn – Rohbauarbeiten durchzuführen. Sie vergab den Auftrag an eine Subunternehmerin, die aus den Beklagten zu 2) und 3) bestehende Z Hochbau GbR mit Sitz in D (ebenfalls Landgerichtsbezirk Bonn), die bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist. Vertragsgrundlage war ein von der Versicherungsnehmerin der Klägerin aufgesetzter Werkvertrag vom 16.09.2015, für den die Vorschriften der §§ 632 ff. BGB gelten sollten (Anlage K 1).
6Am 06.04.2016 ist nach dem Vortrag der Klägerin aus dem Pumpensumpf im Heizungskeller des Hauses Wasser in die anderen Kellerräume eingedrungen, für die sie eine Undichtigkeit der Grundleitung verantwortlich macht. Am 02.06.2016 sei es erneut zu einem weiteren Wassereinbruch gekommen sein, den die Klägerin auf eine falsche Montage der Kellerlichtschächte durch die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1) zurückführt. Folge sei jeweils gewesen, dass der Keller habe trockengelegt werden müssen. Dadurch habe sich die Fertigstellung des Gebäudes und der Einzug der Bauherren erheblich verzögert.
7Die Klägerin regulierte den Schaden in Höhe von 89.437,92 € und forderte von der Beklagten zu 1) Ausgleich im Innenverhältnis, und zwar zu 100 % in voller Schadenshöhe. Die Beklagte zu 1) teilte ihr daraufhin mit Schreiben vom 26.01.2017 mit, dass sie sich im Rahmen der Regressnahme der Klägerin in Höhe einer von einem Sachverständigen ermittelten Quote an den Aufwendungen der Klägerin beteiligten werde (Anlage K 7). Nachdem die Beklagte zu 1) in einem Schreiben vom 10.08.2017 zunächst erklärt hatte, sie gehe aufgrund des zwischenzeitlich erstatteten Gutachtens „von einer Haftung unserer VN zu 100 % aus“ (Anlage K 17), lehnte sie mit Schreiben vom 23.08.2017 eine Haftung vollumfänglich ab, und zwar mit der Begründung, sie könne „unserem VN aus vertraglichen Gründen keinen Versicherungsschutz gewähren“ (Anlage K 19).
82.
9Aus diesem Verhalten der Beklagten zu 1) leitet die Klägerin ein konstitutives Schuldanerkenntnis her und hat sie mit dieser Begründung gemeinsam mit den Beklagten zu 2) und 3) vor dem Landgericht Dortmund auf Erstattung der zur Regulierung des Schadensfalls geleisteten Aufwendungen in Anspruch genommen. Die Haftung der Beklagten zu 2) und 3) begründet sie mit deren Eigenschaft als Gesellschafter der Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1) und macht in diesem Verhältnis gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG übergegangene Ansprüche ihrer Versicherungsnehmerin geltend.
10Die Beklagten zu 2) und 3) haben die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund gerügt und darauf hingewiesen, dass sich ihr allgemeiner Gerichtsstand in den Bezirken der Landgerichte Bonn und Düsseldorf befinde. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 Abs. 1 ZPO sei am Ort des Bauvorhabens begründet, also ebenfalls beim Landgericht Bonn.
11Das Landgericht Dortmund hat darauf hingewiesen, dass es diese Bedenken teile und sich für die gegen die Beklagten zu 2) und 3) erhobene Klage nicht für zuständig halte, da das Bauvorhaben sich nicht in seinem Bezirk befunden habe (Bl. 37 f. d.A.).
12Die Klägerin hat darauf mit Schriftsatz vom 12.04.2019 reagiert und einen Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht Hamm gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt (Bl. 50 ff. = 81 ff. d.A.).
13Das Landgericht Dortmund hat daraufhin den zunächst für den 21.05.2019 anberaumten frühen ersten Termin aufgehoben und die Sache dem Senat zur Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Gerichtsstandbestimmung vorgelegt (Bl. 54 f., 59 ff. d.A.).
143.
15Der Senat hat die Prozessakten des Landgerichts Dortmund beigezogen und die Parteien zur Frage der Gerichtsstandbestimmung angehört (Bl. 104 f. d.A.).
16Die Klägerin hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme Gebrauch gemacht und vorgetragen, dass ihrer Ansicht nach kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand in Bezug auf alle drei Beklagten gegeben sei. Dieser ergebe sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts gem. § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens. Sie, die Klägerin, nehme die Beklagte zu 1) auf Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärung in Anspruch und die Beklagten zu 2) und 3) aus übergegangenem Recht gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG. Daher sei grundsätzlich der Wohnsitz der Beklagten zu 2) und 3) für die Frage der örtlichen Zuständigkeit maßgeblich. Das Schwergewicht des Rechtsstreits sieht die Klägerin allerdings in der Verpflichtungserklärung der Beklagten zu 1), so dass das Landgericht Dortmund aus prozessökonomischen Gründen für zuständig zu erklären sei.
17Die Beklagten haben im Verfahren vor dem Senat keine Stellungnahme abgegeben.
18II.
19Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
201.
21Das Oberlandesgericht Hamm ist zur Entscheidung im Gerichtsstandbestimmungsverfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen. Die Beklagten zu 2) und 3) haben ihren allgemeinen Gerichtsstand gem. §§ 12, 13 ZPO in den Bezirk der Landgerichte Bonn und Düsseldorf, während die Beklagten zu 1) im Bezirk des Landgerichts Dortmund residiert (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO). Aufgrund der Klageerhebung vor dem Landgericht Dortmund war dieses als erstes mit der Sache befasst. Da folglich verschiedene Oberlandesgerichtsbezirke betroffen sind, ist das Oberlandesgericht Hamm gem. § 36 Abs. 2 ZPO als dasjenige von ihnen zuständig, in dessen Bezirk ein Gericht erstmals mit der Sache befasst war.
222.
23Die Beklagten werden von der Klägerin als Streitgenossen i.S.v. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
24a) Dafür reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, aus, dass die Klage auf einem im Wesentlichen einheitlichen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht (vgl. zuletzt Beschluss vom 15.08.2017 – 32 SA 47/17 – juris, Rn. 6; Beschl. v. 25.06.2018 – 32 SA 67/17 – juris, Rn. 12). Es genügt die Identität eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses, insbesondere die Gläubiger- oder Schuldnerstellung aus einem einheitlichen Vertragsverhältnis (vgl. Schultzky, in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, §§ 59, 60, Rn 6 m.w.N.). Geprüft wird dabei nicht die Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage, sondern nur die Zulässigkeit des Gesuchs, also in erster Linie, ob die Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO schlüssig vorgetragen sind (Schultzky, a.a.O., § 36 Rn 28 m.w.N.). Für die Begründetheit des Antrags kommt es allein auf die tatsächlichen Behauptungen des Klägers an, nicht aber darauf, ob diese den Klageanspruch begründen, zutreffen oder schlüssig sind (Heinrich, in: Musielak/Voit, 15. Aufl. 2018, ZPO § 36 Rn. 16 m.w.N.)
25b) Ausgehend hiervon hat Klägerin, der die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz wegen angeblicher Baumängel in Anspruch nimmt, die Voraussetzungen für eine Streitgenossenschaft hinreichend dargetan. Nach ihrem insoweit allein maßgeblichen Sachvortrag ergeben sich die geltend gemachten Schadensfolgen aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt, die sie aus der mangelhaften Leistung der aus den Beklagten zu 2) und 3) bestehenden Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1) herleitet, die zu den Schadensereignissen vom 06.04. und 02.06.2016 geführt habe.
263.
27Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) und 3) ist kein für alle drei Beklagten einschlägiger gemeinschaftlicher Gerichtsstand am Ort des Bauvorhabens begründet.
28a) Eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet zwar nur dann statt, wenn für mehrere als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand zu verklagende Personen hinsichtlich sämtlicher Klagegründe kein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand im Inland gegeben ist (vgl. nur Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 36 ZPO, Rn. 23 m.w.N.).
29Hier ist der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gem. § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens begründet (vgl. BGH NJW-RR 2010, 891; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 29 Rn. 6; Schultzky, a.a.O., § 29 Rn. 12, jew. m.w.N.). Aus ihm kann die Klägerin die Beklagten zu 2) und 3) als Gesellschafter der Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 1) am Ort des Bauvorhabens, also vor dem Landgericht Bonn, gem. § 128 HGB analog als Gesamtschuldner auf Gewährleistung aus den Werkvertrag mit der aus ihnen bestehenden Z Hochbau GbR vom 18.09.2015 (Anlage K 1) in Anspruch nehmen, da für den von ihr geltend Anspruch aus § 86 Abs. 1 S. 1 VVG dasselbe gilt wie für den übergegangenen Anspruch. Denn auch Sekundäransprüche, insbesondere auf Schadensersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Haupt- und Nebenpflichten (aus dem Bauvertrag), unterfallen § 29 Abs. 1 ZPO. Hierher gehören namentlich Schadensersatzklagen wegen Leistungsstörungen gem. §§ 280, 281 BGB (Schultzky, a.a.O., § 29 Rn. 19). In persönlicher Hinsicht gilt der Gerichtsstand des Erfüllungsorts auch für abgeleitet haftende Personen, insbesondere die Gesellschafter der vertragsschließenden Gesellschaft gem. §§ 128, 161, 171 HGB (vgl. nochmals Schultzky a.a.O., § 29 Rn. 7, jew. m.w.N.)
30b) Dieser Gerichtsstand gilt jedoch nicht im Verhältnis zur Beklagten zu 1), und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin ihr gegenüber einen Anspruch aus einer Verpflichtungserklärung bzw. einem Schuldanerkenntnis i.S.v. §§ 780 f. BGB geltend macht, einen Aufwendungsersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 670, 677, 683 BGB oder Innenausgleich unter Gesamtschuldnerinnen gem. § 426 BGB begehrt, da für all diese Ansprüche jeweils der allgemeine Gerichtsstand gilt, der für die Beklagte zu 1) im Bezirk des Landgerichts Dortmund begründet ist (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO).
314.
32Der Senat war daher gehalten, im Rahmen des ihm von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeräumten Ermessens ein Gericht für örtlich zuständig zu erklären.
33a) Da aufgrund der vorstehenden Erwägungen kein vorrangiger Gerichtsstand gegeben ist, hat die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf der Basis von Zweckmäßigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit im Wege einer Ermessensentscheidung zu erfolgen, wobei dem räumlichen Schwerpunkt eines Rechtsstreits besonderes Gewicht beizumessen war. Anknüpfungspunkt für die Ausübung dieses Auswahlermessens ist in der Regel ein anderweitig bestehender (allgemeiner oder besonderer) Gerichtsstand. Dabei gilt der Grundsatz, dass regelmäßig nur ein Gericht bestimmt werden kann, bei dem wenigstens einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. zuletzt Beschl. v. 25.06.2018 – 32 SA 67/17 – juris, Rn. 14 m.w.N.).
34b) Demnach kamen für die Zuständigkeitsbestimmung die Landgerichte Bonn, Dortmund und Düsseldorf in Betracht. Bei der Auswahl unter diesen Gerichten sprechen aus Sicht des Senats überwiegende Gesichtspunkte für den Standort Bonn.
35Dies folgt zum einen daraus, dass sich hier das Bauvorhaben befindet und die meisten der Regulierungsaufwendungen entstanden sind, deren Ausgleich die Klägerin begehrt. Eine möglicherweise durchzuführende Beweisaufnahme über die Höhe und den Grund des Klageanspruchs fände daher voraussichtlich im Bezirk des Landgerichts Bonn statt.
36In dessen Bezirk haben zudem die Versicherungsnehmerinnen der Klägerin und der Beklagten zu 1) ihren Geschäftssitz. Der Beklagte zu 3) hat hier seinen Wohnsitz.
37Es sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass den anderen beiden Beklagten eine Prozessführung vor dem Landgericht Bonn nicht zugemutet werden könnte. Der Beklagte zu 2) hat früher ebenfalls in D gewohnt, also im Bezirk des Landgerichts Bonn, und ist erst nach Vertragsschluss mit Meldung zum 28.08.2017 nach O verzogen (Bl. 23b d.A.). Sein neuer Wohnsitz in der Oer Innenstadt befindet sich ca. 70 Straßenkilometer vom Landgericht Bonn entfernt (Quelle: Google Maps), so dass nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen ihm die Anreise zu einem Gerichtstermin nicht zuzumuten ist. Die Beklagte zu 1) ist ein international verzweigter Versicherungkonzern mit Standorten nicht nur in E, sondern u.a. auch in I, F und V sowie im Ausland (Quelle: Wikipedia). Gerichtsbekanntermaßen lässt sie sich in streitig geführten Prozessen von bundesweit tätigen, im Versicherungsvertragsrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien vertreten, ohne dass es erforderlich ist, das persönliche Erscheinen ihrer gesetzlichen Vertreter anzuordnen (§ 141 Abs. 3, 278 Abs. 3 ZPO).
38Schließlich sprechen auch keine Gesichtspunkte der Prozessökonomie dafür, dass sich das Landgericht Dortmund weiterhin mit der Sache befassen muss. Bislang sind lediglich die Klageschrift und die Klageerwiderungen der Beklagten zugestellt bzw. eingegangen und ist ein früher erster Termin anberaumt worden. Eine weitergehende Sachbearbeitung durch das Landgericht Dortmund hat – soweit aus der Akte zu ersehen ist – noch nicht stattgefunden. Anlässlich der Ladung hat die Kammer lediglich auf Bedenken an ihrer örtlichen Zuständigkeit hingewiesen und den Termin dann nach Eingang des Antrags der Klägerin nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sogleich wieder aufgehoben. Aus Sicht des Senats macht es daher unter prozesswirtschaftlichen Aspekten keinen Unterschied, wenn sich die beim Landgericht Bonn zuständige Zivilkammer erneut und erstmals in die Sache einarbeiten muss.
39III.
40Auf Grundlage dieser Erwägungen hat der Senat von seinem Ermessen zugunsten des Landgerichts Bonn Gebrauch ausgeübt.
41Da er dabei – soweit ersichtlich – in keiner Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abgewichen ist, besteht kein Anlass, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen (§ 36 Abs. 3 S. 1 ZPO).