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Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Fall der Vertretung widerstreitender Interessen: Zur Annahme eines Tätigkeitsverbots führender Interessenkonflikt bei Vertretung der Kindesmutter in einem Verfahren wegen Kindesunterhalt nach vorheriger Vertretung des Kindesvaters in einem Abstammungsverfahren
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Brakel vom 20.11.2018 wird zurückgewiesen.
Gründe:
2I.
3Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben.
4In der Sache muss dem Rechtsmittel der Erfolg versagt bleiben.
5Das Amtsgericht – Familiengericht – Brakel hat mit dem angefochtenen Beschluss den Beiordnungsantrag zu Recht abschlägig beschieden und es abgelehnt, der Antragstellerin im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens die von ihr mandatierte Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen. Das Familiengericht ist rechtsfehlerfrei und in zutreffender Würdigung der Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls davon ausgegangen, dass der beantragten Beiordnung das in § 43 a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA normierte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen entgegensteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, denen die Beschwerde nichts Substantielles entgegenzuhalten vermag.
6Zwar hat ein Beteiligter, soweit die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Betracht kommt, grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf, dass das Gericht ihm den Anwalt seines Vertrauens beiordnet (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 121 ZPO). An diese Wahl ist das Gericht aber nicht gebunden, wenn der gewählte Rechtsanwalt nicht tätig werden darf (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 121 Rn. 14). Ein solches anwaltliches Tätigkeitsverbot ergibt sich hier aus § 43 a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA, wonach ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen in derselben Rechtssache vertreten darf (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen: BGH, Beschlüsse vom 16.01.2013 – IV ZB 32/12, FamRZ 2013, 542 f. und vom 23.04.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, FamRZ 2012, 1563-1565; Henssler, AnwBl. 6/2018, S. 342 ff.). Das Familiengericht hat die Voraussetzungen dieses Verbotstatbestandes im vorliegenden Verfahren zu Recht als erfüllt angesehen. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin würde, nachdem sie den Antragsgegner zunächst in einem Abstammungsverfahren bezogen auf zwei – zu Ehezeiten geborene – Kinder der Antragstellerin sowie in dem parallel eingeleiteten Verfahrenskostenhilfeverfahren vertreten hat (Erstmandat), mit der beabsichtigten Vertretung der Antragstellerin in dem nunmehr gegen den Antragsgegner angestrengten Verfahren auf Zahlung von Kindesunterhalt für zwei weitere, ebenfalls zu Ehezeiten geborene Kinder (Zweitmandat) widerstreitende Interessen in sich zumindest teilweise sachlich-rechtlich deckenden Mandaten wahrnehmen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Würdigung und lässt weder die erforderliche Rechtssachenidentität als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 43 a Abs. 4 BRAO noch den objektiv vorhandenen Interessenkonflikt entfallen.
7a) „Rechtssache“ kann jede Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll (BGH, Urteil vom 25.06.2008 – 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307, Rn. 11). Maßgebend dafür, ob die Rechtssache dieselbe ist, ist der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Angelegenheit (BGH, Urteil vom 16.11.1962 – 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192 f.), auch wenn dasselbe materielle Interesse Gegenstand verschiedener Ansprüche oder Verfahren ist (BGH, Urteil vom 07.10.1986 – 1 StR 519/86, BGHSt 34, 191). Zwei Mandate decken sich in aller Regel dann in sachlich-rechtlicher Hinsicht, wenn sie jeweils ein „verklammerndes“ Element (zum Beispiel eine Ehe oder einen Erbfall) beinhalten, welches in beiden Mandaten von rechtlicher Bedeutung ist.
8Dies zugrunde legend, überschneiden sich die dem Erst- und dem verfahrensgegenständlichen Zweitmandat zugrunde liegenden Lebenssachverhalte in rechtlich relevanter Weise. Wie die Beschwerde selbst vorträgt, ist das Abstammungsverfahren im Hinblick auf die nicht von dem Antragsgegner abstammenden, aber zu Ehezeiten geborenen Kinder G (geboren am XX.04.2013) und Q O (geboren am XX.11.2017) maßgeblich aus unterhaltsrechtlichen Erwägungen und zu dem Zweck geführt worden, um sich die Möglichkeit zu verschaffen, den leiblichen Vater von G und Q auf Kindesunterhalt in Anspruch nehmen zu können. Ausschlaggebend für diese Überlegungen waren, dass die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners für die vier ehelichen Kinder von den Beteiligten seinerzeit nicht für ausreichend erachtet worden waren. Nach den Ausführungen in der Beschwerdeschrift und im Schriftsatz vom 16.01.2019 ist die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin im Rahmen dieses Erstmandats über die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners informiert worden. Zugleich hat sie seinerzeit für den Antragsgegner einen Verfahrenskostenhilfeantrag gestellt und diesen im Bewilligungsverfahren vertreten. Die Unterhaltsverpflichtungen des Antragsgegners und dessen wirtschaftliche Verhältnisse, die in dem jetzigen Verfahren für das Bestehen und den Umfang von Unterhaltsansprüchen der anderen beiden ehelichen Kinder (M und Q2 O, beide geboren am XX.11.2009) auch rechtlich erheblich sind, waren damit Gegenstand des damaligen anwaltlichen Mandats und nach Darstellung der Beschwerde sogar ausschlaggebender Grund dafür, den Antragsgegner durch das Abstammungsverfahren seiner Unterhaltspflicht für die beiden weiteren ehelichen, aber nicht von ihm abstammenden Kinder der Antragstellerin (G und Q) entheben zu lassen.
9Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist unerheblich, ob es seinerzeit die Antragstellerin gewesen ist, die – für den Antragsgegner – die Informationserteilung übernommen und die Mandantengespräche mit der Verfahrensbevollmächtigten geführt hat. Ebenso bleibt rechtlich ohne Relevanz, ob dem Antragsgegner zum damaligen Zeitpunkt bewusst gewesen ist, dass es sich bei der Verfahrensbevollmächtigten um die Anwältin der Antragstellerin handelte, welche in der Abstammungssache für ihn „nur ausnahmsweise“ tätig werden würde. Denn diese Umstände ändern nichts daran, dass das Mandatsverhältnis allein zwischen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und dem Antragsgegner bestanden hat. Soweit die Antragstellerin geltend macht, ihre Verfahrensbevollmächtigte habe den vom Antragsgegner ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seinerzeit nicht selbst eingesehen und insoweit keine konkreten Kenntnisse erlangt, verfängt ihr Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht. Die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners sind – wie oben dargelegt – Beratungsgegenstand gewesen, die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat den Antragsgegner im Rahmen des Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahrens vertreten und überdies im vorliegenden Unterhaltsverfahren in der Antragsschrift vorgetragen, der Antragsgegner habe auch ihr gegenüber in der Vergangenheit Angaben zu seinem Nettoeinkommen gemacht (vgl. Antragsschrift vom 30.10.2018 S. 3, Bl. 4 d.A.). Auch der von der Verfahrensbevollmächtigten in der Beschwerdeschrift mitgeteilte, bereits seinerzeit gewonnene Eindruck, die Antragstellerin sei über die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners „sehr gut“ informiert gewesen (vgl. Schriftsatz vom 30.10.2018 S. 2, Bl. 13 d.A.), setzt das Stattfinden eines entsprechenden Informationsflusses voraus.
10b) Weiter widersprechen die in beiden anwaltlichen Mandaten von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wahrgenommenen bzw. wahrzunehmenden Interessen einander (§ 43 Abs. 4 BRAO). Dieser Interessenkonflikt ist nicht nur latent gegeben, sondern besteht im hiesigen Verfahren auch konkret. Während die Verfahrensbevollmächtigte im Rahmen des Erstmandats die unterhaltsrechtlichen und damit verbundenen finanziellen Interessen des Antragsgegners gegenüber Kindern der Antragstellerin vertreten hat, soll sie im Auftrag der Antragstellerin nunmehr Unterhaltsansprüche der beiden anderen ehelichen Kinder gegen den Antragsgegner geltend machen und damit gegenläufige Interessen wahrnehmen.
11Durchgreifende Umstände, die einen Interessenwiderstreit ausschließen könnten, sind mit der Beschwerde nicht dargetan. Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf das zu ihrer Verfahrensbevollmächtigten bestehende Vertrauensverhältnis um eine „wohlwollende Prüfung“ bittet und zudem ausführen lässt, der Antragsgegner habe am 13.11.2018 anlässlich eines Gerichtstermins in anderer Sache erklärt, er sehe in der jetzigen Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin kein Problem (Schriftsatz vom 16.01.2019 S. 2), vermögen ihre diesbezüglichen Ausführungen die Beschwerde nicht zu begründen. Vielmehr unterstreichen die mit Schriftsatz vom 16.01.2019 vorgetragenen, vergeblich gebliebenen Bemühungen, von dem Antragsgegner eine schriftliche „Unbedenklichkeitserklärung“ zu erlangen, den vorhandenen Interessenkonflikt. Zudem sind die Interessen, welche der Anwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags zu vertreten hat, objektiv zu bestimmen. Grundlage der Regelung des § 43a Abs. 4 BRAO sind das Vertrauensverhältnis von Rechtsanwalt und Mandant, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BT-Drucks. 12/4993, S. 27; vgl. auch BVerfGE 108, 150). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (BGH, Urteil vom 8.11.2007 - IX ZR 5/06, BGHZ 174, 186 Rn. 12; NJW 2008, 1307). Diese Eigenschaften stehen nicht zur Disposition der Mandanten (BGH, Urteil vom 23.04.2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, NJW 2012, 769 ff.; juris Rn. 10).
12Unbeschadet der vorstehend aufgezeigten Gründe hat sich der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren ausdrücklich gegen eine Mandatsführung durch die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ausgesprochen.
13II.
14Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.