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Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. August 2018 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die am 00.00.1954 geborene Klägerin macht Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche gegenüber den Beklagten aufgrund behaupteter ärztlicher Fehler und Aufklärungsmängel anlässlich ihrer stationären Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1 in der Zeit vom 07.03. bis 21.03.2011 geltend.
4Wegen schon lange vorhandener Kniebeschwerden, insbesondere links, stellte sich die Klägerin zunächst ambulant in der Klinik der Beklagten zu 1 vor. Dort wurde ihr aufgrund der gestellten Diagnose einer ausgeprägten Varusgonarthrose zu einer Kniegelenksendoprothese geraten.
5Demzufolge wurde die Klägerin am 07.03.2011 bei der Beklagten zu 1 stationär aufgenommen und am 08.03.2011 vom Beklagten zu 2 operiert, der links eine Oberflächenersatzprothese zementierte. Die Beklagten zu 3 und 5 waren als Anästhesisten tätig und für die Schmerzkatheter verantwortlich, wobei der Beklagte zu 3 diese unter Aufsicht des Beklagten zu 5 als zuständigem Oberarzt einsetzte.
6Unmittelbar nach der Operation litt die Klägerin unter Schmerzen und einem Taubheitsgefühl im Fuß sowie Sensibilitätsstörungen in den Zehen des linken Fußes. Am 11.03.2011 wurden die Schmerzkatheter entfernt. Zwei Tage später erfolgte ein neurologisches Konsil, bei dem eine Schädigung des Nervus peroneus und ischiadicus festgestellt wurde. Die Mobilisierung der Klägerin erfolgte daher mit einer Peroneusschiene.
7Die axonale Nervenschädigung wurde am 18.03.2011 durch weitergehende Untersuchungen bestätigt.
8Im Anschluss an die Behandlung bei der Beklagten zu 1 erfolgte eine Anschlussheilbehandlung in Z. Dort kam es zu einer tiefen Venenthrombose am linken Oberschenkel und einer Lungenembolie, so dass die Klägerin stationär behandelt werden musste.
9Sowohl in der Medizinischen Hochschule Y als auch vom weiterbehandelnden Orthopäden wurden die irreparable Schädigungen des Nervus peroneus, tibialis und surealis bestätigt.
10Die Klägerin hat sodann von den Beklagten ein Schmerzensgeld von zunächst 45.000 €, materiellen Schadensersatz (Fahrtkosten, Zuzahlungen, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden) von 47.916,49 €, sowie eine monatliche Rente von 1.269,49 € ab dem 01.06.2014 bis zunächst 31.05.2018 bestehend aus Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden verlangt sowie die Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht und Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 4.739,18 €. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Operation vom 08.03.2011 fehlerhaft ausgeführt worden sei, so dass der Nerv Schaden genommen habe. Der Beklagte zu 2 habe keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen getroffen.
11Die Beklagten zu 3 und 5 seien bei der Anlage des Schmerzkatheters fehlerhaft vorgegangen, so dass es zu der Nervenschädigung gekommen sei.
12Obwohl sie unmittelbar nach der Operation ein Taubheitsgefühl angegeben habe, sei nicht sofort reagiert worden. Bei einer früheren Reaktion wäre der Nerv nicht irreparabel geschädigt worden.
13Im Übrigen habe man ihr keine ausreichende Thromboseprophylaxe verordnet, so dass sie eine tiefe Beinvenenthrombose mit Lungenembolie erlitten habe.
14Außerdem sei sie nicht ausreichend über Alternativen zur Schmerzausschaltung aufgeklärt worden.
15Das Landgericht hat sachverständig beraten durch A und B die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
16Aufgrund der langjährigen Beschwerden der Klägerin und der Erfolglosigkeit konservativer Maßnahmen sei die Indikation zur Knieendoprothese zu bejahen gewesen. Nach dem OP-Bericht sei auch kein Fehler im Rahmen der Operation feststellbar, insbesondere weil keine Blutleere verwandt worden sei und sich aus dem Bericht auch ein ausreichender Nervenschutz entnehmen lasse. Auf die postoperativen Beschwerden hätte man nicht sofort auf einen Nervenschaden schließen können und müssen, weil man dies auch auf die Schmerzausschaltung mittels Katheter habe zurückführen dürfen. Aus dem Hb-Verlauf postoperativ und den klinischen Symptomen bei der Klägerin mit fehlender Krallenzehenbildung habe man nicht auf ein Kompartmentsyndrom schließen müssen. Durch die eventuell verspätete Befunderhebung mittels Sonographie und MRT sei auch kein ausräumungspflichtiges Hämatom festgestellt habe, so dass sich daraus auch keine Folge für die Klägerin ergeben habe. Die Thromboseprophylaxe sei erfolgt und sogar über dem üblichen Standard hinaus nach Entlassung noch weiter empfohlen worden.
17Die durchgeführte Schmerzausschaltung sei medizinischer Standard, weil diese Art der Operation besondere Schmerzen bereite, die einer notwendigen späteren Mobilisierung entgegenstehen würde. Das angewandte Verfahren sei im Vergleich zu den anderen möglichen Verfahren das bessere Verfahren. Nach den Angaben der Klägerin und denen der Beklagten sei von einer sonographisch durchgeführten Katheteranlage auszugehen, die den besten Schutz vor Nervenschädigungen biete. Anhand der weiteren Dokumentation könne kein Fehler bei der Anlage und der postoperativen Kontrolle angenommen werden. Erst ab dem 10.03.2011 nach Entfernung des Katheters und fortbestehenden Beschwerden der Klägerin habe man von einer Läsion des Nervus peroneus ausgehen können. Nach Ausschluss direkt behandlungsbedürftiger Schädigungsursachen wie Hämatom und Kompartmentsyndrom sei ein abwartendes und konservatives Vorgehen gerechtfertigt gewesen und auch sinnvoll, weil man noch 3 bis 4 Monate auf eine Rückbildung der Störung warten könne. Nur bei einer kompletten Durchtrennung des Nervens sei ein sofortiges chirurgisches Handeln erforderlich, die hier aber nicht vorgelegen habe.
18Letztlich habe sich hier möglicherweise ein sehr seltenes Risiko einer Nervschädigung im Rahmen einer Katheterlegung verwirklich, was aber nicht sicher feststellbar sei, weil auch noch ein Lagerungsschaden denkbar sei.
19Die Aufklärung sei in ausreichender Weise erfolgt. Eine Aufklärung über Alternativen sei nicht erforderlich gewesen, weil es sich nicht um echte Alternativen gehandelt hätte.
20Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend:
21Das Landgericht argumentiere widersprüchlich, wenn es einerseits sage, dass die Ermittlung der genauen Ursache des Nervenschadens nicht möglich sei, andererseits aber ausführe, dass der Nervenschaden anlässlich der Operation geschehen sei.
22Tatsächlich könne nur der Schmerzkatheter der Auslöser sein, was sowohl von den Sachverständigen als auch von der MHH angenommen worden sei, es sei denn, es habe eine fehlerhafte Lagerung vorgelegen.
23Aufgrund der Angaben der MHH sei davon auszugehen, dass die Nervenschädigung nur den Bereich erfasst habe, wo der Katheter des Nervus ischiadicus gelegt worden sei. Dies habe man durch eine Nervenmessung ermitteln können, die aber keiner der beiden Sachverständigen durchgeführt habe. Man kenne also gar nicht das Ausmaß der Nervenschädigung, nämlich ob lediglich Teilläsion oder komplette Durchtrennung vorliege, die eine sofortige Operation erforderlich gemacht hätte.
24Es komme hinzu, dass die Dokumentation unzureichend sei, und zwar auch nach Angaben des Sachverständigen B, weil man entsprechende Angaben zum Vorgehen vermissen würde. Es reiche eben nicht aus, dass man aus den Angaben der Klägerin habe entnehmen können, dass die Katheteranlage per Ultraschall gesteuert worden sei; denn wenn der Oberarzt einen Warnhinweis bezüglich des Nervens an den Assistenzarzt gegeben habe, müsse man angesichts der fehlenden Dokumentation von einer unsachgemäß Anlage des Schmerzkatheters ausgehen. Man hätte die Anlage des Katheters abbrechen müssen, als nach dem Ausruf des Oberarztes nicht sicher gewesen sei, ob der Nerv nicht doch angestochen worden sei.
25Außerdem sei nicht klar, ob die Anlage auch durch den Assistenzarzt habe erfolgen dürfen, selbst wenn eine Supervision durch den Oberarzt erfolge. Damit sei immer noch nicht sicher, ob eine ausreichende Erfahrung und Qualifikation vorgelegen habe.
26Es sei auch nicht geklärt, ob das Medikament des Schmerzkatheters an der richtigen Stelle injiziert worden sei. Dies könne man anhand der Dokumentation eben nicht nachprüfen.
27Die Aufklärungsrüge bleibe aufrecht erhalten.
28Es habe mehrere Alternativen gegeben, die auch gleichwertig seien. So habe man z.B. auch allein einen Femoraliskatheter mit einer Schmerztherapie kombinieren können. Damit hätte man das Risiko halbiert.
29In jedem Fall hätte sich die Klägerin für das geringere Risiko entschieden. Dazu sei die Klägerin aber auch gar nicht angehört worden.
30Die Nachsorge sei ebenfalls – sogar grob – fehlerhaft gewesen, weil man nicht sofort aufgrund der Angaben der Klägerin zu ihren Beschwerden nachgeschaut habe. Man wisse ja mangels entsprechender Untersuchungen gar nicht, ob hier nicht eine komplette Durchtrennung des geschädigten Nervens vorliege. Dies hätte überprüft werden müssen.
31Darüber hinaus sei auch die Thromboseprophylaxe nicht ausreichend gewesen, da die Klägerin ansonsten keine Thrombose und Lungenembolie erlitten hätte.
32Die Klägerin beantragt,
33das am 14.08.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld – 4 O 119/14 – abzuändern und nach ihren in I. Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen;
34hilfsweise, das am 14.08.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld – 4 O 119/14 – aufzuheben und die Sache einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens zurückzuverweisen.
35Die Beklagten beantragen.
36Die Berufung zurückzuweisen.
37Sie Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung.
38Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere die erstinstanzlich gestellten Anträge, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die in der Berufung gewechselten Schriftsätze verwiesen.
39Der Senat hat die Klägerin erneut angehört und die beiden Sachverständigen A und B ihre Gutachten nochmals erläutern lassen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 28. Mai 2019 verwiesen.
40II.
41Die Berufung ist nicht begründet.
42Der Klägerin stehen unter keinen rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus §§ 280 Abs. 1, 630a, 630b, 823, 831 ff, 249ff BGB, Ansprüche gegen die Beklagten zu.
43Soweit es den Beklagten zu 4 betrifft, ist schon nach dem klägerischen Vortrag nicht feststellbar, inwieweit er überhaupt in die Behandlung eingebunden war und welche Versäumnisse ihm zur Last gelegt werden. Letztlich ist dies aber auch unerheblich, weil Behandlungsfehler nicht feststellbar sind und wegen eines vorliegenden Aufklärungsmangel im Bereich der Anästhesie eine Haftung infolge einer hypothetischen Einwilligung gemäß §§ 630 h Abs. 2 S. 2 BGB entfällt.
44Auch die nochmalige Anhörung der Sachverständigen, an deren Qualifikation der Senat keinen Zweifel hat, hat keine Behandlungsfehler ergeben.
45Der Sachverständige A hat für Behandlungsfehler, die zu einem Nervenschaden geführt haben, im chirurgischen Bereich keinen Hinweis finden können.
46Nach seinen Ausführungen waren die Möglichkeiten, die zu einem Nervenschaden führen können, nach der vorliegenden Dokumentation auszuschließen. Eine Blutleere war nach dem OP-Bericht nicht erfolgt und die Nerven waren durch einen im Bericht erwähnten Hakenschutz entsprechend geschützt worden. Ein Hämatom lag aufgrund der späteren Befundung nicht vor, so dass auch unerheblich ist, dass die Befundung möglicherweise etwas spät erfolgt ist. Anzeichen für ein Kompartmentsyndrom gab es ebenfalls nicht; denn weder der Hb-Verlauf, noch die klinischen Beschwerden und die fehlende Krallenzehenbildung sprachen dafür.
47Einen Lagerungsschaden hat der Sachverständige ebenfalls nicht angenommen. Beide Sachverständige sind von einer Rückenlage und der Aufstellung des zu operierenden Beins ausgegangen und waren sich darin einig, dass die Adipositas der Klägerin für die Lagerung unerheblich ist. Dabei hat der Sachverständige A darauf hingewiesen, dass durch das vorhandene Mehrgewebe die Nerven sogar besonders geschützt werden. Soweit der Sachverständige B den vorhandenen Diabetes im Rahmen der Lagerung als höheres Risiko angesehen hat, weil dann mit vorgeschädigten Nerven zu rechnen ist, hat A darauf verwiesen, dass weder ihm bei einer solchen Operation mit einer solchen Lagerung derartige Nervenschäden bekannt sind, noch diese in der Literatur publiziert worden sind.
48Der Sachverständige A hat auch die postoperativen Maßnahmen für ausreichend und zeitgerecht auch im Hinblick auf eine neurologische Untersuchung gehalten. Insoweit waren sich beide Sachverständige schon erstinstanzlich darin einig, dass es schwierig war, anhand der beklagten Beschwerden zu unterscheiden, ob es sich nur um Auswirkungen des Schmerzkatheters handelte oder um einen eventuellen Nervenschaden, wobei man folgerichtig zeitweise mit dem Schmerzkatheter pausiert habe. Nach Ansicht von A musste man nicht von einer vollständigen Durchtrennung des Nervens ausgehen, die ein schnelleres Handeln erforderlich gemacht hätte; denn bei einer vollständigen Durchtrennung hätten die Muskeln in diesem Bereich gar keine Aktivität mehr gezeigt. Tatsächlich gab es aber noch Restaktivitäten, wie sich aus der Dokumentation, insbesondere aus den Befunden von C entnehmen lässt. Vor diesem Hintergrund hat er auch die erneute Einschaltung eines Neurologen für entbehrlich gehalten. Bei einer reinen Läsion der betroffenen Nerven waren sich beide Sachverständige schon erstinstanzlich darin einig, dass man zuwarten konnte, ob sich der Nerv regenerieren würde, weil es keine Möglichkeit gab, die Beeinträchtigungen der Klägerin durch ein schnelleres Handeln zu verringern oder sogar zu vermeiden.
49Die Thromboseprophylaxe für einen Zeitraum von 28 Tagen hat der Sachverständige A schon erstinstanzlich für völlig ausreichend erachtet. Insoweit hat er bei seiner erneuten Anhörung bestätigt, dass dies der S3-Leitlinie entsprach und nicht länger fortzuführen war. Insoweit hat die Klägerin auch selbst beim Sachverständigen angegeben, dass sie nach der Reha-Maßnahme ihren Hausarzt aufgesucht habe, der die Auffassung vertreten habe, dass sie keine weitere Prophylaxe brauche, weil sie ja laufen könne. Dementsprechend habe er ihr auch keine Prophylaxe mehr verschrieben. Für diese eigenverantwortliche Entscheidung des Hausarztes wären die Beklagten ohnehin nicht verantwortlich zu machen.
50Der Sachverständige hat für den chirurgischen Bereich keinen Anhaltspunkt für einen Behandlungsfehler finden können und darauf verwiesen, dass er auch keinen Rückschluss vom eingetretenen Nervenschaden auf einen Fehler des Operateurs ziehen kann; denn in dem Fall hätte der Operateur mehrere Stellen gleichzeitig getroffen haben müssen, weil bei der Klägerin mehrere Nerven betroffen sind. Dabei liegen die geschädigten Bereiche noch nicht einmal im Operationsgebiet.
51Nach den Ausführungen des Sachverständigen B kann auch bei der Anlage des Doppelkatheters kein Fehler festgestellt werden.
52Nach seiner Auffassung war die Anlage durchaus indiziert, weil es sich um eine Operation handelte, bei der man im Nachhinein mit größeren Schmerzen rechnen muss. Im Rahmen seiner erneuten Anhörung hat er darauf verwiesen, dass die Anlage schon die Schmerzausschaltung während der Narkose mit dem geringeren Einsatz eines Narkosemittels ermöglicht, außerdem bietet sie wegen der postoperativen Schmerzausschaltung auch die entscheidende Möglichkeit, früher und einfacher mit der Mobilisierung zu beginnen. Dies hat A auch für ein besseres Ergebnis der Operation für wichtig gehalten.
53Allein die vom Sachverständigen B in erster Instanz gerügte Dokumentation begründet noch keinen Behandlungsfehler. Insoweit hat der Sachverständige bei seiner erneuten Anhörung zudem angegeben, dass unter medizinischen Gesichtspunkten nur Besonderheiten bei der Anlage angegeben werden müssen. Wenn nichts vermerkt ist, ist davon auszugehen, dass es keine Besonderheiten gab. Im Übrigen konnte er aus den Angaben der Klägerin und der weitergehenden Dokumentation entnehmen, dass die Anlage in üblicher Weise angelegt wurde.
54Er hat die fehlende Angabe zur Katheteranlage per Ultraschall für den Erfolg des Katheters für unwichtig gehalten, zumal es im Jahr 2011 noch gar nicht so viele Kliniken gab, die dies per Ultraschall gemacht haben. Tatsächlich hat die Klägerin aber auch selbst angegeben, dass ein Ultraschall verwandt wurde. Soweit die Klägerin beschrieben hat, dass ein Katheter in Seitenlage gesetzt wurde, was sich auch aus der weiteren Dokumentation entnehmen lässt, ist damit nach Ansicht des Sachverständigen hinreichend deutlich, dass es sich um eine dorsale Anlage für den Nervus ischiadicus handelt. Damit ist auch klar, wo die Einstichstelle liegt. Aus der eingetretenen Wirkung des Katheters konnte man darauf schließen, dass die Medikation korrekt zugeflossen ist.
55Trotz der von der Klägerin geschilderten Warnung des Oberarztes, auf den Nerv zu achten, konnte der Sachverständige ausschließen, dass der Anästhesist mit der Nadel den Nerv angestochen hat, weil es dann einen sog. „Vernichtungsschmerz“ gibt, den man in jedem Fall wahrnimmt. Einen solch „brutalen Schmerz“ hat die Klägerin aber zu keinem Zeitpunkt geschildert. Vor diesem Hintergrund bestand auch kein Anlass, die Anlage wieder zu entfernen.
56Im Übrigen hat der Sachverständige die Supervision durch einen Oberarzt für zulässig gehalten, weil sie guter Standard ist und den Facharztstandard wahrt.
57Beide Sachverständige haben die für ihren Bereich erfolgten Risikoaufklärungen für ausreichend erachtet, wobei in beiden Fällen auch Nervenschäden ausdrücklich erwähnt sind. Dabei hat der Sachverständige B auch darauf verwiesen, dass in dem Aufklärungsbogen die zwei Katheter im handschriftlichen Zusatz enthalten sind und das eingetretene Risiko im Aufklärungsbogen auch beschrieben ist, wobei auch unstreitig ist, dass Aufklärungsgespräche stattgefunden haben. Insoweit sind die drei vorliegenden Aufklärungsformulare auch ausreichend individualisiert und bieten ein hinreichendes Indiz, dass die Gespräche mit den dort dargestellten Themen auch stattgefunden haben.
58Der Sachverständige B hat jedoch weiter angegeben, dass es mehrere Alternativen gibt, die im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts durchaus gleichwertig und damit aufklärungspflichtig sind.
59Nach der Rechtsprechung ist eine Aufklärung über Behandlungsalternativen geboten, wenn es für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden gibt, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken haben und/oder unterschiedliche Erfolgschancen bieten (BGH VersR 2011, 1450 Rz.6,8). Es muss letztlich jedem Patienten überlassen bleiben, welche Gefahren er auf sich nehmen will.
60Der Sachverständige hat dazu angegeben, dass er über die Periduralanästhesie, obwohl sie noch im Aufklärungsbogen zu finden ist, nicht weiter aufklären würde, weil man diese Form der Anästhesie wegen der deutlich höheren und schwerwiegenderen Risiken nicht mehr wählt.
61Nach seiner Darstellung gibt es daneben noch die Möglichkeit, nur mit Schmerzmitteln zu arbeiten, was in einigen Kliniken auch heute noch gemacht wird. Es muss dann mit deutlich mehr Schmerzmedikation gearbeitet werden, die ebenfalls Nebenwirkungen haben. Auch wenn ein Schmerzkatheter dieser Methode deutlich überlegen ist, hat der Sachverständige dies für aufklärungspflichtig gehalten.
62Darüber hinaus hat der Sachverständige auch die alleinige Anlage eines femoralis-Katheters mit zusätzlicher Schmerzmedikation für möglich gehalten. Dabei würde man im Regelfall zwar nicht alle Nerven im Knie ausreichend mit Schmerzmitteln versorgen, dennoch sei es dem Patienten zu überlassen, ob er angesichts des Risikos eines Nervschadens dieses Risiko lieber halbieren möchte.
63Soweit der Sachverständige noch die Version seiner Klinik angegeben hat, nämlich einen femoralis-Katheter mit einem zusätzliche Single-Shot mit Langzeitanästhetikum, um den Schmerz in der Kniekehle auszuschalten, war dies nicht zusätzlich aufklärungspflichtig, weil dieser Single-Shot in gleicher Weise zu einem Nervenschaden führen kann wie der zusätzliche ischiadicus-Katheter. Er hat das gleiche Risikopotential für einen Schadenseintritt.
64Nach Ansicht des Sachverständigen muss man dem Patienten auch im Hinblick auf die Mobilisation, die ja möglichst schnell erfolgen soll, um das beste Ergebnis zu erzielen, die Wahl überlassen und ihn über sämtliche Vorteile und Nachteile/Risiken aufklären.
65Eine solche Aufklärung ist von der Klägerin bestritten worden und lässt sich auch nicht in ausreichender Weise der Dokumentation entnehmen.
66Soweit die Beklagten für eine ordnungsgemäße Alternativaufklärung Beweis angeboten haben, war dies aber entbehrlich, weil jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Einwilligung, auf die sich die Beklagten berufen haben, eine Haftung nach § 630h Abs. 2 S. 2 BGB entfällt.
67Der Klägerin ist es nämlich nicht gelungen, einen echten Entscheidungskonflikt darzustellen. Nach ihren eigenen Bekundungen ist ihr damals erklärt worden, dass der Schmerzkatheter dafür sorgen würde, dass sie keine Bewegungsschmerzen hätte und sich schneller würde bewegen können. Ein solches Verfahren würde oftmals angewandt. Aus dem handschriftlichen Zusatz im Aufklärungsbogen ergab sich auch, dass es sich um eine zusätzliche Anästhesie – was auch unstreitig ist – und zwar mitttels zweimaliger Beinplexusanästhesie handelte. Die Klägerin wollte folglich auch in Kenntnis der dort aufgeführten Risiken durchaus eine gute Schmerzausschaltung, um schnell mobilisiert zu werden. Im Rahmen ihrer Anhörung hat sie zunächst erklärt, dass sie sich nicht sicher sei, wie sie sich damals bei entsprechender Aufklärung entschieden hätte. Erst aus der heutigen Sicht, nämlich nach Eintritt des Schadens, war sie der Auffassung, dass sie es wohl eher nicht in der durchgeführten Form hätte machen lassen, weil ihr nicht bewusst gewesen sei, dass man einen solchen Schaden davontragen könne. Dies reicht ersichtlich nicht aus, um plausibel zu machen, dass sie sich damals anders entschieden hätte; denn sie hat ja in Kenntnis des Risikos eines Nervenschadens zum einen die Operation durchführen lassen und war auch in Kenntnis des möglichen Nervenschadens bereit, sich den Schmerzkatheter setzen zu lassen. Das sie dies aus heutiger Sicht anders betrachtet, ist allein dem eingetretenen Risiko geschuldet.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
69Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
70Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.