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Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens können auch die auf ein Grundstück einwirkenden Geräuschimmissionen sein.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 03.01.2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen, dem die erforderlichen Anordnungen übertragen werden.
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller begehrt die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens.
4Der Antragsteller ist Eigentümer eines im Außenbereich errichteten Wohnhauses, Hweg 1 in W. Die Antragsgegnerin plante die Erweiterung ihres Standortes; das Wohnhaus des Antragstellers befindet sich östlich des Plangebiets in unmittelbarer Nähe zu dem geplanten Bauvorhaben.
5Der Antragsteller hat behauptet, dass an seinem Wohnhaus Gewerbelärmimmissionen tagsüber von 50,9 dB (A) und nachts von 33,7 dB(A) prognostiziert würden. Diese Prognose sei falsch und er leide erheblich unter Immissionen, da die einschlägigen Emissionswerte – 60 dB (A) tagsüber und 45 dB (A) nachts – überschritten würden. Es sei davon auszugehen, dass in unzulässiger Weise Kühlaggregate auf dem Platz, der der Auslieferung von Lkw-Aufliegern diene, betrieben würden. Auch sei im Rahmen der Schallprognose weder der Geländeverlauf noch der Umstand berücksichtigt worden, dass Fahrzeuge auch zur Nachtzeit ankämen. Die Klärung der auf sein Grundstück einwirkenden Geräuschimmissionen sei zulässiger Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens. Seine Beweisfragen seien auch hinreichend bestimmt, zumal in einem anderen selbständigen Beweisverfahren auf der Grundlage dieser Fragen die Einholung eines Gutachtens beschlossen worden sei. Er habe auch ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens, da bei einer entsprechenden festgestellten Grenzwertüberschreitung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen davon auszugehen sei, dass die Antragsgegnerin ihre Produktionsabläufe hierauf einrichten und passiven Schallschutzmaßnahmen am seinem Wohnhaus nicht entgegentreten werde
6Der Antragsteller hat
7die Einholung eines lärmtechnischen Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen beantragt:
81. Wie hoch ist seine Lärmbelästigung
9a) tagsüber
10b) nachts an seinem Wohnhaus Hweg 1 in W?
112. Wie hoch sind die einzuhaltenden Grenzwerte?
123. Werden die Grenzwerte eingehalten?
13Die Antragsgegnerin hat beantragt,
14den Antrag auf Eröffnung des selbständigen Beweisverfahrens zurückzuweisen.
15Die Antragsgegnerin hat gemeint, der Antrag des Antragstellers sei auf reine Ausforschung gerichtet und unzulässig. Die Beweisanträge seien nicht auf bestimmte Betriebsvorgänge oder einzelne Maschinen oder konkrete Zeiträume festgelegt; auch der Einfluss der zwischen dem Betriebsstandort und dem Grundstück des Antragstellers liegenden Bundesstraße werde ausgeblendet. Ein rechtliches Interesse werde weder behauptet noch glaubhaft gemacht und das selbständige Beweisverfahren sei nicht geeignet, einen Rechtsstreit zu vermeiden, zumal die Parteien sich in zahlreichen öffentlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten befänden. Beachtlich sei, dass ihre Produktionsstätte genehmigt worden sei; im Rahmen des Genehmigungsverfahrens seien auch Schallgutachten unter Einbeziehung des Standortes des Antragstellers gefertigt und zur Grundlage des Genehmigungsbescheides gemacht worden. Aus der Baugenehmigung vom 30.06.2016 und dem Bauvorbescheid vom 11.02.2016 ergebe sich, dass ein Betrieb der Anlage zur Nachtzeit ohnehin nicht genehmigt sei, so dass es in der Nachtzeit nicht zu Belästigungen des Antragstellers kommen könne. Überdies zeige sich an dem eingeholten schalltechnischen Gutachten, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte deutlich unterschritten würden. Ungeachtet dessen sei beachtlich, dass die Geräuschimmissionen von unterschiedlichen Betriebsabläufen abhingen. Zudem wirkten mehrere Geräuschquellen zusammen. Damit aber handele es sich nicht um einen einheitlichen Zustand einer Sache und variable Emissionswerte könnten folglich nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sein.
16Nach Erteilung eines entsprechenden Hinweises mit Verfügung vom 14.11.2018 hat das Landgericht mit Beschluss vom 03.01.2019 den Antrag des Antragstellers auf Durchführung des Beweisverfahrens zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beweisfragen 1 a) und b) nicht hinreichend konkret seien. Zwar könne die Feststellung von Immissionen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens begehrt werden; indes lasse sich anhand der Beweisfragen für einen Sachverständigen nicht hinreichend sicher entnehmen, wann und wo er Lärmmessungen vornehmen solle. Die Beweisfrage zu 2) sei eine reine Rechtsfrage, auch wenn dies nicht ausschließe, dass Sachverständigenbeweis hinsichtlich der Einhaltung der Grenzwerte erhoben werde.
17Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde mit der er seinen Antrag hilfsweise dahingehend präzisiert, dass der Sachverständige die Messungen im Bereich des nordwestlich gelegenen Schlafzimmers seines Wohnhauses im 1. Obergeschoss vornehmen und eine periodische Messung ab der 19. Kalenderwoche des Jahres 2019 an 7 Tagen in der Woche, jeweils im Abstand von 3 Stunden und zwar um 11:30 Uhr, 14:30 Uhr und 17:30 Uhr und fortlaufend durchgeführt werden solle.
18Der Antragsteller rügt, dass durch die von ihm angeregte periodische Messung gewährleistet sei, dass nicht lediglich eine Momentaufnahme festgestellt werde, sondern sich vielmehr über einen längeren Zeitraum ein entsprechendes Bild ergebe. Überdies sei beachtlich, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 26.11.2018, 10 D 35/16. NE, hinsichtlich des auf das vorliegende Vorhaben bezogenen Bebauungsplans festgestellt habe, dass dieser unwirksam sei, weil die Immissionspegel überschritten würden. Soweit ein weiteres schalltechnisches Gutachten vom 17.10.2018 im Zusammenhang mit dem Bauantrag der Antragsgegnerin zur Nutzungserweiterung auch für die Nachtzeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr eingeholt worden sei, weise auch dieses unzutreffende Lärmprognosen aus, da unberücksichtigt bleibe, dass sich auch sein Grundstück auf einem Niveau von ca. 1 m unterhalb der Straße befinde. Überdies sei durch die Bebauung der Suchverkehr erheblich angestiegen, was zudem dadurch verschärft werde, dass die Schrankenanlagen vor den Stellplätzen nachts geschlossen seien. Zudem versuche die Antragsgegnerin, die vorliegende Thematik einvernehmlich zu regeln; so sei unter anderem angeboten worden, Sichtschutzzäune bzw. Pflanzungen anzubringen.
19Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Soweit der Antragsteller hilfsweise seinen Antrag präzisiere und Zeitvorgaben mache, verkenne er, dass die Geräuschimmissionen noch immer von unterschiedlichen Betriebsabläufen abhängig seien, mehrere Geräuschquellen zusammenwirkten und das Zusammenwirken keine immer wiederkehrende und damit feststehende Folge der Produktionsstätte, sondern eine Folge von weiteren Entscheidungen und äußeren Faktoren sei.
20Das Landgericht Münster hat mit Beschluss vom 21.02.2019 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit der ergänzenden Begründung zur Entscheidung vorgelegt, dass nach dem nunmehrigen Vortrag der Beteiligten das selbständige Beweisverfahren von vornherein unzulässig sei. Die Antragsgegnerin habe dem Verfahren nicht zugestimmt und es sei auch nicht zu befürchten, dass dem Antragsteller Beweismittel verloren gingen. Überdies handele es sich bei den maßgeblichen Lärmimmissionen nicht um den Zustand des Hauses des Antragstellers, da hierunter nur Eigenschaften zu verstehen seien, die einer Sache über einen gewissen Zeitraum unverändert anhafteten. Geräuschimmissionen fielen nur dann hierunter, wenn die Geräuschquelle bei gleichbleibenden, technisch definierbaren Bedingungen gleichbleibende erfassbare Geräusche von sich gebe. Vorliegend sei dies indes nicht der Fall. Die Lärmeinwirkung schwanke und hänge insbesondere von den zu testierenden Kühlaggregaten ab. Eine erweiternde Auslegung sei nicht geboten, da diese gegen Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens streite. Das selbständige Beweisverfahren setze – abgesehen von den Fällen des drohenden Beweismittelverlustes – statische Zustände voraus. Da überdies festzustellende Messwerte lediglich eine Momentaufnahme darstellten, seien sie auch nicht geeignet, einen künftigen Rechtsstreit zu vermeiden. Ungeachtet dessen lägen bereits nach dem Vortrag des Antragstellers Messwerte vor, die sich auf sein Grundstück bezögen. Wenn diese Messwerte, die nach dem Vortrag des Antragstellers Grenzwerte überschritten, einen Rechtsstreit nicht vermeiden könnten, sei nicht erkennbar, dass dies die Messwerte eines weiteren Sachverständigen könnten.
21II.
22Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache vorläufig Erfolg.
231.
24Zutreffend hat das Landgericht zwar darauf hingewiesen, dass ein Fall des § 485 Abs. 1 ZPO schon mangels Vorliegens der Zustimmung der Antragsgegnerin nicht vorliegt.
252.
26Nach § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kann aber, wenn – wie hier – noch kein Rechtsstreit anhängig ist, eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Sache festgestellt wird.
27a)
28Unmittelbarer Antragsgegenstand in diesem Sinne ist die Sache auch, wenn die festzustellenden Eigenschaften nicht in ihr selbst angelegt sind, sondern sich erst durch ihre Beziehung zur sie umgebenden Außenwelt ergeben, und zwar auch dann, wenn diese Umgebungsbedingungen – wie bei den hier verfahrensgegenständlichen Geräuschimmissionen – Schwankungen unterliegen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 05. Januar 2015 – 5 W 89/14 – MDR 2015, 793; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. April 2008 – 4 W 171/08 – zitiert nach juris; Kratz, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, Stand: 01.07.2019, § 485 ZPO Rn. 35; offengelassen von VG Ansbach, Beschluss vom 06.05.2019 - AN 17 X 18.1897 - BeckRS 2019, 9258).
29Zwar wird vertreten, dass unter dem Zustand einer Sache nur solche Eigenschaften zu verstehen seien, die einer Sache über einen gewissen Zeitraum unverändert anhafteten, denn nur die Feststellung derartiger Eigenschaften könne überhaupt geeignet sein, den Zweck der Beweissicherung, nämlich der Vermeidung eines Rechtsstreites zu dienen; Geräuschimmissionen oder -emissionen könnten demgemäß nur dann als Zustand einer Sache angesehen werden, wenn die Geräuschquelle bei gleichbleibenden, technisch definierbaren Bedingungen gleichbleibende, durch physikalische Messung erfaßbare Geräusche von sich gebe (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. September 2015 – 16 W 48/15 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. November 1991 – 9 W 139/91 – MDR 1992, 807: Gewerbebetrieb; LG Frankfurt, Beschluss vom 11. August 2015 – 2-08 OH 3/15 – zitiert nach juris; LG Hamburg, Beschluss vom 30. Juli 1999 – 307 T 74/99 – MDR 1999, 1344: Gaststätte; Herget, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 485 ZPO Rn. 9; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage 2019, § 485 ZPO Rn. 12; offengelassen von VG Gießen, Beschluss vom 31. Oktober 1997 – 1 J 1071/97 – zitiert nach juris).
30Indes ist beachtlich, dass von außen auf ein Grundstück einwirkender Lärm den Zustand des Grundstücks des Antragstellers jedenfalls mitbestimmt. Die Eigenschaften einer Sache müssen also nicht zwingend in ihr selbst angelegt sein, sondern können auch durch äußere Einflüsse jedenfalls mitgeprägt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Geräuschbelastung gewissen Schwankungen unterworfen ist. Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass die Geräuschimmissionen von unterschiedlichen Betriebsabläufen und auch von der zwischen den Grundstücken verlaufenden Bundesstraße abhingen und mehrere Geräuschquellen zusammenwirkten, mag sich die Geräuschbelastung als solche zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich darstellen. Gleichwohl müssten auch im Hauptprozess Lärmpegelmessungen notfalls über einen längeren Zeitraum durch einen Sachverständigen vorgenommen werden, um Belastungen umfassend klären und bewerten zu können.
31Die TA Lärm gibt im Einzelnen vor, auf welche Weise trotz schwankender Geräuschimmissionen eine erhebliche Belästigung im Sinne des § 3 Absatz 1 BImSchG ermittelt werden kann. Geräusche von Gewerbe- und Industrieanlagen werden nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) gemessen und beurteilt. Die TA Lärm schützt die Allgemeinheit und die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche. Die TA Lärm gilt, von einigen Geräuschquellen abgesehen, für genehmigungsbedürftige Anlagen und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen (§§ 4 bis 31a BImSchG). Für Anlagengeräusche wird nach der TA Lärm der Beurteilungspegel aus dem Mittelungspegel über die 16 Tagesstunden (von 6 Uhr bis 22 Uhr) oder über die lauteste Nachtstunde (zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, Ziffer 6.4 TA-Lärm) gebildet. Gegebenenfalls werden noch wirkungsgerechte Zuschläge für besondere Geräuschmerkmale (Ton-, Informations-, Impulshaltigkeit, Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit nach Ziffer 6.5 TA-Lärm) berücksichtigt. Nach Ziffer 6.6 TA Lärm erfolgt die Ermittlung der Geräuschimmissionen nach den Vorschriften des Anhangs. Nach A.1.1.1 des Anhangs ist der mittlere Schallleistungspegel der Pegel der über die Einwirkzeit gemittelten Schallleistung. Nach A.1.1.3 des Anhangs ist Einwirkzeit einer Schallquelle oder einer Anlage die Zeit innerhalb der Beurteilungszeit oder der Teilzeit, während der die Schallquelle oder Anlage in Betrieb ist.
32Hieraus folgt, dass eine Messung des gemittelten Schalldruckpegels über eine repräsentative Zeitspanne erfolgt und damit gerade schwankende Immissionen berücksichtigt werden. Die dazu erforderlichen Feststellungen kann ein Sachverständiger mit geeigneten Messgeräten treffen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 10 W 20/06 – zitiert nach juris).
33Die sachverständige Klärung der - veränderlichen - Immissionsbelastung eines Grundstücks in einem Hauptsacheverfahren ist damit jedenfalls zuzulassen (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. September 2013 – 12 U 143/12 – zitiert nach juris: jahreszeitlich schwankender Froschlärm; OLG Celle, Urteil vom 29. Juni 2011 – 4 U 199/09 – NJW-RR 2011, 1585: Geräuschimmissionen durch eine Orgel). Dann aber kann – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin – für die Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren, das einem solchen Rechtsstreit vorgeschaltet ist und ihn mit Blick auf die erfolgende Vorabklärung im Idealfall verhindert, nichts anderes gelten (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 05. Januar 2015 – 5 W 89/14 – MDR 2015, 793).
34Dass ein Immissionsgutachten allein den für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Sachverhalt möglicherweise noch nicht vollständig und endgültig aufzuklären geeignet ist, schadet nicht (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 05. Januar 2015 – 5 W 89/14 – MDR 2015, 793). Das Herbeiführen einer vollständigen Entscheidungsreife ist ohnehin und naturgemäß dem eigentlichen Rechtsstreit vorbehalten (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 05. Januar 2015 – 5 W 89/14 – MDR 2015, 793).
35b)
36Ein rechtliches Interesse kann dem Antragsteller nicht abgesprochen werden.
37Nach der gesetzlichen Fiktion des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein solches Interesse anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreites dienen kann.
38aa)
39Auch wenn die Antragsgegnerin einen Bezug laufender Vergleichsverhandlungen zum vorliegenden selbständigen Beweisverfahren in Abrede stellt, ist beachtlich, dass selbst dann, wenn der Antragssteller eine gütliche Einigung ablehnt, ein rechtliches Interesse nicht verneint werden kann (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10. September 1992 – 7 W 59/92 – zitiert nach juris). Denn das selbständige Beweisverfahren kann auch dann einen Rechtsstreit vermeiden, wenn die vom Sachverständigen festgestellten Tatsachen keine ausreichende Grundlage für materiell-rechtliche Ansprüche geben und der Antragsteller folglich deshalb von einer Klageerhebung absieht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10. September 1992 – 7 W 59/92 – zitiert nach juris). Umgekehrt kann die Feststellung die maßgeblichen Richtwerte massiv überschreitender Geräuschimmissionen die Antragsgegnerin als potentiellen zukünftigen Prozessgegner zum Einlenken bewegen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 05. Januar 2015 – 5 W 89/14 – MDR 2015, 793; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. April 2008 – 4 W 171/08 – zitiert nach juris).
40bb)
41Ungeachtet dessen ist eine weite Auslegung des rechtlichen Interesses geboten. Auf die Erheblichkeit der Beweisfragen oder die Erfolgsaussichten im späteren Prozess kommt es nicht an (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2010 – 8 W 32/10 – NJW-RR 2011, 536). Es genügt, dass die vom Sachverständigen zu treffende Tatsachenfeststellung Grundlage eines sachlich-rechtlichen Anspruchs bilden kann (vgl. Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage 2019, § 485 ZPO Rn. 13). Ein rechtliches Interesse kann nur dann verneint werden, wenn der Anspruch eindeutig nicht bestehen kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18. Oktober 2010 – 8 W 32/10 – NJW-RR 2011, 536). Insoweit ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller gestützt auf § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Beseitigungsanspruch bzw. auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Unterlassungsanspruch wegen Eigentumsbeeinträchtigung geltend machen könnte. Voraussetzung hierfür ist zwar eine Beeinträchtigung des Eigentums, die nicht in einer Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes besteht. Nach der Inhaltsbestimmung des zivilrechtlichen Eigentums in § 903 Satz 1 BGB BGB kann der Eigentümer andere im Rahmen der Rechtsordnung von jeder Einwirkung auf die Sache ausschließen. Diese Ausschließungsbefugnis konkretisiert § 1004 Abs. 1 BGB zum Beseitigungsanspruch. Demzufolge erfüllt jede Einwirkung, die der Eigentümer zu dulden nicht bereit ist, den Tatbestand der Beeinträchtigung in § 1004 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 01. März 2013 – V ZR 14/12 –, NJW 2013, 1809). Eine solche Einwirkung kann auch durch Zuführung unwägbarer Stoffe im Sinne von § 906 BGB erfolgen (vgl. zu Lärmbeeinträchtigungen: BGH, Urteil vom 08. Mai 1992 – V ZR 89/91 – NJW 1992, 2019; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. Juni 2019 – 7 U 140/18 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.7.2017 – I-9 U 35/17 - NJOZ 2018, 652; vgl. zu Lichteinwirkungen: Senat, Urteil vom 09. Juli 2019 – 24 U 27/18 – zitiert nach juris zur Blendwirkung glasierter Dachziegeln; OLG Zweibrücken, Urteil vom 29. Januar 2001 – 7 U 161/00 – MDR 2001, 984; OLG Stuttgart, Urteil vom 09. Februar 2009 – 10 U 146/08 – MDR 2009, 1099 zu Sonnenlichtreflexionen; LG Arnsberg, Urteil vom 08. Januar 2018 – 2 O 186/16 – zitiert nach juris; Blendwirkung glasierter Dachziegeln; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juli 2017 – I-9 U 35/17 – MDR 2017, 1297: von Photovoltaikanlage ausgehende Blendwirkung LG Magdeburg, Urteil vom 05. Oktober 2017 – 10 O 1937/15 – zitiert nach juris; Sonnenlichtreflexionen durch einen Edelstahlschornstein; LG Wiesbaden, Urteil vom 19. Dezember 2001 – 10 S 46/01 – NJW 2002, 615; OVG Lüneburg, Urteil vom 13. September 1993 – 12 L 68/90 – zitiert nach und Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Juli 1981 – 1 A 73/80 – zitiert nach juris, jeweils zu Lichtimmissionen einer Straßenlaterne).
42cc)
43Das rechtliche Interesse des Antragstellers kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass bereits eine schalltechnische Untersuchung von einem auf Schallschutz qualifizierten Ingenieurbüro erfolgt ist. Zwar kann in einem solchen Fall ein rechtliches Interesse zu verneinen sein (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2012 – OVG 12 A 1.12 – zitiert nach juris). Indes hatten die zur Akte gereichten schalltechnischen Gutachten vom 11.11.2015 und vom 17.10.2018 allein die zu erwartenden Geräuschimmissionen, nicht aber die tatsächlichen Geräuschimmissionen zum Gegenstand der Untersuchung. Ungeachtet dessen hat der Antragsteller geltend gemacht, dass die ermittelten Messwerte nunmehr deutlich überschritten würden.
44c)
45Allerdings hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die mit dem Hauptantrag gestellten Beweisfragen zu beanstanden sind.
46Nach § 487 Nr. 2 ZPO sind im Antrag die Tatsachen zu benennen, über die Beweis erhoben werden soll. Diese Regelung dient dazu, dem Gericht die Formulierung des Beweisbeschlusses gem. § 359 Nr. 1 ZPO zu erleichtern.
47aa)
48Welche Anforderungen an die Bezeichnung des Beweisthemas zu stellen sind, ist indes nicht unumstritten (vgl. Schreiber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 478 ZPO Rn. 4). Zwar sind an die Substantiierung des Beweisthemas nicht zu hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1992 – VII ZR 258/90 – zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. Oktober 1999 – 19 W 36/99 – MDR 2000, 226). Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass ein Ausforschungsbeweis ausgeschlossen ist (vgl. OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 08. Juli 2008 – 5 W 41/08 – MDR 2008, 1059; VG Ansbach (17. Kammer), Beschluss vom 06.05.2019 - AN 17 X 18.1897 - BeckRS 2019, 9258; OLG Köln, Beschluss vom 29. Oktober 1999 – 19 W 36/99 – MDR 2000, 226). Unzulässig ist der Antrag, wenn der Antragsteller ohne konkrete Anhaltspunkte die tatsächlichen Grundlagen für einen Anspruch ermitteln lassen möchte.
49bb)
50Soweit sein mit Antragsschrift vom 05.10.2018 gestellter Hauptantrag zu Ziffer 1.a) und Ziffer 1.b) betroffen ist, fehlt es zwar schon an jeglicher Konkretisierung dahingehend, an welchem Messpunkt die Messungen erfolgen sollen. Indes hat er mit seinem Hilfsantrag vom 23.01.2019 den Messpunkt bestimmt und überdies den Zeitraum, in dem Messungen stattfinden sollen, ebenso benannt wie die jeweiligen Zeitpunkte der Messungen.
51Hingegen betrifft der Hauptantrag des Antragstellers zu Ziffer 2) und 3) die Fragen, wie hoch die Grenzwerte seien und ob Grenzwerte eingehalten würden. Es handelt sich hierbei jedoch um Rechtsfragen. Das Stellen einer Rechtsfrage ist indes unzulässig (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Juni 2017 – 1 W 51/17 – zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 15. Juli 2013 – I-22 W 37/13 – NJW 2013, 2980), worauf auch das Landgericht zutreffend hingewiesen hat.
52cc)
53Nach alledem können jedenfalls die Beweisanträge des Hilfsantrages gemäß Schriftsatz vom 23.01.2019 nicht mit der Begründung des Landgerichts zurückgewiesen werden. Die erforderlichen weiteren Anordnungen werden gemäß § 572 Abs. 3 ZPO dem Landgericht übertragen, das zu prüfen hat, inwieweit unter den genannten Prämissen den gestellten Anträgen stattzugeben ist.