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1. a) Für den Vollstreckungserfolg im Sinne des § 90 Abs. 1 Ziff. 1 FamFG ist unerheblich, ob zuvor angeordnete Ordnungsmittel bereits vollzogen sind. Zahlungserleichterungen gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGStGB hindern die Anordnung weiterer Vollstreckungsmittel (Ordnungsmittel oder unmittelbarer Zwang) nicht.
b) Die Anordnung unmittelbaren Zwangs setzt kein Verschulden voraus. § 89 Abs. 4 FamFG ist nicht anzuwenden.
c) Ist der Tatbestand des § 90 Abs. 1 FamFG erfüllt, so schrumpft das Entschließungsermessen des Gerichts regelmäßig auf Null.
2. a) Die Kindeswohlprüfung gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG ist allein darauf gerichtet, ob die besonderen Auswirkungen des unmittelbaren Zwangs das Wohl des Kindes außergewöhnlich schwer beeinträchtigen.
b) Ein betroffenes Kind von weniger als vierzehn Jahren ist dazu persönlich anzuhören, wenn seine Neigungen, seine Bindungen oder sein Wille für die Auswahl des Vollstreckungsmittels von Bedeutung sind.
3. a) Der Erlass einer Durchsuchungsanordnung gemäß § 91 FamFG setzt nicht voraus, dass der Verpflichtete die Vollstreckung bereits verweigert hat.
b) Eine Durchsuchungsanordnung „gegen jeden Dritten“ wäre nicht ausreichend bestimmt.
4. Sofortige Beschwerde gemäß § 87 Abs. 4 FamFG kann auch erhoben werden, um eine Verschärfung der Vollstreckungsmittel zu erreichen.
5. a) § 44 Abs. 1 IntFamRVG schränkt das Entschließungsermessen gemäß § 89 FamFG ein, nicht aber das Entschließungsermessen gemäß § 90 Abs. 1 FamFG.
b) Anordnung im Sinne des § 44 Abs. 2 und 3 IntFamRVG ist nicht das angeordnete Vollstreckungsmittel, sondern der zu vollstreckende Titel.
6. § 93 FamFG ist im Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 nicht anzuwenden.
I.
1. Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Ordnungshaftbeschluss des Amtsgerichts ‑ Familiengericht ‑ Hamm vom 3./4.7.2019 aufgehoben.
Zur Vollstreckung der Verpflichtung der Kindesmutter aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881), die am 00.00.2010 geborene B an den Kindesvater herauszugeben, wird unmittelbarer Zwang angeordnet. Der unmittelbare Zwang wird auch gegen das betroffene Kind B zugelassen. Das betroffene Kind B ist der Kindesmutter oder jedem Dritten wegzunehmen und dem Kindesvater oder seinem ausgewiesenen Vertreter an Ort und Stelle zu übergeben.
Zur Vollstreckung der Verpflichtung der Kindesmutter aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881), die am 00.00.2012 geborene E an den Kindesvater herauszugeben, wird unmittelbarer Zwang angeordnet. Der unmittelbare Zwang wird auch gegen das betroffene Kind E zugelassen. Das betroffene Kind E ist der Kindesmutter oder jedem Dritten wegzunehmen und dem Kindesvater oder seinem ausgewiesenen Vertreter an Ort und Stelle zu übergeben.
Zur Vollstreckung der beiden vorgenannten Herausgabeverpflichtungen der Kindesmutter wird weiter angeordnet, dass die Wohnung der Kindesmutter im 2. Stockwerk rechts des Hauses M-Straße 00 in N nebst sämtlicher mitgenutzter Räumlichkeiten und Gelasse betreten und durchsucht wird.
Das weitergehende Rechtsmittel des Kindesvaters wird zurückgewiesen.
Die Wideranträge der Kindesmutter auf Feststellung, dass unmittelbarer Zwang gegen die Kindesmutter und die betroffenen Kinder zur Vollstreckung der unter Ziff. 1 genannten Herausgabeverpflichtungen der Kindesmutter nicht angewendet werden darf, werden zurückgewiesen.
2. Das Jugendamt der Stadt N wird ersucht, Unterstützung bei der Vollstreckung der unter Ziff. 1. genannten Herausgabeverpflichtungen der Kindesmutter zu leisten.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin,
a) dass die Ausübung der elterlichen Sorge für die betroffenen Kinder B und E von den zuständigen französischen Gerichten dem Kindesvater allein zugesprochen ist;
b) dass die Kindesmutter deshalb auch zur Herausgabe der betroffenen Kinder B und E an den Kindesvater vollstreckbar verpflichtet ist;
c) dass abweichende Entscheidungen deutscher Gerichte der Vollstreckung dieser Herausgabeverpflichtungen nicht entgegengehalten werden könnten.
3. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens in beiden Rechtszügen fallen der Kindesmutter zur Last.
4. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Vollstreckungsverfahren wird für den ersten Rechtszug auf € 3.000,00 und für den zweiten Rechtszug auf € 4.500,00 festgesetzt.
II.
Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Kindesmutter gegen den Teil-Beschluss des Senats vom 1.8.2019 werden als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Kindesmutter auf Aufhebung des Ordnungshaftbeschlusses des Amtsgerichts ‑ Familiengericht ‑ Hamm vom 3./4.7.2019 in Verbindung mit dem Teil-Beschluss des Senats vom 1.8.2019 wegen nachträglich vorgetragener Entschuldigungsgründe wird ebenfalls als unzulässig verworfen.
III.
Der Antrag der Kindesmutter auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881) wird zurückgewiesen.
Die Beschränkungen des § 758a Abs. 4 ZPO sowie etwaige Gründe für einen Vollstreckungsaufschub gemäß § 765a Abs. 2 ZPO sind nicht zu beachten.
G r ü n d e
2I.
3Die Kindesmutter wendet sich gegen die Vollstreckung einer französischen Entscheidung über das Sorgerecht für die betroffenen Kinder.
41. a) Der Kindesvater ist französischer Staatsbürger und wohnt in F im Département I in Frankreich. Die Kindesmutter ist deutsche Staatsbürgerin und wohnt derzeit mit B und E in N in Nordrhein-Westfalen. Die Kindeseltern sind und waren nicht miteinander verheiratet, lebten aber während etwa sieben Jahren in einer gemeinsamen Wohnung in F, und im dortigen Hauptort U wurden auch B und E geboren. Seit Februar 2014 lebten die Kindeseltern dann in jeweils eigenen Wohnungen in F, und das Tribunal de Grande Instance de Toulouse bestimmte durch Entscheidung vom 18.7.2014 (R.G. no. 14/22642), dass die Kindeseltern die elterliche Sorge für B und E gemeinsam ausüben sollten und dass sich B und E wöchentlich wechselnd im mütterlichen und im väterlichen Haushalt aufhalten sollten. Im April 2015 verbrachte die Kindesmutter die betroffenen Kinder jedoch widerrechtlich nach Deutschland. Bis Mitte 2016 konnte sie sich und die beiden Kinder dort unerkannt verborgen halten.
5b) Einen sodann anhängig gemachten Antrag des Kindesvaters auf Rückgabe der Kinder nach Frankreich gemäß dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (Convention sur les aspects civils de l'enlèvement international d'enfants; „Haager Übereinkommen“, „HKÜ“) wies der erkennende Senat durch Beschluss vom 22.12.2016 mit Rücksicht auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. b) HKÜ zurück (32 F 242/16 Amtsgericht Hamm – 11 UF 194/16 Senat = FamRZ 2017, 1679). Mit Entscheidung vom 3.3.2017 forderte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse die Kindeseltern deshalb auf, Sorgerechtsanträge gemäß Art. 11 Abs. 7 S. 1 VO (EG) 2201/2003 einzureichen. Dem kam der Kindesvater mit Antragsschrift vom 2.6.2017 nach, worauf ein Kindschaftsverfahren beim Tribunal de Grande Instance de Toulouse eingeleitet wurde (R.G. no. 17/20881). Um die Anhörung der betroffenen Kinder in diesem Verfahren ersuchte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse das Amtsgericht ‑ Familiengericht ‑ N (30 AR 1/18) im Wege der Rechtshilfe, aber die Kindesmutter verweigerte die Anhörung der Kinder wegen angeblicher internationaler Unzuständigkeit der französischen Gerichte.
6c) Darauf folgend beließ es das Tribunal de Grande Instance de Toulouse mit Entscheidung vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881) weiterhin beim gemeinsamen Sorgerecht der Kindeseltern, übertrug deren Ausübung aber bis auf weiteres dem Kindesvater allein, legte den gewöhnlichen Aufenthalt der Kinder beim Kindesvater fest und ordnete die sofortige Rückkehr der Kinder nach Frankreich an. Ergänzend traf das französische Gericht zahlreiche Entscheidungen insbesondere über ein verbleibendes Aufsichts- und ein Umgangsrecht der Kindesmutter sowie eine Erstunterbringung der Kinder in der Fachabteilung eines Kinderkrankenhauses. Dabei befasste es sich eingehend mit der Frage, welche Sorgerechts- und Umgangsregelungen B‘s und E‘s Kindeswohl am besten entsprechen. Ferner kam es zu dem Schluss, dass die vom Senat festgestellten Rückgabehindernisse im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Buchst. b) HKÜ erledigt seien.
7Gegen die Entscheidung vom 13.4.2018 legte die Kindesmutter am 6.7.2018 Rechtsmittel zum Cour d‘Appel de Toulouse ein (R.G. no. 18/02995), der allerdings durch Zwischenentscheidung vom 30.11.2018 u.a. anordnete, dass das Verfahren gemäß Art. 526 Abs. 1 der französischen Zivilprozessordnung (code de procédure civile) aus dem Prozessregister zu löschen sei.
82. a) Über seine Entscheidung vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881) stellte das Tribunal de Grande Instance de Toulouse eine Bescheinigung gemäß Art. 42 Abs. 2 VO (EG) 2201/2003 aus. Die Entscheidung vom 13.4.2018 wurde der Kindesmutter am 5.7.2018 gemäß Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1393/2007 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 S. 1 FamFG, § 180 ZPO zugestellt (30 AR 5/18 Amtsgericht N). Im vorliegenden Vollstreckungsverfahren hat der erkennende Senat durch Beschluss vom 19.7.2018 insbesondere klargestellt, dass die Kindesmutter aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881) auch verpflichtet ist, die beiden betroffenen Kinder B und E an den Kindesvater herauszugeben (11 UF 93/18 = FamRZ 2018, 1938).
9b) Durch Beschluss vom 12./13.11.2018 hat das Amtsgericht gegen die Kindesmutter wegen Zuwiderhandlungen gegen die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 Ordnungsgelder und ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt. Auf die damalige sofortige Beschwerde der Kindesmutter hat der Senat den Ordnungsgeldbeschluss durch Beschluss vom 11.12.2018 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst (11 WF 269/18):
10Gegen die Vollstreckungsschuldnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881), die am 00.00.2010 geborene B an den Vollstreckungsgläubiger herauszugeben, ein Ordnungsgeld in Höhe von € 2.250,00 festgesetzt und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft von einem Tag je € 25,00 angeordnet.
11Gegen die Vollstreckungsschuldnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881), die am 00.00.2012 geborene E an den Vollstreckungsgläubiger herauszugeben, ein Ordnungsgeld in Höhe von € 2.250,00 festgesetzt und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft von einem Tag je € 25,00 angeordnet.
12Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, zunächst das Ordnungsgeld betreffend das Kind B und sodann das Ordnungsgeld betreffend das Kind E zu zahlen, und zwar jeweils in monatlichen Teilbeträgen von je € 75,00 beginnend mit dem Monat Januar 2019. Der Nachlass von Teilbeträgen entfällt, wenn die Vollstreckungsschuldnerin einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.
13Die Ordnungsgeldraten für die Zeit bis einschließlich September 2019 hat die Kindesmutter gezahlt. Die betroffenen Kinder B und E hat die Kindesmutter weiterhin nicht herausgegeben.
14c) Durch den nun angefochtenen Beschluss vom 3./4.7.2019 hat das Amtsgericht gegen die Kindesmutter unmittelbar Ordnungshaft von sechzig Tagen angeordnet, weil die Kindesmutter das Kind B entgegen der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 weiterhin nicht an den Kindesvater herausgegeben hat. Von der Verhängung weiterer Ordnungsmittel wegen des Kindes E hat das Amtsgericht abgesehen, weil die Kindesmutter zunächst lediglich Ordnungsgeldraten wegen des Kindes B zu zahlen habe.
15Gegen den Ordnungshaftbeschluss vom 3./4.7.2019 richten sich die sofortigen Beschwerden sowohl der Kindesmutter als auch des Kindesvaters.
16aa) Die Kindesmutter rügt insbesondere, dass die Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 nicht auf Kindesherausgabe laute und nicht mit einer Vollstreckungsklausel versehen sei. Das Verfahren vor den französischen Gerichten sei außerdem fehlerhaft gewesen, vor allem weil die betroffenen Kinder dort nicht angehört worden seien, und der weitere Rechtsweg in Frankreich sei ihr ‑ der Kindesmutter ‑ versperrt worden, indem der Cour d‘Appel de Toulouse ihr Rechtsmittel aus dem dortigen Prozessregister gestrichen habe. Das Kindeswohl sei daher im Verfahren vor den französischen Gerichten nicht ausreichend geprüft worden, was nun im Verfahren vor den deutschen Gerichten nachgeholt werden müsse. Hierzu seien B und E, die beiden Kindeseltern und das Jugendamt von den deutschen Gerichten persönlich anzuhören.
17Weitere Ordnungsmittel dürften schon deshalb nicht angeordnet werden, weil der Vollstreckungserfolg durch die bisher angeordneten Ordnungsgelder noch nicht beurteilt werden könne, nachdem die Ordnungsgelder erst zu einem kleinen Teil fällig geworden seien. Außerdem habe sie ‑ die Kindesmutter ‑ es nicht zu vertreten, dass B und E nicht an den Kindesvater herausgegeben seien, da sie ihre Handlungsmöglichkeiten insoweit ausgeschöpft habe. So habe sie B und E immer wieder ermuntert, an den Kindesvater zu denken, ihm Bilder zu malen und Briefe zu schreiben und auch ihn zu treffen, aber die Kinder wollten nicht einmal darüber sprechen. Weitergehende Handlungen könnten von ihr nicht verlangt werden, weil B’s und E’s Kindeswohl erheblich geschädigt würde, falls ein unfreiwilliger Wechsel zum Kindesvater durchgesetzt würde. Würde sie ‑ die Kindesmutter ‑ gar in Ordnungshaft genommen, so müssten die betroffenen Kinder bereits gewaltsam in fremde Obhut genommen werden, weil sie sich nicht freiwillig in die Hände Dritter begeben würden. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Stellungnahmen und Schreiben des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Pädiatrie Q aus T vom 7.8.2018, 15.8.2018, 11.9.2018 und 16.8.2019 verwiesen.
18Erst recht dürfe kein unmittelbarer Zwang angeordnet werden, und zwar gegen B und E schon deshalb nicht, weil sie nicht Herausgabeschuldner seien. Außerdem würde nicht nur ein unfreiwilliger Wechsel von der Kindesmutter zum Kindesvater als solcher, sondern auch ein gewaltsames Vorgehen gegen die betroffenen Kinder als solches B’s und E’s Kindeswohl erheblich schädigen. Es sei damit zu rechnen, dass B und E bei einem gewaltsamen Vorgehen erhebliche Gegenwehr zeigen und schwerwiegende Langzeitschäden davontragen würden. Wegen der Einzelheiten wird wiederum auf die vorgelegten Stellungnahmen und Schreiben des Herrn Q verwiesen. Schließlich sei die Anordnung unmittelbaren Zwangs auch unverhältnismäßig, weil als milderes Mittel eine „begleitende Aufbauphase im Umgang mit dem Kindesvater“ in Betracht komme. Auch hierzu strebt die Kindesmutter ein Vermittlungsverfahren gemäß § 165 FamFG an.
19Widerbeantragend begehrt die Kindesmutter zuletzt auch
20festzustellen, dass unmittelbarer Zwang gegen die Kindesmutter oder die betroffenen Kinder weder zur Vollstreckung zugunsten des Kindesvaters noch anlässlich einer Inobhutnahme durch das Jugendamt angewendet werden dürfe.
21bb) Der Kindesvater rügt insbesondere, dass das Amtsgericht statt einer Ordnungshaft nur wegen des Kindes B bereits die Anwendung unmittelbaren Zwangs wegen beider Kinder B und E habe anordnen müssen. Ordnungsmittel seien ersichtlich wirkungslos. Auch sei nicht einzusehen, warum eine Trennung der betroffenen Kinder von der Kindesmutter während einer Ordnungshaft in Deutschland milder sei als ein Aufenthalt der Kinder in einem Kinderkrankenhaus nach einem Wechsel nach Frankreich.
22cc) Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter gegen den Ordnungshaftbeschluss des Amtsgerichts vom 3./4.7.2019 hat der Senat bereits durch Teil-Beschluss vom 1.8.2019 zurückgewiesen.
23Dagegen erhebt die Kindesmutter Anhörungsrüge und hilfsweise Gegenvorstellung jeweils mit dem sinngemäßen Antrag,
24den Teil-Beschluss des Senats vom 1.8.2019 aufzuheben und das Beschwerdeverfahren fortzusetzen.
25Sehr hilfsweise beantragt die Kindesmutter,
26den Ordnungshaftbeschluss des Amtsgerichts vom 3./4.7.2019 in Verbindung mit dem Teil-Beschluss des Senats vom 1.8.2019 gemäß § 89 Abs. 4 S. 2 FamFG aufzuheben,
27weil sie die unterbliebene Herausgabe der betroffenen Kinder an den Kindesvater nicht zu vertreten habe.
28Äußerst hilfsweise beantragt die Kindesmutter,
29die Vollstreckung der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 Ziff. 5 FamFG einstweilen einzustellen,
30nämlich wegen des in Aussicht genommenen Vermittlungsverfahrens gemäß § 165 FamFG.
313. Der Senat hat die Kindeseltern, den Verfahrensbeistand und das Jugendamt schriftlich angehört. Verfahrensbeistand und Jugendamt stimmen darin überein, dass ein unfreiwilliger Wechsel B’s und E’s zum Kindesvater die beiden Kinder sehr erheblich belasten werde, ziehen daraus aber gegensätzliche Schlussfolgerungen, da sich der Verfahrensbeistand für und das Jugendamt gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs aussprechen.
32Von einer persönlichen Anhörung der betroffenen Kinder B und E hat der Senat abgesehen.
33Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie seine Beschlüsse vom 22.12.2016 (11 UF 194/16 = FamRZ 2017, 1679), 19.7.2018 (11 UF 93/18 = FamRZ 2018, 1938) und 11.12.2018 (11 WF 269/18) Bezug.
34II.
351. sofortige Beschwerde. Die gemäß § 87 Abs. 4 FamFG, § 567 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Kindesvaters ist ganz überwiegend begründet. Der Kindesvater kann die sofortige Beschwerde namentlich dazu erheben, eine Verschärfung der Vollstreckungsmittel zu erreichen (vgl. Bundesgerichtshof, NJW 2015, 1829, juris-Rz. 15).
36a) unmittelbarer Zwang. Die Voraussetzungen für eine Anordnung unmittelbaren Zwangs liegen vor, und damit ist zugleich auch gesagt, dass die Anordnung weiterer Ordnungsmittel gegen die Kindesmutter fehlerhaft war.
37aa) Da das Erkenntnisverfahren vor dem Tribunal de Grande Instance de Toulouse (R.G. no. 17/20881) unter den Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 8 VO (EG) 2201/2003 stattgefunden hat, sind auf die Entscheidung vom 13.4.2018 die Artt. 40 Abs. 1 Buchst. b); Art. 42 Abs. 1 und 2 VO (EG) 2201/2003 anzuwenden.
38Für das Vollstreckungsverfahren vor dem Amtsgericht ‑ Familiengericht ‑ Hamm ist daher gemäß Art. 47 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 deutsches Recht maßgebend, nämlich gemäß §§ 1 Ziff. 1; 14 Ziff. 2; 10 IntFamRVG die Vorschriften der §§ 86 f., 88 ff. FamFG in Verbindung mit § 44 IntFamRVG. Die in Teilen des Schrifttums noch vertretene Ansicht, § 44 IntFamRVG würde jedenfalls die §§ 89 und 90 FamFG vollständig verdrängen (Keidel / Giers, FamFG19, § 89, Rz. 2; § 90, Rz. 2; MüKo-FamFG / Zimmermann3, § 89, Rz. 2; § 90, Rz. 1), ist seit der Neufassung des § 44 IntFamRVG durch das Gesetz vom 17.12.2008 (BGBl. 2008 I, S. 2586) überholt (Senatsbeschluss vom 19.7.2018 – 11 UF 93/18).
39bb) Wie ebenfalls bereits im Senatsbeschluss vom 19.7.2018 (11 UF 93/18) ausgeführt ist, hat die damalige Beschwerdeentscheidung nicht etwa dazu geführt, dass die sachliche Zuständigkeit für das Vollstreckungsverfahren dem Senat zugefallen wäre.
40Nach zutreffendem Verständnis des § 44 Abs. 2 IntFamRVG bezeichnet der dort gebrauchte Begriff der „Anordnung“ nicht die Festsetzung eines Vollstreckungsmittels, sondern den Erlass, die Anerkennung oder die Vollstreckbarerklärung der Herausgabe- oder Umgangsentscheidung selbst (vgl. die Erläuterungen bei Wagner, IntFamRVG1, § 44, Rz. 6 ff.; auch Staudinger / Pirrung, BGB2018, § 44 IntFamRVG, Rz. G87). Eine sachliche Zuständigkeit des Senats für ein Vollstreckungsverfahren besteht daher nur, falls der Senat eines der in § 44 Abs. 1 IntFamRVG genannten Erkenntnisse erlässt, bestätigt oder für vollstreckbar erklärt. Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 2 IntFamRVG selbst, denn die Anordnung eines Vollstreckungsmittels muss niemals für vollstreckbar erklärt werden, ebenso aber auch aus der Rechtslage schon nach § 44 Abs. 3 IntFamRVG in der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung, der sprachlich deutlicher zwischen der „Anordnung“ der Herausgabe oder des Umgangs und der „Verfügung“ eines Vollstreckungsmittels unterschied.
41Zurecht hat sich daher das Amtsgericht für sachlich zuständig erachtet, gemäß § 44 Abs. 3 S. 1 IntFamRVG das Vollstreckungsverfahren gegen die Kindesmutter zu betreiben, und ebenso bleibt es auch nach der vorliegenden Beschwerdeentscheidung bei der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts.
42cc) Die Vollstreckungsvoraussetzungen des Unionsrechts und des deutschen Rechts liegen vor.
43Insbesondere kann die Herausgabe der betroffenen Kinder gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 unmittelbar aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 vollstreckt werden, wobei die Erklärung des französischen Gerichts, dass seine Entscheidung vollstreckbar sei (Ziffer 10 der Bescheinigung gemäß Art. 42 Abs. 2 VO (EG) 2201/2003), an die Stelle einer deutschen Vollstreckungsklausel tritt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird wiederum auf den Senatsbeschluss vom 19.7.2018 (11 UF 93/18) verwiesen.
44Etwaige Mängel des französischen Erkenntnisverfahrens würden im vorliegenden deutschen Verfahren kein Vollstreckungshindernis bedeuten. Denn Einwendungen gegen das französische Erkenntnisverfahren wären ausschließlich vor den französischen Gerichten geltend zu machen (Gerichtshof der Europäischen Union, Entscheidung vom 1.7.2010 – C-211/10 PPU = FamRZ 2010, 1307, Rz. 74 f.), und das gleiche würde gemäß Art. 43 VO (EG) 2201/2003 auch für Einwendungen gegen die Bescheinigung gemäß Art. 42 Abs. 2 VO (EG) 2201/2003 gelten (Gerichtshof der Europäischen Union, a.a.O., Rz. 74 f.; 71). Rügen der Kindesmutter betreffend eine fehlende Anhörung der Kinder im französischen Erkenntnisverfahren und erst recht eine unzureichende Beachtung des Kindeswohls dort sind daher im deutschen Vollstreckungsverfahren von vornherein unbeachtlich. Die Löschung des Rechtsmittelverfahrens vor dem Cour d'Appel de Toulouse (R.G. no. 18/02995) aus dem dortigen Prozessregister führt selbst dann zu keinem anderen Ergebnis, wenn eine Anhörung B’s und E’s durch die französischen Gerichte damit endgültig unterbleiben sollte, weil das Erkenntnisverfahren im Ursprungsstaat von den Gerichten des Vollstreckungsstaats jedenfalls unter den Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 8 VO (EG) 2201/2003 schlechthin nicht überprüft werden darf. Dass die zukünftige VO (EU) 2019/1111 (Abl. 2019 L 178/1) teilweise abweichende Bestimmungen enthalten wird, gibt entgegen der Ansicht der Kindesmutter keinen Anlass, die Sache gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen, da die angezogene Rechtsprechung des Gerichtshofs zur geltenden VO (EG) 2201/2003 eindeutig ist.
45dd) Zur Vollstreckung der Herausgabeverpflichtungen ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs anzuordnen, und zwar gemäß § 90 Abs. 1 FamFG insbesondere gegen die Kindesmutter sowie gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG auch gegen die betroffenen Kinder selbst.
46(1) Die bisherige Anordnung von Ordnungsgeldern ist ohne Erfolg geblieben, § 90 Abs. 1 Ziff. 1 FamFG, und auch die Anordnung weiterer Ordnungsmittel verspräche keinen Erfolg, § 90 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG.
47Die bisherige Anordnung von Ordnungsgeldern ist ohne Erfolg geblieben, weil seit der Anordnung rund neun Monate vergangen sind, ohne dass die Kindesmutter die betroffenen Kinder an den Kindesvater herausgegeben hätte. Unerheblich für die Beurteilung des Vollstreckungserfolgs ist dabei, ob die Ordnungsgelder bereits vollzogen worden sind, was in B’s Fall erst begonnen hat und in E’s Falls sogar noch aussteht (zutr. MüKo-FamFG / Zimmermann3, § 90, Rz. 8; Hahne = Schlögel = Schlünder / Sieghörtner, BeckOK-FamFG31, § 90, Rz. 3; a.A. Keidel / Giers, FamFG19, § 90, Rz. 4). Die Gegenansicht beruft sich auf den Wortlaut des § 90 Abs. 1 FamFG, wo von einer erfolglosen „Festsetzung“ von Ordnungsmitteln die Rede ist, während in § 89 FamFG von deren „Anordnung“ die Rede sei. Der Begriff der „Festsetzung“ umfasse daher nicht nur die Anordnung, sondern auch die Vollziehung eines oder mehrerer Ordnungsmittel. Der Verweis auf den Wortlaut erscheint jedoch schon deshalb zweifelhaft, weil die in § 89 Abs. 4 S. 2 FamFG ebenfalls erwähnte „Festsetzung“ von Ordnungsmitteln deren Vollziehung kaum umfassen dürfte. Im übrigen ist zwar für Zwangsmittel etwa gemäß § 35 FamFG und § 888 ZPO anerkannt, dass ein zunächst angeordnetes Zwangsmittel vollständig vollzogen sein muss, bevor eine Erforderlichkeit bzw. ein Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere Zwangsmittelanordnung bestehen kann (vgl. Oberlandesgericht Celle, FamRZ 2005, 1575, juris-Rz. 9; 2006, 1689, juris-Rz. 7, jew. m.w.N.). Dies gilt aber schon nicht für die Anordnung weiterer Ordnungsmittel gemäß § 89 FamFG oder § 890 ZPO, weil sonst eine neu begangene Zuwiderhandlung ungeahndet bleiben müsste, falls ein älteres Ordnungsmittel noch nicht vollzogen wäre, was dem auch strafähnlichen Zweck der Ordnungsmittel (vgl. Bundesverfassungsgericht, NJW-RR 2007, 860, juris- Rz. 11) widerspräche. Dass es erst recht nicht für die Anordnung von unmittelbarem Zwang gelten kann, zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGStGB die Zahlung von Teilbeträgen auf die Ordnungsgelder zu gestatten war. Die Gestattung solcher Zahlungserleichterungen soll lediglich verhindern, dass ein Ordnungsgeld vorschnell in Ersatz-Ordnungshaft umgewandelt wird, nicht aber den weiteren Fortgang der Vollstreckung lähmen. Darauf hat der Senat die Kindesmutter in seinem Ordnungsgeldbeschluss vom 11.12.2018 (11 WF 269/18) auch ausdrücklich hingewiesen.
48Die Anordnung weiterer Ordnungsmittel verspräche ebenfalls keinen Erfolg, weil sich die Kindesmutter im Ergebnis weigert, B und E an den Kindesvater herauszugeben. Nachdem die Kindesmutter widerrechtlich mit B und E nach Deutschland gereist ist, geht ihre jetzt zu vollstreckende Herausgabepflicht spiegelbildlich mindestens dahin, die Kinder für ihre Rückkehr nach Frankreich wiederum reisefertig zu machen und den Kindesvater hiervon zu verständigen. Dass es dieser Verpflichtung genügen würde, B und E lediglich zu ermuntern, an den Kindesvater zu denken, ihm Bilder zu malen und Briefe zu schreiben oder auch ihn zu treffen, behauptet auch die Kindesmutter nicht. Ob die Kindesmutter die Erfolglosigkeit von Ordnungsmitteln verschuldet hat oder hätte, ist dabei für die Anordnung von unmittelbarem Zwang unerheblich. Da der unmittelbare Zwang keinerlei strafähnlichem Zweck dient, ist § 89 Abs. 4 FamFG nämlich bei der Anordnung unmittelbaren Zwangs nicht anzuwenden (unrichtig Hahne = Schlögel = Schlünder / Sieghörtner, BeckOK-FamFG31, § 90, Rz. 1).
49(2) Unmittelbarer Zwang kann auch gegen B und E zugelassen (angeordnet) werden, weil dies unter Berücksichtigung ihres Kindeswohls gerechtfertigt ist, § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG.
50Offenkundig rechtsirrig ist die Einwendung der Kindesmutter, gegen B und E dürfe kein unmittelbarer Zwang angeordnet werden, weil die beiden Kinder nicht ihre eigene Herausgabe schuldeten, denn gerade dieser Fall ist in § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG gesetzlich geregelt.
51(a) Da das Kindeswohl insbesondere gemäß § 1697a BGB bereits im Erkenntnisverfahren berücksichtigt wird, ist es im Vollstreckungsverfahren der §§ 88 ff. FamFG grundsätzlich nicht erneut zu prüfen. Nachträgliche Veränderungen sind im Vollstreckungsverfahren nur zu beachten, falls sie mit einem Antrag auf Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung gemäß § 164 FamFG, § 1696 BGB und zugleich einem Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 93 Abs. 1 Ziff. 4 FamFG geltend gemacht werden (vgl. Bundesgerichtshof, FamRZ 2012, 533, juris-Rz. 21 ff.). Darin findet einer der ersten und allgemeinsten Grundsätze der Rechtsprechung eine vollstreckungsrechtliche Ausprägung, nämlich die Bindung des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen (hierzu etwa Kammergericht, NJW-RR 2006, 1577, juris-Rz. 8, zu § 318 ZPO).
52Eine nur scheinbare Ausnahme von diesen Grundsätzen bestimmt § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG für den unmittelbaren Zwang gegen ein Kind, bei dessen Anordnung das Kindeswohl ausdrücklich auch im Vollstreckungsverfahren zu prüfen ist. Dabei ist von Amts wegen ein Abänderungsverfahren gemäß § 164 FamFG, § 1696 BGB einzuleiten und die Vollstreckung gemäß § 93 Abs. 1 Ziff. 4 FamFG einzustellen, falls der unmittelbare Zwang das Kindeswohl schädigen würde (vgl. Bundesgerichtshof, FamRZ 2012, 533, juris-Rz. 21; Hanseatisches Oberlandesgericht, FamRZ 1994, 1128; Prütting = Helms / Hammer, FamFG4, § 90, Rz. 10). Wie bereits der Wortlaut des § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG zeigt, ist aber auch hier nicht die umfassende Kindeswohlprüfung des Erkenntnisverfahrens zu wiederholen, sondern im Vollstreckungsverfahren steht allein zur Prüfung, ob der unmittelbare Zwang als solcher mit dem Kindeswohl zu vereinbaren ist (zutr. Keidel / Giers, FamFG19, § 90, Rz. 10; Prütting = Helms / Hammer, FamFG4, § 90, Rz. 10; auch Zöller / Feskorn, ZPO32, § 90 FamFG, Rz. 9). Ebenso bestünde nach dem Sinn und Zweck des § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG kein Anlass, das eingangs erläuterte Verhältnis von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zu unterlaufen, indem im Vollstreckungsverfahren eine umfassende Kindeswohlprüfung vorgenommen wird, die durch einen Abänderungsantrag in ein neues Erkenntnisverfahren getragen werden könnte. Weitergehende Umstände wie etwa ein missbräuchliches Herausgabeverlangen, ein erheblicher Zeitablauf oder sonstige veränderte Umstände sind daher nicht bei der Kindeswohlprüfung gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG zu berücksichtigen (so allerdings Oberlandesgericht Düsseldorf, FamRZ 1981, 601; zust. MüKo-FamFG / Zimmermann3, § 90, Rz. 14), sondern allenfalls mit einem Abänderungsantrag gemäß § 166 FamFG, § 1696 BGB geltend zu machen.
53Dass diese Beschränkung der Kindeswohlprüfung gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG auch bei der Vollstreckung ausländischer Herausgabeentscheidungen gilt, zeigen bereits die allgemeinen Vorschriften der §§ 108 Abs. 1; 109 Abs. 5 und 110 Abs. 1 FamFG, wonach die zu vollstreckende Entscheidung von den deutschen Gerichten nur in den sehr engen Grenzen des zwischengeschalteten Anerkennungsverfahren überprüft wird (keine révision au fond). Erst recht gilt dies nach der angezogenen Rechtsprechung (Gerichtshof der Europäischen Union, FamRZ 2010, 1307, Rz. 74 f.) für die Vollstreckung einer ausländischen Herausgabeentscheidung nach Maßgabe des Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003, der hier die allgemeinen Vorschriften der §§ 108 ff. FamFG verdrängt (Senatsbeschluss vom 19.7.2018 – 11 UF 93/18; zur früheren Rechtslage vgl. für eine belgische Sorgerechtssache Bundesgerichtshof, FamRZ 1975, 273, juris-Rz. 26; ferner für eine italienische Herausgabeentscheidung Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 1974, 2183, 2184). Vorsorglich weist der Senat hierzu wie schon im Ordnungsgeldverfahren (11 WF 269/18) außerdem darauf hin, dass sich weder die Kindesmutter noch die betroffenen Kinder vor den deutschen Gerichten darauf berufen könnten, dass die französische Herausgabeentscheidung und ihre Vollstreckbarkeit sie in ihren Grundrechten verletze. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gewähren einen Grundrechtsschutz, der demjenigen des Grundgesetzes im wesentlichen gleichzuachten ist, und zwar insbesondere durch die Beachtung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (Europäische Menschenrechtskonvention). Die Herausgabepflicht und ihre Vollstreckbarkeit als solche sind daher bis auf weiteres nicht mehr am deutschen Grundgesetz zu messen (vgl. Bundesverfassungsgericht, NJW 1987, 577, juris-Rz. 96 ff., 117 – „Solange II“).
54(b) Nach verbreiteter Ansicht in Rechtsprechung und Lehre soll unmittelbarer Zwang als solcher umso weniger mit dem Kindeswohl vereinbar sein, je stärker das Vollstreckungsmittel die Willensfreiheit des betroffenen Kindes beeinträchtigt. Das soll wesentlich vom jeweiligen Alter des betroffenen Kindes abhängen, und nachdem das Kind die u.a. in § 159 FamFG herangezogene Grenze von vierzehn Lebensjahren überschritten hat, soll unmittelbarer Zwang kaum noch mit seinen Grundrechten aus Artt. 2 Abs. 1; 1 Abs. 1 GG vereinbar sein (statt vieler MüKo-FamFG / Zimmermann3, § 90, Rz. 14, m.w.N. in Fn. 19; 23 dort).
55Diese Ansicht lehnt sich ersichtlich an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach dem Kindeswillen eine doppelte Bedeutung zukommt, nämlich zum einen als Bekundung eines beteiligten Grundrechtsträgers und zum anderen als Teil der zu schützenden kindlichen Entwicklung (vgl. Bundesverfassungsgericht, FamRZ 1981, 124, juris-Rz. 28 f.; MüKoBGB / Olzen7, § 1666, Rz. 47 ff.; ebenso zum Umgangsrecht Bundesverfassungsgericht, FamRZ 2005, 1057, juris-Rz. 8; vgl. ferner Bundesverfassungsgericht, FamRZ 2015, 1093, juris-Rz. 17). Dennoch überrascht ihr Ansatz, weil gerade die Frage nach dem Kindeswillen schon bei der Kindeswohlprüfung im Erkenntnisverfahren großen Raum einnimmt, weshalb auf die Herausgabe eines Jugendlichen von vierzehn und mehr Jahren überhaupt nur noch in Ausnahmefällen erkannt werden wird (vgl. für das Umgangsrecht Kammergericht, FamRZ 2011, 122, juris-Rz. 11 ff.; Senat, Beschluss vom 19.12.2017 – 11 UF 163/17 – nicht veröffentlicht). Außerdem ergäbe sich die merkwürdige Folge, dass ein Jugendlicher bis zur Vollendung seines achtzehnten Lebensjahrs unmittelbaren Zwang immer weniger hinzunehmen bräuchte, während er ihn dann mit Erreichen der Volljährigkeit regelmäßig hinnehmen müsste (vgl. Keidel / Giers, FamFG19, § 90, Rz. 5; Prütting = Helms / Hammer, FamFG4, § 90, Rz. 6).
56Nach einer leicht abweichenden Ansicht soll unmittelbarer Zwang stets mit dem Kindeswohl vereinbar sein, es sei denn, die gewaltsame Wegnahme des Kindes wäre nachteiliger als sein Verbleib in der bisherigen Obhut. Damit wird allerdings stets vom Vollstreckungsverfahren in das Erkenntnisverfahren übergegriffen, weil schon dort eine Wegnahme gegen einen Verbleib abgewogen werden muss (dies einräumend Keidel / Giers, FamFG19, § 90, Rz. 10), und ein solches Übergreifen verbietet sich jedenfalls im vorliegenden Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003.
57(c) Im Ergebnis wird man daher jedenfalls für Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 annehmen müssen, dass unmittelbarer Zwang mit dem Kindeswohl vereinbar ist, falls nicht gerade seine besonderen Auswirkungen den gegenwärtigen Zustand des Kindes oder dessen zukünftige Entwicklung außergewöhnlich schwer beeinträchtigen.
58Ein Vergleich mit der Inobhutnahme durch das Jugendamt gemäß § 42 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 SGB VIII drängt sich dabei geradezu auf, weil ihr Ablauf demjenigen der Herausgabevollstreckung ähnelt und weil sie gemäß § 42 Abs. 6 SGB VIII ebenfalls mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen sein kann. Den unmittelbaren Zwang wird das Kind in beiden Fällen gleich erleben, und einen „besseren Zweck“ der Inobhutnahme wird man schon deshalb nicht annehmen können, weil auch der Herausgabeanspruch am Kindeswohl gemessen worden ist. Überdies bedeutet der unmittelbare Zwang in beiden Fällen nicht notwendig Gewalt im umgangssprachlichen Sinne, sondern kann sich auch in wesentlich leichteren Einwirkungen erschöpfen, so dem Versperren des Weges oder dem Hochheben eines Kleinkindes (vgl. Prütting = Helms / Hammer, FamFG4, § 90, Rz. 3).
59Außergewöhnlich schwere Beeinträchtigungen, die B bzw. E gerade durch die besonderen Auswirkungen eines unmittelbaren Zwangs erfahren könnten, hat auch die Kindesmutter nicht dargelegt. Nach der Stellungnahme des Herrn Q vom 16.8.2019 soll zunächst damit zu rechnen sein, dass B und E auf unmittelbaren Zwang mit „hauen – beißen – kratzen – spucken – treten“ antworten werden, B ggf. auch mit einem vor Angst und Hilfslosigkeit „blinden Davonrennen“, E mit einem vor „blindem Zorn“ unberechenbaren Verhalten. Solche kurzfristigen Folgen weichen nicht von denjenigen ab, die auch bei einer zwangsweisen Inobhutnahme durch das Jugendamt eintreten können, und sie lassen sich überdies verhindern oder wenigstens abmildern, indem der zuständige Gerichtsvollzieher gemäß § 156 Abs. 3 S. 1; Abs. 5 GVGA um Unterstützung des Jugendamts und der Polizei nachsucht. Zu einem anderen Ergebnis würde man im übrigen auch dann nicht gelangen, wenn man mit der verbreiteten Ansicht in Rechtsprechung und Lehre wesentlich darauf abstellen wollte, wie sehr der unmittelbare Zwang die Willensfreiheit des betroffenen Kindes beeinträchtigen würde. Die von Herrn Q angenommenen kurzfristigen Folgen eines unmittelbaren Zwangs wären als Beeinträchtigung der Willensfreiheit bei einem neun bzw. sieben Jahre alten Kind hinnehmbar. Bei den langfristigen Folgen hingegen unterscheidet Herr Q bereits nicht zwischen den Auswirkungen gerade eines unmittelbaren Zwangs, worüber der Senat zu befinden hätte, und den Auswirkungen des Obhutswechsels an sich, worüber allein die französischen Gerichte zu befinden haben. Vielmehr werden mögliche langfristige Folgen „durch die gewaltsame und radikale Änderung ihrer gesamten [!] Lebensumstände“ lediglich zusammenfassend dargestellt. Überdies nimmt Herr Q an, dass eine Ordnungshaft der Kindesmutter dieselben langfristigen Folgen verursachen könne wie ein unmittelbarer Zwang gegen die betroffenen Kinder, wobei Herr Q durchaus nicht unterstellt, dass eine Ordnungshaft der Kindesmutter eine ebenfalls zwangsweise Inobhutnahme der Kinder nach sich ziehen müsste. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die behaupteten langfristigen Folgen wesentlich auf einer Trennung der Kinder von der Kindesmutter beruhen würden, aber ‑ falls überhaupt ‑ nicht wesentlich auf der Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen die Kinder. Etwas anderes folgt auch nicht aus den schriftlichen Stellungnahmen des Jugendamts vom 22.8.2019 und 4.9.2019 sowie des Verfahrensbeistands vom 3.9.2019, die der Senat zur Frage des unmittelbaren Zwangs gegen B und E eingeholt hat. Zwar warnt das Jugendamt wörtlich vor einer „akuten Kindeswohlgefährdung“ durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs, befasst sich hierzu aber ausschließlich mit den allgemeinen Folgen einer Trennung B’s und E’s von der Kindesmutter. Auch dies lässt nicht erkennen, dass gerade die besonderen Auswirkungen eines unmittelbaren Zwangs zu außergewöhnlich schweren Beeinträchtigungen der betroffenen Kinder führen würde.
60(2) Die Anordnung unmittelbaren Zwangs sowohl gegen Erwachsene als auch gegen B bzw. E genügt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der sich bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst ergibt, als Element des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang genießt (Bundesverfassungsgericht, NJW 1966, 243, 244; 1970, 2287; E 61, 126 ff., juris-Rz. 23) und für das Vollstreckungsverfahren der §§ 88 ff. FamFG teilweise bereits einfachgesetzlich besonders ausgeprägt ist. Die Anordnung unmittelbaren Zwangs ist m.a.W. geeignet, notwendig und angemessen, den rechtmäßigen Zweck einer Durchsetzung des Herausgabeanspruchs zu erreichen.
61(a) Dass der unmittelbare Zwang tatsächlich geeignet ist, die betroffenen Kinder der Kindesmutter wegzunehmen und dem Kindesvater zu übergeben, steht außer Frage.
62(b) Die Notwendigkeit eines unmittelbaren Zwangs, d.h. das Fehlen milderer Mittel, wird teilweise schon durch die geschriebenen Tatbestandsmerkmale der §§ 89 Abs. 1 und 90 FamFG sowie des § 44 Abs. 1 IntFamRVG sichergestellt. Denn die Voraussetzungen der einzelnen Vollstreckungsmittel ergeben in der Gesamtschau, dass grundsätzlich zunächst Ordnungsgeld als das mildeste Vollstreckungsmittel anzuordnen ist, danach Ordnungshaft als weniger mildes Vollstreckungsmittel und schließlich unmittelbarer Zwang als am wenigsten mildes Vollstreckungsmittel, wobei der leichter wiegende unmittelbare Zwang gegen Erwachsene vor dem schwerer wiegenden unmittelbaren Zwang gegen Kinder anzuordnen ist (Senatsbeschluss vom 19.7.2018 – 11 UF 93/18).
63Vorliegend wäre die Anordnung der grundsätzlich milderen Ordnungsmittel nach dem oben unter aa) Gesagten mangels Aussichten auf einen Vollstreckungserfolg ungeeignet. Erst recht ungeeignet wäre ein Vermittlungsverfahren gemäß § 165 FamFG, schon weil es sich auf den Kindesumgang und nicht auf die Kindesherausgabe bezieht, die aber eben der Zweck des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens ist. Auch vermittelnde Gespräche, die das Gericht nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zunächst mit den Kindeseltern führen soll (vgl. zur Begründung des § 90 FamFG BT-Drucks. 16/6308, S. 218), sind im vorliegenden Fall nicht geeignet. Denn die Kindesmutter will ausdrücklich keine Hand zu einem Obhutswechsel reichen, so dass der Kindesvater im Ergebnis nur auf die Kindesherausgabe verzichten könnte. Ist damit die Anordnung unmittelbaren Zwangs gegen Erwachsene notwendig, so ist es nicht minder auch die Anordnung unmittelbaren Zwangs gegen die betroffenen Kinder. Denn gerade wenn sich B und E u.a. mit „hauen – beißen – kratzen – spucken – treten“ der Vollstreckung widersetzen werden, so muss der Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung der Kindesherausgabe auch auf sie körperlich einwirken dürfen.
64(c) Gründe, die die Anordnung unmittelbaren Zwangs sowohl gegen Erwachsene als auch gegen die betroffenen Kinder ausnahmsweise dennoch nicht angemessen erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht gerade auch der Vergleich mit einer Inobhutnahme seitens eines Jugendamtes für die Angemessenheit des unmittelbaren Zwangs.
65(3) Das von § 90 Abs. 1 FamFG eröffnete Entschließungsermessen des Gerichts ist dahin auszuüben, dass der unmittelbare Zwang sowohl gegen Erwachsene als auch gegen B bzw. E angeordnet wird. Während das von § 89 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG eröffnete Entschließungsermessen hinsichtlich Ordnungsmitteln durch § 44 Abs. 1 S. 1 und 2 IntFamRVG eingeschränkt wird („soll… anordnen“), ist das von § 90 Abs. 1 FamFG eröffnete Entschließungsermessen hinsichtlich unmittelbaren Zwangs unbeschränkt („kann… anordnen“).
66Für den unmittelbaren Zwang gegen Erwachsene spricht bereits die gesetzliche Wertung der §§ 86 Abs. 2; 40 Abs. 2 FamFG, wonach Hauptsache-Entscheidungen bereits mit ihrer Bekanntgabe wirksam und vollstreckbar werden. Indem nämlich die Rechtskraft der Hauptsache-Entscheidung nicht abgewartet werden muss, wird dem Vollstreckungsbedürfnis des Berechtigten der Vorrang vor einem Schutzbedürfnis des Verpflichteten eingeräumt. Zurecht wird daher für den unmittelbaren Zwang gegen Erwachsene angenommen, dass das Entschließungsermessen des Gerichts regelmäßig auf Null schrumpft, falls sämtliche Voraussetzungen des Vollstreckungsmittels vorliegen (Keidel / Giers, FamFG19, § 90, Rz. 5; Prütting = Helms / Hammer, FamFG4, § 90, Rz. 6). Denn es könnte der allgemeinen Justizgewährungspflicht des Rechtsstaats (hierzu Maunz = Dürig / Schmidt-Aßmann, Grundgesetz-KommentarEL87, Art. 19 Abs. 4, Rz. 16, m.w.N.) kaum genügen, ein gerichtlich zugesprochenes Recht nicht durchzusetzen, obwohl auch die Voraussetzungen seiner Vollstreckung vorliegen. Besondere Umstände, die zu einer anderen Ermessenausübung führen würden, bestehen auch im vorliegenden Fall nicht.
67Nichts anderes kann für den unmittelbaren Zwang gegen B bzw. E gelten, vor allem nachdem eine eingehende Prüfung ergeben hat, dass seine Anwendung mit dem Kindeswohl vereinbar und außerdem auch verhältnismäßig ist. Denn als Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt sich hier auch feststellen, dass der Eingriff in B’s bzw. E’s Grundrechte aus Artt. 2 Abs. 1; 1 Abs. 1 sowie 6 Abs. 2 S. 1 GG, der mit der Anordnung des unmittelbaren Zwangs verbunden ist, durch das Elterngrundrecht und den Justizgewährungsanspruch des Kindesvaters aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein = Bethge, BundesverfassungsgerichtsgesetzEL56, § 90 BVerfGG, Rz. 275, m.w.N.) gerechtfertigt ist. Die wiederholte Einwendung der Kindesmutter, dass sich der Kindesvater nach dem Verfahren gemäß dem Haager Übereinkommen nicht mehr bemüht habe, persönlich Verbindung mit B und E aufzunehmen, erachtet der Senat dabei schon aus Rechtsgründen nicht für durchgreifend. Im Kern geht diese Einwendung nämlich dahin, dass der Kindesvater eine etwaige Entfremdung der beiden Kinder wenigstens mitverursacht habe, und betrifft damit eine allgemeine Frage des Kindeswohls, über die der Senat nach dem mehrfach Gesagten nicht zu befinden hat. Unter nochmaliger Würdigung aller maßgeblichen Umstände ist daher der unmittelbare Zwang auch gegen B bzw. E zuzulassen.
68(4) Von einer persönlichen Anhörung der Beteiligten und der betroffenen Kinder konnte der Senat absehen.
69(a) Die Vorschriften der §§ 88 ff. FamFG sowie des § 87 Abs. 4 FamFG in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO bestimmen eine persönliche Anhörung nicht, und die Vorschriften der §§ 159, 160 und 162 FamFG sind im Vollstreckungsverfahren nicht anzuwenden (Senatsbeschluss vom 19.7.2018 – 11 UF 93/18; ebenso Zöller / Feskorn, ZPO32, § 92 FamFG, Rz. 2; Prütting = Helms / Hammer, FamFG4, § 90, Rz. 6; Musielak = Borth / Borth = Grandel, FamFG6, § 92, Rz. 2; vgl. ferner Oberlandesgericht Karlsruhe, FamRZ 2015, 2000, juris-Rz. 14 ff.; a.A. Keidel / Giers, FamFG19, § 92, Rz. 2; MüKo-FamFG / Zimmermann3, § 92, Rz. 4; Hahne = Schlögel = Schlünder / Sieghörtner, BeckOK-FamFG31, § 92, Rz. 1).
70Dabei kommt es weder darauf an, ob das Vollstreckungsverfahren gemäß den §§ 88 ff. FamFG dazu dient, die Entscheidung einer Kindschaftssache im Sinne des § 151 Ziff. 2 oder 3 FamFG durchzusetzen, noch darauf, dass das Vollstreckungsverfahren in dem Sinne selbständig ist, dass die örtlichen Zuständigkeiten hier von denjenigen im Erkenntnisverfahren abweichen können. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass die Vorschriften der §§ 151 ff. FamFG ausschließlich für das Erkenntnisverfahren und nicht auch für das Vollstreckungsverfahren in einer Kindschaftssache gegeben sind. Wäre es anders, so wären etwa die §§ 155b und 155c FamFG im Vollstreckungsverfahren unmittelbar anzuwenden, statt in § 88 Abs. 3 S. 2 FamFG für entsprechend anwendbar erklärt zu werden, und der Vorschrift des § 88 Abs. 3 S. 1 FamFG bedürfte es neben derjenigen des § 155 Abs. 1 FamFG nicht (vgl. zur Begründung des § 88 Abs. 3 FamFG BT-Drucks. 18/9092, S. 16).
71(b) Im übrigen hat der Senat in seinem Beschluss vom 19.7.2018 (11 UF 93/18) zwar angenommen, dass unmittelbarer Zwang gegen ein Kind im Regelfall eine persönliche Anhörung des betroffenen Kindes voraussetze, gelangt nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage jedoch zu einem abweichenden Ergebnis zumindest für den vorliegenden Einzelfall.
72Das in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG begründete Wächteramt des Staates verpflichtet auch die Gerichte, das Kind als ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 1981, 124, juris-Rz. 20). Die Gerichte müssen ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl ausgerichteten Entscheidung erkennen können (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 2010, 1622, juris-Rz. 19), wozu auch die persönliche Anhörung des Kindes geboten sein kann. Für das Erkenntnisverfahren in Kindschaftssachen sind diese verfassungsrechtlichen Vorgaben durch § 159 FamFG einfachgesetzlich ausgeprägt worden, nach dessen Abs. 1 S. 1 ein Kind ab Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs grundsätzlich stets anzuhören ist, ein Kind vor Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs nach Abs. 2 hingegen nur, wenn seine Neigungen, seine Bindungen oder sein Wille für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist. Dass ein Kind zumindest seine Neigungen und Bindungen erkennen lassen kann, wird ab einem Alter von etwa drei Lebensjahren angenommen (Bundesverfassungsgericht, FamRZ 2010, 1622, juris-Rz. 19).
73Danach wären B und E zur Anordnung eines unmittelbaren Zwangs selbst dann nicht anzuhören, wenn man die Bestimmungen des § 159 Abs. 2 FamFG auch im Vollstreckungsverfahren anwenden wollte. Ihre Neigungen, ihre Bindungen und ihr Wille wären mit Gewissheit bei einer Entscheidung über das Sorgerecht zu beachten, die jedoch bei den französischen Gerichten liegt. Soweit es an den deutschen Gerichten ist, bleiben die Neigungen, die Bindungen und der Wille der betroffenen Kinder für die Auswahl und Vollziehung des Vollstreckungsmittels jedoch unerheblich. Zu einem anderen Ergebnis würde man auch hier wieder selbst dann nicht gelangen, wenn man bei der Kindeswohlprüfung gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG wesentlich darauf abstellen wollte, wie sehr der unmittelbare Zwang die Willensfreiheit des betroffenen Kindes beeinträchtigt würde. Denn auch wenn der Senat als wahr unterstellt, dass sowohl B als auch E jedwede Durchsetzung der französischen Herausgabeentscheidung verzweifelt ablehnen, so ist die ihm vorliegende Rechtsfrage doch so eng begrenzt, dass eine Kindesanhörung keine weiteren Erkenntnisse für eine am Kindeswohl ausgerichteten Entscheidung ergeben könnte. Im Gegenteil erschiene eine persönliche Kindesanhörung, die ausschließlich wegen der Auswahl des Vollstreckungsmittels abgehalten würde, wie eine bösartige Verhöhnung B’s und E’s. Falls B und E also im Vollstreckungsverfahren überhaupt anzuhören sind, so genügt dazu die schriftliche Stellungnahme des Verfahrensbeistands, zumal auch dessen Bestellung für das Vollstreckungsverfahren nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Wann der Verfahrensbeistand sich zuletzt mit B und E besprochen hat, ist dabei entgegen der Ansicht der Kindesmutter unerheblich, weil auch der Verfahrensbeistand die Auswahl des Vollstreckungsmittels kaum kindgerecht erörtern kann und muss.
74b) Durchsuchung. Die Anordnung, die Wohnung der Kindesmutter zu durchsuchen, beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 FamFG.
75Falls B und E in der Wohnung der Kindesmutter angetroffen werden, so ist die Durchsuchung geeignet, die Vollstreckung der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 zu ermöglichen, und hierzu auch notwendig, weil ein freiwilliger Einlass des Gerichtsvollziehers angesichts der fortwährenden Weigerlichkeit der Kindesmutter nicht zu erwarten ist. Dass die Kindesmutter die Durchsuchung ihrer Wohnung bereits einmal verweigert hätte, ist für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses gemäß § 91 FamFG nicht vorauszusetzen (vgl. dagegen Zöller / Seibel, ZPO32, § 758a, Rz. 18 f.), weil einer übermäßigen Vollstreckung bereits durch das Amtsverfahren gemäß § 88 Abs. 1 FamFG vorgebeugt wird (zutr. Keidel / Giers, FamFG19, § 91, Rz. 5, m.w.N. zur Gegenansicht; ebenso MüKo-FamFG / Zimmermann3, § 91, Rz. 6; Hahne = Schlögel = Schlünder / Sieghörtner, BeckOK-FamFG31, § 91, Rz. 4). Gründe für eine Unangemessenheit der Anordnung sind nicht ersichtlich. Zurückzuweisen war die sofortige Beschwerde des Kindesvaters daher nur, soweit die Durchsuchungsanordnung auch auf die Wohnung jedes Dritten erstreckt werden sollte, in der sich die betroffenen Kinder aufhalten könnten, weil dies dem Bestimmtheitsgebot der Durchsuchungsanordnung nicht genügt hätte (Musielak = Borth / Borth = Grandel, FamFG6, § 91, Rz. 3).
76Die Kindesmutter hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch zu einer Durchsuchung ihrer Wohnung Stellung nehmen können. Die Beschränkungen des § 758a ZPO gelten weder hinsichtlich der Durchsuchung noch hinsichtlich der Vollstreckung überhaupt, weil die Vorschriften der §§ 88 ff. FamFG einen entsprechenden Verweis in die Zivilprozessordnung nicht enthalten.
77c) Feststellung. Soweit die Kindesmutter widerbeantragend die Feststellung begehrt, dass unmittelbarer Zwang gegen sie selbst oder die betroffenen Kinder zwecks Vollstreckung zugunsten des Kindesvaters nicht angewendet werden dürfe, ist ihr Begehren nach dem oben unter a) Gesagten jedenfalls unbegründet.
78Soweit die Kindesmutter widerbeantragend die Feststellung begehrt, dass unmittelbarer Zwang gegen sie selbst oder die betroffenen Kinder zwecks Inobhutnahme durch das Jugendamt nicht angewendet werden dürfe, ist allenfalls der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Hierüber wird ggf. gesondert gemäß § 17a Abs. 2 S. 1 GVG zu entscheiden sein.
79d) Amtshilfe. Das Ersuchen an das Jugendamt um Unterstützung der Vollstreckung beruht auf § 9 Abs. 1 S. 1, S. 2 Ziff. 4 IntFamRVG; § 88 Abs. 2 FamFG.
802. Anhörungsrüge. Die Anhörungsrüge der Kindesmutter gegen den Teil-Beschluss des Senats vom 1.8.2019 ist jedenfalls wegen verfahrensrechtlicher Überholung (hierzu etwa Zöller / Heßler, ZPO32, § 567, Rz. 12) entsprechend § 44 Abs. 4 S. 1 FamFG als unzulässig zu verwerfen.
81Der Senat hat den Ordnungshaftbeschlusses des Amtsgerichts ‑ Familiengericht ‑ Hamm vom 3./4.7.2019 auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters hin aufgehoben, ohne dass eine Tatbestandswirkung zum Nachteil der Kindesmutter eingetreten wäre, und ein günstigeres Ergebnis hätte die Kindesmutter auch durch ihre Anhörungsrüge nicht erreichen können.
82Entsprechendes gilt von der hilfsweise erhobenen Gegenvorstellung der Kindesmutter sowie dem Aufhebungsantrag der Kindesmutter im Sinne des § 89 Abs. 4 S. 2 FamFG.
833. Der Antrag der Kindesmutter, die Vollstreckung der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881) gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 Ziff. 5 FamFG einstweilen einzustellen, ist zurückzuweisen.
84Im Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 ist eine Einstellung der Vollstreckung den Gerichten des Ursprungsstaats vorbehalten (Gerichtshof der Europäischen Union, FamRZ 2010, 1307, Rz. 74 f.), so dass § 93 FamFG keine Anwendung findet.
85Dasselbe gilt denknotwendig von Vollstreckungsschutzmaßnahmen im Sinne des § 765a ZPO, wobei insbesondere Gründe für einen Vollstreckungsaufschub gemäß § 765 Abs. 2 ZPO auch nicht ersichtlich sind.
864. Die Entscheidungen über die Kosten und den Gegenstandswert des Vollstreckungsverfahrens folgen aus §§ 81 Abs. 1; 92 Abs. 2 FamFG; §§ 18 Abs. 1 Ziff. 2; 25 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 RVG.
87Für die Anordnung der Ordnungshaft im ersten Rechtszug sowie die Anordnung unmittelbaren Zwangs im zweiten Rechtszug hat der Senat den in § 45 Abs. 1 Ziff. 4 FamGKG angenommenen Hauptsachewert in Höhe von € 3.000,00 angenommen, für die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung die Hälfte dieses Werts mit € 1.500,00 (vgl. Zöller / Herget, ZPO32, § 3, Rz. 16, Stichworte „Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung“ sowie „Durchsuchungsanordnung“). Eine Verdoppelung dieser Werte hat der Senat entsprechend § 45 Abs. 2 FamGKG nicht angenommen. Den Feststellungsanträgen der Kindesmutter hat der Senat keinen eigenen Wert zugemessen, weil ihr Gegenstand mit dem umgekehrten Begehren des Kindesvaters im wesentlichen deckungsgleich ist. Entsprechendes gilt von dem Wert des Aufhebungsantrags der Kindesmutter gemäß § 89 Abs. 4 S. 2 FamFG.
88Weitere Kostenentscheidungen und Wertfestsetzungen sind nicht veranlasst.
895. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.