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1. Die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts gemäß §121 Abs. 1 ZPO anstelle des ursprünglich beigeordneten kann auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen, wenn dadurch Mehrkosten nicht entstehen (hier: aufgrund der Ankündigung des ursprünglich beigeordneten Rechtsanwalts, Gebühren für seine Tätigkeit nicht zu liquidieren).
2. In Anwaltsprozessen kann nach bereits früher bewilligter Prozesskostenhilfe auch nach Abschluss der Instanz der in der Hauptsache tätig gewesene Prozessbevollmächtigte rückwirkend beigeordnet werden.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Rechtsanwältin M wird entpflichtet und der Klägerin Rechtsanwalt C aus F zu den bisherigen Bedingungen beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 35.000 € festgesetzt, § 23 a Abs. 1 RVG.
Gründe
2I.
3Der Klägerin wurde antragsgemäß Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M aus F bewilligt. Mit Schriftsatz vom 19.02.2018 erklärte die beigeordnete Rechtsanwältin, dass sie das Mandat niederlegen und Gebühren für ihre Tätigkeit im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe nicht liquidieren werde, so dass durch einen Anwaltswechsel der Landeskasse Mehrkosten nicht entstünden. Sodann meldete sich mit Schriftsatz vom 05.03.2018 Rechtsanwalt C, zeigte an, die Klägerin zu vertreten und beantragte Akteneinsicht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.06.2008 vertrat Rechtsanwalt C die Klägerin. Durch Urteil vom gleichen Tag wurde die Klage abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 14.06.2018 beantragte der Klägervertreter, die frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu entpflichten und ihn der Antragstellerin beizuordnen. Durch den angefochtenen Beschluss wurde dieser Antrag abgelehnt. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass eine Beiordnung nach Abschluss der Instanz nicht möglich sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie trägt vor, sie habe im Vertrauen auf die gewährte Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen ergänzenden eigenen Antrag mehr gestellt. Das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung auch nicht darauf hingewirkt. Es gehe auch nur um eine Klarstellung, dass sich die bereits bewilligte Prozesskostenhilfe auf den neuen Prozessbevollmächtigten erstrecke.
4II.
5Die als sofortige Beschwerde im Sinne des § 127 Abs. 2 ZPO auszulegende Beschwerde der Klägerin ist zulässig, insbesondere innerhalb der Notfrist des §§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht der Klägerin nicht Rechtsanwalt C als Prozessbevollmächtigten beigeordnet.
6Das Landgericht hatte der Klägerin bereits mit Beschluss vom 22.11.2017 Prozesskostenhilfe bewilligt. Deshalb hatte die Klägerin aufgrund der bewilligten Prozesskostenhilfe einen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ihrer Wahl, § 121 Abs. 1 ZPO, denn in dem Verfahren vor dem Landgericht war eine anwaltliche Vertretung obligatorisch, § 78 Abs. 1 ZPO.
7Zwar konnte die ursprünglich beigeordnete Rechtsanwältin M ihre Beiordnung nicht einfach durch Niederlegung des Mandats beenden. Vielmehr musste zunächst die Aufhebung der Beiordnung beantragt werden, § 48 Abs. 2 BRAO. Die Rechtsanwältin hätte deshalb den Antrag unter Darlegung von Gründen stellen und die Entscheidung abwarten müssen (vergl. Zöller-Geiger, ZPO, 32. Aufl., § 121 Rn. 33). Dass die ursprüngliche Prozessbevollmächtigte nicht so vorgegangen ist, steht jedoch der Beiordnung eines neuen Prozessbevollmächtigten nicht in jedem Fall entgegen. Die erneute Beiordnung eines Rechtsanwaltes kann auch dann noch erfolgen, wenn dadurch Mehrkosten nicht entstehen (Zöller-Geimer, a.a.O., Rn. 35; OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2011 – II-8 WF 256/11 –, juris). Das ist hier der Fall, denn die ursprüngliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 19.02.2018 angekündigt, Gebühren für ihre Tätigkeit im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe nicht zu liquidieren, damit durch einen Anwaltswechsel der Landeskasse Mehrkosten nicht entstehen.
8Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der erneuten Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht das zwischenzeitlich ergangene Urteil vom 08.06.2018, durch das die Instanz beendet worden war, entgegen. Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich ist, wenn nach Abschluss der Instanz eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung, die die Prozesskostenhilfe ermöglichen soll, nicht mehr stattfindet. Dieser Grundsatz steht aber in Anwaltsprozessen gemäß § 78 ZPO der rückwirkenden Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten, der bereits tätig gewesen ist, nach Abschluss der Instanz nicht entgegen, sofern – wie hier – die Prozesskostenhilfebewilligung selbst rechtzeitig erfolgt war. Nach § 121 Abs. 1 ZPO ist in Anwaltsprozessen nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Beiordnung des gewählten Prozessbevollmächtigten zwingend. Die Verpflichtung der Staatskasse zur Übernahme der im Verfahren entstehenden Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich somit dem Grunde nach schon aus der Prozesskostenhilfebewilligung. Mit der ergänzend hierzu ausgesprochenen Anwaltsbeiordnung wird somit der ursprüngliche Prozesskostenhilfebeschluss umfangmäßig nicht erweitert, sondern lediglich hinsichtlich der Person des zu vergütenden Rechtsanwalts konkretisiert (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. August 2007 – 20 WF 101/07 –, juris).
9Dieser Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, § 574 ZPO, lagen nicht vor.