Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage auf Gewährung von Aktienoptionen gegen die Konzernmutter der Arbeitgeberin, wenn die Beklagte ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat.
Die Berufung des Klägers gegen das am 16.03.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung aus beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von der Beklagten die Übertragung des Rechts zum Bezug von 281 Belegschaftsaktien auf sein Konto bei dem Online-Broker D T.
Die Beklagte ist ein international tätiges Online-Versandhandelsunternehmen. Ein Tochterunternehmen der Beklagten ist die B F Core S.à.r.l. in M (nachfolgend „B F“). Der Kläger war in der Zeit vom 1.9.2005 bis zum 29.2.2016 bei verschiedenen deutschen Tochtergesellschaften der B F, mithin Enkelgesellschaften der Beklagten beschäftigt.
4Neben Verträgen mit diesen Enkelgesellschaften hat der Kläger unmittelbar mit der Beklagten Einzelverträge über die Aktienzuteilung im Einzelfall geschlossen. Ein Rahmenvertrag über die Zuteilung von Belegschaftsaktien (Aktienoptionen; auch sog. Restricted Stock Units [RSU]) mit vertraglicher Sperrfrist geschlossen („1997 Stock Incentive Plan“) legt die allgemeinen Voraussetzungen für Ansprüche auf die Zuteilung von Aktienoptionen fest. Er enthält in Ziff. 16.9 eine Rechtswahlklausel. Der Umfang der auf dieser Grundlage durch die Einzelverträge zugeteilten Aktienoptionen ist abhängig von einer Leistungsbeurteilung des jeweiligen Arbeitgebers.
5Die aufgrund von Einzelverträgen zugesprochenen Aktien hat die Beklagte nach dem Rahmenvertrag auf ein Aktienkonto der Mitarbeiter bei dem Online-Broker D T zu übertragen. Auf diesem Konto sind sie dem Empfänger zunächst während der Dauer einer (dreijährigen) Haltefrist „schwebend“ zugewiesen, mit Ablauf der Haltefrist wurden sie sukzessive „unverfallbar“ (engl.: vested) und dem Empfänger unwiderruflich zugewiesen.
6Über die Aktienoptionen erstellte die Beklagte jährliche „Vergütungsaufstellungen“, aus denen neben Grundgehalt, Zielvergütung und „Grants“ auch das „Aktienvesting“ ersichtlich war, also eine Übersicht, zu welchem Zeitpunkt Aktienoptionen unverfallbar werden. Die jeweiligen Arbeitgeber des Klägers hatten mit diesen „Vergütungsaufstellungen“ nichts zu tun.
7Im Laufe seiner Beschäftigung bei den verschiedenen Enkelgesellschaften hat der Kläger jedes Jahr mehrere hundert Belegschaftsaktien der Beklagten erhalten.
8In einer vom Kläger vorgelegten Vergütungsaufstellung über „Vergütung im Jahre 2011“ mit Datumsangabe vom 21. April 2011 finden sich in der Rubrik „Aktienvesting“ für das Jahr 2013 Einträge von 121 „Aktienoptionen und RSU-Bewilligungen“ für die „Grant-Beschreibung“ „B2 10“ sowie weitere 109 Stück für „B2 11“, für das Jahr 2014 37 Stück für „B2 11“.
9Die Summe von 267 Aktien hat der Kläger zunächst außergerichtlich und anschließend gerichtlich gegenüber der Tochtergesellschaft der Beklagten geltend gemacht, bei der er zuletzt beschäftigt war. Das ArbG Leipzig (Az.: 3 Ca 2132/15) und das sächs. LAG (Az.: 9 Sa 661/15) haben die Klage rechtskräftig abgewiesen mit der Begründung, die Aktienoptionen beruhten auf einem selbständigen Vertrag und nicht auf dem Arbeitsvertrag.
10Daraufhin hat der Kläger die hiesige Beklagte zunächst außergerichtlich in Anspruch genommen. Diese erläuterte ihre Sicht der Dinge mit E-Mail v. 1.8.2016. Sie wies darauf hin, dass der Kläger bei der Berechnung seiner Forderung seine (krankheitsbedingte) Beurlaubung nicht berücksichtigt habe. Diese habe zu einer Verschiebung der Unverfallbarkeit um 903 Tage geführt. Aus einer der E-Mail angehängten tabellarischen Aufstellung (Bl. 9) ergibt sich, dass die Beklagte davon ausging, der Kläger habe zunächst 281 Aktienoptionen erworben. 130 davon seien unverfallbar geworden. Diese habe die Beklagte auf das – mittlerweile von D T zu N T2 migrierte – Konto des Klägers bei N T2 gutgeschrieben. Die restlichen 151 Optionen hingegen seien verfallen, da ihr Unverfallbarkeitsdatum nach dem Ausscheiden des Klägers am 28.2.2016 gelegen habe.
Der Kläger ist der Ansicht, für sein Begehren seien die deutschen Gerichte international zuständig. Deutschland sei Erfüllungsort i.S.v. § 29 ZPO. Die Beklagte habe zudem selbständige Niederlassungen i.S.v. § 21 ZPO in Deutschland. Sie verfüge auch über Vermögen in Deutschland, § 23 ZPO.
12In der Sache behauptet der Kläger, entsprechend der tabellarischen Übersicht der Beklagten aus der E-Mail vom 1.8.2016 habe er Anspruch auf Übertragung von 281 Aktien. Dieser Anspruch sei noch nicht erfüllt.
13Der Vertrag unterliege deutschem Recht. Eine Rechtswahlvereinbarung sei nicht oder nicht wirksam getroffen. Zwar sei der Staat, in dem die vertragscharakteristische Leistung – Übertragung der Aktienoptionen – zu erbringen ist, die Vereinigten Staaten von Amerika. Da indes (a) der deutsche Arbeitsvertrag des Klägers der Vereinbarung mit der Beklagten zugrunde liege und (b) der Zuteilung von Aktien eine Beurteilung seiner arbeitsvertraglichen Leistung durch seinen Arbeitgeber zugrunde liege, bestehe eine engere Verbindung zum deutschen Recht.
14Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen
15dem Kläger das Recht zum Bezug von 281 Belegschaftsaktien der Beklagten auf dessen Konto bei dem Online-Broker D T Konto-Nr. 3041-7312 zu übertragen.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie ist der Ansicht, die Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht begründet. Dem Kläger stehe auch der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
19Das Landgericht Dortmund hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Erfüllungsort (§ 29 ZPO) des Anspruchs auf Übertragung des Rechts zum Bezug von Aktien liege in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Beklagte habe in Deutschland auch keine selbständige Niederlassung (§ 21 ZPO) oder Vermögen (§ 23 ZPO).
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Die örtliche Zuständigkeit sei nach § 29 ZPO begründet. Der Vereinbarung zwischen den Parteien lägen die Arbeitsverträge zwischen dem Kläger und den Enkelgesellschaften der Beklagten zugrunde (B. 193). Allein aus diesen – und nicht aus der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien – ergäben sich auch die Parameter, die für den Umfang des Anspruchs auf Belegschaftsaktien maßgeblich sind (Bl. 193; 194). Der Vertrag auf Zuteilung der Belegschaftsaktien sei Anhang oder Ausführungsvertrag des Arbeitsvertrags gewesen (Bl. 194). Die Zuweisung der Belegschaftsaktien sei Bestandteil des zwischen dem Kläger und den Enkelgesellschaften der Beklagten vereinbarten Gehalts gewesen. Die Höhe des Anspruchs sei von der jeweiligen Arbeitgeberin „ermittelt und zugesprochen“ worden (Bl. 194; 195). Daher sei auch der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses für die Beurteilung nach § 29 ZPO maßgeblich. Zudem sei ein Verbrauchergerichtsstand des Klägers im Inland eröffnet (Bl. 196). Die Beklagte habe zudem zum Zeitpunkt der Klagezustellung eine Niederlassung in X unterhalten oder, was für § 21 ZPO ausreiche, zurechenbar einen dahingehenden Rechtsschein erweckt (Bl. 196 ff.). Logistikzentren wie das in X seien für das Geschäftsmodell der Beklagten zentral (Bl. 197). Es handele sich um räumlich große Einrichtungen mit einer großen Vielzahl von Mitarbeitern und einem Warenbestand von hohem Wert, die Bestandteil einer hochmodernen Logistik seien (Bl. 197 f.). Den deutschen Tochtergesellschaften der Beklagten, bei denen der Kläger beschäftigt war, sei ein Teil des Geschäftsbetriebs der Beklagten zur selbständigen Erledigung übertragen gewesen, sie seien daher Niederlassungen der Beklagten (Bl. 199). Die Firmenorganisation der Beklagten sei streng hierarchisch. Die Leitung liege im Firmenzentrum in den USA. Dahin müssten auch die nationalen Mitarbeiter berichten (Bl. 200). Eine andere Auslegung würde zu einer unbegründeten Privilegierung juristischer Personen führen (Bl. 201 f.). Der Anspruch des Klägers sei auch begründet. Ergänzend zum erstinstanzlichen Vortrag legt der Kläger Einzelverträge aus den Jahren 2010 und 2011 (Bl. 204 ff.) vor, die jeweils über 146 und 486 Belegschaftsaktien lauten. Der Kläger behauptet nunmehr außerdem, die Beklagte habe ihm für das Kalenderjahr 2013 230 Belegschaftsaktien zugesprochen, für das Kalenderjahr 2014 weitere 37 und schließlich nochmals weitere 14 Aktien als Treueprämien zum 10jährigen Bestehen seines Arbeitsverhältnisses.
21Der Kläger beantragt
22das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16.3.2018 Az. 4 O 361/16 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das Recht zum Bezug von 281 Belegschaftsaktien der Beklagten auf sein Konto beim Online-Broker D T, Konto-Nr. ####-#### zu übertragen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und trägt dazu im Wesentlichen vor: Der Erfüllungsort liege – letztlich unabhängig vom anwendbaren Recht – in den USA (Bl. 267 ff.). Die Logistikzentren, die der Kläger anspricht, erbrächten ausschließlich Logistikdienstleistungen für die Beklagte, schlössen aber nicht in deren Namen und für dessen Rechnung Geschäfte ab (Bl. 283 ff.). Im Übrigen hätten die streitigen Einzelverträge zu den Logistikzentren keinen „Bezug“ i.S.v. § 21 Abs. 1 ZPO. Die deutschen Gesellschaften, bei denen der Kläger tätig war, seien Tochtergesellschaften von B F und gehörten lediglich in diesem weiteren Sinne zur Unternehmensgruppe der Beklagten. Auf diese Konstellation sei § 23 ZPO nicht anwendbar.
26Entscheidungsgründe
27Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet, da es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt, § 13 GVG.
29Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3. lit. a) ArbGG ist nicht begründet. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt war. Jedenfalls war die Beklagte nicht Arbeitgeberin. Zudem geht es im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis. Ein Vertrag über die Gewährung von Aktienoptionen, um den es vorliegend geht, steht, wenn er mit der Konzernmutter des Arbeitgebers geschlossen wird, rechtlich selbständig neben dem Arbeitsvertrag; BAG, Urteil vom 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 –, BAGE 104, 324-335 Rn. 53; BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 –, juris Rn. 17; Lingemann/Diller/Mengel, NZA 2000, 1191, 1198; Buhr/Radtke, DB 2001, 1882; v. Steinau-Steinrück, NZA 2003, 473, 474; Annuß/Lembke, BB 2003, 2230. Etwas Anderes könnte lediglich dann gelten, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Optionsvereinbarung (ausdrücklich oder konkludent) in ihren Vertrag einbezogen hätten; BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 –, juris Rn. 23; Junker, EuZA 2016, 281, 282. Dafür besteht vorliegend kein Anhaltspunkt. Die bloße Leistungsbeurteilung durch die Arbeitgeberin reicht dazu nicht aus; BAG a.a.O. Selbst wenn aber die Enkelgesellschaften als Arbeitgeber des Klägers in dessen Aktienoptionsvereinbarung mit der Beklagten einbezogen worden wären, wäre auch nur die Verpflichtung des Arbeitgebers, nicht aber die vorliegend umstrittene Verpflichtung der Konzernmutter als arbeitsrechtlich anzusehen.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht eröffnet ist.
Hat der Beklagte, wie vorliegend, keinen Wohnsitz (Art. 63 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 1, des Artikels 21 Absatz 2 und der Artikel 24 und 25 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht, Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO; vgl. MünchKommZPO/Gottwald, 5. Aufl. 2017, Art. 6 Brüssel Ia-VO Rn. 1 ff.
32a) Der Verbrauchergerichtsstand des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO ist nicht eröffnet. Der Kläger hat den streitigen Vertrag zum Zwecke seiner beruflichen Tätigkeit geschlossen und ist daher nicht Verbraucher i.S.v. Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO. Allerdings sieht man den Arbeitnehmer im deutschen Recht als Verbraucher an; s. nur ErfK/Preis, 18. Aufl. 2018, § 611a BGB Rn. 181 ff. Und auch zu Art. 17 Abs. 1 EuGVVO wird die Ansicht vertreten, unter einer „beruflichen Tätigkeit“ sei nur die selbständige (frei-) berufliche Tätigkeit zu verstehen; Saenger/Dörner, ZPO, 7. Aufl. 2017, Art. 17 EuGVVO Rn. 8. Dagegen spricht indes, das bei dieser Auslegung die Verbrauchergerichtsstände des 4. Abschnitts mit den Arbeitnehmergerichtsständen des 5. Abschnitts konkurrieren würden. Treffender erscheint daher, auch Rechtsstreitigkeiten über solche Verträge von Art. 17 Brüssel Ia-VO auszunehmen, die zum Zwecke der unselbständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen wurden, den Arbeitnehmer m.a.W. nicht als Verbraucher anzusehen; so auch Franzen/Gallner/Oetker/Krebber, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 20 Brüssel Ia-VO Rn. 1.
33Im Übrigen ist auch der Anwendungsbereich des Abschnitts 4 nach Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO nicht eröffnet. In Betracht kommt allein die Bestimmung von lit. c) der Vorschrift. Zwar hat die Beklagte ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit – den Online-Versandhandel – u.a. auch auf Deutschland, den Wohnsitzstaat des Klägers, ausgerichtet. Jedoch fällt der Vertrag zwischen den Parteien über die Aktienoptionen nicht in den Bereich dieser Tätigkeit, also den Versandhandel.
34b) Der Gerichtsstand des gewöhnlichen Tätigkeitsortes des Art. 21 Abs. 2, Abs. 1 lit. b) EuGVVO ist ebenfalls nicht eröffnet, da die Beklagte nicht Arbeitgeber des Klägers ist. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Erwägungen des Klägers, seine Vereinbarung sei mit seinem Dienstverhältnis zu Tochterunternehmen der Beklagten eng verbunden, gleichsam ein Anhang dazu. Eine Aktienoptionsvereinbarung geht ganz regelmäßig mit einem Arbeitsvertrag einher, da sie insbesondere (wie vorliegend) dazu dient, dem Begünstigten einen zusätzlichen Anreiz zur Unternehmenstreue zu geben. Der Arbeitsvertrag ist ungeachtet dessen zunächst nur Motiv für die Aktienoptionsvereinbarung; BAG, Urteil vom 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 –, BAGE 104, 324-335 Rn. 57; BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 –, juris Rn. 17; v. Steinau-Steinrück, NZA 2003, 473, 474. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Aktienoptionsvereinbarung im Einzelfall (ausdrücklich oder konkludent) auch in den Arbeitsvertrag einbezogen wird; BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 –, juris Rn. 23; Junker, EuZA 2016, 281, 282. Dafür bestehen indes vorliegend keine Anhaltspunkte. Selbst wenn aber die Arbeitgeber des Klägers vertraglich in den Aktienoptionsplan einbezogen gewesen wären, würde dies allein im Verhältnis zu ihnen einen arbeitsrechtlichen Gerichtsstand begründen, nicht jedoch im Verhältnis zur Konzernmutter, die vorliegend Beklagte ist.
35c) Ausschließliche Gerichtsstände i.S.v. Art. 24 Brüssel Ia-VO liegen nicht vor.
36d) Eine Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 25 Brüssel Ia-VO ist nicht dargetan.
37Die Zuständigkeit deutscher Gerichte bestimmt sich daher, sofern keine staatsvertragliche Regelung eingreift, nach deutschem Recht, Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO.
Eine staatsvertragliche Regelung des Gerichtsstands zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika besteht nicht; vgl. die Übersicht bei der Sammlung internationaler Rechtsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen, http://www.ir-online.nrw.de/land.jsp?id=131#inhalt.
Ein internationaler Gerichtsstand der deutschen Gerichte ist nach deutschem Recht nicht begründet.
40Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist in der ZPO nicht eigens geregelt, sondern folgt grundsätzlich den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO über die örtliche Zuständigkeit (sog. Doppelfunktionalität; BGH, NJW 1965, 1665; MünchKommZPO/Patzina, 5. Aufl. 2016, § 12 ZPO Rn. 89 ff.
41a) Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO ist nicht gegeben.
42aa) Der Erfüllungsort ist grundsätzlich nach dem anwendbaren nationalen Recht zu bestimmen. Dabei spricht viel dafür, dass vorliegend kraft Rechtswahl oder objektiver Anknüpfung US-amerikanisches Recht anwendbar ist. Das kann aber letztlich dahinstehen, da nach US-amerikanischem wie deutschem Recht Erfüllungsort in den USA ist, der Gerichtsstand des § 29 ZPO daher nicht gegeben.
43bb) Es spricht zunächst viel dafür, dass das Recht des US-Bundesstaats Washington anwendbar ist. § 16.9 des (nach §§ 1, 15) in den Vertrag einbezogenen Aktienoptionsplans (1997 Stock Incentive Plan) enthält eine entsprechende Rechtswahl, Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. (aus Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO ergibt sich dasselbe; zur zeitlichen Anwendbarkeit der Rom I-VO, s. Art. 28 Rom I-VO: nach dem 17.12.2009 geschlossene Verträge). Die weite Fassung der Rechtswahlvereinbarung, die sich auch bezieht auf „all determinations made and actions taken pursuant hereto“, spricht dafür, diese Rechtswahl nicht nur auf die Rahmenvereinbarung selbst zu erstrecken, sondern auch auf Einzelvereinbarungen, die auf ihrer Grundlage geschlossen werden. Dafür spricht auch der von den Vertragsparteien verfolgte Zweck, da andernfalls das reibungslose Zusammenspiel von Rahmen- und Einzelvereinbarungen nicht gewährleistet wäre.
44cc) Selbst wenn die Parteien aber für die Einzelverträge keine Rechtswahlvereinbarung i.S.v. Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO) getroffen hätten, wäre nach Art. 28 Abs. 1, 2 EGBGB a.F. (Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO) US-amerikanisches Recht als das Recht des Ortes der charakteristischen Leistung anwendbar; Junker, EuZA 2016, 281, 282.
45Eine engere Verbindung zu einem anderen Staat i.S.v. Art. 28 Abs. 5 EGBGB a.F. (Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO) ist nicht ersichtlich. Diese kann insbesondere auch nicht mit dem Dienstverhältnis des Klägers zu verschiedenen Tochtergesellschaften der Beklagten begründet werden. Denn die Vereinbarung über Belegschaftsaktien ist dem Dienstverhältnis gegenüber rechtlich selbständig; BAG, Urteil vom 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 –, BAGE 104, 324-335 Rn. 53; BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 –, juris Rn. 17. Ist das Dienstverhältnis auch Anlass für den Abschluss der Vereinbarung über Belegschaftsaktien, so hat dieses doch demgegenüber eigene und davon unabhängige Rechte und Pflichten.
46Auch die Erwägungen zur Durchführung der Aktienoptionsvereinbarung begründen nichts anderes. Selbst wenn die für die Zuteilung von Aktien maßgeblichen Parameter vom Arbeitgeber in Deutschland bestimmt werden und dem ein aufwendiges Verfahren zugrunde liegt, sind diese Daten doch lediglich Tatbestandsvoraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch. Sie ändern nichts daran, dass dieser Anspruch selbst – die Übertragung von Aktien – in den USA zu erfüllen ist.
47Letztlich kann die Frage des anwendbaren Rechts indes dahinstehen. Denn sowohl nach US-amerikanischem Recht als auch nach deutschem Recht ist Erfüllungsort in den USA. Für das US-amerikanische Recht, das im vorliegenden Verfahren Tatsache ist, ist unter den Parteien unstreitig, dass der Erfüllungsort auch in den USA liegt. Diese Ansicht dürfte auch sachlich zutreffend sein; vgl. auch Junker, EuZA 2016, 281, 282. Für das deutsche Recht folgt dasselbe aus § 269 BGB; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 29 ZPO Rn. 24. Eine besondere Vereinbarung über den Erfüllungsort haben die Parteien nicht getroffen. Die Umstände der Vereinbarung weisen auf die USA als Leistungsort hin, da hier die Leistungshandlungen vorzunehmen und der Leistungserfolg zu bewirken ist. Diesen Leistungsort bestimmt aber auch nachrangig § 269 BGB.
48b) Der Gerichtsstand der Niederlassung ist ebenfalls nicht eröffnet. Niederlassung ist jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als dem seines Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene und selbständig, d.h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle; BGH, NJW 1987, 3081, 3082; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 21 ZPO Rn. 21. Der Kläger hat nicht dargetan – und die Beklagte hat bestritten –, dass die Enkelgesellschaften der Beklagten, bei denen der Kläger tätig war, oder die deutschen Logistikzentren der Beklagten befugt waren, selbständig im Namen und für Rechnung der Beklagten tätig zu sein. Zwar schließt die rechtlich selbständige Organisation der Enkelgesellschaften (hier: als GmbH) nicht aus, dass sie (auch) namens und für Rechnung der Beklagten tätig waren, doch ist das nicht schon ohne weiteres zu vermuten. Die vom Kläger dargelegte hierarchische Struktur und die Berichtspflichten der Mitarbeiter der deutschen Unternehmen an die Beklagte sprechen ebenfalls nicht für die Kompetenz, diese selbständig zu verpflichten. Auch die Firmierung der Enkelgesellschaften („Logistik“, „Distribution“, „Fullfillment Germany“) und die Bezeichnung der „Logistikzentren“ sprechen gegen die Annahme von Niederlassungen der Beklagten. Vielmehr deuten sie darauf hin, dass es sich um Dienstleister der Beklagten für spezielle Zwecke handelt. Schließlich trägt die Beklagte vor, dass sie ihre Geschäfte im Online-Handel in Deutschland ausschließlich über die Internet-Plattform ######.de schließe. Diese wird von der B F betrieben, nicht aber von den deutschen Enkelgesellschaften. Auch dieser Umstand spricht gegen die Annahme, die deutschen Unternehmen seien Zweigniederlassungen.
49Der Gerichtsstand der Niederlassung ist aber auch deswegen nicht eröffnet, weil die Aktienoptionsvereinbarung keinen Bezug auf den Geschäftsbetrieb der deutschen Enkelgesellschaften (gedacht als Niederlassungen) haben. Sind, wie dargelegt, Arbeitsvertrag und Optionsvereinbarung rechtlich zu trennen, fehlt folglich auch ein solcher Bezug; Junker, EuZA 2016, 281, 282. Es gibt auch keinen Rechtsschein für eine solche Niederlassung.
50c) Der Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO ist ebenfalls nicht eröffnet. Insoweit verweist der Kläger allein auf die Logistikzentren, die zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehören. Diese werden nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten von Tochterunternehmen der B F betrieben und sind daher im Verhältnis zur Beklagten (allenfalls) Enkelunternehmen. Selbst wenn die B F ihrerseits 100 %ige Tochter der Beklagten sein sollte, würde das nicht begründen, dass die von ihr gehaltenen Geschäftsanteile an den Logistik-Tochterunternehmen auch Vermögen der Beklagten in Deutschland wären; BGH, NJW 1993, 2683, 2684; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 23 ZPO Rn. 7a; krit. aber MünchKommZPO/Patzina, § 23 ZPO Rn. 17. Der BGH führt insoweit aus:
51„Die rechtliche Verschiedenheit zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern ist grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn alle Anteile sich in einer Hand vereinigt haben. Über die Rechtsfigur der juristischen Person darf auch in solchen Fällen nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden (…). Es besteht kein Anlass, von diesem Grundsatz für die Anwendung des § 23 ZPO abzuweichen. Der Vermögensgerichtsstand soll die Rechtsverfolgung im Inland erleichtern und bewirken, dass im Inland vorhandenes Vermögen als Gegenstand der Zwangsvollstreckung herangezogen werden kann (…). Diesem Normzweck würde durch eine Gleichsetzung des Inlandsvermögens einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit dem Vermögen ihres Alleingesellschafters nicht gedient, weil ein dadurch mögliches Urteil gegen den Alleingesellschafter nach den streng formalen Regeln des Zwangsvollstreckungsrechts nicht als Vollstreckungstitel gegen die Kapitalgesellschaft dienen könnte und damit einen Zugriff auf deren Inlandsvermögen nicht ermöglichen würde.“
52Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Senat an. Sie ist nicht nur formal aus der rechtlichen Selbständigkeit der verschiedenen Gesellschaften begründet. Sie überzeugt auch deswegen, weil § 23 ZPO als „exorbitanter“ und damit systemwidriger Gerichtsstand eng auszulegen ist; BGH, NJW 1991, 3092, 3093; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 23 ZPO Rn. 1.
53Nach einem Vorschlag aus der Literatur ist an den Vermögensgerichtsstand darüber hinaus auch zu denken, wenn die Beklagte gegen eines der deutschen Tochterunternehmen eine Forderung hat; Junker, EuZA 2016, 281, 282. Das hat der Kläger indes nicht dargetan.
54Die vom Kläger gegen die oben zitierte Rechtsprechung des BGH erhobenen Einwände greifen demgegenüber nicht durch. Der Kläger ist der Ansicht, juristische Personen würden durch diese Rechtsprechung gegenüber natürlichen Personen ungerechtfertigt bevorzugt. Sie hätten es in der Hand, ihr in Deutschland belegenes Vermögen auf Tochtergesellschaften auszugliedern und so die Zuständigkeit nach § 23 ZPO zu vermeiden. Indes ist, worauf schon das Landgericht hingewiesen hat, nicht ersichtlich, inwieweit diese Möglichkeit einer natürlichen Person versperrt sein sollte.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
56Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 ZPO.