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1. Erhebliche Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, sind
regelmäßig Verbrechen und im Übrigen Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität, wenn sie einen hohen Schweregrad aufweisen und den Rechtsfrieden empfindlich stören; dies ergibt sich in systematischer Hinsicht aus dem Verweis in § 67 d Abs. 6 S. 3 StGB, aus § 67 d Abs. 3 StGB, dessen Formulierung wiederum der des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB entspricht, insbesondere aber aus dem gesetzgeberischen Willen.
2. Generell ist eine Raubtat unter Verwendung einer Waffe – wie hier eines Brotmessers – geeignet, den Opfern durch Traumatisierung seelisch schwere Schäden zuzufügen.
3. Über diese generelle Eignung hinaus bedarf es der konkreten Feststellung für den jeweils vorliegenden Einzelfall des Untergebrachten, dass die von ihm ausgehende Drohung tatsächlich solche schweren Schäden bewirken würde.
4. Daran fehlt es, wenn über den momentanen Schrecken in der Tatsituation hinaus keinerlei schwere Folgen bei den Geschädigten festgestellt werden können.
Der Beschluss der 61. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 13.07.2018 wird aufgehoben.
Die durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 02.08.2005 angeordnete Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus ist erledigt.
Der Untergebrachte ist am 31.10.2018 aus der Unterbringung zu entlassen.
Die Dauer der Führungsaufsicht wird nicht abgekürzt und beträgt fünf Jahre.
Der Untergebrachte wird der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.
Dem Untergebrachten werden folgende Weisungen erteilt:
a)
Er hat jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle zu melden.
b)
Er hat einmal monatlich Urinproben und Blutproben zur Durchführung von Medikamenten- und Drogenkontrollen abzugeben.
c)
Er hat wöchentlich die Forensische Ambulanz der LWL-Klinik E, N-Straße, ##### E aufzusuchen und
d)
er hat sich durch die LWL-Klinik E psychiatrisch behandeln zu lassen und die von ihr verschriebenen Medikamente einzunehmen bzw. sich verabreichen zu lassen.
Gründe:
2I.
31.
4Das Landgericht Bochum hat mit Urteil vom 02.08.2005 im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB angeordnet. Nach den Feststellungen konnte die Kindheitsentwicklung des Untergebrachten nicht aufgeklärt werden. Jedenfalls hat er die Schule ohne Abschluss verlassen und sich anschließend mit verschiedenen Kurzzeitjobs in der Schattenwirtschaft über Wasser gehalten. Er lebte im Haushalt seiner Mutter, seinen Vater hatte er nie kennengelernt. Psychisch auffällig war er bereits seit seinem elften Lebensjahr und wurde seitdem wegen einer paranoiden Schizophrenie behandelt. Er lebt etwa seit dem Jahr 2000/2003 – genau konnte nicht festgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt er in die Bundesrepublik einreiste – in der Bundesrepublik Deutschland, ohne berufliche Tätigkeit und ohne die deutsche Sprache zu beherrschen in einer eigenen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, in dem auch seine Tante (am ##.##.1937 geboren) und seine Mutter (am ##.##.1947 geboren) lebten. Von Mutter und Tante wurde er verköstigt.
5Am 21.07.2004 suchte er seine Tante zur Mittagszeit auf und blieb in deren Wohnung bis in die Nachmittagsstunden. Gegen 17.00 Uhr forderte er seine Tante auf, ihm 500,00 Euro zu geben. Die Tante wies dies zurück, woraufhin der Beschwerdeführer die Wohnungstür abschloss und den Schlüssel wegwarf. Er holte ein Brotmesser aus der Küche, stieß seine Tante in einen Sessel, beugte sich über sie und fuchtelte mit dem Messer in einem Abstand von 10 – 20 cm vor ihrem Kopf und Oberkörper herum. Er forderte erneut Geld, was die Tante wiederum ablehnte. Daraufhin durchsuchte er die Wohnung seiner Tante und fand 1.420 US-Dollar und 350,00 Euro. Währenddessen gelang es seiner Tante, sich auf den Balkon zu flüchten und von dort um Hilfe zu rufen, was jedoch ohne Erfolg blieb. Der Beschwerdeführer wollte nunmehr mit seiner Beute die Wohnung verlassen, was jedoch durch die abgeschlossene Wohnungstür verhindert wurde. Gemeinsam mit seiner Tante suchte er nun den Wohnungsschlüssel, fand ihn auch und verließ daraufhin die Wohnung. Im Treppenhaus traf er auf eine Gruppe Kinder, der er ohne Veranlassung einen 20-Dollar-Schein und einen 50-Euro-Schein gab und sich schließlich entfernte. Als er zwei Stunden später festgenommen wurde, führte er nur noch 200 US-Dollar und 59,90 Euro Bargeld mit sich. Wo der Rest des Geldes verblieben war, konnte nicht festgestellt werden. Die Tante des Beschwerdeführers hatte während der Bedrohung durch das Messer große Angst, da sie um seine psychische Labilität wusste. Darüber hinausgehende seelische Folgen der Tat sind nicht festgestellt. Mittlerweile hat der Beschwerdeführer sich mit seiner Tante wieder ausgesöhnt, die ihn ebenso wie die Mutter während seiner Unterbringungszeit und während der jetzigen Zeit der Langzeitbeurlaubung offensichtlich finanziell und durch das Zubereiten von Mahlzeiten unterstützt.
6Die Strafkammer sah die Tatbestände der Freiheitsberaubung und des schweren Raubes als erfüllt an, aufgrund einer zur Tatzeit bestehenden paranoid-halluzinatorischen Psychose sei aber seine Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit aufgehoben gewesen. Das Risiko für weitere vergleichbare Straftaten hat die Kammer mit der Erwägung bejaht, dass in dem Fall, dass die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers unbehandelt bleibe, damit gerechnet werden müsse, dass er bei dem aufkommenden Impuls, sich in den Besitz fremden Eigentums zu setzen, zur Realisierung seines Verlangens zu jedem möglichen Mittel greife und unbedingt und rücksichtslos seine Wünsche durchsetzen werde. Deshalb sei er für die Allgemeinheit gefährlich i. S. v. § 63 StGB. Von einer Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung gem. § 67 b StGB wurde abgesehen, weil sich im Verlauf einer neun Monate dauernden stationären (vorläufigen) Unterbringung keine so weitreichende Stabilität eingestellt hatte, dass die Fortführung der Behandlung im ambulanten Setting zu verantworten war.
7Vor dieser Tat war der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
81.
9Am 31.07.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Oranienburg wegen Diebstahls in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und die am 02.11.2002 erlassen wurde.
102.
11Am 26.09.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Recklinghausen wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe.
123.
13Am 18.10.2004 verurteilte ihn wiederum das Amtsgericht Recklinghausen wegen gemeinschaftlichen Diebstahls ebenfalls zu einer Geldstrafe.
14Die Maßregel wird seit dem 10.08.2005 vollzogen, und zwar zunächst im LWL-ZFP M. Seit dem 18.11.2009 befand sich der Beschwerdeführer in der LWL-Klinik I. Diese attestierte mit Stellungnahme vom 30.08.2010, dass bei dem Beschwerdeführer eine psychopharmakologische Symptombeherrschung erreicht werden konnte und er sich trotz Vorliegens antisozialer Verhaltensmerkmale freundlich zugewandt zeigte. Daraufhin wurde er im Rahmen der Erprobung höherer Freiheitsgrade in die LWL-Klinik I2 (I-3-Q-Klinik) verlegt. Dort verkaufte er auf der Station Drogen und entwich schließlich am 26.09.2010 nach einem Drogenrückfall, konnte aber bereits am 29.09.2010 in der Wohnung seiner Tante festgenommen werden. Er wurde in das LWL-ZFP M verbracht und von dort am 02.02.2011 wieder in die LWL-Klinik I verlegt sowie im Dezember 2014 in den offen geführten Maßregelvollzug der LWL-Klinik C. Dort hielt er sich zunächst an Absprachen und Regeln und zeigte auch eine ausreichende Medikamentencompliance, änderte sein Verhalten aber nach einiger Zeit. Er hielt sich dann nicht an aufgestellte Regeln und zeigte sich gereizt und verbal aggressiv. Auch stimmte er der aus Sicht der Ärzte notwendigen Änderung der Medikation nicht zu und zeigte sich nicht krankheitseinsichtig. Daraufhin wurde er in die LWL-Klinik I zurückverlegt, da die LWL-Klinik C den dort gegebenen offenen Rahmen für ihn nicht mehr für verantwortbar hielt. In I zeigte sich seit November 2015 ein positiver Behandlungsverlauf. Er kam auf seiner Station mit festen Zimmerzeiten und klaren Regeln gut zurecht, engagierte sich in therapeutischen Angeboten und wies eine höhere Frustrationstolleranz auf. Aufgrund dieser Entwicklung wurden im März 2016 einfach begleitete Ausführungen eingesetzt, bei denen er sich stets angemessen verhielt. Am 27.07.2016 wurde der Beschwerdeführer dann wieder in die LWL-Klinik E verlegt, wo es anfänglich zu Eingliederungsproblemen kam, insbesondere deshalb, weil der Beschwerdeführer sein Zimmer mit einem weiteren Patienten teilen musste. Allerdings zeigte der Beschwerdeführer konstant eine gute Compliance bei der medikamentösen Therapie, er achtete auf seine Medikamente, die er alle namentlich benennen und deren Wirkung er zuordnen konnte. Nach wie vor war allerdings die Krankheitseinsicht nur eingeschränkt vorhanden, was sich daran zeigte, dass er zwar depressive und manische Episoden für die Vergangenheit einräumte, jedoch negierte, dass jemals psychotische Symptome aufgetreten seien. Er war überzeugt, dass Äußerungen der Art, dass er behaupte, Gott zu sein, der Realität entsprächen. Seit dem 01.07.2017 ist der Beschwerdeführer in der eigenen Wohnung in C beurlaubt.
153.
16Der Beschwerdeführer ist mehrfach psychiatrisch bzw. psychologisch begutachtet worden.
17a)
18Im Erkenntnisverfahren erstatteten Dr. I und Frau O am 08.04.2005 ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und diagnostizierten eine seit vielen Jahren bestehende paranoid-halluzinatorische Schizophrenie (ICD-10: F20.0) mit Wahnwahrnehmung, Gedankeneingebung, Willensschwäche, inadäquaten und verflachten Affekten und Anzeichen für ein desorganisiertes Denken. Ferner wurde auf einen episodischen Cannabismissbrauch (ICD-10: F12.1) hingewiesen, der als Begleiterscheinung i. S. eines untauglichen Selbstheilungsversuchs eingeordnet wurde und dem eine psychoseauslösende Funktion abgesprochen wurde. Hinsichtlich der vorgeworfenen Tat wurde ausgeführt, dass die Schizophrenie alle Lebensbereiche (Denken, Affektivität, realitätsgerechter Umgang mit Bedürfnissen, soziale Kompetenzen, Impulssteuerung) beeinträchtige und in der Tatsituation zu einer Aufhebung der Steuerungsfähigkeit führte. Unbehandelt seien weitere deliktanaloge Taten zu erwarten.
19b)
20Der Sachverständige Dr. Q erstattete unter dem 18.07.2008 ein Prognosegutachten gem. § 16 Abs. 3 MRVG NW, diagnostizierte aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu einem höheren Drogenkonsum in der Vergangenheit als bisher eingeräumt eine drogeninduzierte psychotische Episode i. S. einer psychotischen Störung bei Gebrauch von Cannabinoiden (ICD-10: F12.5) sowie Cannabismissbrauch (ICD-10: F12.1). Die Prognose sei unter der Prämisse insgesamt günstig, dass die erziele Remission der psychotischen Symptomatik anhaltend stabil bleibe und der Untergebrachte seine sozialen Kompetenzen erweitern und absprachenverlässlich einhalten könne. Eine bedingte Entlassung aus der Unterbringung erscheine nach einem weiteren Jahr Behandlung noch nicht vertretbar, wohl aber die Beurlaubung in ein Wohnheim.
21c)
22Die Sachverständige Dipl.-Psychologin E2 erstattete unter dem 20.02.2012 ein weiteres Prognosegutachten. Sie schloss sich der Diagnose schizoaffektive Störung mit depressiven und manischen Zuspitzungen an, da im Verlauf der drei vorangegangenen Jahre erneut die schizophrene Symptomatik bei dem Untergebrachten in den Vordergrund getreten war und bei ihm zeitgleich depressive und manische Zustände beobachtet werden konnten. Zur Prognose führte sie aus, dass die Gefahr weiterer Straftaten als deutlich abgeschwächt zu bewerten sei, sofern es gelinge, die manischen Episoden medikamentös ausreichend zu kappen.
23d)
24Der Sachverständige Prof. Dr. L erstattete unter dem 24.08.2014 ein Prognosegutachten und diagnostizierte eine schizoaffektive Störung, bipolar mit schizodepressiven und wahnhaft maniformen Zuständen, gegenwärtig weitgehend remittiert (ICD-10: F25.8), primärpersönlich eine deutliche dissoziale Prägung ohne Anhalt für Cannabismissbrauch und ohne Anhalt für intellektuelle Minderbegabung sowie für hirnorganische Beeinträchtigungen. Die Anlasstat führte dieser Sachverständige auf Strukturlosigkeit und Kritikunfähigkeit infolge der psychotischen Erkrankung zurück und empfahl eine medikamentöse Therapie mit einer Kombination aus einer antipsychotischen und stimmungsstabilisierenden Medikation. Darüber hinaus sollte der Untergebrachte dahingehend trainiert werden, dass er sukzessive die Verantwortung für das Management seiner Erkrankung übernehmen lerne, auch müsse dessen Belastbarkeit allmählich gesteigert werden, indem er in tagesstrukturierende Angebote eingebunden und seine Freiräume erweitert würden. Die Beurlaubung des Beschwerdeführers in eine therapeutische Wohngemeinschaft sei nicht zwingend erforderlich, sofern ein ausreichend begleitendes und kontrollierendes Helfernetz installiert werden könne. Einer Exacerbation der psychischen Erkrankung komme keine unmittelbare Gefahr für weitere Straftaten zu, vielmehr könne durch das Helfernetz die Verschlechterung des Zustandes ausreichend frühzeitig entdeckt und erforderliche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
25e)
26Der Sachverständige Dr. N, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Forensische Psychiatrie, erstattete unter dem 02.11.2017 ein Prognosegutachten gem. § 16 Abs. 3 MRVG NW sowie unter dem 22.05.2018 ein ergänzendes psychiatrisches Gutachten im Auftrag der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht in Dortmund. Der Sachverständige Dr. N führte zunächst zurückblickend zur Frage der Diagnostik aus, dass bei dem Beschwerdeführer bisher die bekannten Symptome differenzialdiagnostisch einer paranoiden Schizophrenie bzw. einer schizoaffektiven Störung zugeordnet worden seien. Während des Aufenthaltes in der LWL-Maßregelvollzugsklinik I sei zusätzlich eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus in Erwägung gezogen worden. Anfangs habe die paranoid-halluzinatorische Schizophrenie im Vordergrund gestanden, allerdings sei auch auf die ausgeprägten Stimmungsschwankungen, die der Proband zeige und gezeigt habe, von Beginn an hingewiesen worden, wobei es wohl auch aufgrund der ambulanten Untersuchung seinerzeit noch nicht möglich gewesen sei, einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den schizophrenen und affektiven Symptomen zu erkennen. Dem Sachverständigen Prof. Dr. L sei zuzustimmen, dass schizophrene Störungen oft mit affektiven und Antriebsstörungen einhergingen. Gleichwohl sei unter diagnostischen Aspekten bedeutsam, dass bei schizoaffektiven Störungen erwartet werde, dass die Merkmale für eine Störung aus dem schizophrenen Formenkreis und für eine affektive Störung nahezu zeitgleich erfüllt sein sollten, während bei einer Schizophrenie die affektiven und Antriebsstörungen eher Begleiterscheinungen seien. Das über Jahre beschriebene Bild deute bei dem Beschwerdeführer unter den genannten Merkmalen eher auf eine schizoaffektive Störung hin. Klinisch sei, so der Sachverständige Prof. Dr. L, jedoch entscheidend, dass sowohl die schizophrenen wie auch die affektiven Störungen in beiden Fällen suffizient behandelt werden müssten, sodass es letztlich eher eine akademische Frage sei, ob eine schizoaffektive Störung oder eine paranoide Schizophrenie vorliege.
27Der Sachverständige Dr. N stellt dann aufgrund der klinischen Beobachtungen und der von der ICD-10 vorgegebenen Merkmale jedenfalls die Diagnose einer schizoaffektiven Störung (F25), wobei es wohl zu manischen (F25.0) wie auch zu depressiven (F25.1) und gemischten schizoaffektiven (F25.2) Ausprägungen gekommen sei, sodass von einer sonstigen schizoaffektiven Störung (F25.8) auszugehen sei. Er lehnt dann die in der LWL-Klinik I gestellte Verdachtsdiagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus ab, da bei dem Untergebrachten sicher eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis festgestellt werden könne, sodass die Grenze („Borderline“) von einer Persönlichkeits- oder neurotischen Störung bereits deutlich überschritten sei. Darüber hinaus habe der Untergebrachte über einen längeren Zeitraum gelegentlich Cannabis konsumiert, verbunden mit einem ungünstigen Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen, sodass zumindest die Diagnose Cannabismissbrauch (ICD-10: F12.1) zutreffe. Der Untergebrachte weise bei psychischer Labilisierung Tendenzen zum Konsum illegaler Drogen auf, was i. S. d. Beibehaltung unangekündigter Drogenscreenings für die weitere Zukunft berücksichtigt werden sollte. Zum Tatgeschehen führt der Sachverständige aus, dass das zielgerichtete Vorgehen bei der Tat keinen Zusammenhang mit einer akuten psychotischen Episode erkennen lasse, allerdings habe die seit Jahren bestehende schizophrene Erkrankung einen beträchtlichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers mit Beeinträchtigungen auf alle relevanten Lebensbezüge ausgeübt, und zwar sowohl im Hinblick auf dessen Beziehungsfähigkeit, die affektive Resonanz und Schwingungsfähigkeit, die Frustrationstolleranz sowie die Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub. Aufgrund dieser Beeinträchtigungen sei er bei erhaltener Einsichtsfähigkeit auch nach Ansicht dieses Sachverständigen zu einer Steuerung seiner Impulse nicht mehr in der Lage gewesen. Die Tat sei nicht in einem spezifischen Konflikt oder in einer besonderen Lebens-situation entstanden, vielmehr durch überdauernde Persönlichkeitseigenschaften infolge der schizophrenen Erkrankung bedingt gewesen.
28Zur Legalprognose hat der Sachverständige Dr. N ausgeführt, dass konkrete Hinweise, der Beschwerdeführer werde auf absehbare Zeit erneut mit einem Raubüberfall auffallen, sich während der nunmehr etwa ein Jahr ohne Unterbrechung andauernden Beurlaubung nicht ergeben hätten. Die Basisrate für Raub liege zwischen 10 – 25 %, was statistisch auf ein hohes Risiko für eine weitere vergleichbare Tat hinweise. Hinzu komme, dass Menschen mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis ein höheres Risiko für Gewaltdelinquenz aufwiesen als Personen ohne Belastung durch eine psychische Erkrankung. Allerdings hätten sich im Vergleich zur Ausgangssituation bei dem Beschwerdeführer dahingehend deutliche Veränderungen ergeben, dass er einer regelmäßigen psychopharmakologischen Therapie zustimmte und die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen (insbesondere in den Affekten und in der Impulssteuerung) seiner Lebensführung in den Hintergrund getreten seien. Bedenklich sei, dass der Untergebrachte Maßnahmen wie die Installation eines Helfernetzwerkes ablehne und glaube, die bisher vorgetragenen Strukturen (Mutter, Tante, jüdische Gemeinde, Anbindung an die ambulante LWL-Klinik E) reichten aus. Denn es dürfe nicht übersehen werden, dass die Erstgenannten die zunehmenden krankheitsbedingten Beeinträchtigungen aufgrund fehlender Kompetenzen weder erkennen noch geeignete Maßnahmen ergreifen könnten. Dem Helfernetzwerk sei eine besondere Bedeutung zuzumessen, weil der Untergebrachte psychotische Symptome nicht erkenne und damit auch nicht in der Lage sei, bei Auftreten und/oder zunehmendem Drängen
29psychotischer Symptome frühzeitig Kontakt zu geeigneten Personen aufzunehmen bzw. beizeiten Unterstützung einzufordern. Denn das Risiko für psychotische Entgleisungen unter kontinuierlicher ärztlich indizierter Medikation sei zwar gemindert, ausgeschlossen werden könne es aber nicht. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige hierzu ergänzend ausgeführt, dass die ihm von der Strafvollstreckungskammer vorgeschlagenen und von dem Beschwerdeführer auch akzeptierten Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht ausreichend seien, um ein solches Helfernetzwerk zu installieren. Bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom Mai 2018 hat er ausgeführt, dass insbesondere wöchentliche Kontakte zur Klinikambulanz wünschenswert seien. Unter diesen Umständen sei das Risiko für weitere dem Anlassdelikt vergleichbare Taten deutlich gemindert, zumal er vor dieser Tat nicht mit Gewalttaten auffällig geworden sei.
30Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass dann, wenn der Untergebrachte wieder in einen psychotischen Zustand gerate und die übrigen Beeinträchtigungen im Denken, in der Affektivität, im realitätsgerechten Umgang mit Bedürfnissen, in den sozialen Kompetenzen und in der Impulssteuerung hinzu kämen, Tätlichkeiten gegen dritte Personen zu erwarten seien. Er könne aber nicht sagen, welcher Art solche Tätlichkeiten sein würden. Bei dem Anlassdelikt habe sich der Beschwerdeführer mit einer Bedrohung der Tante mit einem Messer begnügt, ob er ein Messer auch tatsächlich dergestalt in Einsatz bringen würde, dass er eine dritte Person damit körperlich verletze, das könne er nicht sagen. Hierfür sei von Bedeutung, ob es in der Vergangenheit bereits einmal zu einer körperlichen Verletzung eines anderen Menschen gekommen sei. Insofern werde zwar von einem Angriff des Beschwerdeführers mit einem Hammer gegen seine Tante berichtet, dieser lasse sich aber nicht sicher feststellen.
31Die LWL-Klinik E hat sich in ihrer letzten Stellungnahme vom 29.12.2007 der Prognose des Sachverständigen Dr. N angeschlossen.
32II.
33Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund hat mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 13.07.2018 die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 02.08.2005 angeordneten Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt und dem Beschwerdeführer im Rahmen der Aussetzung der Maßregel und der Führungsaufsicht verschiedene Weisungen erteilt, insbesondere die Weisungen, sich Urinproben und Blutproben zur Durchführung von Medikamenten- und Drogenkontrollen zu unterziehen und sich durch die Forensische Ambulanz der LWL-Klinik in E betreuen und sich dort auch psychiatrisch behandeln zu lassen.
34Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er die Erledigung der Maßregel erstrebt.
35III.
36Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus war gem. § 67 d Abs. 3 i. V. m. § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB für erledigt zu erklären. Ihre weitere Vollstreckung wäre unverhältnismäßig, da sie mehr als zehn Jahre andauert und nicht positiv festgestellt werden kann, dass die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
37Erfasst werden hiervon regelmäßig Verbrechen und im Übrigen Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität, wenn sie einen hohen Schweregrad aufweisen und den Rechtsfrieden empfindlich stören. Dies ergibt sich in systematischer Hinsicht aus dem Verweis in § 67 d Abs. 6 S. 3 StGB, aus § 67 d Abs. 3 StGB, dessen Formulierung wiederum der des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB entspricht, insbesondere aber aus dem gesetzgeberischen Willen (BT-Drucksache 18/7244, S. 33; Senat, Beschluss vom 05.09.2017 – III-3 Ws 198/17).
38Solche Straftaten drohen von dem Beschwerdeführer derzeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit höheren Grades (vgl. BT-Drucksache 18/7244, S. 33; BGH, Urteil vom 23.11.2016 – 2 StR 108/16, juris; Senat, Beschluss vom 05.09.2017 – III-3 Ws 198/17; KG Berlin, Beschluss vom 15.02.2016 – 5 Ws 116/16, juris). Da der Beschwerdeführer sich mehr als zehn Jahre in der Unterbringung befindet, reicht hier die Gefahr solcher Straftaten, durch welche die Opfer in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden, nicht mehr aus; erforderlich ist vielmehr, dass die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer tatsächlich seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
39Die von dem Beschwerdeführer drohenden Straftaten überschreiten diese Erheblichkeitsschwelle nicht. Generell ist eine Raubtat unter Verwendung einer Waffe – wie hier eines Brotmessers – geeignet, den Opfern durch Traumatisierung seelisch schwere Schäden zuzufügen. Diese generelle Eignung ist aber nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es der konkreten Feststellung für den hier vorliegenden Einzelfall des Untergebrachten, dass die von ihm ausgehende Drohung tatsächlich solche schweren Schäden bewirken würde (BGH, Beschluss vom 11.12.2012 – 5 StR 431/12, juris; Senat, Beschluss vom 05.09.2017 – III3 Ws 198/17). Denn allein die Gefahr, dass potentielle Opfer solche schweren Schäden erleiden könnten, reicht hier angesichts der mehr als zehn Jahre andauernden Unterbringung nicht aus, § 67 d Abs. 6 S. 3, Abs. 3 S. 1 StGB. Hier hatte die geschädigte Tante des Untergebrachten zwar in der konkreten Tatsituation angesichts des ihr vorgehaltenen Messers große Angst vor dem Untergebrachten, zumal sie dessen psychische Erkrankung und die damit aus ihrer Sicht verbundene Unberechenbarkeit kannte. Andererseits sind über den momentanen Schrecken in der Tatsituation hinaus keinerlei schwere Folgen bei der geschädigten Tante des Untergebrachten festgestellt, im Gegenteil hat sie sich mittlerweile seit vielen Jahren wieder mit ihm versöhnt und führt den intensiven Kontakt zu dem Untergebrachten während der Dauer seiner Langzeitbeurlaubung in der gleichen Weise fort wie vor der Tat, indem sie ihn regelmäßig beköstigt.
40Hinzu kommt, dass der Untergebrachte während der gesamten Dauer der Unterbringung zu keinem Zeitpunkt gegenüber anderen Menschen tätlich geworden ist. Dies war auch vor der hier zur Unterbringung führenden Anlassverurteilung nicht der Fall. Soweit auf Seiten des Sachverständigen von einem Angriff des Untergebrachten auf dessen Tante mit einem Hammer vor der hier zur Unterbringung führenden Tat die Rede war, sind dazu keinerlei Feststellungen getroffen worden, der Untergebrachte bestreitet einen solchen Angriff auf seine Tante, sodass ein solcher Hammerangriff prognostisch nicht berücksichtigt werden kann.
41Im Übrigen wäre mit einem erneuten Raubdelikt auch nach Ansicht des Sachverständigen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu rechnen. Der Sachverständige geht nämlich gerade davon aus, dass bei der durch die getroffenen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht erfolgten engen Anbindung des Untergebrachten an die LWL-Klinik in E ein ausreichendes Helfernetz installiert ist, sodass psychische Veränderungen rechtzeitig erkannt werden und ihnen rechtzeitig entgegengewirkt werden kann. Da der Untergebrachte sich in der Vergangenheit bislang stets auf eine dann indizierte Behandlung eingelassen hat und auch die erforderlichen Medikamente genommen hat, kann eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für eine Exacerbation der Erkrankung des Untergebrachten mit der Folge weiterer Straftaten gerade nicht festgestellt werden.
42Bei dieser Sachlage war die Unterbringung des Beschwerdeführers gem. § 67 d Abs. 6 S. 3, Abs. 3 StGB für erledigt zu erklären. Die von der Kammer vorgenommene Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung ist demgegenüber nachrangig. Für sie ist nur Raum, wenn die Erledigung ausscheidet.
43Hinsichtlich der Belehrung über die Führungsaufsicht wird auf den angefochtenen Beschluss, der dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden ist, Bezug genommen.