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1.
Wird die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus seit drei Jahren vollzogen, ist die Fortdauer der Maßregel an die Voraussetzungen des § 67d Abs. 6 Satz 1StGB in Verbindung mit § 63 Satz 1 StGB gebunden.
2.
Lediglich belästigende Taten wie Bedrohungen oder Beleidigungen sind schon keine erheblichen Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB.
3.
Hingegen sind vorsätzliche Körperverletzungen - solange die Verletzung nicht nur gerade eben die Schwelle des § 223 StGB überschreitet, grundsätzlich als erhebliche Taten im o.g. Sinne zu werten.
4.
Für ihre Begehung muss aber eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades positiv festgestellt werden können; hieran kann es fehlen, wenn der Verurteilte während der mehrjährigen Unterbringung nie mit körperlicher Gewalt gegen Personen agiert hat, obwohl seine situationsbedingte Frustration dort hoch gewesen war.
1) Unter teilweiser Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wird die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund des Urteils des Landgerichts Bielefeld vom 27. Februar 2015 für erledigt erklärt.
2) Mit der Entlassung des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug tritt Führungsaufsicht ein. Deren Höchstdauer von fünf Jahren wird einstweilen nicht abgekürzt.
3) Der Untergebrachte untersteht für die Dauer der Führungsaufsicht der zuständigen Aufsichtsstelle und der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers.
4) Die namentliche Benennung des Bewährungshelfers sowie die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht werden der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn, die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht wird dem LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie M übertragen.
5) Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen. Die Aussetzung des noch nicht verbüßten Strafrestes der im Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Februar 2015 neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.
6) Der Strafrest wird unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs in einem psychiatrischen Krankenhaus vollzogen.
7) Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die gerichtliche Beschwerdegebühr um zwei Drittel ermäßigt. Die in dem Beschwerdeverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen sowie die dem Beschwerdeführer insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden zu zwei Dritteln der Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e:
2I.
3Das Landgericht Bielefeld verurteilte den Untergebrachten am 27. Februar 2015 unter Freispruch im Übrigen wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen vollstreckbare Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz und tatmehrheitlich dazu wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten. Gleichzeitig ordnete es seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Das Urteil ist seit dem 7. März 2015 rechtskräftig.
4Nach den Urteilsfeststellungen wurde bei dem Untergebrachten, der bis dahin immer wieder unter langandauernden, massiven Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen gelitten hatte, im Jahr 2000 eine hirnorganische Persönlichkeitsveränderung mit Neigung zu Impulsdurchbrüchen bei Pseudotumor Cerebri diagnostiziert. Linderung der akuten Kopfschmerzen habe die Installation einer Shunt-Anlage gebracht. Die Impulsdurchbrüche, die auf die Hirnschädigung zurückzuführen seien, hätten jeweils im Zusammenhang mit den Untergebrachten emotional belastenden Situationen stattgefunden und seien von ihm nicht zu kontrollieren. Wegen seiner Erkrankung steht der Untergebrachte seit 2004 unter gesetzlicher Betreuung.
5Nachdem eine erste im Jahr 1995 geschlossene Ehe mit einer 31 Jahre älteren Frau gescheitert war, lernte er im Jahr 2005 seine zweite Ehefrau kennen, die er im Februar 2006 heiratete. Aus dieser zweiten Ehe ging eine im Juni 2006 geborene Tochter hervor. Seine Ehefrau trennte sich im November 2009 vom Untergebrachten, weil sie nach von diesem ausgesprochenen Beleidigungen und Bedrohungen fürchtete, vom Untergebrachten misshandelt zu werden, obwohl es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu körperlichen Übergriffen gekommen war. Sie zog zunächst ins Frauenhaus und nach einigen Wochen zu ihren Eltern.
6Unmittelbar nach der Trennung von seiner zweiten Frau ist der Untergebrachte ausweislich der Feststellungen mehrfach übergriffig geworden. So hatte er anlässlich seines Auszuges aus der gemeinsamen Wohnung u.a. den gemeinsamen Hausrat zerstört und seine Ehefrau im Beisein einer Dame vom Jugendamt verletzt, weswegen es im August 2010 zu einer Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz kam. Nach dem Gerichtstermin weigerte sich der Untergebrachte, das Gerichtsgebäude zu verlassen. Wegen seiner drohenden Haltung sowie lauten und aggressiven Verbalausbrüchen traute sich seine Frau nicht, das Gerichtsgebäude – an dem Untergebrachten vorbei – zu verlassen. Erst nach Eintreffen der herbeigerufenen Polizeibeamten entfernte sich der Untergebrachte.
7Im März 2011 erging noch eine weitere Gewaltschutzanordnung, mit der es dem Untergebrachten zunächst für die Dauer von sechs Monaten untersagt wurde, sich der Wohnung seiner Ehefrau zu nähern sowie Kontakt mit ihr aufzunehmen. Das Jugendamt berichtete im Mai 2011, dass der Untergebrachte im Rahmen der begleiteten Besuchskontakte mit seiner Tochter u.a. Mitarbeiter des Jugendamtes bedroht habe.
8Zwischen dem 24. Mai und dem 20. Juni 2011 verstieß der Untergebrachte 36 Mal gegen die vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, weswegen das Amtsgericht Bünde mit Strafbefehl vom 24. Mai 2012, rechtskräftig seit dem 12. Juni 2012 – wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in 36 Fällen, Beleidigung und versuchter Nötigung eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen gegen den Untergebrachten verhängte.
9Am 26. Oktober 2011 schickte der Untergebrachte eine E-Mail an den Richter am Amtsgericht L in C, wonach er seine Ehefrau töten müsse und für nichts mehr garantieren könne, wenn er sein Kind nicht bekomme.
10Im Oktober 2011 stellte seine Betreuerin wegen Drohungen und Beleidigungen einen Antrag auf Entlassung aus ihrem Amt.
11Im November 2011 erschien der Untergebrachte auf der Polizeidienststelle in C und äußerte verbal aggressiv u.a., dass er „die Alte“ (gemeint war seine Frau) plattmachen würde. Die Staatsanwälte sollte man auf dem Marktplatz antreten lassen, dann werde er diese genauso misshandeln, wie seine Tochter misshandelt werde.
12Ende November 2011 beschloss das Amtsgericht Herford seine Unterbringung nach dem PsychKG NRW, nachdem er erneut gedroht hatte, seine Ehefrau und weitere an dem Scheidungsverfahren beteiligte Personen umzubringen. Dies hatte er auch im Rahmen seiner richterlichen Anhörung wiederholt geäußert: Ihm bleibe nichts anderes übrig, als seine Frau umzubringen. Anders komme er nicht zu seinem Recht.
13Am 21. November 2011 wurde für den Untergebrachten ein neuer Berufsbetreuer bestellt, der – wie auch seine Vorgängerin – am 24. April 2012 aus Angst vor dem Angeklagten um seine Entlassung bat.
14Im Jahre 2013 bedrohte er auch seine damalige Lebensgefährtin, als diese ihn im Februar/März 2013 verlassen hatte.
15Im Juli 2014 entwickelte der Untergebrachte die Idee, dass bzgl. des Sorgerechtes für seine Tochter bis zum 17. November 2014 etwas passiert sein müsse, weil danach seine Rechte verjährt seien. Er äußerte ab dieser Zeit regelmäßig gegenüber seinem Sozialarbeiter, dass am 17. November 2014 etwas passieren würde. Er hatte in diesem Zusammenhang eine sogenannte Todesliste erstellt, nach der er seine Frau, Richter am Amtsgericht L, Rechtsanwalt M (der für kurze Zeit sein Betreuer gewesen ist), eine Frau vom Jugendamt und ein Polizeibeamten erschießen wolle.
16Der die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus enthaltende Verurteilung vom 27. Februar 2015 lagen folgende Anlasstaten zu Grunde:
171) Am 4. September 2012 schrieb er eine SMS mit folgendem Inhalt an seine damalige Ehefrau:
18„Wenn du meine Tochter zum 21.09.2012, 17.00 Uhr, nicht herausgibst, unterschreibst du dein Todesurteil. Dies ist meine letzte Warnung!“
19Diese Tat wertete die Kammer als versuchte Nötigung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz.
202) Am 20. März 2012 schickte der Untergebrauchte seiner damaligen Ehefrau eine SMS mit folgendem Inhalt:
21„Du verlogene dreckshure, wag es dir mich noch einmal anzuzeigen und ich schlachte alles ab, was C hei(p)ßt oder verwandt ist.“
22Diese Tat wertete die Kammer als versuchte Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung.
233) Am 6. Februar 2014 klingelte der Untergebrachte an der Haustür der Eheleute C (seiner Schwiegereltern) wo sich seine ehemalige Ehefrau aufhielt. Er war angespannt und aufgeregt, weil er kurz zuvor die Ladung zum Strafantritt wegen der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe erhalten hatte. Er wollte seine ehemalige Ehefrau, von er sich zu Unrecht belastet sah, zur Rede stellen. Seine ehemalige Schwiegermutter öffnete die Tür. Der Untergebrachte trat einen Schritt vor und verlangte lautstark nach seiner ehemaligen Ehefrau, wobei er auf der Türschwelle stand, so dass die Haustür nicht mehr geschlossen werden konnte. Seine ehemalige Schwiegermutter forderte ihn mehrfach auf, den Eingangsbereich zu verlassen, damit sie die Tür schließen könne. Dieser Aufforderung kam der Untergebrachte nicht nach, schrie weiter im Türbereich und forderte, seine ehemalige Ehefrau zu sprechen. Zwischenzeitlich war auch sein ehemaliger Schwiegervater erschienen und versuchte, die Tür zuzudrücken und den Untergebrachten aus dem Türschwellenbereich des Eingangsflures zu schieben. Seine ehemalige Schwiegermutter holte schließlich, was sie zuvor mehrfach angekündigt hatte, ein Reizgasspray und sprühte dies dem Untergebrachten aus kurzer Entfernung in den Gesichtsbereich. Daraufhin schlug der Untergebrachte seiner 65 Jahre alten Schwiegermutter mit der Faust mit Wucht ins Gesicht, so dass diese neben Schmerzen und Nasenbluten in der Folgezeit auch einen Bluterguss im Augenbereich – ein „Veilchen“ – erlitt. Zusammen mit ihrem Ehemann schaffte sie es, den Angeklagten aus dem Flurbereich nach draußen zu schieben und die Tür zu schließen. Diese Tat wertete die Kammer als vorsätzliche Körperverletzung.
24Bei Begehung der Taten war der Untergebrachte ausweislich der Feststellungen aufgrund einer dauerhaften hirnorganischen Persönlichkeitsstörung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert (§ 21 StGB). Die Kammer konnte nicht ausschließen, dass die Steuerungsfähigkeit des Untergebrachten zum Zeitpunkt der letzten Anlasstat vom 6. Februar 2014 vollständig aufgehoben war (§ 20 StGB). Die sachverständig beratene Kammer hatte ausgeführt, dass der Pseudotumor Cerebri zunächst zu einer hirnorganischen Persönlichkeitsänderung geführt habe. Durch den gesteigerten Hirndruck seien Bereiche seines Gehirns unwiederbringlich zerstört worden. Der operative Einsatz einer Shunt-Anlage im Jahre 2001 habe keine Linderung gebracht. Erst die zweite Installation eines Shunt-Systems habe zu einer Linderung der akuten Kopfschmerzen geführt. Die Anlasstaten hätten sich als Manifestation seiner Grunderkrankung dargestellt. Sie seien Symptomtaten, da sie auf dem krankheitsbedingten typisch paranoid querulatorischen Erleben des Untergebrachten beruhten. Er fühle sich verfolgt und zu Unrecht belastet. Er wolle sich um jeden Preis – auch zu Lasten eigentlich Unbeteiligter – ins Recht setzen. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der krankheitsbedingten Begehung erheblicher Körperverletzungen zu rechnen, zumal der Untergebrachte die eigentlich bestehende Hemmschwelle bereits überschritten habe. Weil der Sachverständige hierzu keine Angaben machen konnte, hat die Kammer nicht feststellen können, ob der Untergebrachte daneben auch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Drohungen in die Tat umsetzen würde.
25Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird seit der am 7. März 2015 eingetretenen Rechtskraft im LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie M vollstreckt, wo der Untergebrachte zuvor seit dem 31. Oktober 2014 einstweilen untergebracht war.
26Mit Beschluss vom 26. Januar 2018 hat die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
27Gegen diese Entscheidung wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 26. März 2018. Zur Begründung führt der Verteidiger zusammengefasst aus, dass er den weiteren Vollzug der Unterbringung für unverhältnismäßig halte. Die schuldangemessene Freiheitsstrafe sei lediglich mit 8 Monaten angesetzt worden. Wäre er wegen der Tat, für die er wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen worden sei, verurteilt worden, so wäre eine Freiheitsstrafe von maximal 15 Monaten herausgekommen. Demgegenüber befinde er sich seit dem 31. Oktober 2014 in Unfreiheit. Die Schwierigkeiten, die er auf der Station bereitet habe, lägen im unteren Bereich und dürften nicht überbewertet werden, zumal diese auch unterbringungsbedingt seien. Konkrete Hilfsangebote, die dem Untergebrachten aus seiner Blockadehaltung herausführen könnte, gäbe es nicht. Letztendlich werde der Untergebrachte nur verwahrt.
28Nach Beschwerdeeinlegung ist das Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. Q vom 21. März 2018 zum Vollstreckungsheft gelangt, das dieser im Auftrag der Klinik nach § 16 Abs. 3 MRVG NRW erstattet hatte. Der Untergebrachte und sein Verteidiger haben auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht verzichtet.
29Ein zunächst für den 27. Juni 2018 anberaumter Termin zur Anhörung des Untergebrachten und des Sachverständigen musste aufgehoben werden, nachdem der Untergebrachte verhandlungsunfähig erkrankt war.
30Der Senat hat den Untergebrachten und den Sachverständigen am 17. Oktober 2018 angehört.
31II.
32Die sofortige Beschwerde ist zulässig und überwiegend begründet. Sie führt, soweit die Fortdauer der Unterbringung angeordnet worden ist, gemäß § 309 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, Erklärung der Maßregel für erledigt und Feststellung des Eintritts der Führungsaufsicht mit den zugehörigen Anordnungen. Soweit mit der Anordnung der Unterbringungsfortdauer inzident auch die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist, ist die sofortige Beschwerde unbegründet und führt in diesem Umfang zur Verwerfung mit der Maßgabe, dass die Reststrafe in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollziehen ist.
331.) Die Maßregel ist gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB für erledigt zu erklären, weil die Voraussetzungen für die Maßregel nicht mehr vorliegen.
34Zwar leidet der Verurteilte zur Überzeugung des Senats nach wie vor u.a. an einer organischen Persönlichkeitsstörung und damit einer psychischen Erkrankung, die zu seiner Unterbringung im Maßregelvollzug geführt hat. Denn der Sachverständige Dr. Q hat bei dem Untergebrachten – wie auch die Behandler des LWL-Zentrums für forensische Psychiatrie M – nach wie vor eine organische Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F07.0) sowie ergänzend hierzu eine organisch wahnhaften Störung (ICD-10: F06.2) diagnostiziert.
35Weitere Voraussetzung des § 63 Satz 1 StGB ist aber auch, dass vom Täter infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Nach gegenwärtigem Sachstand vermag der Senat nicht positiv festzustellen, dass diese Erwartung auch heute noch gerechtfertigt ist.
36Lediglich belästigende Taten wie Bedrohungen und Beleidigungen sind schon keine erheblichen Taten im o.g. Sinne (vgl. Fischer, StGB, 65. Auflage, § 63, Rdnr. 31 m.w.N.).
37Hingegen sind vorsätzliche Körperverletzungen – solange die Verletzung nicht nur gerade eben die Schwelle des § 223 StGB überschreitet – zwar grundsätzlich als erhebliche Straftaten im o.g. Sinne zu werten (vgl. Fischer, StGB, 65. Auflage, 63, Rdnr. 27 und 2). Denn Faustschläge gegen den Kopf – wie bei der Anlasstat vom 6. Februar 2014 – weisen ein hohes Gefährdungspotenzial auf und sind grundsätzlich geeignet, erhebliche Verletzungen an einem besonders empfindlichen Körperteil hervorzurufen. Jedoch kann aktuell nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass ähnliche oder andere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Denn für die Begehung entsprechend qualifizierter, neuer rechtswidriger Taten bedarf es einer „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2018 – 2 StR 525/16 – juris, Rdnr. 9 und vom 1. August 2018 – 5 StR 336/18 – juris, Rdnr. 7; Fischer, StGB, 65. Auflage, § 63, Rdnr. 35 m.w.N.). Daran fehlt es. Insoweit hat der Sachverständige Dr. Q im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat am 17. Oktober 2018 auf die Frage, ob er den Untergebrachten für latent oder konkret gefährlich hält, angegeben, er halte den Untergebrachten für latent gefährlich. Er gehe nicht davon aus, dass es unmittelbar nach einer Entlassung zu einer Gewaltstraftat kommen werde. Auch bei der Anlasstat habe es schließlich einen längeren Vorlauf gegeben. Hierfür bedürfe es zunächst eines längeren zumindest vom Untergebrachten als solchen wahrgenommenen Konfliktes, der sich immer mehr zuspitze. Bereits dies lasse sich jedoch nur sehr schwer abschätzen, weil es sich hierbei um eine rein subjektive Wahrnehmung des Untergebrachten handele. Zudem komme es auch darauf an, wie bedrohlich sich die Situation dann für den Untergebrachten darstelle. Zu erwarten seien aber auch dann eher Übergriffe im unteren Bereich wie Faustschläge. Bei der Anlasstat sei es so gewesen, dass seine Aggressivität durch den Einsatz des Reizgases der Geschädigten getriggert worden sei. Dennoch habe er seinerzeit nur einmal zugeschlagen und es sei nicht zu einem Exzess gekommen.
38Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades im o.g. Sinne kann – jedenfalls bezogen auf Körperverletzungsdelikte – auch der gutachterlichen Stellungnahme der Behandler des LWL-Zentrums für Forensische Psychiatrie Lippstadt vom 23. August 2018 – noch im Gegensatz zur Stellungnahme vom 11. Juni 2018 – nicht entnommen werden.
39Gegen eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades im o.g. Sinne spricht zudem, dass der Untergebrachte selbst im Rahmen der Maßregelvollstreckung nicht mit körperlicher Gewalt gegen Personen agiert hat, obwohl seine situationsbedingte Frustration hoch gewesen ist und er trotz der bereits viele Jahre vor der Anlasstat bestehenden psychischen Erkrankung zuvor nicht wegen Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten ist. Der Senat kann nach alldem nicht feststellen, dass von dem Untergebrachten im Falle seiner Entlassung mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erhebliche Straftaten zu erwarten sind.
402.) Die auch nach Anrechnung der einstweiligen Unterbringung verbleibende Restfreiheitsstrafe kann nicht gemäß §§ 67 Abs. 5 Satz 1, 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
41Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer, dass die Unterbringung fortdauere, beinhaltet der Sache nach zugleich die Entscheidung, die Vollstreckung der Reststrafe nicht zur Bewährung auszusetzen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. Januar 2017 – III-4 Ws 372/16 –; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – III-2 Ws 576-577/13 –; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Oktober 2010 – 3 Ws 957/10 –; alle zitiert nach juris). Auch diese Entscheidung ist daher Gegenstand der unbeschränkten Anfechtung der Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde.
42Gemäß § 57 Abs. 1 StGB kommt eine Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe nur dann in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Die nach § 57 Abs. 1 StGB zu treffende Prognoseentscheidung stellt im Gegensatz zu einer Prognoseentscheidung gemäß § 56 Abs. 1 StGB nicht auf die Erwartung ab, der Verurteilte werde ohne die Einwirkung - weiteren - Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob eine Entlassung verantwortet werden kann, wobei eine Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Vollzugs und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erforderlich ist. Je nach Schwere möglicher neuer Taten sind daher unterschiedliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2003 - 1 AR 266/03 -, NStZ-RR 2003, 200, 201; Fischer, StGB, 65. Auflage, § 57, Rdnr. 12). Je gewichtiger die Rechtsgüter sind, die bei einem möglichen Rückfall verletzt oder gefährdet würden, umso höher sind die Anforderungen an eine positive Legalprognose im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB anzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2011 – StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8; Fischer, StGB, 65. Auflage, § 57, Rdnr. 12).
43Der Beschwerdeführer ist auch wegen Gewaltstraftaten in Erscheinung getreten. Das durch einen möglichen Rückfall bedrohte Rechtsgut – die körperliche Unversehrtheit – ist in besonderem Maße schutzwürdig und von hohem Gewicht; die Anforderungen an die anzustellende Sozialprognose sind deshalb erhöht. Denn je höherwertige Rechtsgüter in Gefahr sind, desto geringer muss das Rückfallrisiko sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08, NJW 2009, 1941, 1942; Senat, Beschluss vom 12. November 2015 – III-3 Ws 415/15 - NRWE).
44Da verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose insoweit zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08, NJW 2009, 1941, 1942), kann dem Untergebrachten unter Zugrundelegung der o.g. Erwägungen sowie nach einer Gesamtwürdigung der übrigen für die Prognoseentscheidung in § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Kriterien keine positive Legalprognose in diesem Sinne gestellt werden.
45Der Untergebrachte ist neben der Anordnung der Maßregel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Aus einer sich im Vollstreckungsheft befindlichen Strafzeitberechnung (Bl. 56 VH) ergibt sich, dass in dieser Sache 142 Tage Untersuchungshaft (gemeint ist einstweilige Unterbringung) vollstreckt wurden. Zudem wird gemäß § 67 Abs. 4 StGB die vor der Vollstreckung der Freiheitsstrafe vollzogene Zeit der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind, so dass voraussichtlich noch etwa ein Monat der Gesamtfreiheitsstrafe zu vollstrecken sein dürfte. Eine exakte (Rest-) Strafzeitberechnung der Vollstreckungsbehörde liegt dem Senat nicht vor und wird von dieser umgehend zu veranlassen sein.
463.) Gemäß § 67 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 StGB ist der Strafrest unter den Bedingungen des Maßregelvollzugs in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollziehen.
47Ob in Fällen, in denen ein Strafrest nach Beendigung der Maßregel verbleibt, die Vollstreckung dieses Strafrestes im Maßregelvollzug überhaupt angeordnet werden kann oder die Vollstreckung der Reststrafe zwingend im Strafvollzug zu erfolgen hat, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt (vgl. ausführlich zum Meinungsstand OLG Braunschweig, Beschluss vom 31. Juli 2017 – 1 Ws 166/17 –, juris, Rdnr. 28 ff). Der Senat hält indes die wohl überwiegende Auffassung (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 31. Juli 2017 – 1 Ws 166/17 –; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Januar 2017, III-4 Ws 372/16; OLG Celle, Beschluss vom 2. März 2015, 2 Ws 16/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2013, III-2 Ws 576-577/13; OLG Koblenz, Beschluss vom 4. April 2011, 2 Ws 150/11; alle zitiert nach juris) für zutreffend. Danach regelt § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB lediglich eine vollzugliche Überweisung, bewirkt aber keine Änderung des Rechtscharakters – Strafe oder Maßregel – der vollzogenen Freiheitsentziehung. Bei Anwendung der Vorschrift wird demnach weiter Freiheitsstrafe vollstreckt, wenn auch ausnahmsweise in einer Maßregelvollzugseinrichtung.
48Nur ein Verständnis im vorgenannten Sinne kann erklären, dass auch bei einer Maßregelvollstreckung, die gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird, der „Vollzug der Maßregel“, also der Verbleib in der Maßregelvollzugseinrichtung gegebenenfalls fortdauern kann (OLG Braunschweig, a. a. O., OLG Düsseldorf, a.a.O.; Schöch, a.a.O.). Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich zudem, dass der Gesetzgeber ein weites Verständnis von § 67 Abs. 5 S. 2 StGB hat. Denn dem Gesetzentwurf lag hinsichtlich der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB die Ansicht zugrunde, dass die Unterbringung auch über die hierfür in § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB bestimmte Höchstfrist hinaus weiter vollzogen werden dürfe (vgl. dazu BT-Drucks. 16/1110, S. 14). Dann ist jedoch die Maßregel ebenfalls bereits erledigt (OLG Braunschweig, a. a. O.; Schöch, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2008, § 67, Rdnr. 54.). Schließlich steht auch eine fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes der beschriebenen Auslegung nicht entgegen; für Leitlinien im Bereich der Ausgestaltung des Vollzugs liegt diese nämlich beim Bund (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011, – 2 BvR 2333/08 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Januar 2017 – III-4 Ws 372/16 –, juris).
49Nach alledem stehen eine Erledigung der Maßregel und der Verbleib des Verurteilten in einer Maßregelvollzugseinrichtung nicht in Widerspruch zueinander. Es liegen auch keine Umstände in seiner Person vor, die dies angezeigt erscheinen lassen. Bei einer erledigten Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus – ohne dass der „Zustand“ im Sinne von § 63 StGB entfallen wäre – wird sich dies ohnehin nur selten empfehlen (vgl. Schöch, a.a.O., Rdnr. 58). Vielmehr wird mit dem Verbleib eines Verurteilten im Maßregelvollzug seinem Interesse Rechnung getragen, einen schon erreichten Therapieerfolg nicht wieder zu gefährden (vgl. BT-Drucks. 16/1110, S. 17) und die vollziehende Anstalt möglichst wenig zu wechseln (vgl. Schöch, a. a. O., Rdnr. 52). Gerade letztgenannter Gesichtspunkt ist im vorliegenden Fall für den Verurteilten von besonderem Interesse. Durch den Verbleib im Maßregelvollzug ist gewährleistet, dass sowohl während der weiteren Vollstreckung der Reststrafe als auch bei der anstehenden Entlassungsvorbereitung seinen Eigenheiten und Bedürfnissen möglichst weitgehend Rechnung getragen werden kann. Durch den Verbleib im Maßregelvollzug entstehen dem Verurteilten auch sonst keine Nachteile. Der Vollzug der Reststrafe in einer Justizvollzugsanstalt wäre nicht von geringerer Eingriffsqualität.
50Es besteht auch keine Pflicht zur Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 GVG. Soweit der Senat mit seiner Entscheidung von der Auffassung anderer Oberlandesgerichte abweicht, betrifft dies die Vollstreckung des Strafrests und nicht die Erledigung oder weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
514.) Mit der Erledigung der Maßregel steht der Verurteilte gemäß § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB unter Führungsaufsicht.
52Den Nichteintritt der Führungsaufsicht gemäß § 67d Abs. 6 Satz 5 StGB anzuordnen, kam hier nicht in Betracht. Es ist nicht zu erwarten, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Die Dauer der Führungsaufsicht beruht auf § 68c Abs. 1 Satz 1 StGB, die Unterstellung unter eine Aufsichtsstelle und Bestellung eines Bewährungshelfers auf § 68a Abs. 1 StGB, die Übertragung der Belehrung auf der entsprechenden Anwendung von §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 4 StPO.
53Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht konnte der Strafvollstreckungskammer überlassen werden, welche hierzu die bis zur tatsächlichen Entlassung des Verurteilten gewonnenen Erkenntnisse nutzbar machen kann.
545.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.