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Eine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt die Mitteilung der Entscheidung an die Parteien voraus. Solange diese nicht erfolgt ist, handelt es sich um einen akteninternen, den Parteien gegenüber nicht wirksamen Vorgang. Das zur Zuständigkeitsbestimmung angerufene Gericht hat die unterbliebene Mitteilung nicht nachzuholen, sondern eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO abzulehnen.
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe:
2I.
3Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
4Dem Rechtsstreit liegt – soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang – im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:
5Der Kläger nimmt die Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG im Wege persönlicher Haftung als ehemalige Vorstände der Fa. H AG auf Schadensersatz in Anspruch. Die Fa. H AG habe, so der Kläger, unerlaubte Einlagengeschäfte betrieben, was den Beklagten auch bekannt gewesen sei. Hierdurch sei ihm, dem Kläger, einen Schaden in Höhe von 1.654,02 € entstanden.
6Mit – bestandskräftigen – Bescheiden vom 05.10.2012 und vom 25.11.2013 hat die BaFin der Fa. H AG das unerlaubte Betreiben eines Einlagengeschäfts untersagt und die Abwicklung des unerlaubt betriebenen Geschäfts angeordnet.
7Zu Begründung seines Anspruches weist der Kläger darauf hin, er habe bei der T Lebensversicherung AG eine Versicherung unter der Nummer #####/#### unterhalten. Über einen Vermittler, Herrn C, sei ihm deshalb im Zuge eines Vermittlungsgespräches in seiner Wohnung das Geschäftsmodell der Fa. H2 AG angeboten worden. Er habe daraufhin der Fa. H2 AG am 08.03.2010 die v.g. Versicherungssumme zu einem Preis von 11.063,07 € „verkauft“. Zuvor habe der Kläger über den von der Fa. H2 AG eingesetzten und benannten Treuhänder die Versicherung kündigen lassen, die den damaligen Rückkaufswert von 14.750,76 € - entsprechend dem oben beschriebenen Geschäftsmodell – an den Treuhänder ausgezahlt habe. Dieser habe sodann unter Abzug der vereinbarten Vorauszahlung von 25% (3.687,69 €) den o.g. Betrag i.H.v. 11.063,07 € an die Fa. H AG weitergeleitet. Nach dem sog. „Modell B“ habe diese dem Kläger sodann mit Schreiben vom 08.03.2010 die Zahlung der doppelten Summe von insgesamt 22.126,14 € bei einer Laufzeit von 10 Jahren zugesichert.
8Am 15.03.2011 wiederum sei zwischen dem Kläger und der Fa. H AG ein „Rückabwicklungsvertrag“ geschlossen worden. Unter Anrechnung bereits auf die bestehenden Vereinbarungen gezahlten Beträge sei ein Rückabwicklungsbetrag i.H.v. 9.569,57 € zu einem Zins von 12,922 % p.a. vereinbart worden. Die Höhe der monatlichen Rate habe bei einer Laufzeit von 110 Monaten 149,35 €, die zugesicherte Schlussrate 4.203,97 € betragen. Von Mai 2011 bis einschließlich 2014 habe die Fa. H AG die monatlichen Raten gezahlt; danach seien die Zahlungen ausgeblieben. Im Ergebnis sei dem Kläger so ein Schaden in Höhe der Klagesumme entstanden.
9Das Amtsgericht Essen hat die Parteien mit Verfügung vom 26.07.2018 zunächst auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hingewiesen, die der Beklagte zu 1) darauf hin auch gerügt hat, an diesen Bedenken aber nach dem Hinweis des Klägers auf die Vorschrift des § 32 ZPO nicht festgehalten.
10Nach zwischenzeitlich erfolgtem Dezernatswechsel hat das Amtsgericht Essen mit weiterer Verfügung vom 12.12.2017 darauf hingewiesen, dass die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG gegeben sei. Zur Begründung hat das Amtsgericht Essen darauf verwiesen, dass die Beklagten als Vertreter und Organ der H AG deren Produkte über Dienstleister vertrieben hätten und es sich bei der Tatsache, dass die AG über keine Erlaubnis nach § 32 KWG verfüge, um eine öffentliche Kapitalmarktinformation gehandelt habe, die i. S. d. §§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG, 32b ZPO unterlassen worden sei.
11Dem hat sich der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 20.12.2017 unter Hinweis darauf, dass örtlich nicht das Landgericht Essen, sondern das Landgericht Frankfurt a.M. zuständig sein dürfte, angeschlossen. Demgegenüber hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.01.2018 daran festgehalten, dass sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen aus § 32 ZPO ergebe. Ein Fall des § 32b ZPO liege nicht vor. Hilfsweise hat der Kläger Verweisung an das zuständige Gericht beantragt.
12Daraufhin hat das Amtsgericht Essen - nach Hinweise im Beschluss vom 01.03.2018, dass es nunmehr von einer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt ausgehe - sich mit weiterem Beschluss vom 07.03.2018 für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 281 ZPO an das Landgericht Frankfurt a.M. verwiesen.
13Mit – den Parteien nicht bekannt gemachter – Verfügung vom 21.03.2018 hat das Landgericht Frankfurt a.M. die Übernahme der Sache abgelehnt und an das Amtsgericht Essen zurückgegeben mit der Begründung, dass ein Fall der §§ 71 GVG, 32b ZPO ersichtlich nicht vorliege. Die Frage des Bestehens bzw. Erfordernisses eines erlaubnispflichtigen Einlagengeschäfts sei keine öffentliche Kapitalmarktinformation. Vielmehr handele es sich um eine rechtliche Bewertung der von den Beklagten getätigten Geschäfte im Sinne einer Einordnung als unerlaubtes Einlagengeschäft gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG.
14Mit Beschluss vom 25.06.2018 hat das Amtsgericht Essen die Übernahme der Sache abgelehnt, diese vorsorglich an das Landgericht Frankfurt a.M. zurückverwiesen und die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
15Der Senat hat die Parteien mit Verfügungen vom 04.07.2018 und vom 24.07.2018 angehört und in diesem Zusammenhang unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 22.02.1995, XII ARZ 2/95 darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht vorliegen dürften, weil es an einer „rechtskräftigen“ Unzuständigkeitserklärung im Sinne der Vorschrift fehle.
16Hierzu haben die Parteivertreter unter Aufrechterhaltung ihrer bislang eingenommenen Standpunkte mit Schriftsätzen vom 03.08.2018 und14.08.2018 Stellung genommen.
17II.
18Die begehrte Bestimmung des zuständigen Gerichts war abzulehnen, da die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Danach wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (hier das angerufene Oberlandesgericht Hamm mit Blick auf das zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht Essen), wenn das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht (wie vorliegend mit Blick auf das weiter mit der Sache befasste Landgericht Frankfurt a.M.) der Bundesgerichtshof ist. (Weitere) Voraussetzung ist, dass sich die an dem Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte „rechtkräftig“ für unzuständig erklärt haben. Hieran fehlt es jedoch, da sich das Landgericht Frankfurt a.M. nicht rechtskräftig für unzuständig erklärt hat.
19Die Rückgabeverfügung des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 21.03.2018 erfüllt diese Voraussetzung nicht. Eine rechtskräftige Entscheidung i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt die Mitteilung der Entscheidung an die Parteien voraus. Ergibt sich die Unzuständigkeitserklärung lediglich aus einer Rückgabeverfügung, die den Beteiligten – wie vorliegend die Rückgabeverfügung des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 21.03.2018 (Bl. 163 d.A.) – nicht bekannt gemacht worden ist, handelt es sich lediglich um einen akteninternen Vorgang, der den Parteien gegenüber rechtlich nicht wirksam ist (BGH, Beschluss v. 22.02.1995, XII ARZ 2/95, NJW-RR 1995, 641, Zitat nach juris Rn 10; OLG Schleswig, Beschluss v. 11.02.2010, 2 W 11/10, Zitat nach juris Rn 15; OLG Hamburg, Beschluss v. 29.09.2005, 13 AR 40/05, OLGR 2005, 803, Zitat nach juris Rn 1; OLG Köln, Beschluss v. 20.12.1999, ZIP 2000, 155, Zitat nach juris Rn 5; ausführlich: Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO 4. Aufl., § 36 Rn 126ff m.w.N.; vgl. a. Schultzky in Zöller, ZPO 32. Aufl., § 36 Rn 35 m.w.N.).
20Der Bundesgerichtshof und die einhellige obergerichtliche Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, lehnen daher in ständiger Rechtsprechung die Bestimmung des zuständigen Gerichts in derartigen Fällen ab (Nachweise wie vor). Denn es kann nicht Aufgabe des zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung angerufenen Gerichts sein, die unterbliebene Mitteilung nachzuholen und damit die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung überhaupt erst zu schaffen (so ausdrücklich: BGH a.a.O., Rn 11).
21Für das weitere Verfahren weist der Senat zur Vermeidung weiteren Zuständigkeitsstreits allerdings darauf hin, dass sich – entgegen der Annahme des Amtsgerichts Essen – die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt a.M. aus den Gründen seiner internen Verfügung vom 21.03.2018 sowie des Hinweises des Senats vom 24.07.2018 nicht aus §§ 32b ZPO, 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG ergibt und der Senat, sollte er nach Schaffung der formellen Voraussetzungen erneut um Zuständigkeitsbestimmung angerufen werden, beabsichtigt, die vom Amtsgericht Essen ausgesprochene Verweisung im Sinne der zu § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO ergangenen Rechtsprechung als nicht bindend zu betrachten.