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1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Vergleichs des Landgerichts Bielefeld vom 17.11.2017 sind von der Klägerin 15.302,99 € ‑ fünfzehntausenddreihundertundzwei Euro und neunundneunzig Cent – an die Beklagte zu erstatten.
Die weitergehende sofortige Beschwerde und der weitergehende Kostenausgleichungsantrag der Beklagten werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die Parteien streiten um die Erstattung von Privatsachverständigenkosten im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens.
4Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung restlichen Werklohns für Bauleistungen in Anspruch; widerklagend machte die Beklagte Mangelbeseitigungskosten geltend. Die Parteien stritten insoweit um Mehr- und Minderkosten; die Beklagte wandte außerdem die Einrede des nichterfüllten Vertrages sowie ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund von Baumängeln ein. Das Landgericht erhob umfassend Beweis durch Einholung von Sachverständigengutachten.
5Die Parteien beendeten das Verfahren durch Abschluss eines Vergleichs, nach dem sich die Beklagte zur Erledigung aller streitgegenständlichen und wechselseitigen Ansprüche der Parteien zu einer Restzahlung von 20.000,00 € verpflichtete. Weiter vereinbarten die Parteien, dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben würden.
6Anschließend hat die Beklagte beantragt, die Kosten für die Vorbereitung der gerichtlich angeordneten Ortstermine mit dem Sachverständigen auf insgesamt 2.393,37 € festzusetzen (vgl. Bl. 826 d.A.), denn Kosten zur Vorbereitung von Ortsterminen seien bei der Kostenausgleichung zu berücksichtigen.
7Die Rechtspflegerin hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass nur die Gerichtskosten ausgeglichen werden könnten, und anschließend angeordnet, dass von der Klägerin aufgrund des geschlossenen Vergleichs insgesamt 14.152,52 € an Gerichtskosten an die Beklagte zu erstatten seien.
8Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie die Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses dahingehend begehrt, dass insgesamt 15.349,21 €, mithin weitere 1.196,69 €, zu erstatten seien. Zur Begründung führt sie aus, dass Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur gerichtlich angeordneten Begutachtung getätigt habe, zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits zählten. Bei den von der Beklagten angemeldeten (weiteren) Kosten von 2.393,37 € handele es sich um Werklöhne, welche für Handwerksleistungen gezahlt worden seien, die zur Vorbereitung der gerichtlich angeordneten Ortstermine mit den Sachverständigen notwendig gewesen seien. Dies begründet sie mit weitergehenden Einzelheiten. Den Sachverständigen hätte freigestanden, die Handwerker jeweils selbst zu beauftragen und die entsprechenden Kosten abzurechnen. Diese wären sodann festgesetzt worden.
9Die Klägerin meint demgegenüber, nach der vereinbarten Kostenaufhebung trage jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst und die Gerichtskosten zur Hälfte. Da es sich bei den von der Gegenseite angemeldeten Kosten um Parteikosten, also um außergerichtliche Kosten handele, habe sie diese selbst zu tragen. Die sofortige Beschwerde sei daher zurückzuweisen.
10Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Es sei unstreitig, dass es sich bei den angemeldeten Kosten um notwendige Kosten des Rechtstreits handele. Es sei jedoch zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu unterscheiden. Auslagen der Partei zur Vorbereitung der Ortstermine seien außergerichtliche Parteikosten, die laut Kostenentscheidung jede Partei selbst zu tragen habe. Gerichtliche Kosten seien nur z.B. Gerichtsgebühren und die Vergütung von Zeugen oder Sachverständigen.
11Der Senat hat den Klägervertreter darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde der Beklagten begründet sein dürfte, weil die notwendigen Kosten i.S.d. § 91 I ZPO auch Kosten umfassten, die dem Kostengläubiger für die Vorbereitung einer durch das Gericht angeordneten Beweisaufnahme entstanden seien. Der rein formalistische Ansatz, der allein darauf abstelle, in wessen Auftrag die Kosten entstanden seien, erscheine bedenklich. Wegen der Einzelheiten der Senatshinweise wird auf Bl. 879, 883/884 d.A. verwiesen.
12Die Klägerin hat demgegenüber an ihrer bisherigen Rechtauffassung festgehalten, weil es sich bei den geltend gemachten Kosten gerade nicht um Gerichts-, sondern um – aufgrund der geltenden Kostenregelung nicht zu erstattende – Parteikosten handele. Der formalistische Ansatz sei überzeugend, weil er eine eindeutige Zuordnung der Kosten ermögliche und auch keine unbillige Hürde setze, insbesondere wenn die Kostenentscheidung – wie vorliegend – auf einer Vereinbarung der Parteien beruhe.
13II.
14Die nach §§ 104 III 1, 567 I Nr. 1, 567 II, 569 I ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlich Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
151.
16Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin handelt es sich bei den von der Beklagten unter dem 06.12.2017 angemeldeten Kosten zur Vor-/Nachbereitung der Ortstermine im Rahmen der gerichtlich angeordneten Begutachtung – zumindest in Höhe von 2.300,93 € – um notwendige Kosten des Rechtsstreits, die aufgrund der vergleichsweise getroffenen Kostenregelung der Parteien von diesen jeweils zur Hälfte zu tragen sind.
17Zwar handelt es sich bei diesen Kosten – rein formal gesehen – nicht um Gerichtskosten, sondern um Kosten, die allein von einer Partei für den Rechtsstreit verauslagt worden sind. Dennoch sind diese – auch bei vereinbarter Kostenaufhebung – von den Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen.
18Wie der Senat bereits in seinem Hinweis vom 08.05.2018 im Einzelnen ausgeführt hat, hält er den rein formalen Ansatz, den auch das OLG Koblenz vertritt (MDR 2004, 1025 juris-Rn 5), zwar für nachvollziehbar, aber in der Sache nicht für überzeugend. Nicht nur würden die bereits dargestellten Fälle kostentechnisch unterschiedlich behandelt, ohne dass es hierfür einen triftigen Grund gäbe:
19 Der Sachverständige beauftragt – ggf. auf Weisung des Gerichts nach § 404a ZPO, wobei deren Zulässigkeit auch streitig ist (vgl. Seggewiße/Weber, Bauteilöffnung durch gerichtlich bestellte Sachverständige, MDR 2017, 679 (679/680) m.w.N.) – selbst Hilfskräfte zur Vornahme der Bauteilöffnungen etc.;
20Der Sachverständige nimmt eine Bauteilöffnung selbst vor, beauftragt aber – ggf. weisungsgemäß – Hilfskräfte mit der Beseitigung des dadurch entstandenen Schadens;
21Der Sachverständige gibt der beweisbelasteten Partei – wie vorliegend – ausdrücklich entsprechende Maßnahmen zur Vor-/Nachbereitung der Begutachtung auf.
22Es bestünde auch die Gefahr einer – sachlich ebenfalls nicht gerechtfertigten – Ungleichbehandlung von Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Parteien die Kostenverteilung vergleichsweise regeln und insoweit, wie die Klägerin selbst anführt, ein „entsprechender Gestaltungspielraum“ besteht, und solchen, in denen das Gericht die Kostenverteilung regelt, ihm aber in aller Regel solche Kosten wie die Verfahrensgegenständlichen nicht bekannt sind. Insofern ist auch zu beachten, dass nicht ersichtlich und auch von keiner der Parteien vorgetragen ist, dass die Kosten, die zur Vor-/Nachbereitung der gerichtlich angeordneten Begutachtung erforderlich waren, Gegenstand der Vergleichsverhandlungen waren und die Parteien insoweit konkret die Kostenverteilung so vereinbart hätten, dass diese Kosten ausschließlich von der Beklagten hätten zu tragen sein sollen.
23Der Senat schließt sich daher der Auffassung an, dass Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung einer gerichtlich angeordneten Begutachtung hatte, zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits zählen und damit erstattungsfähig sind, wenn diese Leistungen anderenfalls von Hilfskräften des Sachverständigen hätten erbracht werden müssen. Denn wären die zur Vor- und Nachbereitung einer gerichtlichen Begutachtung nötigen Arbeiten nicht von einer Prozesspartei beauftragt worden, hätte sie der gerichtliche Sachverständige durch von ihm eingeschaltete Hilfskräfte zwar nicht ausführen lassen müssen, aber immerhin können. Hierdurch wären Kosten in Höhe der üblichen Vergütung für derartige Werkleistungen entstanden, die sodann gemäß § 12 II JVEG in Verbindung mit Ziff. 9005 KV GKG im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen gewesen wären. Auch dann hätten letztlich die Parteien, die im vorliegenden Fall die Gerichtskosten jeweils zur Hälfe zu tragen haben, diesen Aufwand tragen müssen, entweder schon durch ihre Vorauszahlungen auf die gerichtlichen Auslagen oder im Wege der Kostenerstattung, wenn der Prozessgegner vorschusspflichtig war (vgl. OLG Dresden IBR 2015, 648 juris-Rn 6; KG RVGReport 2007, 112 juris-Rn 2).
242.
25Als insoweit notwendige und damit erstattungsfähige Kosten war jedoch nur ein Gesamtbetrag in Höhe von 2.300,93 € zu berücksichtigen. Anhand der vorliegenden Akte war ein Ortstermin vom 05.03.2015, auf den sich die Rechnung des Dachdeckermeisters C vom 11.05.2015 über 92,44 € netto beziehen soll, nicht festzustellen. Das vorliegende Verfahren hat nach übereinstimmendem Antrag der Parteien vom 21.08.2013 bis 10.01.2017 wegen schwebender Vergleichsverhandlungen geruht.
26Im Übrigen ist die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten in der Sache nicht bestritten und auch anhand der eindeutigen Anordnungen des Sachverständigen vor den jeweiligen Ortsterminen ohne Weiteres nachvollziehbar.
27Insgesamt war der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss daher auf die sofortige Beschwerde der Beklagten dahingehend abzuändern, dass die Klägerin ihr aufgrund des geschlossenen Vergleichs insgesamt 15.302,99 €, mithin weitere 1.150,47 € zu erstatten hat.
28III.
29Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 I, 92 II Nr. 1 ZPO und Ziff. 1812 KV GKG.
30Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.