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Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. August 2017 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen (6 O 165/17) wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund dieses Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der von ihm betriebenen Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin nimmt den Beklagten in erster Linie auf Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaftsurkunde sowie hilfsweise auf Abgabe der Erklärung in Anspruch, aus der Gewährleistungsbürgschaft keine Rechte mehr geltend zu machen und auf diese Rechte insgesamt zu verzichten. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
4Das Landgericht hat den Beklagten zur Abgabe der Erklärung gegenüber der Klägerin und der Bürgin verurteilt, daß Rechte aus der Gewährleistungsbürgschaft in Höhe eines Betrages von 22.740,68 € nicht (mehr) geltend gemacht werden und auf die Rechte aus dieser Bürgschaft insoweit ausdrücklich verzichtet wird. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.
5Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der gesamten Bürgschaft – insbesondere aus §§ 631 BGB, 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B in Verbindung mit §§ 398, 401, 765 BGB – bestehe unabhängig davon, ob der Rückgabezeitpunkt für die Sicherheit schon abgelaufen oder aber durch die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens (6 OH 26/16 LG Essen) hinausgeschoben worden sei, schon deshalb nicht, weil jedenfalls die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B greife. Denn der Beklagte habe durch die vor dem vereinbarten Zeitpunkt zur Rückgabe der Bürgschaft erfolgte Einleitung des Beweissicherungsverfahrens seine Ansprüche im Sinne des § 17 Abs. 8 Nr. 2 S. 2 VOB/B „geltend gemacht“ und sei deshalb in Höhe des von ihm verfolgten Sicherungsinteresses von 30.000 € zum Einbehalt der Bürgschaft berechtigt. Da die Bürgschaft allerdings über einen Gesamtbetrag von 52.740,68 € ausgestellt sei, der das Sicherungsinteresse übersteige, sei der auf Abgabe einer Verzichtserklärung gerichtete Hilfsantrag teilweise – in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang – begründet.
6Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, die mit der Berufungsbegründung ihr erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vollumfänglich weiterverfolgt und darüber hinaus „vorsorglich und hilfsweise“ (sinngemäß) beantragt, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des ihm zugrundeliegenden Verfahrens an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, im Grundsatz einen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde zu haben, weil „das Beweissicherungsverfahren“ nicht dazu führe, „daß die Gewährleistungsfrist nicht abgelaufen“ sei. Soweit „gegebenenfalls ... die Beklagte hinsichtlich einzelner konkreter Mängel ... die Herausgabe der Bürgschaft zunächst verweigern“ könne, sei das im vorliegenden Verfahren allerdings nicht der Fall. Denn der Beweisbeschluß im Beweissicherungsverfahren sei mangels hinreichender Konkretisierung etwaiger Mängel in unzulässiger Weise ergangen. Der Beklagte habe im Beweissicherungsverfahren überdies selbst eingeräumt, „daß die Schäden durch einen Sturmschaden entstanden“ seien, und mutmaße lediglich, „daß Ursache für den Sturmschaden sein könnte, daß die Leistung der Klägerin mangelhaft ausgeführt“ worden sei. Das Landgericht habe insoweit rechtsfehlerhaft eine eigenständige Beweisaufnahme unterlassen. Außerdem könne man „nicht eine Behauptung aus einem Beweissicherungsverfahren als Tatsache zugrundelegen und darauf eine Entscheidung stützen“.
7Nachdem der Senat mit Beschluß vom 16. Januar 2018 darauf hingewiesen hat, daß er beabsichtige, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Senatsbeschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Februar 2018 „vorsorglich und hilfsweise unter Berücksichtigung der Hinweise des Senats“ (sinngemäß) beantragt,
8den Beklagten zu verurteilen, gegenüber der Klägerin und der Bürgin zu erklären, daß Rechte aus der Gewährleistungsbürgschaft der W AG Nr. #####/#### in Höhe eines über den bereits ausgeurteilten Betrag von 22.740,68 € hinaus (-gehenden Betrages) von weiteren 20.000 € nicht (mehr) geltend gemacht werden und auf die Rechte aus dieser Bürgschaft insoweit ausdrücklich verzichtet wird.
9Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
11II.
12Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluß des Senats zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, daß (erstens) die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, (zweitens) die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, (drittens) die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und (viertens) eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
13Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die im Hinweisbeschluߠ des Senats vom 16. Januar 2018 angeführten Gründe, an denen der Senat auch in Ansehung des Vorbringens in den Schriftsätzen vom 18. Januar und vom 15. Februar 2018 nach nochmaliger, eingehender Beratung festhält, Bezug genommen. Insbesondere bleibt der Senat bei seiner bereits ausführlich dargelegten Auffassung, daß der im Sinne des § 17 Abs. 8 Nr. 2 S. 1 VOB/B vereinbarte Rückgabezeitpunkt noch nicht eingetreten ist.
14Für die gegenteilige Auffassung der Klägerin lassen sich auch und gerade den im Schriftsatz vom 15. Februar 2018 in Bezug genommenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Oldenburg (BauR 2004, 1464) und des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 1993 (BGHZ 121, 168) keine stichhaltigen Argumente entnehmen. Dies gilt umso mehr, als der Bundesgerichtshof die vom erkennenden Senat im Hinweisbeschluß dargelegte Auffassung bestätigt, daß Hemmungen der Verjährungsfrist für Mängelansprüche zu einer entsprechenden Verlängerung der vertraglich vereinbarten Sicherstellung führen (vgl. BGHZ, 121, 168, Tz 15 mwN [juris]). Überdies lagen diesen beiden Entscheidungen auch mit dem vorliegend zu beurteilenden Fall nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde. Es geht im hier zu entscheidenden Fall – anders als bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg – nicht um eine exakt fristgebunden zur Verfügung gestellte „zweckgebundene Garantiesumme für 60 Monate und 14 Tage nach Abnahme“, sondern um eine Bürgschaft, deren Rückgabe vereinbarungsgemäß ausdrücklich „erst nach Ablauf der vereinbarten Verjährungsfrist für Mängelansprüche“ erfolgen sollte (vgl. Anlage K 1 unter § 16 Ziffer 16.2). Außerdem geht es auch weder um die Frage, ob nach dem – hier noch gar nicht erfolgten – Eintritt des vereinbarten Rückgabezeitpunktes eine bloße Streitverkündung ein konkretes Beseitigungsverlangen zu ersetzen vermag, noch um die Frage, ob eine Sicherheit herauszugeben ist, wenn die der Sicherheitsvereinbarung zugrunde liegenden Gewährleistungsansprüche zwar verjährt sind, aber die den geltend gemachten Ansprüchen zugrunde liegenden Mängel in unverjährter Zeit gerügt wurden.
15Das Vorbringen der Klägerin zur etwaigen Erfüllung der „Voraussetzungen des § 17 Ziffer 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B“ unter Ziffer II. des Schriftsatzes vom 15. Februar 2018 (dort S. 2 bis 4) ist unter Berücksichtigung der vorstehenden Prämissen daher nicht entscheidungserheblich.
16III.
17Auch der erstmals zweitinstanzlich – erst nach dem Hinweisbeschluß des Senats mit Schriftsatz vom 15. Februar 2018 „vorsorglich und hilfsweise“ gestellte – Antrag des Klägers führt nicht zum Erfolg des Berufungsbegehrens.
18Es entspricht gefestigter Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß mit einem gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ergehenden Beschluß des Berufungsgerichts sowohl eine zweitinstanzlich erfolgte Klageänderung als auch ein zweitinstanzlicher Hilfsantrag in entsprechender Anwendung von § 524 Abs. 4 ZPO hinfällig und wirkungslos werden (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – III ZR 403/12, BGHZ 198, 315, Tz 8 ff. sowie BGH, Beschluß vom 6. November 2014 – IX ZR 204/13, MDR 2015, 49, Tz 2 und BGH, Urteil vom 3. November 2016 – III ZR 84/15, MDR 2017, 50, Tz 14 ff., jeweils mwN). Insbesondere liegt nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dieserhalb kein Fall vor, in dem etwa eine mündliche Verhandlung geboten wäre. Denn ein etwaiger Erkenntniszuwachs durch eine mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz muß sich stets auf den ursprünglichen Streitstoff beziehen. Dem Anliegen des Gesetzgebers, offensichtlich aussichtslose Berufungen im Beschlußwege zurückzuweisen, würde nicht Rechnung getragen, wenn ein Berufungskläger mit einer Erweiterung oder Änderung seiner Klage eine mündliche Verhandlung erzwingen könnte, obwohl die Berufung – wie auch im vorliegend zu beurteilenden Fall - in bezug auf die erstinstanzliche Beschwer des Berufungsklägers keine Erfolgsaussichten bietet (BGH, Urteil vom 3. November 2016 – III ZR 84/15, MDR 2017, 50, Tz 16 mwN).
19III.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 S. 2, 711 ZPO.
21Hamm, 22.02.2018
2221. Zivilsenat
23In dem Zurückweisungsbeschluss vom 22.02.2018 wird Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss vom 16.01.2018.