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Ein Anerkenntnisurteil gem. § 307 ZPO kann auch dann ergehen, wenn der Kläger den Berufungsantrag des Beklagten anerkennt (Anschluss an: OLG Stuttgart, NJOZ 2002, 1743, 1744; OLG Frankfurt/M., BeckRS 2017, 120905).
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5.6.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Hagen (9 O 293/12) infolge des Anerkenntnisses der Klägerin gem. § 307 ZPO abgeändert, soweit das am 20.11.2012 verkündete Urkundenvorbehaltsurteil hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Zinsen auf den Betrag von 150.000 € seit dem 1.1.2010 über den 27.7.2012 hinaus aufrecht erhalten und für vorbehaltlos erklärt worden ist.
Bezüglich der Zinsforderung für den Zeitraum nach dem 27.7.2012 wird die Klage abgewiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2I.
3Im Zuge der Umnutzung eines ehemaligen Fabrikgebäudes in M, in dem ein Alten- und Pflegeheim entstehen sollte, beauftragte der Beklagte mit Vertrag vom 15.10.2007 die Klägerin als Generalübernehmerin mit der Ausführung von Bauleistungen. Vor dem Hintergrund von Meinungsverschiedenheiten der Parteien wurde am 17.11.2009 eine Vereinbarung getroffen, in der insbesondere Höhe und Termine weiterer Zahlungen des Beklagten bestimmt waren. Nachdem der Beklagte unter dem 11.6.2010 die Kündigung des Generalübernehmervertrags erklärt hatte, hat die Klägerin ihn auf Grundlage der genannten Vereinbarung im Wege des Urkundenprozesses auf Zahlung von 150.000 € nebst 6% Zinsen seit dem 1.1.2010 in Anspruch genommen.
4Diese Forderung einschließlich der Nebenforderung hat ihr das Landgericht mit am 20.11.2012 verkündetem Urkundenvorbehaltsurteil zugesprochen und dem Beklagten, der u.a. ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln der Werkleistung geltend gemacht hat, die Ausübung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten (Bl. 282-286). Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat der Senat mit rechtskräftigem Urteil vom 5.9.2013 zurückgewiesen (Bl. 363-370).
5Im Nachverfahren hat die Klägerin beantragt, das Vorbehaltsurteil aufrecht zu erhalten. Der Beklagte hat beantragt, das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens sowie der gestellten Anträge im ersten Rechtszug wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.
6Das Landgericht Hagen hat Beweis zu den vom Beklagten behaupteten Mängeln der streitgegenständlichen Werkleistung durch Verwertung von in einem Parallelverfahren vor derselben Kammer (9 O 385/10) eingeholten Sachverständigengutachten erhoben. Daraufhin hat es mit dem am 5.6.2018 verkündeten Endurteil (9 O 293/12) das am 20.11.2012 verkündete Urkundenvorbehaltsurteil teilweise für vorbehaltlos erklärt und im Übrigen derart abgeändert, dass der Beklagte zur Zahlung von 150.000 € nebst 6% Zinsen seit dem 1.1.2010 verurteilt geblieben ist, jedoch nur Zug um Zug gegen Durchführung der Mangelbeseitigung in Form der Errichtung einer geeigneten Lüftungsanlage auf dem Dach des Gebäudes A und fachgerechter Isolierung der Sockelbereiche der Gebäude A und B.
7Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Kammer ausgeführt, dass zwar die klägerische Werklohnforderung bestehe, dem Beklagten jedoch wegen der im Parallelverfahren 9 O 385/10 sachverständig festgestellten Mängel gem. § 641 III BGB a.F. ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des Dreifachen der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten zustehe. Weil die Kosten der Mangelbeseitigung auf 213.441,06 € zu schätzen seien, belaufe sich das Zurückbehaltungsrecht auf 640.323,18 € brutto, so dass die Klägerin Zahlung des Betrags von 150.000 € nur Zug um Zug gegen Beseitigung der Mängel verlangen könne.
8Gegen die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen nach dem 27.7.2012 wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Zu deren Begründung führt er an (Bl. 570-573), die der Klägerin zugesprochene Zinsforderung sei wegen des bestehenden Zurückbehaltungsrechts, das er jedenfalls mit seinen Schiftsätzen vom 27.7. und 21.9.2012 ausgeübt habe, unbegründet. Er habe nicht in Verzug geraten können, so dass auch die Verzinsung gem. Ziff. 4 der Vereinbarung der Parteien vom 17.11.2009 (Anl. A10) nicht geschuldet sein könne, da anderenfalls das Zurückbehaltungsrecht entwertet würde. Außerdem müsse zwingend berücksichtigt werden, dass auf das Vorbehaltsurteil bereits am 3.5.2013 Beträge von 150.000 € Hauptforderung sowie 12.926,53 € Zinsen geleistet worden seien.
9Der Beklagte beantragt,
10unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hagen vom 5.6.2018 mit dem Geschäftszeichen 9 O 293/12 die Klage abzuweisen, soweit sie eine Verzinsung auf den Betrag von 150.000 € nach dem 27.7.2012 vorsieht.
11Die Klägerin erkennt den Berufungsantrag des Beklagten an.
12Sie meint, sie habe keinen Anlass für das Berufungsverfahren gegeben, so dass eine Kostenentscheidung entsprechend § 93 ZPO zu treffen sei.
13II.
14Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Die abändernde Entscheidung erfolgt bereits aufgrund des entsprechenden Anerkenntnisses des Beklagten gem. § 307 ZPO.
151.
16Zwar wird in der Literatur vertreten, der in der Vorinstanz erfolgreiche Kläger und Rechtsmittelbeklagte könne den Rechtsmittelantrag des Beklagten nicht anerkennen, weil nur der Beklagte den Anspruch des Klägers anerkennen könne, nicht aber der Kläger den (Rechtsmittel-) Antrag des Beklagten und Rechtsmittelklägers, so dass dessen Anerkenntnis regelmäßig als Verzichtserklärung im Sinne von § 306 ZPO zu verstehen sei (Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 307 Rn. 12; BeckOK/Elzner, ZPO, Stand: 1.7.2018, § 307 Rn. 11).
172.
18Der Senat hält diese Auffassung indes für nicht überzeugend, weil sowohl der Wortlaut des § 307 ZPO, wonach nicht nur der Beklagte, sondern jede Partei einen Anspruch anerkennen kann, als auch die Interessenlagen der Parteien gegen die Notwendigkeit einer Umdeutung und für die Anwendung des § 307 ZPO auch auf das Anerkenntnis des Berufungsbegehrens des Beklagten durch den Kläger sprechen (OLG Frankfurt a. M. Urteil v. 8.8.2017, Az. 16 U 47/17, BeckRS 2017, 120905 [Rz. 17]; OLG Stuttgart, NJOZ 2002, 1743, 1744).
19Zwar kann gem. § 555 III ZPO in der Revisionsinstanz nur der Kläger den für eine Entscheidung durch Anerkenntnisurteil erforderlichen Antrag stellen, jedoch lässt dies keine Rückschlüsse auf die Bedeutung von § 307 ZPO im Fall eines Anerkenntnisses des Klägers in der Berufungsinstanz zu, weil nur in der Revisionsinstanz überhaupt noch ein Antrag erforderlich ist, damit nicht Grundsatzentscheidungen des BGH durch ein Anerkenntnis verhindert werden können (Zöller/Heßler, a.a.O., § 555 Rn. 8). Sinn und Zweck der Norm sprechen dafür, in einem solchen Fall durch Anerkenntnisurteil gem. § 307 ZPO zu entscheiden, denn aus der Dispositionsmaxime der Parteien folgt, dass – soweit diese reicht – in jeder Lage des Verfahrens die Möglichkeit bestehen muss, dieses durch Anerkenntnisurteil unmittelbar zu beenden. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, der zur Verfahrensbeschleunigung und -erleichterung die Voraussetzungen zum Erlass eines Anerkenntnisurteils durch Abschaffung des Antragserfordernisses und den generellen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zunehmend erleichtert hat (BGH NJW-RR 2013, 1333, 1334). Gegenstand des Anerkenntnisses ist dabei der prozessuale Anspruch, wobei es sich nicht unbedingt um ein Leistungsbegehren im Sinne des § 241 BGB handeln muss. Vielmehr kann prinzipiell jede begehrte Rechtsfolge anerkannt werden (OLG Hamm, NJW-RR 1995, 1073).
20Vor diesem Hintergrund ist nicht einzusehen, warum nicht der Kläger den auf Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung gerichteten prozessualen Anspruch des Beklagten soll anerkennen können. Eine Umdeutung in eine Verzichtserklärung würde die Anwendbarkeit von § 93 ZPO bereits grundsätzlich ausschließen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich machen, während durch § 307 ZPO eine sofortige Entscheidung im schriftlichen Verfahren ermöglicht wird.
21Die anwaltlich vertretene Klägerin hat ausdrücklich erklärt, den Berufungsantrag der Beklagten anzuerkennen und vor diesem Hintergrund eine Kostenentscheidung entsprechend § 93 ZPO gefordert. Ihr prozessuales Begehren ist insoweit unmissverständlich.
22III.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 708 Nr. 1 ZPO.
241.
25Eine Kostenentscheidung gem. § 93 ZPO analog ist nicht geboten, denn das mit der Berufung angefochtene erstinstanzliche Urteil beruht auf dem entsprechenden Klageantrag. Die Klägerin hat in den mündlichen Verhandlungen vom 6.5.2014 (Bl. 434) und 27.3.2018 (Bl. 545) jeweils uneingeschränkt beantragt, das Vorbehaltsurteil aufrecht zu erhalten. Indem sie es versäumt hat, ihren Antrag auf Verurteilung Zug-um-Zug umzustellen, hat die Klägerin zur antragsgemäßen Entscheidung der Kammer und damit zur Berufungseinlegung Anlass gegeben (vgl. OLG Frankfurt/ M., a.a.O.). Dass die Klägerin der Beklagten gegenüber erklärt hätte, ihren titulierten Anspruch hinsichtlich der Zinsen freiwillig preiszugeben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., S. 1745).
262.
27Allerdings sind die Voraussetzungen für die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren gem. § 21 I GKG erfüllt, denn die Entscheidung des Landgerichts über die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen beruht auf einer eindeutigen und offensichtlichen Verkennung des materiellen Rechts (vgl. Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl., § 21 Rn. 5).
283.
29Die Revision ist nicht gemäß § 543 II S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
30Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 65.000 EUR festgesetzt
31(6% Zinsen p.a. für 6 Jahre und 3,5 Monate seit 27.7.2012 56.625 €).