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Der Ausgleichswert betrieblicher Anrechte, deren maßgebliche Bezugsgröße ein Rentenanrecht ist, darf zum Versorgungsträger auf Basis eines Kapitalwerts berechnet werden (entgegen BGH, Beschl. v. 27.06.2018 - XII ZB 499/17).
Zur hier ausnahmsweise unterbliebenen näheren Überprüfung von Kosten interner Teilung.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Borken vom 14. Juni 2018 in seinem Ausspruch zum Versorgungsausgleich unter 2., 4. Absatz, betreffend die interne Teilung des Anrechts des Antragstellers bei dem C Verband, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Z GmbH & Co. KG in E für die Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe eines Kapitalwerts von 378.908,25 €, bezogen auf den 31. Dezember 2017, nach Maßgabe der Leistungsordnung des C Verbandes in der Fassung vom 1.1.2016 und der Teilungsrichtlinie des C Verbandes in der Fassung vom 1.9.2009 bei der Z GmbH & Co. KG in E begründet. Im Übrigen bleibt der Wertausgleich nach der Scheidung vorbehalten.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten werden zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.325,- € festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Gründe:
2I
3Mit Beschluss vom 14. Juni 2018 hat das Familiengericht die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Es hat gesetzliche, betriebliche und private Anrechte der Ehegatten geteilt; zwei private Anrechte hat es gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG vom Wertausgleich ausgenommen. Unter anderem hat das Familiengericht ein Anrecht des Antragstellers auf eine betriebliche Rentenzusage bei der Z GmbH & Co. KG in E, das vom „C Verband“ beauskunftet worden war und sich nach seiner Leistungsordnung richtet, intern mit einem Kapitalwert von 31.162,94 € bei dem C Verband geteilt. Für die Erteilung der Auskunft hat der C Verband seinerseits auf eine - zeitratierliche - Berechnung durch die "N Deutschland GmbH" zurückgegriffen. Im Nachgang zu der Entscheidung hat der C Verband eine neue Auskunft zur Akte gereicht, wonach der Ehezeitanteil des Anrechts als Kapitalbetrag nicht 63.275,- €, sondern 759.304,- € beträgt, der Ausgleichswert nicht 31.162,94 €, sondern 378.908,25 € beträgt (Ausgleichswerte nach Abzug von Teilungskosten). Auf Rentenbasis beträgt der hälftige Ehezeitanteil der jährlichen Altersrente 21.759,67 €. Für die Antragsgegnerin ist der Ausgleichswert unter Beschränkung auf eine reine Altersrente mit jährlich 24.500,07 € berechnet worden. Daraufhin hat die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, die auf die Teilung des Anrechts des Antragstellers bei dem C Verband beschärnkt worden ist. Der C Verband hat eine Korrektur der Entscheidung angeregt, weil nicht er, sondern die Z GmbH & Co. KG in E Versorgungsträger sei. Der Senat hat angekündigt, der Beschwerde stattgeben zu wollen, soweit – was der C Verband im Nachgang bestätigt hat – bei der Umrechnung geschlechtsneutrale Barwertfaktoren verwendet worden sind. Dem hat keiner der Beteiligten widersprochen.
4II
5Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. Es handelt sich um eine zulässige Teilanfechtung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Diese bezieht sich nur auf den isolierten Teilungsvorgang betreffend das Anrecht des Antragstellers bei der Z GmbH & Co. KG in E, da zwischen diesem Teilungsvorgang und den übrigen Teilungsvorgängen kein verbindender Zusammenhang besteht (vgl. BGH FamRZ 2016, 794 Rn. 7 und FamRZ 2016, 781 Rn. 11).
6Die Beschwerde ist auch begründet.
71. Das Anrecht des Antragstellers war nicht nur bei der Z GmbH & Co. KG als dem richtigen Versorgungsträger intern zu teilen, sondern auch mit dem vom C Verband im Nachgang mitgeteilten, deutlich höheren Ausgleichswert, gegen dessen Richtigkeit weder Einwände erhoben worden noch erkennbar geworden sind (zur Teilung eines Anrechts auf eine Pensionszusage "analog C Verband" vgl. schon OLG Hamm, FamRZ 2013, 1305). Die zeitratierliche Berechnung des Anrechts, die gegenüber der unmittelbaren Berechnung grundsätzlich nachrangig ist (§ 45 Abs. 2 VersAusglG) war im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb geboten, weil der Anrechtserwerb ungleichmäßig erfolgt (Erwerb des vollen Anspruchs nach 25 Jahren; Sockelbetrag von 30% innerhalb der ersten fünf Jahre, danach in den nächsten 10 Jahren jährlicher Zuwachs in Höhe von 5%, in den abschließenden 10 Jahren in Höhe von je 2%; § 3 Abs. 4 der Leistungsordnung des C Verbandes) und es sich zudem um ein endgehaltsbezogenes Anrecht handelt (vgl. BGH FamRZ 2018, 894, Rn. 15). Offensichtlich ist in der ersten Auskunft versehentlich die unverfallbare Monatsrente mit der unverfallbaren Jahresrente gleichgesetzt worden. Nach der erteilten Auskunft des C Verbandes wird das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person unter den gleichen Rechnungsgrundlagen wie bei der Berechnung des Ausgleichswertes als Kapitalwert berechnet, und zwar mit geschlechtsneutralen Barwertfaktoren (dazu vgl. BGH FamRZ 2017, 873). Die Berechnung erfolgt nach § 6 Abs. 3 der Leistungsordnung des C Verbandes auch auf das Ehezeitende. Danach erscheint eine Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an der Wertentwicklung seit dem Ehezeitende gewährleistet. Es bleibt allerdings im Hinblick darauf, dass es sich nach der Auskunft um ein endgehaltsbezogenes Anrecht handelt, welches nach der Rechtsprechung des BGH noch der Höhe nach verfallbar und damit nicht ausgleichsreif im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist und dessen Wertsteigerung, soweit sie nach dem Ehezeitende erfolgt, nach Ansicht des BGH ebenfalls auszugleichen ist (BGH FamRZ 2018, 894), insoweit der Wertausgleich nach der Scheidung vorbehalten. Der Senat hat dies, auch wenn es sich aus § 224 FamFG nicht zwingend ergibt, deklaratorisch im Tenor festgehalten (vgl. Zöller/Lorenz, 32. Aufl., § 224 FamFG Rn. 19).
82. Der Senat verkennt allerdings nicht, dass er sich mit der internen Teilung auf Basis eines Kapitalwerts in Widerspruch zu einer jüngst ergangenen Entscheidung des BGH setzt. Der BGH hat mit Beschluss vom 27. Juni 2018 (XII ZB 499/17) ausgeführt, Anrechte seien stets in der für das Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße zu teilen. Im vom BGH entschiedenen Fall handelte es sich dabei, wie im vorliegenden Fall, um ein Rentenanrecht eines betrieblichen Versorgungsträgers. Der BGH ist – gegen die bislang ganz herrschende Meinung (neben den aaO in Rn. 8 zitierten Autoren z.B. auch Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl., § 45 VersAusglG Rn. 47; Wick, Versorgungsausgleich, 4. Aufl., S. 179; juris-PK/Breuers, § 45 VersAusglG Rn. 14; MünchKomm/Eichenhofer, 7. Aufl., § 45 VersAusglG Rn. 34) der Ansicht (aaO Rn. 13), eine Umrechnung des nach § 2 BetrAVG ermittelten Rentenbetrags in einen als Teilungsgegenstand maßgeblichen Kapitalwert, welcher anschließend nach voneinander abweichenden Faktoren in unterschiedliche Renten rückzurechnen sei, sähen weder das Gesetz noch die zu § 45 VersAusglG gegebene Begründung vor. Zur Begründung führt der BGH aus, dass andernfalls nicht die Notwendigkeit ausdrücklich hervorgehoben worden wäre, bei dem Ausgleich von nach § 2 BetrAVG zu berechnenden Rentenbeträgen zusätzlich einen korrespondierenden Kapitalwert zu ermitteln. Darin unterscheide sich die Bewertung einer Betriebsrente von derjenigen der – wegen § 45 Abs. 3 VersAusglG nicht an § 45 Abs. 1 und 2 VersAusglG gebundenen - Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes.
9Dieser Begründung kann der erkennende Senat nicht beitreten. Im Ergebnis würde danach jeder betriebliche Versorgungsträger, welcher eine Rentenzusage erteilt, im Versorgungsausgleich keinen Anspruch auf Kostenneutralität haben. Davon geht der BGH in der zitierten Entscheidung auch aus (aaO, Rn. 11). Das widerspricht nicht nur der eindeutigen Intention des Gesetzgebers, die auch in § 13 VersAusglG zum Ausdruck gekommen ist (vgl. BT-Drucks. 16/10144, S. 44), sondern sähe sich nach Ansicht des Senats auch möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die betrieblichen Versorgungsträger, die sich einem Versorgungsausgleich nicht entziehen können, haben nach Ansicht des Senats einen auch grundrechtlich (Art. 12, 14 GG) geschützten Anspruch auf Kostenneutralität, da es sich bei ihnen in aller Regel nicht um vom Staat vollständig beherrschte juristische Personen handelt (vgl. BVerfG, Urt. v. 7.11.2017 – 2 BvE 2/11, NVwZ 2018, 51ff., Rn. 270f.). Der erkennende Senat versteht auch den Gesetzgeber so, dass er in § 45 Abs. 1 VersAusglG den betrieblichen Versorgungsträgern ein Wahlrecht hinsichtlich der Bezugsgröße einräumen wollte, in der zu teilen ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/10144, S. 82): „Absatz I Satz 1 bestimmt, dass bei einem auszugleichenden Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes vom Wert des Anrechts entweder als Rentenbetrag nach § 2 BetrAVG (Höhe der unverfallbaren Anwartschaft) oder als Kapitalwert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG (Übertragungswert) auszugehen ist. Damit bleibt es dem betrieblichen Versorgungsträger überlassen, die Bezugsgröße für die interne oder externe Teilung zu bestimmen. . . .“. Diese Formulierung stützt die von der bislang ganz h.M. vertretene Ansicht. Weil auch nur so der Anspruch der betrieblichen Versorgungsträger auf Kostenneutralität gewahrt werden kann, erscheint diese Auslegung nach Ansicht des erkennenden Senats auch verfassungsrechtlich geboten.
103. Der Senat akzeptiert ausnahmsweise auch die hier angesetzten Teilungskosten von 1.487,50 € ohne eingehende Prüfung. Zwar sind Teilungskosten grundsätzlich nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2015, 913; FamRZ 2015, 916) zu überprüfen, wenn sie einen Betrag von 500 € überschreiten. Im vorliegenden Fall erscheint dies dem erkennenden Senat jedoch ausnahmsweise nicht geboten. Dies ist nicht allein dadurch bedingt, dass keiner der Beteiligten gegen die Höhe der Teilungskosten Einwände erhoben hat, wohl aber dadurch mitbedingt, dass diese im vorliegenden Fall nur knapp 0,20% des Wertes des zu teilenden Anrechts betragen und damit nur einen Bruchteil des vom Gesetzgeber für angemessen erachteten Korridors von 2-3% des Ehezeitanteils betragen (vgl. dazu auch Hauß, FamRB 2015, 243f.). Nach der erteilten Auskunft werden Teilungskosten in Höhe von 3% des Ehezeitanteils, jedoch mindestens 10% und höchstens 100% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV erhoben. Dass Kosten in dieser Höhe zur Deckung der durchschnittlichen Kosten der internen Teilung bei der Z GmbH & Co. KG berechtigt sind, schätzt der Senat unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Z GmbH & Co. KG sich für die Verwaltung der bei ihr bestehenden Anrechte der Hilfe des C Verbandes bedient, welcher seinerseits, wie der erteilten Auskunft zu entnehmen ist, für die Berechnung auf die Hilfe von Versicherungsmathematikern zurückgreift, als realistisch ein.
114. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 20, 50 FamGKG sowie aus § 150 FamFG. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG.
12Rechtsbehelfsbelehrung:
13Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Diese muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG (für Familienstreitsachen i.S.v. § 112 FamFG auf § 114 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 FamFG) Bezug genommen.
14Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.
15Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.